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Rebecca Moore ist frischgebackene Anwältin und überglücklich, dass Mr Holden ihr eine feste Anstellung bei »Black & Chase« angeboten hat. Sie möchte sich aufs Erbrecht spezialisieren und erhält die Möglichkeit, einem erfahrenen Kollegen zur Seite zu stehen. Als dieser jedoch auf dem Weg zum ersten Mandanten plötzlich verhindert ist, muss Rebecca den Termin allein wahrnehmen. So sieht sie sich dem attraktiven Duke of Harlington gegenüber, der zunächst gar nicht amüsiert darüber ist, dass ein Küken wie Rebecca für ihn zuständig sein soll. Im Laufe der Zeit fühlt sich Rebecca immer mehr zu dem Duke hingezogen. Doch eine junge Anwältin und ein Adeliger, hätte das jemals Zukunft?
Der vierte Band der prickelnden Anwalts-Romance von der Autorin der erfolgreichen Legal-Love-Reihe.
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Seitenzahl: 367
Cover
Grußwort des Verlags
Über dieses Buch
Titel
1. Becks
2. Becks
3. Henry
4. Becks
5. Henry
6. Becks
7. Henry
8. Becks
9. Henry
10. Becks
11. Becks
12. Henry
13. Becks
14. Henry
15. Becks
16. Becks
17. Henry
18. Becks
19. Becks
20. Henry
21. Becks
22. Henry
23. Becks
24. Becks
25. Henry
26. Becks
27. Becks
28. Becks
29. Henry
30. Becks
Epilog
Über die Autorin
Weitere Titel der Autorin
Impressum
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Rebecca Moore ist frischgebackene Anwältin und überglücklich, dass Mr Holden ihr eine feste Anstellung bei »Black & Chase« angeboten hat. Sie möchte sich aufs Erbrecht spezialisieren und erhält die Möglichkeit, einem erfahrenen Kollegen zur Seite zu stehen. Als dieser jedoch auf dem Weg zum ersten Mandanten plötzlich verhindert ist, muss Rebecca den Termin allein wahrnehmen. So sieht sie sich dem attraktiven Duke of Harlington gegenüber, der zunächst gar nicht amüsiert darüber ist, dass ein Küken wie Rebecca für ihn zuständig sein soll. Im Laufe der Zeit fühlt sich Rebecca immer mehr zu dem Duke hingezogen. Doch eine junge Anwältin und ein Adeliger ... kann das eine Zukunft haben?
J.T. Sheridan
Mit dir an meiner Seite
»Ich hätte das letzte Stück Pizza nicht essen sollen.« Meine Mitbewohnerin Darcy sackte auf der Rückbank des Taxis weiter in sich zusammen.
Ich warf ihr einen belustigten Blick zu. »Das war wohl eher der letzte Shot, der dir auf den Magen schlägt.«
Sie schob sich eine krause Haarlocke aus dem Gesicht. »Ich werde nie wieder trinken.«
Ich lachte laut auf. »Das sagst du jedes Mal. Und dann hält dein Vorsatz höchstens zwei Wochen.«
Eigentlich war Darcy eher zurückhaltend, aber auf Partys gönnte sie sich gerne etwas zu viel Spaß, vermutlich, um lockerer im Umgang mit anderen zu werden. Ich hingegen hatte weit weniger getrunken und verspürte lediglich einen kleinen Schwips.
»Wer hätte auch gedacht, dass Verlagsmenschen so viel Alkohol vertragen?«
Sie klang wirklich leidend. Hoffentlich musste sie sich nicht übergeben. Zumindest nicht, solange wir noch im Taxi saßen. Der Fahrer warf schon jetzt ständig prüfende Blicke in den Rückspiegel. Er würde sicher ausrasten, wenn wir seinen Wagen besudelten.
»Scheint aber eine nette Truppe zu sein«, sagte ich und sah hinaus in das nächtliche London. Leichter Nieselregen hatte eingesetzt und ließ die Lichter der Stadt wie Feenleuchten glänzen. In solchen Nächten fühlte ich mich wie in einem Märchen.
Nur dass mein Märchen real war. Ich hatte vor neun Monaten meine Anwaltszulassung erhalten und nun einen grandiosen Job in einer der besten Anwaltskanzleien Londons. Außerdem lebte ich schon seit vier Jahren in Notting Hill, in einer WG, deren Mitbewohnerinnen für mich zu echten Freundinnen geworden waren. Und im Büro hatte ich ebenso Freundschaften geknüpft.
Fehlte nur noch der passende Traumprinz zu meinem Happy End. Wo auch immer sich dieser versteckte, ich war mehr als bereit, mich zu verlieben. Denn wenn ich ehrlich war, hatte bisher jede meiner Beziehungen einen Haken gehabt. Lloyd, mein erster Freund während der Schulzeit, hatte sich für ein älteres Mädchen entschieden. Carl, mein zweiter Freund, den ich während eines Auslandsaufenthaltes in Frankreich kennengelernt hatte, war tatsächlich mehrgleisig gefahren. Neben mir, der naiven Engländerin, hatte er auch noch eine Amerikanerin und eine Deutsche gedatet und jeder von uns die wahre Liebe versprochen.
Danach hatte ich erst einmal die Nase voll gehabt von Beziehungen. Während des Studiums hatte es den einen oder anderen One-Night-Stand gegeben, denn für eine Beziehung hatte ich damals nicht wirklich Zeit. Ich wollte mich auf das Lernen und meinen Abschluss konzentrieren. Nun hatte ich meine Zulassung als Anwältin in der Tasche und war bereit für den nächsten Schritt. Denn trotz der Enttäuschungen mit Männern war ich eine hoffnungslose Romantikerin. Ich sehnte mich nach schönen Erlebnissen zu zweit und einfach danach, jemanden zu haben, der die Herausforderungen dieses Lebens gemeinsam mit mir meisterte.
Allerdings hatte sich inzwischen herausgestellt, nach all den Jahren an Dates und Romanzen, dass ich anspruchsvoller geworden war. Es reichte nicht mehr nur ein süßes Lächeln oder ein muskulöser Körper, um mich vom Hocker zu hauen. Es fehlte meistens das gewisse Etwas. Etwas, was mein Herz zum Rasen brachte, mir die Worte verschlug und den Schlaf raubte. Ich konnte nicht einmal genau sagen, was dieses Etwas war. Aber wenn ich es fand, würde ich es wohl wissen. Und bis dahin würde ich prickelnden Flirts weiterhin nicht abgeneigt sein. Denn es gab nichts Schöneres, um sich vom anstrengenden Alltag abzulenken, als einen unverbindlichen Kuss.
»Wir sind da«, verkündete der Taxifahrer und riss mich damit aus den Gedanken.
»Gott sei Dank. Ich brauche dringend frische Luft.« Darcy kletterte ungelenk aus dem Wagen. Gerade noch rechtzeitig, wie sich zeigte, als sie Sekunden später die Büsche in unserem Vorgarten erreichte.
»Das war knapp«, sagte ich entschuldigend zum Taxifahrer, ehe ich die Fahrt in bar zahlte, ein großzügiges Trinkgeld gab und dann ebenfalls ausstieg.
Während Darcy ihren Mund abwischte und sich wieder aufrichtete, bemerkte ich, dass bei uns im Wohnzimmer Licht brannte. Das Haus, das wir bewohnten, befand sich in einer kleinen Seitenstraße der Quentin Avenue. Hier reihten sich die Doppelhäuser mit ihren rötlichen Steinfassaden und strahlend weißen Fensterrahmen aneinander und wirkten in diesem Moment tröstlich ruhig – bis auf unser Zuhause.
Ich schaute auf meine Smartwatch. Es war schon drei Uhr in der Früh. Die anderen beiden Mädels unserer Vierer-WG hatten nicht gesagt, dass sie lange wach bleiben wollten. Aber vielleicht hatte Shona Überstunden gemacht. Sie arbeitete als Köchin in einem noblen Restaurant und blieb oft länger, wenn es die Arbeit verlangte.
Darcy schob sich das krause Haar aus der Stirn, rückte ihre Brille zurecht, seufzte tief durch und wurde sentimental. »Danke, dass du mein Plus-One warst.«
Ich legte ihr einen Arm um die Schultern, um sie zu stützen. Sie wankte schon im Stehen gefährlich.
»Keine Ursache, habe ich doch gerne gemacht. Und sieh mal, dein schöner cremefarbener Mantel ist sauber geblieben.« Sie hätte sich bestimmt nie verziehen, wenn das neue Kleidungsstück bei der Aktion gerade Flecken bekommen hätte.
»Nein, ehrlich, du hast was gut bei mir.«
Darcy arbeitete erst seit Kurzem als studentische Aushilfe in dem Verlag und kannte noch nicht so viele Leute dort. Nach der heutigen Party hatte sich das geändert. Wir kannten nun Charlie, einen Mitarbeiter aus der Buchhaltung, und Claire, eine Kollegin aus dem Lektorat. Außerdem James, Darcys Boss, den sie ab heute beim Vornamen nennen durfte, und Michelle ... ich konnte mich nicht erinnern, in welche Abteilung sie arbeitete.
Da Darcy aber ein eher ruhiger und introvertierter Mensch war, fiel es ihr nicht leicht, mit anderen Leuten Bekanntschaft zu schließen. Vermutlich hatte sie genau deswegen mich gefragt, ob ich mitkommen wollte. Denn ich war genau das Gegenteil von ihr. Mir machte es nichts aus, auf Fremde zuzugehen und mich mit ihnen zu unterhalten. So war ich schon als Kind gewesen, wie meine Eltern mir gerne erzählten.
Darcy stützend, stolperte ich die drei Stufen zu unserer Haustür hinauf.
»Hast du deinen Schlüssel griffbereit?«, lallte Darcy.
»Warte, hab es gleich.«
Mit einem Arm weiterhin meiner Freundin unter die Arme greifend, fummelte ich mit der freien Hand in meiner Manteltasche herum. Währenddessen fiel der Nieselregen eisig auf mein Gesicht. Vermutlich würde es in den nächsten Tagen sogar auf dem Land schneien. In London selbst war das eher selten der Fall. Selbst Ende Januar nicht.
Gerade als meine Finger einen kleinen metallischen Gegenstand in der Manteltasche erspürt hatten, wurde die tardisblaue Tür aufgerissen, und ein riesiger Kerl stand vor uns.
Darcy schrie erschrocken auf und fuchtelte wild herum, was ihrem Gleichgewichtssinn nicht gerade zuträglich war.
»Weg mit dir!«, brüllte sie so laut, dass vermutlich jeder in der Straße sie hören konnte, ob schlafend oder wachend.
»Darcy!«, rief ich warnend, weil ich sie kaum noch halten konnte.
Gerade im rechten Moment griff der große Typ nach Darcy, sodass sie in seine Arme fiel.
Lachend wischte ich mir über die Stirn. »Darcy, das ist doch nur Adrian!«
Prompt hörte sie auf, sich gegen ihn zu wehren. »Ich hasse dich«, nuschelte sie stattdessen an seiner breiten Brust.
Adrian nahm es mit Humor. »Ich dich auch, kleine Schnapsdrossel.« Er warf mir einen vorwurfsvollen Blick zu.
Entschuldigend hob ich die Schultern. »Der letzte Shot war zu viel.«
Kopfschüttelnd nahm Adrian meine Mitbewohnerin kurzerhand auf seine starken Arme und trug sie ins Innere des Hauses, bevor wir tatsächlich noch irgendwelche Nachbarn mit unserer Heimkehr weckten.
Nachdem ich ihnen gefolgt war, schloss ich die Tür hinter mir und legte meinen dunkelgrünen Wollmantel nebst Handtasche auf der Garderobe ab. Anschließend lief ich gähnend hinter Adrian her, der meine schnarchende Freundin Darcy in ihr Zimmer trug, das ganz am Ende des Flurs lag.
Adrian war der Bruder unserer Mitbewohnerin Cleo. Eigentlich wohnte er in Cardiff, nutzte unsere ausziehbare Couch jedoch als Schlafgelegenheit, wann immer er in London war. Der große, breitschultrige Kerl, der nur Boxershorts und ein weites Shirt trug, wie mir in dem Moment auffiel, legte Darcy sanft auf ihrem Bett ab. Das Zimmer war recht klein, auch wenn das Bett breit genug für drei Personen gewesen wäre. In Anwesenheit des Rugbyspielers schrumpfte es allerdings gefühlt auf die Größe eines Schuhkartons.
Vorsichtig zog Adrian Darcy die Brille ab und legte sie auf dem Nachttisch ab. Dann betrachtete er versonnen ihr Gesicht, als merkte er nicht einmal, dass ich neben ihm stand. Es wurde Zeit, dass ich eingriff.
Mit beiden Händen gegen seine Schulter gepresst, schob ich ihn aus dem Zimmer. »Raus mit dir, ich mache den Rest.«
Nachdenklich nickte er und verschwand Richtung Wohnzimmer, sodass ich mich darum kümmern konnte, Darcy aus ihrer Kleidung zu schälen. Als sie nur noch in Unterwäsche dalag, deckte ich sie sorgsam zu. Sie atmete gleichmäßig und ruhig. Ein Glück, dass sie mit einem Großteil des getrunkenen Alkohols draußen die Büsche gegossen hatte. Der unvermeidliche Kater am nächsten Morgen würde demnach wahrscheinlich bloß halb so schlimm ausfallen.
Leise verließ ich ihr Zimmer, ließ die Tür dabei aber angelehnt, falls doch noch etwas sein sollte, und ging in unseren Wohnbereich, der von weißen und blauen Farbtönen dominiert wurde. Die Einrichtung war relativ neutral, damit sie zu unser aller Geschmack passte. Denn während ich eher knallige Farben mochte, liebte Darcy zum Beispiel helle Pastellfarben. Mit Blau und Weiß konnte man also nichts falsch machen.
Unser Sofa war zum Beispiel mit dunkelblauem Stoff bezogen. Im Moment hockte Adrian darauf. Im Fernsehen lief irgendeine Tier-Doku und auf dem Couchtisch verteilten sich Chipstüten und Getränkedosen.
Müde ließ ich mich neben ihm auf das Sofa fallen. »Wann sagst du es ihr endlich?«
»Was soll ich wem sagen?« Mürrisch stopfte er sich eine große Handvoll Chips in den Mund und starrte auf den Bildschirm. Dort kümmerten sich gerade zwei Pinguine liebevoll um ein Ei, während ein Schneesturm um sie herum tobte.
Ich nahm mir ebenfalls eine Portion Chips und kaute herzhaft. »Wann gestehst du Darcy, dass du sie liebst?«
Eine weitere Chipsladung landete in seinem Mund. Kauend erwiderte er: »Du spinnst doch. Wie kommst du darauf, dass ich in sie verliebt bin?«
Kichernd deutete ich auf seine Nasenspitze. »Sämtliche Beweise sprechen gegen dich. Du siehst sie an, als wäre sie der kostbarste Schatz auf Erden. Ich wünschte, irgendwer würde irgendwann mal mich so ansehen.«
»Du bist betrunken«, behauptete er, ohne seinen Blick in meine Richtung zu wenden.
»Nope. Ich bin nach dem zweiten Shot zu Wasser übergegangen, damit ich auf Darcy aufpassen kann. Wir wissen ja beide, dass sie nicht so viel verträgt. Kommen wir lieber zu dem Grund, weshalb du wach geblieben bist. Du hast auf uns gewartet.«
»Ich habe nicht gewartet. Konnte nur nicht schlafen.«
Diesmal deutete ich auf die leeren Getränkedosen. »Mit drei Dosen Energydrinks könnte ich auch nicht schlafen, Kumpel. Gib doch zu, dass du dich mit Absicht wachgehalten hast.«
Er presste die Lippen aufeinander und sah mich nun doch an. »Es könnte genauso gut wegen dir sein. Vielleicht wollte ich auf dich warten.«
Nun musste ich wirklich lachen, aus ganzem Herzen. »Na klar. Deswegen würde es dir auch nicht einmal etwas ausmachen, wenn ich im Bikini Samba durch das Wohnzimmer tanzen würde.«
Er zog die Stirn kraus. Ganz sicher erinnerte er sich ebenfalls an die letzte WG-Party zu Halloween. Da hatte ich kaum mehr als einen Bikini getragen und es war ihm egal gewesen. Außer einer frechen Bemerkung, dass ich mich verkühlen würde, war nichts gekommen. Mir war es übrigens auch egal gewesen. Denn mehr als schwesterliche Gefühle hegte ich nicht gegenüber Adrian. Obwohl er mit seinen ausprägten Muskeln, dem kantigen Kinn und den strahlend blauen Augen genau meinem Beuteschema entsprach.
»Und wenn schon.« Er winkte ab. »Darcy steht nicht auf mich. Das hat sie mehr als deutlich gemacht.«
Falls er sich da mal nicht täuschte. Ich grinste in mich hinein und stopfte mir lieber weiter Chips in den Mund, als noch etwas zu sagen. Aber genau an jenem Halloween-Abend hatte Darcy spät in der Nacht und sehr angetrunken davon geschwärmt, wie gut Adrian in seinem Thor-Kostüm ausgesehen hatte. Noch viel besser als Chris Hemsworth. Natürlich hatte ich versprochen, nichts zu sagen.
»Sie ist so klug. Und zart.« Adrian schüttelte den Kopf. »Was will bitte eine angehende Lektorin mit einem Rugbyspieler wie mir?«
Mir würden da einige Dinge einfallen, aber ich schwieg weiterhin.
»Cleo würde mir den Kopf abreißen«, murmelte er weiter.
Zum ersten Mal musste ich ihm recht geben. Es gab dieses ungeschriebene Gesetz in unserer WG: Wir ließen uns nicht auf Ex-Freunde oder Verwandte ein. Adrian gehörte zu Letzteren und war daher für uns andere tabu.
»Solltest du irgendwann doch über deinen Schatten springen wollen«, sagte ich und klopfte ihm freundschaftlich auf den nackten Oberschenkel, »werde ich bei Cleo ein gutes Wort für dich und Darcy einlegen.« Seine Schwester konnte sehr bestimmend und streng sein, obwohl sie eigentlich eine coole Socke war. Wir kannten uns bereits seit dem ersten Semester, weil sie auf einer Karaoke-Party in der Uni so wundervoll schief gesungen hatte. Heute war sie Biologin und arbeitete in einem forensischen Labor. Durch sie war ich auch zur WG gekommen, da sie damals schon mit Shona befreundet gewesen war und sie damals eine neue Mitbewohnerin gesucht hatten. Darcy war etwas jünger als wir und erst vor zwei Jahren dazugestoßen.
»Danke, Frau Anwältin.« Er grinste schief.
»Gerne, Mr Walker.« Ich streckte die müden Glieder. »So, nun werde ich ebenfalls ins Bett huschen. Danke, dass du auf uns gewartet hast.«
»Ich ...« Er biss sich auf die Unterlippe. »Okay.«
Na also, er war geständig.
Zufrieden trottete ich zum Flur und dann die Stufen hoch zu meinem eigenen Zimmer. Es war einem Wettspiel mit den anderen zu verdanken, dass ich über mein eigenes Reich im Haus verfügte. Denn mein Zimmer war das einzige, das unter dem Dach lag und über ein eigenes Badezimmer verfügte.
Nachdem ich mich bettfertig gemacht hatte, lag ich in meinem Bett und betrachtete im Schein meiner kleinen Nachttischlampe das Mandala-Tuch, das ich über dem Bett an der Decke befestigt hatte. Mein letzter bewusster Gedanke galt der Frage, ob ich überhaupt eine Prinzessin war, die einen Traumprinzen erhielt. Vielleicht war ich auch einfach nur eine gute Fee, die anderen zu ihrem Happy End verhalf.
Der Sonntag verging wie im Flug. Besonders, nachdem ich bis zum Mittag geschlafen hatte. Am Nachmittag telefonierte ich – wie jeden Sonntag – mit meinen Eltern, die in der Nähe von Winchester lebten, etwa hundert Kilometer südwestlich von London. Obwohl ich längst auf eigenen Beinen stand, immerhin hatte ich in London studiert und war seit bald einem Jahr Anwältin, behielten wir diese Tradition bei. So blieben wir stets auf dem Laufenden und ich genoss es sehr, da ich meine Eltern über alles liebte. Ähnlich erging es mir mit meinem Job, und entsprechend war ich auch meist guter Dinge, wenn der Montag vor der Tür stand.
Manchmal fühlte es sich noch immer surreal an, dass ich inzwischen als Anwältin in der renommierten Kanzlei Black & Chase arbeitete, auch wenn ich dort bereits während der Studienzeit angestellt gewesen war. Jetzt aber war ich nicht mehr nur Hiwi, sondern First-Year-Associate. Im Grunde gab es kaum einen Unterschied zu dem, was ich in meinem letzten Studienjahr in der Kanzlei gemacht hatte. Meine Aufgaben bestanden hauptsächlich in der Back-Office-Arbeit wie Recherche und Literatursuche. Dennoch nahmen mich die Erfahreneren gerne mit zu Mandantenterminen, und so konnte ich viel von ihnen lernen, was sich unglaublich gut anfühlte.
Es machte mir nichts aus, noch nicht so viel Verantwortung zu tragen. Seitdem ich mein Fachgebiet, nämlich das Erbrecht, gefunden hatte, fühlte ich mich rundum wohl mit dem, was ich tat. Es war ein spannendes Arbeitsfeld, wenn man bedachte, dass man sich um das kümmern durfte, was sich Menschen ein Leben lang aufgebaut hatten und was auch über deren Tod hinaus Bestand haben sollte. Erbstreitigkeiten hingegen waren weniger erfreulich. Aber auch hier konnte ich Menschen helfen, zu ihrem Recht zu kommen.
Und so betrat ich an diesem Montagmorgen mit einem breiten Lächeln das moderne Bürogebäude in der Londoner City, dessen Lobby mit einem Boden aus edlem Marmor bestückt war. Ich steuerte auf die Fahrstuhltüren zu, die wie aus Gold gefertigt glänzten, und quetschte mich zu den vielen anderen Menschen in die Kabine. Dann ging es nach oben in das neunzehnte Stockwerk, in dem sich unter anderem die Erbrechtsabteilung befand. Die einzelnen Räumlichkeiten waren mit Glasfronten vom Flur abgetrennt, und ich nickte den bereits anwesenden Kolleginnen und Kollegen grüßend zu, während ich zu meinem eigenen Büro schritt, das am Ende des Flurs lag. Ich teilte es mir mit unserer Studentin Senna und Mr Son, einem Anwalt, der hier ein Jahr länger arbeitete als ich.
Im Büro angekommen, stellte ich fest, dass die anderen beiden noch nicht da waren. Ich hängte meinen grünen Wollmantel an den Garderobenständer und ließ meine Handtasche auf meinen Bürostuhl fallen, bevor ich den Computer einschaltete. »Aber zunächst: Kaffee«, murmelte ich zufrieden. Die Küche lag praktischerweise nur einen Raum weiter.
Schnell wechselte ich das Zimmer und traf auf Mildred, die Assistentin meines Vorgesetzten.
»Guten Morgen, meine Liebe, du bist heute früh dran«, flötete sie, ehe sie in einer prüfenden Geste sicherstellte, dass ihr gräulich meliertes Haar immer noch zu einem perfekt lockeren Dutt aufgesteckt war. Ihr dunkelblaues Kostüm, das zur Farbe ihrer Augen passte, vervollständigte den professionellen Business-Look.
»Guten Morgen, Mildred, ja, ich war einfach schon ziemlich früh wach und dachte mir, dass ich genauso gut auch gleich ins Büro fahren könnte.« Ich schätzte es sehr, dass wir uns beim Vornamen nannten, obwohl Mildred älter und erfahrener war als ich. Aber sie hatte eine so mütterliche Art an sich, dass jeder Mensch sich sofort in ihrer Nähe wohlfühlte.
Während sie heißes Wasser aus dem Wasserkocher in ihre Teetasse schüttete, betätigte ich den Kaffeeautomaten. Um mir den Montag zu versüßen, gönnte ich mir einen Cappuccino mit viel Milchschaum.
»Heute fängt ein neuer Kollege im Welthandel an«, berichtete Mildred währenddessen.
Mit dem »Welthandel« war die Abteilung gemeint, die sich mit dem internationalen Handelsrecht beschäftigte. Die Mitarbeitenden dort kamen sich meist furchtbar wichtig und hochnäsig vor, weshalb ich sie während meiner Studienlaufbahn gemieden hatte. Noch heute schienen sie in mir nur die studentische Aushilfe zu sehen, nicht die Anwältin.
»Weißt du das von Holdens Assistentin?«, hakte ich nach. Mr Holden war der Leiter des Londoner Büros von Black and Chase und somit unser oberster Boss. Ich wusste, dass Holdens Assistentin und Mildred gut befreundet waren und sich öfter auf einen Plausch trafen.
»Nein, von einer Kollegin aus der Personalabteilung.«
Ah, daher wehte der Wind. »Und was wissen wir über den neuen Kollegen?«
»Anwalt, Mitte dreißig und von der Kanzlei Moorland and Partners kommend.«
»Nicht dein Ernst«, stieß ich aus. Moorland war eine der größten Konkurrentinnen von Black and Chase in London. Es war ein offenes Geheimnis, dass unser Big Boss Mr Moorland auf den Tod nicht ausstehen konnte. »Das muss ein echt fähiger Typ sein, wenn Holden ihn höchstpersönlich abgeworben hat. Oder hat er sich bei uns beworben?«
Sie zwinkerte mir verschwörerisch zu. »Das müssen wir noch herausfinden.«
»Bin auf jeden Fall gespannt.« Ich schnappte mir den fertigen Cappuccino und Mildred sich ihren Tee.
»Dito. Bis später, meine Liebe.«
»Findet die Abteilungssitzung wie immer um elf statt?«, fragte ich, als wir hinaus auf den Flur traten.
»Nein, Mr Richards hat das Meeting auf morgen verschoben, weil ihm ein wichtiger Termin dazwischengekommen ist.« Mildred seufzte tief. »Gut, dass du mich daran erinnerst. Ich muss gleich eine entsprechende Rundmail schreiben.« Und damit eilte sie Richtung Büro davon.
Ich schlenderte ebenfalls zurück und traf auf Senna, die gerade angekommen war und ihren Mantel neben meinem aufgehängt hatte. Prüfend betastete sie ihr Kopftuch.
»Dieser Wind da draußen ist wirklich biestig«, murmelte sie verzweifelt.
»Guten Morgen, Senna. Lass mal sehen.« Prüfend musterte ich den dunkelrosa Stoff, aber der saß so, wie er sitzen sollte. »Alles prima.«
Erleichtert atmete sie auf. »Danke dir.«
Ich ließ mich auf meinen Platz sinken und nippte an dem Cappuccino. Kaum fünf Minuten später klingelte mein Telefon und Mr Richards bat mich in sein Büro. Der Leiter der Erbrechtsabteilung und damit mein direkter Vorgesetzter klang ziemlich angespannt und ich fragte mich, ob ich etwas angestellt hatte, von dem ich nichts wusste.
Leichte Nervosität überkam mich. Schnell zupfte ich am Saum meines gestreiften Wollkleides und checkte, ob mein Pferdeschwanz noch saß, bevor ich zum Büro am anderen Ende des Flurs eilte, damit er nicht lange warten musste.
Mr Richards war ein Mann Anfang fünfzig, der prüfend über den Rand seiner Brille hinwegblickte, als ich durch die offen stehende Tür sein Büro betrat.
»Ah, Ms Moore, das ging schnell. Setzen Sie sich doch bitte.« Er fuhr sich mit Daumen und Zeigefinger über einen altmodischen tiefbraunen Schnurrbart, der ihm aber sehr gut stand.
Ich nahm auf dem Besucherstuhl ihm gegenüber Platz. »Es klang dringend, Mr Richards. Deswegen bin ich sofort gekommen.«
Er nickte bestätigend und tippte mit der Rückseite eines Kugelschreibers auf seinen Schreibtisch, sodass ein wiederkehrendes Klacken ertönte. »In der Tat. Mr Son hat sich krankgemeldet.«
»O nein. Ich hoffe, nichts Ernstes?«
»Er klang sehr mitgenommen am Telefon. Vermutlich die echte Grippe. Was soll man machen. Es ist Januar und halb London liegt mit einem Infekt flach.«
»Das ist wohl wahr.« Zum Glück hatte ich diesen Winter bisher infektfrei verlebt. Was wohl an den guten Kräuterteemischungen meiner Mutter lag. Aber das war ein anderes Thema.
»Jedenfalls wird Mr Son ein paar Tage ausfallen. Und ich möchte, dass Sie für ihn einspringen.«
»Sehr gern, Mr Richards. Was soll ich tun?«
Er schaute auf seine Armbanduhr. »Als Erstes werden Sie einen Mandantentermin mit mir wahrnehmen. Das kommt natürlich jetzt etwas überraschend, aber wir fahren in fünfzehn Minuten los.«
Mir klappte beinahe die Kinnlade herunter. Das war ... sportlich. Ich musste schließlich noch meine E-Mails checken und eilige Aufgaben an jemand anderen übergeben.
»Haben wir einen neuen Mandanten?« Anders konnte ich mir diese Dringlichkeit nicht erklären. Und es musste ein wichtiger Mensch sein, sonst würde Mr Richards nicht verlangen, dass ich alles stehen und liegen ließ. So ähnlich war es auch gewesen, als meine Freundin Sarah den Fall des Millionärs Rorik Stone übernommen und ich sie als ihre Assistentin unterstützt hatte.
»Das haben wir tatsächlich«, bestätigte Mr Richards meine Vermutung, wobei er sehr ernst aussah, beinahe sogar besorgt. »Ein Mann, der uns großes Prestige einbringen wird, sollte er zufrieden mit uns sein.«
Meine Handinnenflächen wurden leicht schwitzig bei der Aussicht, an einem solch bedeutenden Projekt beteiligt zu sein. »Ich werde mein Bestes geben«, versprach ich.
Mr Richard lächelte leicht. »Natürlich werden Sie das, sonst hätte ich Sie nicht in Betracht gezogen.«
Nun, genau genommen war ich seine zweite Wahl. Aber ich wollte nicht undankbar wirken.
»Was besonders wichtig ist«, betonte mein Chef, »ist, dass wir unbedingt diskret vorgehen. Niemand darf den Namen unseres Mandanten erfahren. Die leiseste Andeutung könnte bereits einen Vertrauensbruch bedeuten. Und schon gar nicht darf die Presse davon Wind bekommen.«
Ich erinnerte mich noch gut an das Drama, das um Sarahs und Stones Fall entstanden war, als die Klatschpresse sich auf die beiden gestürzt hatte. Wenn also Mr Richards hier auf Geheimhaltung pochte, hieß das, dass diese sogar über die anwaltliche Verschwiegenheit hinaus gehen sollte. Weder außerhalb noch innerhalb der Kanzlei durften Informationen weitergegeben werden. Verstehend nickte ich.
»Gut. Ich schalte die elektronische Akte für Sie frei, sodass Sie vollen Zugriff darauf bekommen. Sie können sich also während der Fahrt vorbereiten.«
»Ja, Mr Richards.«
»Allerdings zickt mein eigenes Auto in letzter Zeit ein wenig.« Mr Richards tippte auf die Tasten seines Computers. »Ich werde einen der Firmenwagen für uns reservieren und schlage vor, wir treffen uns vor der Tiefgarage. In fünfzehn Minuten.«
Als ich kurz darauf auf dem Beifahrersitz des dunkelblauen Luxus-E-Autos Platz nahm, fühlte ich mich, als würde ich in ein Ufo steigen. Nicht zu vergleichen mit dem alten Land Rover, den meine Eltern fuhren. Ich selbst besaß kein eigenes Auto, obwohl ich einen Führerschein hatte. Das lohnte sich in London meines Erachtens kaum. Mit der Tube kam man in der Innenstadt viel schneller ans Ziel. Da unser neuer Mandant uns aber laut Mr Richards auf einem Anwesen namens Highwell Manor erwartete, das sich in Surrey, also südwestlich von London befand, war eine Autofahrt unumgänglich.
Während Mr Richards geschickt durch den Londoner Verkehr fuhr, widmete ich mich meinem Tablet. Aufgrund der gebotenen Diskretion fand der erste persönliche Termin im Zuhause unseres Mandanten statt. Und als ich den Namen des Mandanten las, setzte mein Herz für einen merklichen Moment aus.
Henry Meatherfield, Duke of Harlington.
Niemals hätte ich vergessen können, dass wir uns bereits einmal begegnet waren. Vor etwa zwei Jahren, während des Kaufvertragsabschlusses der Villa, die Stone in Chelsea erworben hatte. Als Sarahs Assistentin war ich damals beim Abschluss des Vertrages dabei gewesen. Eigentümer und somit Verkäufer der Villa war ebenjener Duke of Harlington gewesen.
Aber was noch wichtiger war: Es hatte diesen Moment gegeben mit dem Duke, als er mir die Hand zur Begrüßung gereicht und meine Finger einen Atemzug länger festgehalten hatte, als es üblich gewesen wäre. Ich erinnerte mich sogar noch an seine Augenfarbe. Das tiefgründige Grünblau hatte mich an einen See an einem strahlenden Sommertag erinnert.
Und diesem Mann sollte ich in einer Stunde gegenübertreten?
»Alles in Ordnung, Ms Moore?«, erkundigte sich Mr Richards.
Ich musste irgendeinen Ton von mir gegeben haben, der meine Verwirrung verriet. »Ja, ich bin lediglich etwas nervös. Der Duke of Harlington ist wirklich eine bedeutende Persönlichkeit. Ich bin ihm einmal begegnet, als ich mit Ms Davies an einem Fall gearbeitet habe.«
»Kein Grund, nervös zu sein«, versicherte er mir. »Sagen Sie sich einfach, dass er auch nur ein Mensch ist. Ein Mann mit Stärken und Schwächen. Er wacht morgens auf, er geht abends zu Bett. Er atmet und isst.«
Seine Worte wirkten tatsächlich beruhigend, und konzentrierte mich schmunzelnd wieder auf den Inhalt der Akte. Ich würde mich einfach bei unserem Treffen im Hintergrund halten und nichts sagen. Vermutlich würde ich ohnehin keinen Ton herausbekommen in Gegenwart des Dukes. Normalerweise war ich nicht verlegen um Worte. In seiner Gegenwart schon. Zumindest war es bei unserer ersten und einzigen Begegnung so gewesen.
Den Grund, weshalb er Black & Chase engagierte, fand ich nun ebenfalls in der Akte. Der Duke of Harlington beabsichtigte, sein Testament zu verfassen. Erstaunt blinzelte ich, aber nein, ich hatte mich nicht verlesen. Wieso sollte aber ein junger Mann wie er an ein Testament denken? Laut Akte war er dreiunddreißig Jahre jung und damit sechs Jahre älter als ich. Kein Grund, bereits für den Todesfall vorzusorgen. Zumal sich in absehbarer Zeit einiges in seinem Leben ändern würde. Hatte es nicht letztes Jahr in der Boulevardpresse geheißen, dass er sich verlobt hatte? »Der begehrteste Junggeselle Londons ist vom Markt«, so hatte die Schlagzeile gelautet. Dann wäre es doch naheliegender, dass er sich um einen Ehevertrag bemühte. Seltsam.
Vielleicht würden wir den Grund für die Testamentserstellung heute noch erfahren. Neugierig war ich allemal.
Vertieft in die Akte hatte ich nicht bemerkt, wie schnell die Fahrt vergangen war. Mr Richards lenkte den Wagen gerade in die Auffahrt eines herrschaftlichen Anwesens.
»Wow«, murmelte ich. »Sieht aus wie bei Downton Abbey.«
Mein Chef gab ein zustimmendes Brummen von sich. »Erlauben wir uns zwei Minuten, die Situation zu verarbeiten. Sobald wir aussteigen, sollte man uns nicht mehr anmerken, wie imposant dieses Schloss auf uns wirkt.«
Leider blieb uns nicht sehr viel Zeit zum Verarbeiten. Schon trat ein Mann im Nadelstreifen-Anzug an unser Fahrzeug und öffnete die Beifahrertür.
»Willkommen in Highwell Manor. Mein Name ist Frederick. Ich bin der Butler des Hauses.«
»Ähm, danke«, brachte ich hervor und ließ mir beim Aussteigen behilflich sein. »Rebecca Moore von der Kanzlei Black and Chase.«
Er nickte mir höflich zu. Fehlte nur noch, dass er eine königliche Verbeugung vor mir vollführte.
Mein Chef war indes bereits ausgestiegen. »Der Duke of Harlington erwartet uns«, verkündete er, als wäre es das Alltäglichste der Welt.
»Das ist mir bekannt«, bestätigte der Butler, schien aber noch auf etwas zu warten, wenn ich seinen fragenden Gesichtsausdruck richtig deutete.
»Richards«, stellte sich mein Chef rasch vor, bevor die Situation peinlich wurde.
»Wenn Sie mir bitte folgen würden.« Damit setzte sich der Butler in Bewegung.
Mr Richards blickte zum Firmenwagen, der allein in der Auffahrt stand. »Kann das Auto hier stehen bleiben?«
»Selbstverständlich«, rief der Butler zurück.
Nach diesem etwas holprigen Start wurden wir durch die zweiflügelige Tür in das Innere des herrschaftlichen Gebäudes geführt. Eine riesengroße Empfangshalle erwartete uns hier. Mir blieb fast der Mund offen stehen, so sehr war ich beeindruckt von dem Anblick. Die meterhohe Decke war mit Stuck und Malereien verziert und der Boden mit schwarz-weißem Kachelboden ausgelegt. Und an den holzvertäfelten Wänden hingen Gemälde aus unterschiedlichen Epochen. Schon allein die Kunstsammlung musste ein Vermögen wert sein.
Ich ließ meinen Blick weiterwandern und entdeckte eine große Holztreppe, die in das obere Stockwerk führte, doch der Butler brachte uns zu einer Tür links von der Treppe.
»Der Duke wird gleich bei Ihnen sein«, sprach der Butler förmlich und überließ uns den Vortritt.
»Bei allen Heiligen«, entfuhr es mir, als wir den Raum betraten.
Genauso musste sich Belle gefühlt haben, als sie die Bibliothek des Biests zum ersten Mal gesehen hatte. Hohe Regale zierten die Wände und waren gefüllt mit Büchern. Auf dem Kachelboden befanden sich mehrere Teppiche, die der Bibliothek Gemütlichkeit verliehen, zusammen mit einer Chaiselongue aus violettem Samt und einem Ohrensessel aus braunem Leder, die vor einem mannshohen Kamin standen. Ein wärmendes Feuer prasselte darin vor sich hin, sodass der Raum trotz seiner Größe dennoch gemütlich warm war.
Erneut zupfte ich nervös am Saum meines bunt gestreiften Wollkleides. Hätte ich doch bloß ein neutraleres schwarzes Kleid und statt der Wildlederstiefel Pumps getragen. Aber um mir über meine Garderobe den Kopf zu zerbrechen, war es längst zu spät.
Schritte nahten von draußen, und kurz darauf betrat ein hochgewachsener schlanker Mann in der Begleitung des Butlers den Raum. Sein kurzes schwarzes Haar hatte mir schon damals gefallen und wurde heute mit einem dunkelblauen Pullunder, einem hellblauen Hemd und – ganz leger – einer Jeans in Szene gesetzt.
Er sah genauso aus wie in meiner Erinnerung. Nein, noch viel besser. Wie eine Mischung aus Clark Kent und einem Märchenprinzen aus den Disney-Filmen.
Der Duke zeigte ein charmantes Lächeln und rückte seine Brille zurecht, bevor er Mr Richards die Hand reichte.
»Wie schön, dass Sie es einrichten konnten, mich auf dem Land zu besuchen. Sie müssen Mr Richards sein.«
Mein Chef nickte. »Es ist überhaupt keine Mühe. So kommt man auch mal aus der Stadt raus. Und es freut mich ungemein, Sie persönlich kennenzulernen, Eure Lordschaft.« Er räusperte sich und wandte sich mir zu. »Darf ich Ihnen meine Kollegin vorstellen?«
Der Duke hob die Brauen und sein Lächeln vertiefte sich. »Ms Rebecca Moore, wie schön, Sie wiederzusehen.«
Plötzlich verstand ich sämtliche Heldinnen klassischer Liebesromane, die beim Anblick des Love Interest in Ohnmacht fielen, denn in diesem Moment stockte mir der Atem. Der Duke erinnerte sich tatsächlich an meinen Namen. Obwohl wir uns nur einmal begegnet waren und das auch schon zwei Jahre her war.
Wie fremdgesteuert streckte ich die Hand aus und schaffte es, zu lächeln. »Die Freude ist ganz meinerseits, Eure Lordschaft.«
Er ergriff meine Hand und hielt sie fest. Wie warm und angenehm sie sich anfühlte. Und wie intensiv sein Blick war. Heute wirkten seine Augen mehr grün als blau, fiel mir auf.
Der Butler räusperte sich und unterbrach den märchenhaften Moment.
»Euer Gnaden«, betonte er. »Das ist die richtige Anrede.«
Bedauerlicherweise ließ der Duke meine Hand nun los und grinste leicht. »Frederick gehört noch zum alten Schlag und hat bereits meinem Großvater treu gedient. Mir reicht es vollkommen, wenn Sie mich mit meinem Namen ansprechen. Henry Meatherfield.«
Ich hatte heute mit vielem gerechnet, aber nicht damit, Ms Moore in meiner Bibliothek anzutreffen. Als ich die Kanzlei Black & Chase engagiert hatte, war ich nicht davon ausgegangen, sie wiederzusehen. Unsere erste Begegnung war immerhin bereits zwei Jahre her, und das Geschäftsleben war schnelllebig.
Ihr jetzt doch unverhofft wiederzubegegnen, verursachte ein leichtes Kribbeln in meiner Magengegend. Rebecca Moore entsprach überhaupt nicht dem klassischen Bild einer Anwältin, wie ich es mir vorstellte. Aber es war nicht ihr Äußeres, das mich so ... ablenkte. Damals wie heute. Obwohl sie wirklich hübsch anzusehen war. Sie trug ihr kupferfarbenes Haar zu einem hohen Pferdeschwanz gebunden, genau wie bei unserer ersten Begegnung. Dazu ein enges Wollkleid mit dunkelgrünen und rostfarbenen Streifen, das ihre Figur betonte. Doch es waren ihre grünen Augen, vor Leben und Witz nur so funkelnd, die etwas mit mir machten. Augen, in denen ich mich bei unserer ersten Begegnung verloren hatte.
Und nun stand sie vor mir, und ich hoffte inständig, ich stellte mich nicht wie ein Clown an. Dazu gehörte zunächst einmal, dass ich meine Gäste angemessen bewirtete.
»Möchten Sie etwas trinken? Tee? Kaffee?« Ich sah von Ms Moore zu ihrem Chef.
Dieser nickte. »Einem Kaffee wäre ich nicht abgeneigt.«
»Ich würde einen Tee nehmen«, sprach Ms Moore, wobei ihre Stimme leicht zittrig wirkte.
Es musste der Titel sein. Und das Anwesen. Beides zusammen hatten vermutlich eine einschüchternde Wirkung auf sie. Bei unserer ersten Begegnung hatte ich nicht unbedingt den Eindruck gehabt, dass sie ein schüchterner Mensch war. So intensiv, wie sie mir in die Augen geblickt hatte, und so fest ihr Händedruck gewesen war. Umso wichtiger war es mir nun, deutlich zu machen, dass ich ein ganz normaler Mann war, mit dem man sich wie mit jedem anderen Mandanten auch unterhalten konnte.
Ich nickte Frederick zu, damit er die Getränke für unsere Gäste organisierte. Dann deutete ich auf die Chaiselongue und den Sessel. »Setzen Sie sich doch, bitte. Ich hoffe, das Kaminfeuer ist warm genug für Sie.«
Der Anwalt nahm sofort Platz und nickte. »Sehr angenehm, vielen Dank.«
»Das ist eine atemberaubende Bibliothek«, sagte Ms Moore und sah sich mit großen Augen um, nachdem sie sich neben Mr Richards auf die Chaiselongue gesetzt hatte.
»Danke.« Ich ließ mich auf den Sessel sinken. »Viel dazu beigetragen habe ich natürlich nicht. Meine Vorfahren haben die Bücher nach und nach angeschafft, um die Bibliothek zu füllen.«
Meine Worte schienen Ms Moores Begeisterung nicht zu mildern. Sie schien Bücher sehr zu schätzen, und ich fragte mich, wer wohl ihr Lieblingsautor oder ihre Lieblingsautorin war.
Ihr Kollege nahm unterdessen ein Tablet aus seiner Aktentasche. »Lord ... ähm ... Mr Meatherfield, Sie hatten sich an unsere Kanzlei gewandt, um ein Testament zu erstellen.«
Ich nickte bestätigend.
»Bevor wir mit der eigentlichen Aufgabe beginnen, darf ich noch fragen, weshalb Sie eine neue Kanzlei beauftragt haben? Soweit mir bekannt ist, wurde Ihre Familie stets von der Kanzlei Harrington and Partners vertreten.«
»Das ist in der Tat richtig, Mr Richards. Die Kanzlei Harrington and Partners hat über viele Jahre die rechtlichen Interessen meiner Familie vertreten. Doch mir stand der Sinn nach ... etwas Modernerem. Etwas frischen Wind. Ihre Kanzlei ist mir in bester Erinnerung geblieben, als ich zuletzt mit ihr zu tun hatte. Ein Bekannter von mir, Rorik Stone, ist sehr zufrieden mit Ihrer Kanzlei und hat eine explizite Empfehlung ausgesprochen.«
Ms Moore gab einen Laut von sich, den ich nicht zuordnen konnte. War es ein verhaltenes Kichern oder ein Seufzen? Sie hatte die Lippen aufeinandergepresst und wandte den Blick ab.
»Das freut uns zu hören«, entgegnete Mr Richard indes.
Im nächsten Moment kam Frederick mit einem Tablett zurück in die Bibliothek. Auf dem kleinen Mahagoni-Tisch, der zwischen der Chaiselongue und dem Sessel stand, stellte er drei Tassen aus geblümtem Porzellan sowie die dazu passende Zuckerdose und das Milchkännchen ab.
»Darf es sonst noch etwas sein?«, erkundigte er sich höflich.
»Nein, vielen Dank, Frederick.« Ich wartete, bis mein Butler aus dem Raum gegangen und die Tür hinter sich geschlossen hatte, dann tat ich etwas Milch und Zucker in meinen Kaffee. Sobald sich auch meine Gäste bedient hatten, richtete ich mich auf. »Wollen wir direkt zur Sache kommen?«, fragte ich. »Wie Sie richtig festgestellt haben, beabsichtige ich, mein Testament zu verfassen.«
Auf Ms Moores glatter Stirn hatte sich eine kleine Falte gebildet, doch sie fragte nicht weiter nach. Das Reden überließ sie ihrem Kollegen.
»Wir werden alles tun, um Ihnen dabei rechtlich zur Seite zu stehen«, versicherte dieser.
»Gut. Denn es ... könnte eine etwas kompliziertere Angelegenheit werden.« Ich trank von meinem Kaffee und stellte die Tasse wieder ab. »Sie sollten vorab wissen, dass mein Großvater es sich relativ einfach gemacht hat. Er setzte mich als seinen Alleinerben ein. Mein Onkel erhielt ein kleines Vermächtnis in Form eines Aktiendepots, ebenso meine Schwester und deren Kinder. Meine noch lebende Großmutter, seine Ehefrau, wurde großzügig bedacht, unter anderem mit einem Wohnrecht auf Lebenszeit für Highwell Manor.«
Mr Richards nickte verstehend, und auch Ms Moore hörte aufmerksam zu.
»Ich gedenke, das Vermögen im Falle meines Ablebens anders aufzuteilen. Doch leider gibt es keine vollständige Aufstellung des gesamten Familienvermögens. Die Kanzlei Harrington hat sich große Mühe gegeben, alle Unterlagen zusammenzutragen. Mein Großvater war jedoch nicht sehr bemüht um die Ordnung seiner Unterlagen. Und so bestehen einige Lücken. Unter anderem fehlen die Werte der Gemälde, genauso wie die Aufstellung der anderen Kunstgegenstände. Außerdem habe ich seit dem Tod meines Großvaters weiteres Vermögen erlangt. Es wird also vonnöten sein, dass wir bis ins kleinste Detail alles auflisten, was zu meinem Vermächtnis gehören wird. Ich möchte nicht, dass es später zu Streitigkeiten kommt, weil irgendetwas nicht berücksichtigt wurde.«
Ms Moore räusperte sich leise, und ich sah sie fragend an.
»Mit Verlaub ... wäre es nicht einfacher und kostengünstiger für Sie, wenn Sie einen Assistenten oder eine Assistentin engagierten, die Ihnen die Arbeit abnimmt?«
»Das wäre es«, bestätigte ich lächelnd. »Dennoch wäre es mir lieber, dass alles von Anfang an mit rechtlichem Rat zusammengetragen wird. Außerdem ist mir sehr an Diskretion gelegen. Außerhalb dieses Zimmers soll niemand erfahren, woran wir arbeiten.«
»Sie setzen auf die anwaltliche Schweigepflicht.« Ms Moore nickte verstehend.
»Genau das. Außerdem verfügt Ihre Kanzlei über Ressourcen, die Harrington leider nicht bieten konnte. Schon allein die Tatsache, dass Sie weitere Fachabteilungen wie das Familienrecht, Steuerrecht und Immobilienrecht beschäftigen, könnte in meinem Fall von großem Nutzen sein.«
»Sie können jederzeit auf uns zählen«, versicherte nun Mr Richards, der zuvor einige Notizen in sein Tablet eingegeben hatte.
Seufzend lehnte ich mich in meinem Sessel zurück und kreuzte die Beine übereinander. Genau das hatte ich gehofft. Natürlich würde die Kanzlei eine Menge Geld mit mir verdienen. Doch das war es mir wert. Wenn meine Familie etwas genug hatte, dann war es Geld.
»Wann möchten Sie, dass wir mit der Arbeit beginnen?«, erkundigte sich Mr Richards.
»Sobald es Ihre Termine ermöglichen. Außerdem würde ich vorschlagen, dass Sie hier mit der Arbeit beginnen. So hätten wir ausreichend Ruhe und Diskretion, und falls Rückfragen auftauchen sollten, wäre ich vor Ort.«
»Wir werden ein Team zusammenstellen«, schlug der Anwalt vor, »das sich allein um Ihren Fall kümmert.«
»Ich hätte es lieber, dass dieses ›Team‹ im überschaubaren Rahmen bleibt. Je weniger Menschen, desto weniger groß ist die Gefahr, dass etwas nach außen dringt. Bitte verstehen Sie mich nicht falsch, ich bezweifle nicht, dass Sie diskret arbeiten würden. Aber sollte hier in regelmäßigen Abständen eine Horde Anwälte auftauchen, wird dies unnötige Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Natürlich ist mir auch durchaus bewusst, dass es länger dauern wird, wenn sich nur wenige um das Anliegen kümmern.« Hauptsache, meine Verwandten wurden nicht misstrauisch oder es entstanden unter den Angestellten Gerüchte. Der Grund für die Erstellung meines Testaments ging allein mich etwas an. Und so sollte es auch zunächst einmal bleiben.
Mr Richards blickte nun fragend zu Ms Moore, die aber bereits Feuer und Flamme zu sein schien, mit der Arbeit zu beginnen. »Es wäre kein Problem für mich, andere Aufgaben abzugeben«, erklärte sie ihrem Kollegen.
Dieser atmete tief durch. »Also gut. Ich werde noch einmal Rücksprache mit Mr Holden halten und Ihnen umgehend Rückmeldung geben, welche Kapazitäten wir Ihnen zur Verfügung stellen können.«
»Vielen Dank, ich weiß Ihre Mühe sehr zu schätzen.« Zufrieden nickte ich, bis mein Blick wieder auf Ms Moore fiel.
Sie richtete ihren Pferdeschwanz und griff nach der Teetasse, die sie bisher nicht angerührt hatte.
»Meinetwegen könnten wir sofort mit der Arbeit loslegen.«
Kaum saßen wir wieder im Wagen zurück nach London, bereute ich mein vorschnelles Angebot, sofort loszulegen. Das hatte so gar nicht professionell gewirkt. Da der Duke uns aber einfach nur höflich verabschiedet und auch mein Chef zum Glück nichts dergleichen erwähnte, schien ihnen mein Fauxpas nicht groß aufgefallen zu sein. Oder ich machte mir auch einfach zu viele Gedanken.
So oder so, ich hatte meine Worte wirklich ernst gemeint. Mochte der Duke nun von mir halten, was er wollte. Für einige Wochen in diesem herrschaftlichen Anwesen ein- und auszugehen und mich um die Zusammenstellung aller Wertgegenstände zu kümmern, klang sehr verlockend. Auch wenn es eher unter die Backoffice-Arbeit fiel und nicht wirklich zur anwaltlichen Beratung selbst. Jeder fing mal klein an. Nun, ein Mandat wie das hier war alles andere als klein. Daran beteiligt zu sein, würde meiner Karriere einen ziemlich großen Schub verschaffen.
Automatisch wanderten meine Gedanken zu meinem Kollegen Mr Son, und mein schlechtes Gewissen machte sich bemerkbar. Eigentlich wäre das ja sein Fall gewesen. Vielleicht würde er noch hinzugezogen werden, wenn er wieder gesund war. Das hoffte ich sehr für ihn, denn ich wollte mir nicht auf seine Kosten einen Vorteil verschaffen.
Um mich abzulenken, checkte ich mein Handy, und sofort leuchtete mir eine Nachricht von Kate entgegen.
Hallo, meine Liebe, habe dich heute beim Lunch vermisst. Deine Kollegin meinte, du wärest bei einem Außentermin. Gibt es ein neues Mandat?
Ich schielte zu meinem Vorgesetzten, der jedoch voll und ganz auf den regen Straßenverkehr konzentriert war. Also erlaubte ich mir, so unverfänglich wie möglich zu antworten:
Stimmt, es gibt ein neues Mandat. Aber es wurde höchste Geheimhaltung angeordnet. Fühle mich wie eine Geheimagentin.
Kate antwortete mit einem schmunzelnden Smiley.
Das wird sicher eine Herausforderung für dich.
Wenn sie wüsste.
Ja, wird eine ziemlich harte Prüfung.
Du schaffst das, Becks. Ich habe vollstes Vertrauen in dich.