Landser im Weltkrieg 9 - H. Möllmann - E-Book

Landser im Weltkrieg 9 E-Book

H. Möllmann

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Beschreibung

Fesselnde Landser-Geschichten in Romanheft-Länge! Der vorliegende Band „Zu Lande und zu Wasser” berichtet aus zwei Perspektiven von der Schlacht um Narvik: Zunächst liefern sich die deutsche Kriegsmarine und die Royal Navy einen Wettlauf nach Narvik. Als deutsche Gebirgsjäger unter Generalmajor Eduard Dietl die norwegische Hafenstadt einnehmen können, kommt es zum Duell: Zu Lande sehen sich Dietls Männer einer vielfachen Übermacht alliierter Soldaten gegenüber. Bald schon greifen Polen, französische Fremdenlegionäre, Briten und Norweger die Stadt an. Zur gleichen Zeit attackiert auch die Royal Navy deutsche Zerstörer vor Narvik. In den engen Fjorden kommt es zu tödlichen Seegefechten … Lesen Sie vom erbitterten Ringen um die norwegische Hafenstadt zu Lande und zu Wasser … Über die Reihe „Landser im Weltkrieg“: „Landser im Weltkrieg“ erzählt fiktionale Geschichten vor historischem Hintergrund realer Schlachten und Ereignisse im Zweiten Weltkrieg. Im Zentrum stehen die Erlebnisse deutscher Landser fernab der großen Strategien am grünen Tisch.

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H. Möllmann

 

 

 

 

 

Landser im Weltkrieg 9

Zu Lande und zu Wasser – Deutsche Gebirgsjäger und Zerstörer der Marine im Kampf um Narvik

 

EK-2 Militär

 

 

Über die Reihe Landser im Weltkrieg

 

Jeder Band dieser Romanreihe erzählt eine fiktionale Geschichte, die vor dem Hintergrund realer Ereignisse und Schlachten im Zweiten Weltkrieg spielt. Im Zentrum der Geschichte steht das Schicksal deutscher Soldaten.

 

Wir lehnen Krieg und Gewalt ab. Kriege im Allgemeinen und der Zweite Weltkrieg im Besonderen haben unsägliches Leid über Millionen von Menschen gebracht.

 

Deutsche Soldaten beteiligten sich im Zweiten Weltkrieg an fürchterlichen Verbrechen. Deutsche Soldaten waren aber auch Opfer und Leittragende dieses Konfliktes. Längst nicht jeder ist als glühender Nationalsozialist und Anhänger des Hitler-Regimes in den Kampf gezogen – im Gegenteil hätten Millionen von Deutschen gerne auf die Entbehrungen, den Hunger, die Angst und die seelischen und körperlichen Wunden verzichtet. Sie wünschten sich ein »normales« Leben, einen zivilen Beruf, eine Familie, statt an den Kriegsfronten ums Überleben kämpfen zu müssen. Die Grenzerfahrung des Krieges war für die Erlebnisgeneration epochal und letztlich zog die Mehrheit ihre Motivation aus dem Glauben, durch ihren Einsatz Freunde, Familie und Heimat zu schützen.

 

Prof. Dr. Sönke Neitzel bescheinigt den deutschen Streitkräften in seinem Buch »Deutsche Krieger« einen bemerkenswerten Zusammenhalt, der bis zum Untergang 1945 weitgehend aufrechterhalten werden konnte. Anhänger des Regimes als auch politisch Indifferente und Gegner der NS-Politik wurden im Kampf zu Schicksalsgemeinschaften zusammengeschweißt. Genau diese Schicksalsgemeinschaften nimmt »Landser im Weltkrieg« in den Blick.

 

Bei den Romanen aus dieser Reihe handelt es sich um gut recherchierte Werke der Unterhaltungsliteratur, mit denen wir uns der Lebenswirklichkeit des Landsers an der Front annähern. Auf diese Weise gelingt es uns hoffentlich, die Weltkriegsgeneration besser zu verstehen und aus ihren Fehlern, aber auch aus ihrer Erfahrung zu lernen.

 

Nun wünschen wir Ihnen viel Lesevergnügen mit dem vorliegenden Werk.

Ihre Zufriedenheit ist unser Ziel!

 

Liebe Leser, liebe Leserinnen,

 

zunächst möchten wir uns herzlich bei Ihnen dafür bedanken, dass Sie dieses Buch erworben haben. Wir sind ein kleines Familienunternehmen aus Duisburg und freuen uns riesig über jeden einzelnen Verkauf!

 

Unser wichtigstes Anliegen ist es, Ihnen ein angenehmes Leseerlebnis zu bieten.

 

Damit uns dies gelingt, sind wir sehr an Ihrer Meinung interessiert. Haben Sie Anregungen für uns? Verbesserungsvorschläge? Kritik?

 

Schreiben Sie uns gerne: [email protected]

 

Nun wünschen wir Ihnen ein angenehmes Leseerlebnis!

 

Heiko und Jill von EK-2 Militär

 

Zu Lande und zu Wasser

 

Anfang April 1940. Ein sonniger Nachmittag breitet sich über einem Nordseehafen aus. An der Pier liegen mehrere Zerstörerdivisionen, im Hafenbecken auf der anderen Seite des Kais Überseedampfer und Kriegshilfsschiffe, die vor einer Ausreise stehen oder von ihr zurückgekommen sind. Der Rhythmus der Arbeit klingt von überall her, auch von den Zerstörern, deren schlanke, graue Leiber träge in dem schmutzig-gelben Wasser des Hafens liegen

»Es ist 16.30 Uhr, Herr Bootsmaat«, meldet auf einem der Boote der Läufer dem Bootsmannsmaaten der Wache. Der nimmt seine Pfeife aus dem Mund, geht durch alle Decks und pfeift den beliebtesten Befehl an Bord: »Ausscheiden mit Dienst, klar Deck überall!«

Die Backschafter eilen zur Kombüse und holen den Kaffee. Bei den Kuttergasten tauscht Werner Pollak noch schnell einige Zigaretten ein und holt dann aus seinem Spind den blauen Anzug hervor, um an Land zu gehen. Ein prüfender Blick in den Spiegel und über das Ausgehpäckchen, dann steigt er zum Bootsmaat der Wache, verfolgt von den Scherzrufen seiner Kameraden. Er empfängt seine Urlaubskarte, meldet sich von Bord und geht die Stelling hinunter zu den drei anderen Kameraden, die schon in einiger Entfernung auf ihn warten. Herzlich schütteln sie sich die Hände. Sie kennen sich seit langen Jahren aus ihrer Brandenburger Heimat. In einer Gefolgschaft der Marine-Hitler-Jugend haben sie gemeinsam Dienst getan und sind dort gute Freunde geworden.

Damals hatten sie schon den Entschluss gefasst, ihrer Wehrpflicht bei der Kriegsmarine zu genügen und sich dort als Freiwillige zu melden. Nach Jahren folgte diesem Entschluss die Tat, und nach der Ableistung ihrer Arbeitsdienstzeit wurden sie Flottenrekruten in einer Schiffsstammabteilung der Kriegsmarine.

Die Monate ihrer militärischen Allgemeinausbildung waren hart, sie bildeten aber die Grundlage ihres weiteren soldatischen Dienstes. Hatten die vier schon das Glück, gemeinsam in einer Schiffsstammabteilung dienen zu können, so waren sie noch freudiger überrascht, als sie auf verschiedene neu in Dienst zu stellende Zerstörer kommandiert wurden.

Als sich das politische Unwetter immer mehr zusammenzog, das letztlich im Krieg zwischen dem Deutschen Reich und Polen mündete, fuhren die vier schon auf verschiedenen Booten der Zerstörerdivisionen zur See und waren im Borddienst gewandt und erfahren. Der Ernst des Krieges war schon an sie herangetreten, als sie auf mehreren Feindfahrten im Handelskrieg oder beim Minenlegen an der englischen Küste mit ihren Einheiten an Unternehmungen beteiligt gewesen sind, bei denen es um den vollen Einsatz von Boot und Besatzung ging.

Alexander Fischer, der auf dem Führerboot des Führers der Zerstörer, Kapitän zur See und Kommodore Bonte, der Wilhelm Heidkamp, fährt, trägt voller Stolz aus seinem Überzieher das schwarz-weiß-rote Band des Eisernen Kreuzes II. Klasse, das ihm nach einer vom Kommodore geführten erfolgreichen Minenunternehmung gegen die englische Westküste verliehen worden ist. Jetzt stehen die vier zusammen und beratschlagen, was an diesem schönen Nachmittag anzufangen sei. Langsam schlendern sie an der Pier entlang, vorbei an den mächtigen Schiffen, die wie geduckt auf dem Sprunge liegen, um zum Vorstoß gegen den Feind auszuholen.

»Mensch, wie lange wir hier bloß noch herumgammeln!«, bricht Gunnar Abrecht das Schweigen, als sie sich von dem Deich noch einmal umwenden und im Schein der tiefstehenden Sonne, die tanzende Lichtflecke auf das breite Wasser des Flusses zaubert, die Zerstörer liegen sehen.

»Davon müssten wir hundert haben!«, antwortet Heinz Daschner.

»Lass nur, mit unseren paar Vögeln haben wir mehr gemacht als die Tommies, die davon den ganzen Stall voll haben!«

»Aber was soll denn jetzt werden?«, fragt wieder Gunnar Abrecht, der auf den letzten in Dienst gestellten Zerstörer kommandiert ist und bisher nur wenige Feindfahrten mitgemacht hat.

»Handelskrieg im Skagerrak ist nicht mehr viel los. Die sind lausig schlau geworden, seitdem wir bei mehreren Unternehmungen dort oben feindliche und neutrale Dampfer mit Bannware aufgebracht haben. Ich weiß es noch von meiner letzten Unternehmung, als wir zwei schwedische Frachtdampfer von 3.700 BRT und ein Motorschiff von 5.600 BRT aufgebracht hatten.

Ein dritter Bobby hatte uns von Weitem bemerkt und war in voller Fahrt in die schwedischen Hoheitsgewässer entwischt. Wir mussten außerhalb der Hoheitsgrenze bleiben und konnten deutlich sehen, wie die Leute auf dem müden Handelsdampfer an der Backbordreling hingen und zu uns herübergrinsten, weil sie uns entgangen waren.

Und mit den Minenunternehmungen ist es jetzt auch bald Essig, weil die Nächte zu kurz sind, als dass wir im Schutz der Dunkelheit bis zur englischen Küste verstoßen könnten, die Eier abwerfen und in der Nacht noch so weit von der Küste wegkommen, dass das Boot aus der größten Gefahrenzone heraus ist.«

Sie wissen untereinander, was der Einzelne für Unternehmungen gefahren hat, weil sie zum Teil in der gleichen Flottille mitgefahren oder bei anderen Gelegenheiten den Booten entgegengefahren sind, um sie nach einer Unternehmung in Empfang zu nehmen. Oft mussten sie auch mit flauem Gefühl im Magen zusehen, wenn der eine von ihnen mit seinem Boot ablegte und die Fahrt gegen England antrat, während für ihr eigenes Boot nichts anlag. Der Krieg war eben doch kein Abenteuer, wie sie alle zunächst geglaubt hatten. Die Tragik der Realität holte die Seeleute jedes Mal ein, wenn ein Schiff nicht zurückkehrte und die Marine Hunderte Tote und Vermisste zu beklagen hatte.

Selbstverständlich sprechen sie als gute Soldaten nie über die Einzelheiten ihrer Unternehmungen oder unterhalten sich gar mit Außenstehenden darüber. Wie oft schreiben die Eltern, Verwandte oder alte Wegbegleiter aus dem Standort der Marine-Hitler-Jugend an sie, was sie eigentlich auf den Zerstörern machen würden! Im ersten Kriegswinter haben in den Berichten des Oberkommandos der Wehrmacht fast ausschließlich die Taten der U-Bootwaffe Erwähnung gefunden, während keine Angaben über die Zerstörer und ihre Unternehmungen aus Gründen der Geheimhaltung erfolgt sind.

Aber jetzt sind sie doch etwas mutlos. Irgendwelche Aufgaben wird sich das Oberkommando schon ausdenken, wenn die Zerstörer im Augenblick für Handelskrieg und Minenunternehmungen nicht eingesetzt werden.

Sie freuen sich, wenn sie in einem Hafen liegen, keine Frage, aber wochenlang an der Pier festzuliegen und nur kleine Erprobungsfahrten in der Helgoländer Bucht zu machen, sorgt doch dafür, dass ihnen bald die Kajütendecke auf den Kopf fällt.

Werner Pollak wirft mit seinem unverwüstlichen Optimismus alle Bedenken beiseite: »Lasst es nur gut sein. Ich glaube, unsere große Stunde wird in diesem Krieg erst noch einmal schlagen!« Vor den Kumpanen musste er natürlich angeben, auch wenn sie alle im tiefsten Inneren neben der Sehnsucht nach Abenteuer bisweilen auch die Angst vor der Ungewissheit quälte – die Furcht vor dem Ertrinkungstod in der eiskalten Nordsee.

»Dass wir nur an der Pier liegen sollen und nicht voll eingesetzt werden, das glaube ich im Leben nicht. Wenn die Geschichte erst einmal richtig losgeht, dann werden wir uns vielleicht noch einmal umsehen, vielleicht sogar mit Wehmut an die ›Kampfzeit‹ an der Pier zurückdenken.«

Inzwischen sind die vier an der Zollwache vorbei in die Stadt gegangen. Ihr Plan ist fertig: in einem Lichtspieltheater wollen sie sich einen guten Film ansehen, anschließend zu einer Bierlänge in ein Kabarett steigen. Und was sich dann ergeben würde, könnte man früh genug sehen …

 

*

 

Als ein Tag wie alle anderen bricht der nächste Morgen mit seinem Ausbildungsdienst, dem Reinschiff, Arbeitsdienst und Unterricht an, und doch scheint eine besondere Unruhe in die Männer gefahren zu sein. Die Divisionsoffiziere der beiden seemännischen und der technischen Divisionen haben bekanntgegeben, dass am Nachmittag und auch über Sonntag Urlaubssperre herrsche.

»Es ist also etwas im Busch!«, meint Gunnar Abrecht zu einem Kameraden, mit dem er gerade an der Oberfeldwebelmesse an der achteren Hütte steht und Farbe aufträgt, und zitiert dabei ein geflügeltes Wort des Kommandanten, der mit dem Flottillenchef im Gespräch auf der Pier auf und ab geht. Abrecht dient auf dem Zerstörer Anton Schmitt.

Der Vormittag fließt ohne irgendwelche Zeichen besonderer Geschehnisse weg. Am Nachmittag kreuzen Uniformierte vom Sicherheitsdienst des Reichsführers SS auf, Zivilisten streifen durch das Gelände. Diese finsteren Männer, die augenscheinlich in ihrer eigenen Wichtigkeit zu ertrinken drohen, bedeuten selten etwas Gutes! Allmählich spricht sich herum, dass das ganze Hafengelände polizeilich auf das Strengste abgesperrt ist.

»Junge, Junge! Wenn man nur wüsste. wag hier anliegt!«

Die Gespräche an der Back drehen sich um die bevorstehenden Ereignisse. Ähnlich ist es in allen Abteilungen und auch in der Offiziersmesse. Die politischen Verhältnisse haben sich in den letzten l4 Tagen immer mehr zugespitzt. Seit der Beendigung des finnisch-russischen Krieges, in dem sich die Finnen nach beeindruckenden Abwehrleistungen dem übermächtigen Gegner letztlich doch ergeben haben, richten England und Frankreich ihre Blicke nach Norwegen, dem an Einwohnerzahl kleinen skandinavischen Staat, dessen schwache Wehrmacht keineswegs in der Lage wäre, einen ausländischen Übergriff abzuwehren, ganz abgesehen davon, dass die norwegische Regierung und der König dieses Landes ganz offensichtlich im englischen Fahrwasser segeln.

In aller Erinnerung ist noch der Überfall des englischen Zerstörers Cossack auf den deutschen Dampfer Altmark, der, aus dem Atlantik durch norwegische Hoheitsgewässer nach Deutschland zurückkehrend, im Jøssingfjord von den Engländern geentert wurde. Mit Maschinengewehren überwältigten die Briten die Besatzung der Altmark, schossen an Oberdeck und auf die im Wasser schwimmenden oder an Land fliehenden Deutschen, von denen mehrere getötet oder schwer verwundet wurden. Oslo war empört über diesen britischen Streich in norwegischen Hoheitsgewässern, obgleich in der Nähe befindliche norwegische Torpedoboote nicht eingriffen. Die englische Presse und vor allem der englische Ministerpräsident rühmten sich der Enterung der Altmark, alle vom Deutschen Reich kontrollierten Presseorgane spuckten Gift und Galle ob des von ihnen als britische Schurkentat bezeichneten Zwischenfalls.

Um solche und ähnliche Fragen drehen sich die Gespräche in den Decks. In ihrer Frontzeitung »... gegen England«, in anderen Tageszeitungen und im drahtlosen Dienst des Rundfunks haben die Männer in den letzten Tagen immer stärker von englischen Absichten gehört, Truppenlandungen in Norwegen vorzunehmen, um einerseits den deutschen Handelsverkehr mit Norwegen zu unterbinden und andererseits eine neue Ausgangsbasis in ihrem Kampf gegen das nationalsozialistische Deutschland zu schaffen. Im Funkraum schaltet der Funker vom Dienst das Radio zum Empfang der Nachrichten ein, die über die Bordanlage mit ihren vielen Lautsprechern überall im Boot zu hören sind. Wieder hagelt es einseitige Berichte über die norwegischen Absichten der Gegner durch. Englische Parlamentarier und britische Zeitungen sprächen offen von der Notwendigkeit, Norwegen in Besitz zu nehmen, um jede Art von Ausfuhr nach Deutschland unmöglich zu machen! Pressestimmen würden ganz unverblümt eine militärische Aktion fordern, falls Norwegen nicht freiwillig ins englisch-französische Bündnis eintrete.

»Passt auf.« Alexander Fischer donnert seine Pranke auf das Eisen der Reling. »Ich sage euch, wir stehen klar, um eine Landung der Tommies in Norwegen zu verhindern! Vielleicht kriegen wir jetzt auch das Schwein von Cossack vor die Kanone, um die Rechnung mit der Altmark auszugleichen.«

In den frühen Nachmittagsstunden rollen Güterzüge auf die Eisenbahngleise an der Pier. Mehrere Personenzüge folgen, aus denen feldgraue Truppen aussteigen. Wie ein Lauffeuer geht die Nachricht durch alle Boote. Truppen in feldgrau! Alles stürzt an Oberdeck oder stellt sich auf die Pier und sieht, wie die Soldaten aussteigen, sich zu Kompanien formieren und anmarschiert kommen. Fragen fliegen hinüber und herüber. So überrascht wie die Seeleute sind auch die Infanteristen, die jetzt an ihrer langen Hose, ihren genagelten Bergschuhen und ihrer Schirmmütze mit de, Edelweiß als Gebirgstruppen auszumachen sind. Sie schauen erstaunt auf die Reihe der Boote zu den ebenso erstaunten Seeleuten und jeder ahnt, dass sich hier etwas ganz Großes vorbereitet. Inzwischen hat es sich herumgesprochen, dass es österreichische Gebirgsjäger einer in Graz beheimateten Division, also zumeist Steiermärker und Kärntener »Joager« sind, die jetzt beginnen, die Güterwagen auszuladen, oder auf der Pier herumstehen und sich mit den Männern der Zerstörer unterhalten.

In dieser Zeit befinden sich die Kommandanten aller Boote samt und sonders in einer Besprechung mit dem Führer der Zerstörer, Kommodore Bonte. Er hat für den Stoß nach Narvik zehn Zerstörer zu seiner Verfügung: die Z19Hermann Künne, die Z18Hans Lüdemann, die Z17Diether von Roeder, die Z22Anton Schmitt, die Z11Bernd von Arnim, die Z12Erich Giese, die Z13Erich Koellner, die Z2Georg Thiele unter Korvettenkapitän Wolff, die Z9Wolfgang Zenker sowie das Boot, auf dem sich der Kommodore mit seinem Stab einquartiert hat, die Z21Wilhelm Heidkamp.

Bonte unterrichtet die Kommandanten von der bevorstehenden Aufgabe der Besetzung der dänischen und norwegischen Küste als Antwort auf die wiederholten Neutralitätsverletzungen der Engländer, die die Absicht hätten, sich in Skandinavien Stützpunkte zu schaffen.

In allen Einzelheiten ist die Unternehmung ausgearbeitet: Die Zerstörer, die in den letzten Wochen keinen großen Einsatz mehr gehabt haben, werden in dieser Aktion mit der schwierigsten Ausgabe betraut; der Besetzung der nordnorwegischen Stadt Narvik, die als Ausfuhrhafen für die schwedischen Erze ungeheuer wichtig ist. Jeder der für diese Unternehmung bestimmten Zerstörer erhält Gebirgsjäger an Bord, die in Narvik und Bjerkvik anzulanden sind. Innerhalb von 52 Stunden müssen sie unter dem Schutz schwerer Einheiten der Kriegsmarine ihren Vorstoß über die Nordsee, durch die Enge zwischen Bergen und Shetland und über das Nordmeer durchgeführt haben, um Narvik in ihren Besitz zu bringen und den englischen Absichten zuvorzukommen.

Die Kommandanten nehmen schweigend die Anweisungen des Kommodores entgegen, der sachlich und ruhig, aber in voller Erkennung der Schwierigkeit dieser kühnen Ausgabe das Bevorstehende darstellt. Er ist sichtlich stolz auf seine Offiziere, die besonnen reagieren und direkt die richtigen Fragen stellen.

Vermutete Stärke des Feindes zur See und an Lande?

Mutmaßungen über das Verhalten Frankreichs?

Erwartbare Reaktionen Norwegens?

Zur Verfügung stehende Betriebsstoffe? Munition? Verpflegung?

Zum Stolz der Kommandanten, an einer solch geschichtsträchtigen Operation beteiligt zu sein, gesellt sich das dumpfe Gefühl überwältigender Verantwortung, diese große Strecke durch ein vom Feind beherrschtes Seegebiet mit einer großen Zahl seeunerfahrener Gebirgstruppen an Bord zu durchfahren. Manch einen packt gar die Furcht, dies aber offenbart niemand im Kreise der Kameraden. Kann es doch möglich sein, dass sie erneut auf einen größeren, alle Lebensbereiche umspannenden Konflikt zusteuern? Im September hatten das viele schon einmal befürchtet, dann aber erledigte sich der Krieg gegen Polen innerhalb kürzester Zeit und die Westmächte griffen nicht ein. Nun aber versetzten Deutschland, Frankreich, England und andere ihre Schachfiguren erneut in Bewegung. Wer unter den Kommandanten den schrecklichen Weltkrieg mitgemacht hat, der fühlt sich auf unangenehme Weise in den Sommer 1914 zurückversetzt. Manche sinnen auf Rache, andere fürchten um ihre Lieben daheim.

Der Kommodore hat die Gesamtleitung der Operation inne. Auf seinen Schultern wird in den Stunden der Überfahrt die Last der Verantwortung ruhen, mit der Landung in Narvik auch die deutsche Erzeinfuhr zu sichern beziehungsweise den weiteren Export nach England zu verhindern.

Kommodore Bonte verabschiedet seine Zerstörerkommandanten, die sich an Bord ihrer Boote begeben, um alle Anweisungen über die Einschiffung der Truppen und das Verladen der zahlreichen Geräte zu erteilen.

Am Nachmittag kommt noch mehr Leben in die Pier. Die einzelnen Kompanien der Gebirgsjäger sind auf die Zerstörer aufgeteilt. Die Österreicher, die es nicht gerne hatten, von ihren deutschen Kameraden als »Ostmärker« bezeichnet zu werden, und von denen die meisten zum ersten Mal im Leben deutsche Kriegsschiffe und das hastige Treiben eines großen Hafens sehen, haben mit den Männern der Zerstörer schon Freundschaft geschlossen. Der österreichische Dialekt setzt sich immer mehr durch. Die Seeleute haben den Gebirgsjägern bereits in der ersten Stunde der Begegnung ihren Namen gegeben, der sich auch in ganz kurzer Zeit auf allen Booten durchsetzt und von den Jägern selbst belacht wird: die Kraxlhuber!

 

*

 

Immer mehr Güterwagen rollen an, deren Inhalt sich über die Pier ergießt. Gemeinsam beeilen sich Gebirgsjäger und Seeleute, alles in die Boote zu schaffen. Es ist Niedrigwasser, und so müssen Kisten mit Verpflegung, schwere Maschinengewehre, Granatwerfer mit Munition, leichte Gebirgshaubitzen, Motorräder, Säcke mit Kaffee und Hartbrot eine Planke an Deck hinunterrutschen und von dort weiter in den Lasten des Zerstörers verstaut werden. Es folgen Stunden emsiger Arbeit, denn bergeweise häuft sich das Gerät auf der Pier. Nur langsam kann es die engen Niedergänge hinuntergeschafft werden. Schweres Gerät bleibt an Oberdeck.

Marine-Artilleristen und Angehörige der Flak tauchen noch auf, die in einem kleinen Kommando an der Unternehmung teilnehmen. Ein Kran hievt die Lafette eines 2-Zentimeter-Flugabwehrgeschützes und ein Motorrad mit Beiwagen an Bord. Die seemännische Nummer l, der Bootsmann, nimmt sich gewissenhaft aller Dinge an und sorgt dafür, dass vor allem das Gerat an Oberdeck seefest gezurrt wird. Der Wetterbericht verheißt zwar schönes Wetter bei ruhiger Dünung, aber in 52 Stunden ununterbrochener Seefahrt kann schon eine ordentliche Prise Wind aufkommen.

Alexander Fischer hilft fleißig an Bord des Führerbootes vom Kommodore alles zu verstauen. Der Erste Offizier hat in der Zwischenzeit eine Liste aufgestellt und durch die Divisionen alle freie Kojen ermitteln lassen. Auf der Pier treten die Gebirgsjäger an und werden zu kleinen Gruppen in entsprechender Zahl auf das ganze Schiff verteilt. In jede Abteilung kommen so viele Kraxlhuber, wie während des Kriegswachtörns freie Kojen vorhanden sind. So hat jeder Gebirgsjäger eine eigene Hängematte, während die Backbord- und Steuerbordkriegswache in ihrem vierstündigen Wechsel auf See die gleichen Kojen benutzen werden. Trotzdem langt deren Zahl nicht.

In die Offiziersmesse, die Offiziers- und Oberfeldwebelkammern, überall werden noch Gebirgsjäger so einquartiert, dass sie auch während der langen Stunden der Überfahrt die Möglichkeit haben, zu schlafen oder sich auszuruhen. Die Stimmung an Bord schlägt haushohe Wellen. Die Seeleute haben längst den richtigen Umgangston mit den Kraxlhubern gefunden. Es wird geklönt, gelacht, Karten gekloppt und diskutiert, was das Zeug hält. Ein jeder versucht seine Kameraden mit wilden Prognosen über den Verlauf des Krieges zu übertrumpfen. Die einen sehen deutsche Truppen in sechs Wochen in London stehen, die anderen unken über eine neuerliche Hungerblockade gegen die Heimat.

Alexander Fischer steht gerade mit einem Kraxler an Oberdeck und erklärt ihm, was ein Zerstörer für ein Kriegsschiff sei, dass seine Hauptwaffen die beiden Torpedovierlingsrohre mittschiffs und achtern seien und dass außerdem noch fünf 12,7-Zentimeter-Geschütze, Flamaschinenwaffen und Wasserbomben im Pulverdampf mitmischen würden und er zudem als Minenträger Verwendung finden könne, als der Bootsmaat der Wache als Ehrenbezeigung für einen Offizier, der das Schiff betritt, Seite pfeift. Alle Mann an Oberdeck und in der Nähe des Bootes auf der Pier grüßen durch Stillstehen; und gefolgt von Kommodore Bonte betritt ein General der Gebirgsjäger über die Stelling den Zerstörer. Der Kraxler erteilt Fischer über den ihm unbekannten Gast Auskunft: »Dös ist der Dietl, unser Generalleutnant und Divisionskommandeur. Er ist a richtiger Joagergeneral!«

 

*

 

»22.45 Uhr ist seeklar!« Der Spruch kommt vom Führerboot und wird dem Kommandanten, Ersten Offizier und dem Leitenden Ingenieur des Zerstörers vorgelegt. Der Erste Wachingenieur wird unterrichtet.

Zwei Stunden vor Auslaufen soll in zwei Kesseln Dampf aufgemacht werden. Der Ölprahm kommt noch längsseits, um die Bunker randvoll zu füllen. Über das Hafengelände breitet sich die Dämmerung aus. Schatten kriechen seewärts heran, legen sich über den breiten, träge dahinfließenden Fluss und hüllen bald die zehn Zerstörer ein. Es ist Neumond! Nur die Sterne schimmern am nachtdunklen Himmel.

Um 21 Uhr zieht die erste Wache im Kesselraum 1 auf, um Dampf aufzumachen. Das Boot, das bisher ruhig lag, auf dem nur die Lüfter leise summten, erzittert langsam immer stärker. Die Gebläse für die beiden Kessel drücken Frischluft in den Kesselraum, alle Hilfsmaschinen laufen. Jetzt liegt jene Spannung über dem Zerstörer, die immer vor einer Feindfahrt aufkommt, wenn der Leib des Bootes vibriert, als könne er es nicht mehr abwarten, aus seiner tagelangen Ruhe hervorzubrechen. Wie ein Tier, dessen Flanke vor Erregung zittert, weil es in den nächsten Sekunden vorwärtsschnellen wird, so liegt der Zerstörer an der Pier. In den Maschinenräumen entwickeln sich jetzt gebändigte Tausende von Pferdekräften, mit denen die Maschinen in zwei Stunden kraftvoll feindwärts stoßen werden.

Eine innere Unruhe liegt auch über den Männern. Kurz nach dem Auslaufen werden schon die Kriegswachen ausziehen, und dann gilt der befohlene vierstündige Wachtörn bis zum Einlaufen in Narvik und vielleicht noch darüber hinaus.

Gunnar Abrecht hat sich auf eine Backkiste gehauen. Er will sich zwingen, auf Vorrat zu schlafen. Um Mitternacht muss er auf Wache ziehen. Er hat nicht seinen alten Kojenplatz, den hat er an einen der Gebirgsjäger abdrücken müssen für die Zeit der Überfahrt. Seinen Platz auf der Backskiste wird er mit einem Seemann der Backbordwache teilen. Er hat die Augen geschlossen, findet aber keine Ruhe. Es ist noch viel Lärm in den Decks. Er ist an sich gewöhnt zu schlafen, wenn die Maschinen lärmen und um ihn die Unruhe derjenigen tobt, die sich nicht in die Koje hauen wollen.

Heute ist es aber anders!

Die Spannung der ganzen Unternehmung gibt ihm und den anderen Kameraden keine Ruhe. Jeder an Bord weiß, dass jetzt ein Schlag gegen Frankreich und England geführt wird, der den Ausgang und das Ende dieses Krieges wesentlich beeinflussen wird. Was mögen jetzt die Kameraden auf den anderen Zerstörern machen?

Gunnar Abrecht hält es in der Unruhe unter Deck nicht mehr aus. Er steht auf und geht an Oberdeck. Auf der Back stehen Dutzende von Seeleuten und Maschinengasten der Freiwachen mit den Kraxlern zusammen. Tiefschwarz ist die mondlose Nacht. Kein Lichtschein dringt aus dem Hafengelände herüber. Alles ist abgeblendet, um feindlichen Fliegern nicht den Weg zu weisen.

Wenige Meter voraus liegt ein anderes Boot. Ganz schwach ist das blaue Hecklicht zu sehen, das in der Dunkelheit die Gefahr einer Kollision mit einem ein- oder auslaufendem Schiff ausschalten soll. Es mag gleich 23 Uhr sein. Über die Pier dringen Rufe. Weiter voraus legen die ersten Zerstörer ab. Die Stelling ist bereite eingeholt. Das Schiff direkt voraus löst sich langsam von der Pier, lässt sich vom Strom aus dem Hafenbecken treiben.

Ein schriller Pfiff kommt von der Brücke: »Achterleine los!« Der Wachoffizier hat den Befehl gegeben. Der Oberbootsmann kontrolliert, ob alles richtig ausgeführt wird.

»Steuerbordmaschine langsame Fahrt voraus!« Der Mann am Maschinentelegraphen legt den Hebel um. Im Turbinenraum lärmt eine Glocke. Lichtzeichen flackern auf.

»Langsame Fahrt voraus«, ruft der Wachingenieur. Vor dem großen Handrad im Turbinenraum steht der Fahrmaat, greift fest in das Rad und dreht es ganz sachte. Die Turbine springt an. Gemächlich beginnt sie zu singen, während sie mehr und mehr Umdrehungen macht. Stolz ruhen die Augen des Fahrmaaten auf dem Schaltbrett mit der in großer Zahl aufblitzenden Instrumenten, in die jetzt Leben gekommen ist.

Sanft zittern die Zeiger. Sie vermitteln dem Laien eine rechte Vorstellung von den ungeheuren Kräften, die in der komplizierten Hochdruckdampfanlage eines modernen Kriegsschiffs stecken und dem Boot jene hohe Geschwindigkeit geben, die im modernen Krieg überlebenswichtig ist.

Die Leinen sind eingeholt. Die Backbordmaschine ist auch angesprungen. Langsam steuert der Verband flussabwärts der See zu. Der Wachoffizier und der Rudergänger müssen höllisch aufpassen, in dem großen Verband kein anderes Schiff zu rammen. In langsamer Fahrt formiert sich jene Gruppe von Zerstörern, die aufbricht, um das norwegische Narvik in Besitz zu nehmen. Vor den Engländern dort sein, lautet die Devise. Dem Feind keine Möglichkeit geben, eigene Basen in Skandinavien zu etablieren. Bonte gibt den Befehl, auf volle Fahrt zu gehen. Es ist ein Spiel gegen die Uhr, und diese tickt gnadenlos.

Was die Norweger zu jenen Ereignissen sagen, die dieser Tage ihren Lauf nehmen und die nächste Spirale der Gewalt lostreten könnten, interessiert weder Berlin noch London. Es geht allein darum, den jeweiligen Gegner zu schlagen, zu Lande wie zu Wasser. Das weiß auch Bonte, weshalb er mit dem einen Auge immer am Ziffernblatt der Uhr und mit dem anderen an der großen Seekarte klebt.

»Steuerbordwache auf Stationen!«, pfeift der Bootsmann der Wache aus. Als zehn Minuten später der Befehl »Steuerbordkriegswache auf Stationen!« durch die Decks gepfiffen wird, ziehen die Männer an den Geschützen, den Flamaschinenwaffen, den Torpedorohrsätzen und auf der Brücke auf Gefechtsstationen. Die Zerstörer befinden sich damit auf Kriegsmarsch, überall auf den Schiffen sind Augen und Ohren an Geräten, die nach dem Feind spüren.

In den Decks wird es ruhiger. Die Gebirgsjäger haben sich in die Kojen gehauen. Die Backbordkriegswache, die in vier Stunden aufstehen muss, nimmt ebenfalls eine Mütze voll Schlaf. Ungeachtet des singenden Maschinengeräuschs können die Gebirgsjäger kaum Ruhe finden. Sie sind voller Gedanken über den bevorstehenden Einsatz. Auch beeindruckt sie die Enge in den Schiffen, in denen ihre Kameraden von der Kriegsmarine im Frieden wie im Kriege ohne auch nur einen Hauch von Privatsphäre hausen.

Gleichmäßig arbeiten die Turbinen und Hilfsmaschinen. Der stählerne Schiffsleib zittert. An der Bordwand rauscht das Wasser vorbei. Wenn die Maschinen auf eine höhere Fahrtstufe gehen, wird das Zittern des Bootes härter. Sie umfängt alle, die auf einem Zerstörer fahren, diese verhaltene Kraft der Maschinen gepaart mit der potenziellen Wirkung seiner Waffen. Wie Baumstämme ragen die Rohre der mächtigen Geschütztürme auf das Meer hinaus.

 

 

*

Strahlender Sonnenschein liegt über der weiten See, als die zehn Zerstörer am Sonntag, dem 7. April, im Verband mit den schweren Einheiten der deutschen Flotte vorwärtsstoßen. Zwei Schlachtschiffe, ein schwerer Kreuzer, und weitere Zerstörer fahren gestaffelt nördlichen Kurs. Nicht nur für die Gebirgsjäger, auch für die Matrosen ist dieses Bild einmalig. In der leicht bewegten See mit ihrem satten, blaugrünen Farbspiel steht das Gros der deutschen Flotte, wenn es im Vergleich zu den Seestreitkräften der Feindmächte auch geradewegs mickrig erscheint.

---ENDE DER LESEPROBE---