6,99 €
Dieses eBook-Bundle enthält die komplette »Vampire-Romance«-Serie von J.T. Sheridan.
Wenn sie Vampire berührt, kann sie deren Erinnerungen sehen. Als Toni diese Gabe an sich entdeckt, ändert sich ihr Leben schlagartig. Bis dahin lief es alles andere als geplant: Ihr Freund hat sie verlassen, sie hat ihr Studium geschmissen und kommt mit ihrem Job als Barkeeperin gerade so über die Runden. Doch nun begibt sie sich gemeinsam mit dem amerikanischen Vampirjäger Brent auf die Jagd nach Vampiren durch ganz Europa. Und während sie versucht, hinter das Geheimnis ihrer Kräfte zu kommen, kann sie nicht aufhören an den ersten Vampir zu denken, der ihr je begegnet ist - Finn Mathesson.
Folge 1: Toni beobachtet seit Tagen einen mysteriösen Gast, der jeden Abend ins Pub kommt. Er ist nicht nur geheimnisvoll, sondern auch unglaublich sexy - und gefährlich. Gerade als sie glaubt, dass es wenigstens in ihrem Liebesleben wieder bergauf geht, passiert ein schrecklicher Mord. Der geheimnisvolle Gast taucht unter. Und nicht nur die Polizei interessiert sich für diesen Fall, sondern auch der nicht minder heiße Amerikaner Brent Foley, der den Mörder seiner Schwester sucht.
Folge 2: Toni ist mit ihrem Partner Brent in Prag auf der Jagd nach blutrünstigen Vampiren. Doch ausgerechnet auf einer Halloweenparty begegnet der Amerikaner einer Frau, die ihn nach allen Regeln der Kunst verführt und darüber seinen Auftrag vergessen lässt. Schnell stellt sich heraus: Sie ist keine gewöhnliche Frau. Toni setzt alles daran, Brent aus den Fängen der geheimnisvollen Lady zu befreien.
Folge 3: Toni und Brent brauchen eine Auszeit. Sie reisen in die schottischen Highlands, wo sie sich ein paar erholsame Tage und eine Pause von der stressigen Jagd erhoffen. Doch Tonis besondere Gabe lässt ihnen einfach keine Ruhe: Bald schon verfolgen sie die Spur eines gefährlichen Vampirs nach Glasgow.
Folge 4: Toni und Brent werden von befreundeten Vampirjägern nach Venedig gerufen. Dort sollen sie einen Vampir jagen, der schon vor über hundert Jahren in London für Angst und Schrecken sorgte. Toni muss an ihre Grenzen gehen, um das Monster zu stellen - und ihre Freundschaft zu Brent wird auf eine harte Probe gestellt. Ausgerechnet jetzt begegnet sie auch noch dem Vampir wieder, mit dem alles begann: Finn Mathesson. Um Toni und ihre Fähigkeiten vor dem Vampirrat zu beschützen, ist er zu allem bereit.
Folge 5: Endlich - eine Pause von der Vampirjagd: Toni reist mit Brent nach Spanien, denn ihre Schwester Celia wird heiraten. Doch ihr Bruder Nicolás lässt auf sich warten. Sie erfahren, dass er sich in den letzten Monaten sehr verändert hat und in Madrid in merkwürdiger Gesellschaft aufhält. Toni ahnt Schreckliches. Sie schickt Brent in die spanische Hauptstadt, um Nick zu holen. Wird sich Tonis böse Vorahnung bestätigen?
Folge 6: Toni erfährt, dass ihre Freundin Dédé verschwunden ist. Gemeinsam mit Nick und Brent verfolgt sie die Spur der jungen Frau bis nach Berlin. Dort müssen sie erkennen, dass Dédé sich nie ganz von dem Biss des Vampirs aus Amsterdam erholt hat. Und jetzt kann nur noch einer helfen: Finn Mathesson. Doch davon ist Brent alles andere als begeistert ...
Folge 7: Brent verlässt Toni und schließt sich den europäischen Vampirjägern an. Kopfüber stürzt er sich in die Jagd. Toni, Nick und Dédé hingegen begeben sich weiterhin auf die Spuren von Tonis und Nicks Vorfahren, um mehr über Tonis Kräfte zu erfahren. Werden sie Licht ins Dunkel bringen können?
Folge 8: Toni erfährt durch einen Freund, dass Brent in Schwierigkeiten steckt. Sie setzt alles daran, ihn zu befreien. Was sie nicht ahnt: Brent war nur das Lockmittel des Vampirrates, um Toni in die Fänge zu bekommen. Und plötzlich schwebt sie selbst in tödlicher Gefahr ...
eBooks von beHEARTBEAT - Herzklopfen garantiert.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 1065
Cover
Grußwort des Verlags
Über die Serie
Über das Buch
Titel
Folge 1: Die Gabe
1. Montag
2. Young Blood
3. Nebelnacht
4. Grausamer Sonntag
5. Tu es!
6. Amen
7. Du bist nicht allein
8. Verdacht
9. In der Höhle des …
10. Farväl – Lebewohl
Folge 2: Verlockende Falle
1. Besuch bei der Queen
2. On the Road
3. Hair day
4. Der Duft von Rosen
5. Lost Boy
6. Prinzessin
7. Bad Wolf
8. Csárdás – Dorfschänke
9. On Fire
10. Einsame Seele
11. Gefälligkeit unter Freunden
Folge 3: Im Rausch
1. Der Weihnachtsmann
2. Locknever
3. Take me to church
4. Weihnachtsmahl
5. Mistelzweig
6. Traue keinem Märchenprinzen!
7. Vergebung
8. Captain Kirk
9. Ermittlungen im Schlafzimmer
10. Danach ist davor
11. Durst
12. Crystal Blood
Folge 4: Verdammt
1. La Serenissima
2. Opfer der Nacht
3. Im Schoße Gottes
4. Ein Traum, der keiner ist
5. Vergangenheit & Zukunft
6. Ein Plan wird geschmiedet
7. Eine Taube auf dem Markusplatz
8. Ein Kompass in der Dunkelheit
9. Mutterblut
10. Kleine Jane
Folge 5: Die Wandlung
1. On the road again
2. Der verschollene Bruder
3. Familienerbe
4. Lunatic
5. Das Biest in ihm
6. Can’t fight this feeling
7. Mittelmeersand
8. Can’t help falling in love
9. Moonlight
Folge 6: Verloren
1. Im Sonnenlicht
2. Brüssel
3. Alte Freunde
4. Renon Dey
5. Berlin
6. Die Anstalt
7. Verlorene Seele
8. Der Streit
9. Blut & Wasser
10. Die Wandlung
Folge 7: Der Verrat
1. Ein Drink unter Freunden
2. Kontrolle
3. Van Helsing
4. Zeit für neue Wege
5. Der Bankier und der Student
6. Wurzeln
7. Beauty Vibes
8. Das Ritual
9. Gefangen
10. Toni
Folge 8: Blutschuld
1. Der Plan
2. Um der alten Zeiten willen
3. Le Coeur d’Osiris
4. In den Fängen des Lords
5. Alte Freunde
6. Vergebung
7. Der Rat der Vampire
8. Die Anhörung
9. Das Recht des Blutes
10. Abschied
Epilog
Danksagung
Über die Autorin
Weitere Titel der Autorin
Impressum
Liebe Leserin, lieber Leser,
herzlichen Dank, dass du dich für ein Buch von beHEARTBEAT entschieden hast. Die Bücher in unserem Programm haben wir mit viel Liebe ausgewählt und mit Leidenschaft lektoriert. Denn wir möchten, dass du bei jedem beHEARTBEAT-Buch dieses unbeschreibliche Herzklopfen verspürst.
Wir freuen uns, wenn du Teil der beHEARTBEAT-Community werden möchtest und deine Liebe fürs Lesen mit uns und anderen Leserinnen und Lesern teilst. Du findest uns unter be-heartbeat.de oder auf Instagram und Facebook.
Du möchtest nie wieder neue Bücher aus unserem Programm, Gewinnspiele und Preis-Aktionen verpassen? Dann melde dich für unseren kostenlosen Newsletter an: be-heartbeat.de/newsletter
Viel Freude beim Lesen und Verlieben!
Dein beHEARTBEAT-Team
Melde dich hier für unseren Newsletter an:
Wenn sie Vampire berührt, kann sie deren Erinnerungen sehen. Als Toni diese Gabe an sich entdeckt, ändert sich ihr Leben schlagartig. Bis dahin lief es alles andere als geplant: Ihr Freund hat sie verlassen, sie hat ihr Studium geschmissen und kommt mit ihrem Job als Barkeeperin gerade so über die Runden.
Doch nun begibt sie sich gemeinsam mit dem amerikanischen Vampirjäger Brent auf die Jagd nach Vampiren durch ganz Europa. Und während sie versucht, hinter das Geheimnis ihrer Kräfte zu kommen, kann sie nicht aufhören an den ersten Vampir zu denken, der ihr je begegnet ist – Finn Mathesson.
Folge 1: Die GabeToni beobachtet seit Tagen einen mysteriösen Gast, der jeden Abend ins Pub kommt. Er ist nicht nur geheimnisvoll, sondern auch unglaublich sexy – und gefährlich. Gerade als sie glaubt, dass es wenigstens in ihrem Liebesleben wieder bergauf geht, passiert ein schrecklicher Mord. Der geheimnisvolle Gast taucht unter. Und nicht nur die Polizei interessiert sich für diesen Fall, sondern auch der nicht minder heiße Amerikaner Brent Foley, der den Mörder seiner Schwester sucht.
Folge 2: Verlockende FalleToni ist mit ihrem Partner Brent in Prag auf der Jagd nach blutrünstigen Vampiren. Doch ausgerechnet auf einer Halloweenparty begegnet der Amerikaner einer Frau, die ihn nach allen Regeln der Kunst verführt und darüber seinen Auftrag vergessen lässt. Schnell stellt sich heraus: Sie ist keine gewöhnliche Frau. Toni setzt alles daran, Brent aus den Fängen der geheimnisvollen Lady zu befreien.
Folge 3: Im RauschToni und Brent brauchen eine Auszeit. Sie reisen in die schottischen Highlands, wo sie sich ein paar erholsame Tage und eine Pause von der stressigen Jagd erhoffen. Doch Tonis besondere Gabe lässt ihnen einfach keine Ruhe: Bald schon verfolgen sie die Spur eines gefährlichen Vampirs nach Glasgow.
Folge 4: VerdammtToni und Brent werden von befreundeten Vampirjägern nach Venedig gerufen. Dort sollen sie einen Vampir jagen, der schon vor über hundert Jahren in London für Angst und Schrecken sorgte. Toni muss an ihre Grenzen gehen, um das Monster zu stellen – und ihre Freundschaft zu Brent wird auf eine harte Probe gestellt. Ausgerechnet jetzt begegnet sie auch noch dem Vampir wieder, mit dem alles begann: Finn Mathesson. Um Toni und ihre Fähigkeiten vor dem Vampirrat zu beschützen, ist er zu allem bereit.
Folge 5: Die WandlungEndlich – eine Pause von der Vampirjagd: Toni reist mit Brent nach Spanien, denn ihre Schwester Celia wird heiraten. Doch ihr Bruder Nicolás lässt auf sich warten. Sie erfahren, dass er sich in den letzten Monaten sehr verändert hat und in Madrid in merkwürdiger Gesellschaft aufhält. Toni ahnt Schreckliches. Sie schickt Brent in die spanische Hauptstadt, um Nick zu holen. Wird sich Tonis böse Vorahnung bestätigen?
Folge 6: VerlorenToni erfährt, dass ihre Freundin Dédé verschwunden ist. Gemeinsam mit Nick und Brent verfolgt sie die Spur der jungen Frau bis nach Berlin. Dort müssen sie erkennen, dass Dédé sich nie ganz von dem Biss des Vampirs aus Amsterdam erholt hat. Und jetzt kann nur noch einer helfen: Finn Mathesson. Doch davon ist Brent alles andere als begeistert …
Folge 7: Der VerratBrent verlässt Toni und schließt sich den europäischen Vampirjägern an. Kopfüber stürzt er sich in die Jagd. Toni, Nick und Dédé hingegen begeben sich weiterhin auf die Spuren von Tonis und Nicks Vorfahren, um mehr über Tonis Kräfte zu erfahren. Werden sie Licht ins Dunkel bringen können?
Folge 8: BlutschuldToni erfährt durch einen Freund, dass Brent in Schwierigkeiten steckt. Sie setzt alles daran, ihn zu befreien. Was sie nicht ahnt: Brent war nur das Lockmittel des Vampirrates, um Toni in die Fänge zu bekommen. Und plötzlich schwebt sie selbst in tödlicher Gefahr …
J.T. SHERIDAN
Die Shadow-Hearts-Reihe in einem Band
Folge 1: Die Gabe
Mein Leben war eine Katastrophe. Nein, keine Katastrophe. Eher ein dicker klebriger Brei aus Versagen und Chaos.
Ich wünschte, ich wäre eine dieser jungen Frauen, die erfrischt und fröhlich erwachten, ein Workout absolvierten, sich einen gesunden Smoothie mixten und nach einer Dusche aussahen wie Models. Dazu hätte ich mir noch das ein oder andere erotische Abenteuer gewünscht und natürlich Erfolg im super bezahlten Job.
Nun gut, mein Aussehen war ganz passabel. Etwas mehr Sport hätte mir gutgetan. Aber dazu hatte ich keine Zeit. Nachts arbeitete ich in einem Irish Pub, und tagsüber suchte ich nach einem anderen Job, was sich als schwierig erwies, da ich weder eine Ausbildung noch ein abgeschlossenes Studium vorweisen konnte.
Nachdem ich vor acht Monaten das Psychologiestudium geschmissen hatte, war ich einfach in Amsterdam geblieben. Und wenn ich nicht bald einen passablen Job fand, würde ich hier wohl auch für immer bleiben … oder aber, was noch viel schlimmer war, zurück zu meinen Eltern ziehen.
Die wussten nichts von dem abgebrochenen Studium, auch nicht, dass Felix, mein Arsch von Ex, mit mir Schluss gemacht hatte, weil er eine andere gefunden hatte. Eine, die oben ausgeführter Beschreibung einer erfolgreichen Mittzwanzigerin natürlich tausendmal mehr entsprach als ich. Oberflächlicher Mistkerl!
Ihr könnt euch also vorstellen, wie scheiße ich mein Leben an diesem Abend fand, als ich mal wieder das grüne T-Shirt und die schwarze Jeans anzog, eine dicke Strickjacke und einen Mantel überwarf, dazu in schwarze Stiefel stieg und durch die diesigen, öden Straßen zu meinem aussichtslosen Job lief.
Amsterdam war eigentlich eine coole Stadt. Ich mochte die lockere Art der Bewohner, das bunte Treiben, die Touristen, die ihr Leben genossen. Nur leider befanden wir uns nun mitten im Februar. Touris und Trinkgeld fielen dementsprechend gering aus, und der Winter, sofern man dieses diesige Grau überhaupt als Winter bezeichnen konnte, setzte mir in all seiner Ödnis zu.
Ich hätte mir einen wärmeren Ort zum Stranden aussuchen sollen. Hawaii oder Thailand kamen mir in den Sinn, Orte, an denen ich noch nie gewesen war. Oder einen Ort mit richtig viel Schnee wie Kanada. So aber hätte ich auch genauso gut in meinem Heimatdorf mitten in Deutschland bleiben können.
Wäre ich nicht so ein furchtbarer Angsthase, hätte ich meinen Kram zusammenpacken und nach Spanien ziehen können, wo meine Eltern seit ein paar Jahren mit meinen beiden Geschwistern lebten. Aber ich war noch nicht bereit dazu, ihnen gegenüberzutreten. Ich hatte es mir selbst ausgesucht, allein in Deutschland zurückzubleiben und dann in Amsterdam mein Studium fortzusetzen. Denn eigentlich wollte ich frei und unabhängig sein, kein Anhängsel meiner überbesorgten Eltern.
Der einzige Lichtblick des Tages war, dass heute ein Karaoke-Abend im Pub stattfand. Die Montage waren nicht so gut besucht wie die Wochenenden, aber mit Karaoke hatten wir oft Glück und ein Junggesellenabschied verirrte sich zu uns oder eine andere Gruppe von Leuten, die entspannt Spaß haben wollten.
Wir öffneten um achtzehn Uhr. Mein Chef und ich polierten die Gläser. Die beiden Mädels, die hier als Kellnerinnen jobbten, legten die Getränkekarten aus und schauten, ob auch sonst alles parat lag.
Die Crew war ein ziemlich bunter Haufen, nicht ungewöhnlich für Amsterdam. Mein Boss Liam kam aus Irland, hatte hier vor vielen Jahren eine Niederländerin kennengelernt und war geblieben.
Einzelne Gäste trafen ein. Guinness und Kilkenny wurden bestellt. Ein paar Stammgäste waren ebenfalls da. Mein Blick wanderte immer wieder zu meinem Lieblingsstammgast.
Eigentlich tat er nie etwas anderes, als still in einer Ecke zu hocken und melancholisch vor sich hin zu sinnieren. Er beobachtete die Gäste, sprach aber meistens mit niemandem. Wenn sein gutes Aussehen nicht so verdammt einnehmend gewesen wäre, hätte er einem Angst machen können. Er war groß, schlank und hatte wirres dunkelblondes Haar. Am tollsten waren seine Augen: graublau und unendlich tiefgründig.
Vermutlich steckte er in einer ähnlichen Sinnkrise wie ich. Denn er kam jeden Abend seit etwa sechs Wochen und blieb bis kurz vor Feierabend. Und jeden Abend bestellte er dasselbe: Blood and Sand. Als er den Drink das erste Mal orderte, war ich leicht verwirrt, weil ich den Cocktail nicht kannte.
Aber mein irischer Chef hatte in Bars weltweit gearbeitet, bevor er sich in Amsterdam niederließ. Der Drink bestand aus gleichen Teilen schottischem Whisky, Kirschlikör, rotem Wermut und frisch gepresstem Orangensaft. Das Ganze wurde mit Eiswürfeln geschüttelt und dann abgeseiht. Der Gast bevorzugte dabei einen Octomore, der sehr rauchig war.
Heute saß er wieder an seinem Stammplatz, ganz hinten in der Ecke unseres Hauptraumes an einem runden Tisch auf einem Barhocker. Hier hatte er fast den ganzen Pub und vor allem die Bühne im Blick.
Wenn ich Langeweile hatte, dann beobachtete ich ihn. Er war bereits oft angeflirtet worden. Vor allem von Mädels, die all ihren Mut zusammennahmen, um den sexy melancholischen Typen anzusprechen.
Doch er wechselte kaum ein paar Worte mit ihnen. Er blieb zwar freundlich und höflich, er lächelte sogar, doch niemals ließ er sich auf einen ernsthaften Flirt ein.
Lissy, unsere australische Schönheit, meinte, er habe einen süßen Akzent und dufte unglaublich gut nach einem richtig teuren Aftershave.
Wir alle fragten uns, was mit ihm los war. Geld schien er zu haben. Er trug teure Designerhemden – meistens in Schwarz – und ebenso teure Jeans. Außerdem gab er gutes Trinkgeld. Hatte er Liebeskummer? Das würde jedenfalls sein Verhalten erklären.
»Toni, tu mir einen Gefallen und bring du dem Kerl heute seinen Drink, okay?«
Verwirrt sah ich von dem Glas auf, das ich gerade abgetrocknet hatte. Lissy stand schlecht gelaunt mir gegenüber auf der anderen Seite des Tresens.
»Hmm, wieso denn?«
Sie hatte doch schon von Anfang an für ihn geschwärmt. Und ich hätte auch gedacht, dass er auf sie steht. Das taten alle. Denn sie war ausgesprochen hübsch. Ihr blondes Haar glänzte seidig, ihr Teint war makellos, und ihr Gesicht glich dem von Scarlett Johansson.
»Ich habe heute keine Lust auf melancholische Miesepeter. Ich würde ja Tanja fragen, aber die knutscht gerade mit Marlon in der Küche rum.«
Zum Glück hatte unser Boss sie nicht gehört. Er war mit dem Wechseln eines Bierfasses beschäftigt.
»Ich dachte, du magst ihn?«
»Den Typen? Nee, danke. Siehst du nicht, dass irgendwas mit ihm nicht stimmt? Irgendwie macht er mir Angst. Der ist doch voll der Freak, hockt da jeden Abend rum und redet mit niemandem.«
Ich seufzte. Sicher war sie nur beleidigt, weil er auf keinen ihrer Annäherungsversuche angemessen reagierte.
»Also gut, aber nur dieses eine Mal, ja?«
»Danke, ich schneide dafür ein paar Zitronen.«
Ich holte die Flasche mit dem Whisky und stellte fest, dass die Orangen fehlten, und ging in die Küche. Tatsächlich knutschten Tanja und Marlon in einer Ecke.
»Lasst euch nicht stören«, beeilte ich mich zu sagen.
Doch sie fuhren schuldbewusst auseinander.
Tanja versuchte sich stammelnd an einer Erklärung: »Wir … äh …«
»Schon okay«, sagte ich lächelnd. Sollten sie doch ihren Spaß haben. »Aber lasst euch nicht vom Boss erwischen.«
Ich nahm ein ganzes Netz Orangen und ging rasch zurück an die Bar, wo ich eine davon auspresste. Nachdem ich den Cocktail gemixt hatte, atmete ich tief durch.
Also gut, war doch nichts dabei … Ich hatte doch schon öfter Drinks serviert, wenn viel zu tun war.
Nur nicht ihm.
Er fixierte mich mit seinen faszinierenden Augen, als ich mich zu ihm begab. »Hi«, sagte er.
»Ähm … hi«, sagte ich und versuchte, locker zu lächeln. Ich bin mir sicher, ich sah dabei aus wie eine verkrampfte Fünfzehnjährige. Rasch stellte ich sein Glas vor ihm ab. »Bitte schön, Ihr Drink. So, wie Sie ihn mögen, mit Octomore.«
»Und endlich von dir höchstpersönlich serviert.« Er lächelte, doch sein Lächeln erreichte nicht seine traurigen Augen.
Als ich so nahe vor ihm stand, verschlug es mir die Sprache. Er roch wirklich unglaublich gut. Aus der Nähe sah er außerdem noch viel besser aus. Er erinnerte mich an irgendeinen Schauspieler.
»Wie heißt du?«, erkundigte er sich höflich.
»Antonia …« Ich räusperte mich verlegen. »Toni.«
»Also, Antonia-Toni, vielen Dank dafür, dass du mir jeden Abend diesen köstlichen Cocktail mixt.« Er ließ mich nicht aus den Augen.
Ich fand meine Sprache wieder. »Immer wieder gerne … Mr …?«
»Finn. Einfach nur Finn.« Er reichte mir die Hand.
Ich ergriff sie.
Seine Haut war kalt, eisig wie die blaue See der Antarktis, zumindest stellte ich sie mir so vor. Ich spürte die Kälte meinen Arm hinaufsteigen. Doch was noch verwirrender war: Ich sah Bilder. Tosende Wellen eiskalten graublauen Meeres; die Wellen brachen sich an einer steinigen Küste; Wälder voller Grün und unberührt. Ich fühlte Freiheit … Leben. Eine Woge der Erfüllung breitete sich in mir aus.
Ruckartig zog ich meine Hand zurück. »Was war das?!«
Er sah mich fest an. »Was war was?«, fragte er heiser, doch ein Aufblitzen in seinen Augen verriet mir, dass er ebenfalls etwas gespürt hatte.
Die Röte stieg mir ins Gesicht. Mein Körper reagierte auf ihn, als wären wir uns körperlich viel näher gekommen. Es war schwer zu beschreiben. Ich fühlte mich wie … wie man sich kurz vor dem Orgasmus fühlt. Eine Welle hatte mich erfasst, die mich hoch emporhob. Doch die Welle flachte abrupt ab. Zurück blieb eine unerfüllte Sehnsucht.
Doch was war es, was ich da in seinen Augen erkannte? Es machte mir Angst, und doch faszinierte es mich. Leidenschaft? Hunger …?
Abrupt senkte er den Blick. »Ich weiß nicht, was du meinst«, sprach er leise.
»Aber …« Ich hatte doch wohl keine Halluzinationen?
Er stand auf, kramte in seiner Hosentasche nach etwas Geld und knallte einen Schein auf den Tisch.
Gott, der Mann war gut zwei Meter groß. Ich musste den Kopf in den Nacken legen, damit ich in sein Gesicht sehen konnte.
Leicht beugte er sich zu mir herunter, seine Lippen berührten fast mein Ohrläppchen. »Da war gar nichts«, hauchte er und ging.
Fassungslos starrte ich ihm nach. Ich schnappte nach Luft, und in mir spürte ich eine seltsame Leere. Es dauerte eine ganze Weile, bis ich wieder klar denken konnte. Dann nahm ich den Geldschein, kehrte damit zurück zur Theke und reichte ihn meinem Chef.
Sein gutmütiger, amüsierter Blick traf mich. »Hast du unseren Stammgast vergrault?« Seine bärige Stimme holte mich endgültig in die Realität zurück.
»Nein. Keine Ahnung. Er kommt bestimmt morgen wieder.«
»Na, bezahlt hat er jedenfalls für mindestens zehn Drinks.« Er lachte. Tatsächlich hielt er einen Hunderter in der Hand, den er sorgsam in der Kasse verstaute. Er notierte sich etwas auf einem kleinen Block. »Wenn er morgen wiederkommt, kläre ich es mit ihm. Er hat sich sicher vertan.«
Den Rest des Abends hatte ich große Mühe, mich zu konzentrieren. Ich verschüttete eine halbe Flasche Coke, verwechselte Bestellungen und war auffallend langsam.
Irgendwann war auch die Geduld meines Chefs ausgereizt. Er schickte mich nach Hause, empfahl mir, mich gründlich auszuschlafen und bloß nicht krank zu werden. Schließlich hatten wir schon eine erkrankte Bedienung.
Ich kam zu Hause in meinem kleinen Ein-Zimmer-Appartement an und wusste überhaupt nichts mit mir und der plötzlichen Freizeit anzufangen. Im Fernsehen lief nur Schrott. Also beschloss ich, ins Bett zu gehen. Vielleicht brauchte ich wirklich nur etwas mehr Schlaf.
Gekleidet in eine lila karierte Flanellhose, ein weißes T-Shirt und lila Kuschelsocken machte ich es mir im Bett gemütlich. So fest ich mir vornahm, endlich zu schlafen, so wenig konnte ich es.
Jedes Mal, wenn ich die Augen schloss, sah ich das kalte Meer vor mir. Ich spürte sogar den Wind in meinem Haar und schmeckte Salz auf den Lippen. Und diese Leere in mir … Sie war fast unerträglich. Ich hörte seine Worte: »Da war nichts.« Ich spürte seinen Atem auf meiner Haut, sah seine Augen. Mir war kalt und heiß zugleich.
Woher kam diese Sehnsucht nach einem Mann, den ich nicht kannte?
Doch auch wenn ich auf diese Frage keine Antwort kannte, so konnte ich nur noch an ihn denken, und sein Name hallte durch meinen Kopf wie das Streicheln des Windes: Finn.
Am nächsten Morgen ließ mich der Blick in den Spiegel laut aufseufzen. Wie lange war ich eigentlich nicht mehr beim Friseur gewesen? Und meine Haut hätte auch ein bisschen mehr Pflege gutgetan.
Die traurige Wahrheit aber war, dass ich mich in den letzten Monaten einfach hatte gehen lassen. Ich hatte mich in Selbstmitleid gesuhlt und mich nicht mehr darum gekümmert, wie ich aussah – was für eine gewisse Zeit auch absolut in Ordnung gewesen war.
Aber das musste nun ein Ende haben. Ich wollte nicht mehr mit diesem mitleidigen Blick in den Spiegel sehen. Ich wollte mich wieder in meiner Haut wohlfühlen. Nur wenn man sich selbst mag, gibt man auch anderen Menschen die Möglichkeit, einen zu mögen.
Und ich mochte mich im Moment absolut gar nicht.
Mein Selbstmitleid würde schon einmal merklich schrumpfen, wenn ich mit einer einfachen Aufgabe begann: einem äußerlichen Upgrade.
Deswegen schmiedete ich einen Plan und radelte in die Stadt. Der Vorteil meines Jobs war, dass ich vormittags Zeit zum Shoppen hatte, wenn die Läden noch nicht so voll waren.
Mein erster Weg führte mich in eine Drogerie. Ich brauchte dringend einen neuen Lippenstift, denn mein alter war schon ranzig, und ich hatte ihn dem Mülleimer überlassen. Eigentlich hatte ich es auf einen tollen Rotton abgesehen, aber das war wohl etwas zu übertrieben, und die Beraterin dort empfahl mir einen farblosen Lipgloss, um meinen natürlichen Typ zu unterstreichen, und dazu etwas Wimperntusche und einen Eyeliner. Sie zeigte mir sogar, wie ich das mit diesem Schwung am äußeren Ende hinbekam.
Die weit schwierigere Aufgabe waren meine struppigen Locken. Eigentlich hatte ich mir schon immer glatte Haare gewünscht. Stattdessen sah ich in letzter Zeit aus wie ein brauner Zottelhund. Früher hatte ich mein Haar gern glatt über eine Rundbürste geföhnt. Heute entschied ich mich dafür, in ein Glätteisen zu investieren, und war gespannt, wie ich damit zurechtkäme. Außerdem besorgte ich mir dazu die passenden Styling-Produkte.
Wenig Sinn hingegen machte es, mir ein neues Outfit anzuschaffen, denn im Pub würde ich stets wie die anderen Angestellten die schwarzen Jeans und das grüne Polo-Shirt tragen. Das hieß aber nicht, dass ich nicht sorgsam Unterwäsche auswählen konnte.
In einem irre teuren Dessous-Laden kam mir erneut eine Verkäuferin zu Hilfe. Wir fanden einen Push-up-BH, der nicht nur vorteilhaft meine kleinen Brüste zur Geltung brachte, sondern auch noch sexy aussah: Schwarz und mit roter Spitze verziert. Weil ich Tangas nicht mochte, kaufte ich die dazu passenden Hotpants.
Nachdem ich schon fast pleite war, fiel mir ein, dass ich mir wenigstens noch ein paar Schuhe kaufen konnte. Ich wollte irgendetwas Ausgefallenes – aber bloß keine High Heels, ich musste schließlich auch noch hinter dem Tresen unfallfrei herumlaufen können.
In einem Outletstore wurde ich fündig. Ich entschied mich für grüne Ankleboots mit mäßigem Keilabsatz aus Wildlederimitat. Das Grün passte hervorragend zum Farbton unserer Polo-Shirts.
Zu Hause brauchte ich eine halbe Stunde, bis der dämliche Lidstrich endlich saß. Aber dann war ich zufrieden. Meine braunen Augen wurden dezent betont. Mit dem Glätteisen schaffte ich es, meine schulterlangen borstigen Locken zu bändigen, sodass sie sogar glänzend aussahen.
Es hatte zwar eine halbe Ewigkeit gedauert, mich so herzurichten, doch schließlich war ich mit dem, was ich im Spiegel sah, zufrieden, und zwinkerte meinem gepflegten Ich zu.
»Geht doch«, murmelte ich.
Ich war bereit für den Job und die Begegnung mit einem gewissen Kerl, der mir nicht mehr aus dem Kopf ging.
Voller Selbstvertrauen und mit einer leichten Verspätung erreichte ich meinen Arbeitsplatz, auf den ich mich an diesem Abend tatsächlich freute. In meinem Magen kribbelte es angenehm, und ich nahm mir vor, den geheimnisvollen Gast wieder selbst zu bedienen.
Es war noch nicht viel los. Der Barhocker in der hinteren Ecke des Hauptraumes war nicht besetzt. So half ich zunächst meinem Chef bei den Vorbereitungen für den Abend.
Er machte mir ein Kompliment für mein neues Styling. Ich sollte erwähnen, dass mein Boss ungefähr zwanzig Jahre älter war als ich und seine Angestellten wie seine Kinder behandelte. Ich konnte das Kompliment also annehmen, ohne irgendwelche Anmachversuche zu befürchten. Meinem Selbstvertrauen tat es auf jeden Fall gut.
Jedes Mal, wenn die Tür aufging und ein neuer Gast herunter in unser Pub stieg, machte mein Herz einen Sprung. Aber es wurde immer später, und Finn tauchte nicht auf. Meine Stimmung sank.
Hatte ich ihn vergrault? Unsere Begegnung mochte auf mich faszinierend und fesselnd gewirkt haben. Aber wer sagte, dass es auf Gegenseitigkeit beruhte? Für ihn war dieser äußerst merkwürdige Moment womöglich abstoßend und nervend gewesen?
Dieser Gedanke zog mich runter, und ich fühlte mich dafür verantwortlich, dass unser Gast, nachdem er doch jeden Abend in den letzten sechs Wochen hier gewesen war, heute zum ersten Mal nicht erschien.
Lissy machte sich darüber lustig: »Was hast du zu dem Kerl gesagt? Muss ja was Tolles gewesen sein, dass unser Stammgast total verschreckt ist.«
Ich antwortete ihr nicht. Sollte sie doch denken, was sie wollte. Sie war nur schadenfroh, weil sie selbst schon bei ihm abgeblitzt war.
Mein Chef gab mir einen Tequila aus, damit sich meine Laune besserte.
Ich stand den Rest des Abends durch, lächelte die Gäste an, ohne sie wirklich anzusehen, mixte Drinks und versuchte, nicht ständig auf die Uhr zu starren. Morgen wird er schon wieder kommen, tröstete ich mich. Ganz sicher.
Aber er kam nicht. Auch nicht am Mittwoch und am Donnerstag. Ich fand mich damit ab, dass ich ihn vergrault hatte und er nichts mit mir zu tun haben wollte. Es gab schließlich noch andere Kneipen, in denen man seine Abende verbringen konnte. Toll, da interessierte ich mich zum ersten Mal seit Monaten für einen Kerl, und der suchte sofort das Weite.
Wenigstens bekam ich das Doppelte des Trinkgeldes, das ich sonst abkriegte. Ich führte das auf mein neues Styling zurück und behielt es bei, da ich mich damit wirklich wohlfühlte.
Eine frische Toni, bereit für die Zukunft. Auch wenn Finn nicht Teil davon sein sollte, war ich willens, mein Leben umzukrempeln.
Am Freitag war im Pub wieder einiges los. Die Band Lemon Moon spielte, und da war es immer voll. Die drei Mädels spielten hauptsächlich Coverversionen von Rocksongs. Die Leute waren verrückt nach ihnen, und es herrschte eine gute Stimmung.
Zum Glück tauchte unsere dritte Bedienung wieder auf. Dédé hatte sich vor einer Woche krankgemeldet. Tatsächlich lagen noch dunkle Schatten unter ihren hübschen blauen Augen, und sie wirkte noch schmaler als sonst. Doch ein rosiger Hauch lag auf ihren hellen Wangen. Sie beteuerte, dass es ihr gut ginge, und war voller Elan und mit bester Laune bei der Arbeit. In einer Fünfminutenpause, die wir im kleinen Hinterzimmerbüro verbrachten, gestand sie mir, dass sie frisch verliebt sei.
»Er ist unglaublich!«, schwärmte sie. »Du musst ihn unbedingt kennenlernen! Morgen kommt er mit seinen Kumpels. Das wird sicher lustig.«
Wenigstens sie war glücklich. Vermutlich hatte sie die »kranken Tage« mit ihrem neuen Freund im Bett verbracht.
Dédé spielte aufgeregt an ihrem Lippen-Piercing. »Ich war noch nie so glücklich!«
»Das freut mich für dich«, sagte ich ehrlich und umarmte sie spontan, denn wir waren mehr als Kolleginnen, fast schon Freundinnen. Zum einen teilten wir, dass wir beide in Deutschland geboren worden waren. In Gegenwart der anderen sprachen wir natürlich Englisch, aber wenn wir unter uns waren, geschah es ab und zu, dass wir in uns in unserer Muttersprache unterhielten.
Außerdem hatte auch sie es nicht immer einfach mit Männern gehabt. Sie hielt sich viel in der Gothic-Szene auf und hatte schon viele schräge Bekanntschaften gemacht. Ich war echt gespannt, wie ihr aktueller Kerl wohl drauf war. Nun, ich sollte es erfahren …
Wie üblich half ich meinem Chef zu Beginn meiner Schicht am Samstag mit den Vorbereitungen. Die heutige Band hatte abgesagt, aber Lemon Moon hatten sich bereit erklärt, heute ein weiteres Mal aufzutreten. Während sie sich einspielten und ihre Instrumente stimmten, bewaffnete ich mich mit Kleber und Edding und änderte unsere Plakate mit den Ankündigungen der Musikband ab.
Ich stand neben der grün gepinselten Tür, als ich plötzlich ein eiskaltes Kribbeln in meinem Nacken spürte. Für einen Moment hatte ich die Hoffnung, Finn würde hinter mir stehen. Aufgeregt drehte ich mich um.
Niemand stand hinter mir. Aber ich hörte ein Lachen und sah die Straße hinunter. Eine Gruppe dunkel gekleideter Gestalten näherte sich gut gelaunt. In ihrer Mitte erkannte ich Dédé. Ein junger Mann mit grauer Strickmütze und einem grauen Dufflecoat hatte seinen Arm um sie gelegt. Sie wirkte im Kontrast zu ihm so zierlich, als ob sie fast in seiner Umarmung zerquetscht wurde. Das war gar nicht der Typ Mann, auf den sie sonst stand. Die Jungs sahen aus wie muskulöse College-Boys und hatten überhaupt nichts von Gothics an sich.
Doch Dédé lächelte glücklich, und ich rief mir in Erinnerung, dass es unfair war, jede Person direkt in eine Schublade zu stecken. Also lächelte ich ebenfalls und wartete, bis sie in Hörweite war.
»Hey, du bist früh dran!«, rief ich ihr entgegen.
»Ja, ich will den Jungs noch einen ausgeben, bevor meine Schicht anfängt«, rief sie gut gelaunt zurück.
Sie blieben vor mir stehen. Drei Kerle, alle in eleganten Klamotten, plus Dédé und ihr oberschicker Freund.
»Hi«, sagte ich einfach, und meine Kollegin stellte uns gegenseitig vor.
Jeder reichte mir artig die Hand und strahlte mich mit einem Lächeln an, das jeden Sunnyboy an Kaliforniens Küsten in den Schatten gestellt hätte. Für meinen Geschmack waren die Typen viel zu glatt. Aber gut, mir mussten sie ja nicht gefallen. Der Größte von ihnen war also Dédés neuer Freund.
»Das ist Chris. Chris, das ist meine Freundin Toni.«
»Freut mich«, sagte er mit einem breiten Lächeln und perfekten weißen Zähnen.
Ich stand so gar nicht auf solche aalglatten Typen.
»Hallo«, erwiderte ich brav und ergriff seine Hand.
Seine Hand war kalt!Und doch brannte sie. Überrascht sah ich in seine Augen. Blut stieg in ihnen empor, flüssiges rotes Blut.
Ich zog die Hand zurück und presste entsetzt die Augen zu. Nein, nein, das konnte nicht wahr sein! Mir war übel.
»Toni, alles in Ordnung?« Dédé stand neben mir. Sie wirkte besorgt.
Ich wagte kaum, den Blick zu heben. Doch als ich es tat, begegnete mein Blick dem seelenruhigen von Chris. Offenbar hatte er nicht gesehen, was ich gesehen hatte. Wie auch?
Gott, wurde ich etwa verrückt?!
Ich räusperte mich und suchte nach Worten. »Es ist … alles in Ordnung. Kommt doch rein, es wird kalt.«
Im Pub beeilte ich mich, in eine andere Richtung als Dédé und ihre neuen Freunde zu gehen.
In meinem Kopf herrschte ein riesiges Durcheinander. Wieso hatte ich plötzlich solche Halluzinationen? Erst bei Finn und nun gerade bei Chris. Finn schien wohl irgendetwas bemerkt zu haben, doch Chris überhaupt nicht.
Zum Glück suchten sich die Neuankömmlinge einen Tisch weit weg von der Bar, sodass ich sie nicht andauernd ansehen musste.
Es blieb nicht viel Zeit, weiter über meine Gehirnprobleme nachzudenken. Unser Pub füllte sich, und die Leute wollten mit Getränken versorgt werden.
So mixte ich Cocktails, zapfte Bier, öffnete Flaschen und war immer freundlich und lustig. Die Routine entspannte mich, besser als Yoga oder Ähnliches.
An diesem Abend war Desperados besonders gefragt. Der Kasten musste schon zum zweiten Mal ersetzt werden, denn im Kühlschrank befanden sich nur noch wenige Flaschen.
Ich ging in unser kleines Lager hinter dem Büro und holte einen neuen Kasten. Als ich zurückkam, stimmten die Mädels von Lemon Moon gerade einen ruhigeren Song an, und ich erkannte die ersten Töne von Young Blood.
Und in dem Moment, als die Sängerin die ersten Worte sang, blickte ich auf und sah direkt in wundervolle graublaue Augen.
Finn.
Ich war wie erstarrt. Was sollte ich tun? Warum war er plötzlich wieder da? Warum war er überhaupt fort gewesen?
Er saß nicht an seinem angestammten Platz, sondern an der Bar. Seine faszinierenden Augen fixierten mich wie ein Raubtier, das seine Beute im Blick hat.
Ich schluckte.
Er wollte etwas von mir. Sonst hätte er nicht den Barhocker direkt vor meinem Arbeitsplatz gewählt. Ich würde so tun, als wäre mir überhaupt nicht aufgefallen, dass er die letzten Tage nicht da gewesen war.
Also atmete ich langsam durch und brachte den Kasten Bier hinter die Bar. Alles geschah wie in Zeitlupe, und dazu lief weiter Young Blood, als wäre es der verdammte Soundtrack meines Lebens. Sein Blick folgte jeder meiner Bewegungen.
»Oh, hi, Finn«, sagte ich wie beiläufig zur Begrüßung, nachdem ich die Flaschen in den Kühlschrank gestellt hatte. »Was darf es heute sein? Wieder der Blood and Sand wie sonst?« Ich stützte die Hände auf dem Tresen ab und sah ihn herausfordernd an.
Ich war kein Mädchen, das man mit zwei, drei sexy Blicken um den Finger wickeln kann. Zumindest hatte ich mir das fest vorgenommen.
»Antonia«, sagte er einfach nur und lächelte.
Die Welt um mich herum drohte zu versinken. O Gott, diese Augen, diese Stimme!
Ich räusperte mich. »Ja, bitte?«
»Ich glaube, ich nehme heute einfach nur einen Whisky. Den ältesten, den ihr dahabt.«
»Okay«, war meine knappe Antwort, und ich war stolz auf mich, dass ich so cool blieb.
Ich servierte ihm den vierzigjährigen Glen Keith, der nicht sehr oft ausgeschenkt wurde, und kümmerte mich dann um die Bestellungen der anderen Gäste.
Finn genoss offensichtlich den schottischen Tropfen und beobachtete dabei immer jede meiner Bewegungen. Nach einer Weile bemerkte er: »Die Jungs … sie waren noch nie hier.«
Zunächst wusste ich nicht, wen er meinte, denn er sah ja die ganze Zeit nur mich an. Doch dann deutete er mit seinem Glas in Richtung von Dédé und ihren Collegeboys.
Sie unterhielten sich und lachten und schienen sich gut zu amüsieren. Zu gut, denn eigentlich war Dédé zum Arbeiten hier, und ihre Schicht hatte vor dreißig Minuten angefangen. Außerdem stand nun auch Lissy bei ihnen und flirtete heftig.
»Dédés neuer Freund und dessen Kumpels«, erklärte ich knapp. »Warum interessiert dich das?«
»Nur so.«
Womöglich wollte er nur ein wenig Small Talk mit mir halten und hatte sich deshalb nach ihnen erkundigt.
Tanja stellte entnervt ein volles Tablett mit leeren Gläsern neben Finn auf dem Tresen ab. »Sag mal, was treiben Dédé und Lissy da? Wollen die nicht auch mal ein bisschen arbeiten? Ich mach alles allein!«, beschwerte sie sich. Dann bemerkte sie Finn. »Hi. Sie sitzen ja heute mal hier.« Und dann bemerkte sie, wie er mich ansah und hob die Brauen. »Oooh, verstehe.«
Ich ignorierte ihre Bemerkung. »Hast du eine Bestellung?«
Grinsend ratterte sie eine Liste mit Getränken runter, und ich beeilte mich, sie zusammenzustellen. Die Gäste hatten Durst.
Unserem Boss wurde Dédés und Lissys Verhalten offenbar auch zu bunt, denn er machte sich auf den Weg durch die Menge, um die beiden zur Rede zu stellen.
Finn beobachtete, was mein Chef tat, und so hatte ich die Gelegenheit, Finn zu mustern.
Er sah wieder fantastisch aus. Er trug ein schwarzes Hemd und ein edles, glänzend graues Sakko. Sein angenehmer Duft drang über den Tresen zu mir herüber, und ich seufzte innerlich. Sein blondes Haar trug er heute etwas strenger zurückgegelt, was ihm richtig gutstand. Finns Kiefer spannten sich an. Ich folgte seinem Blick.
Dédés Lover und Finn fixierten einander. Chris grinste und tippte sich grüßend an die Stirn. Finn wandte sich von ihm ab. Er trank den Rest seines Whiskys in einem Zug aus und sah zu mir auf.
»Pass auf dich auf«, sagte er leise, erhob sich und ging.
Ich blieb verwirrt zurück. Was war denn nun schon wieder los? Seine Worte hatten wie eine Warnung geklungen, nicht wie eine gut gemeinte Phrase. Offensichtlich kannten Finn und Chris einander. War Finn seinetwegen wieder in den Pub gekommen? Oder doch meinetwegen? Mein Gehirn brannte geradezu vor lauter Fragen und Zweifel.
Wie in Trance nahm ich sein Glas, spülte es ab und stellte es weg.
Mein Boss rempelte mich an.
»Was ist heute nur los mit euch Mädels? Los, los, ein bisschen schneller, die Gäste warten.«
So genervt kannte ich ihn gar nicht, aber ich konnte ihn gut verstehen. Also konzentrierte ich mich wieder auf meine Arbeit.
Erst um kurz nach drei Uhr morgens konnten wir endlich Feierabend machen. Ich war müde, ich wollte in mein Bett.
Draußen war es ungemütlich feucht. Der in diesem Februar geradezu allgegenwärtige Nebel war wieder aufgezogen. Ich kuschelte mich tiefer in meinen Schal und zog mir die Handschuhe an, bevor ich mein Fahrradschloss öffnete. Ich hatte bis nach Hause eine zwanzigminütige Tour vor mir. Mir würde sicherlich bald warm werden.
Es herrschte in dieser Nacht eine unangenehme Stille, sodass ich mir schnell wünschte, ich wäre schon daheim. Ich beschleunigte meinen Tritt. Der Nebel schluckte alle anderen Geräusche.
Ich war ganz allein auf dieser Welt. So kam es mir in dem Moment zumindest vor.
Der Schleier wurde dichter, und ich musste das Tempo drosseln, wenn ich nicht in einen der Kanäle stürzen wollte, weil ich den Weg nicht mehr sehen konnte.
Auf der nächsten Brücke wäre ich fast vom Rad gefallen. Inmitten des Nebels, schwach beleuchtet von einer Laterne, stand eine Gestalt.
Mein Herz raste vor Schreck. Die Person bewegte sich nicht, sie schien dort gewartet zu haben. Sollte ich vorbeifahren? Rechts und links von ihr war aber viel zu wenig Platz. Ich kniff die Augen zusammen und legte den Kopf schief. Starrte der Mensch direkt in meine Richtung?
Ich griff in meine Umhängetasche und wühlte hektisch darin herum. Wo war das scheiß Pfefferspray?! Taktisch unklug, es einfach in eine riesige Tasche reinzuschmeißen. Ich hätte es doch in meine Manteltasche stecken sollen.
Vermutlich brauchte ich das Zeug überhaupt nicht. Aber es wäre eine große Beruhigung gewesen, die kleine Flasche in Griffweite zu haben. Ich wühlte weiter in der Tasche, und mein Fahrrad meinte, es müsste genau jetzt der Erdanziehung nachgeben und kippte seitlich um. Das linke Pedal schrappte schmerzhaft an meinem Schienbein entlang.
»Verdammt!«, fluchte ich.
»Antonia.«
Ich schrie auf. Die riesige Gestalt löste sich aus dem Nebel.
Seelenruhig bückte sich Finn vor mir und half mir dabei, das Fahrrad wieder aufzurichten.
»Danke!«, japste ich tonlos.
»Verzeihung, ich wollte dich nicht erschrecken.«
»Zu spät.«
Er stand so nah vor mir, dass ich wieder sein herbes Aftershave roch. Obwohl ich selbst mit eins siebzig nicht klein bin, war er fast zwei Köpfe größer als ich.
»Warum bist du mir gefolgt?«, wollte ich wissen und klang vermutlich etwas genervt. Es ärgerte mich, dass er mich so erschreckt hatte.
»Eine Frau sollte in einer solchen Nacht nicht allein unterwegs sein«, sagte er leise. Er leugnete also nicht, dass er mir gefolgt war.
»Vielen Dank, ich kann selbst auf mich aufpassen.«
Er antwortete nicht, aber ich vermutete, dass er schmunzelte. Es war zu dunkel, um sein Gesicht genau zu erkennen.
»Darf ich dich dennoch nach Hause begleiten?«
Ich biss mir auf die Unterlippe. Er mochte wie ein Gentleman reden, sein plötzlich Auftauchen jedoch wäre eher eines Stalkers würdig gewesen.
»Ich bin ohnehin fast zu Hause.«
»So ist es wohl.« Er streckte die Hand aus und berührte ganz vorsichtig mein Haar. »Es gefällt mir, wie du dein Haar jetzt trägst.« Dann zog er die Hand zurück. »Gute Nacht, Antonia.«
Ich mochte es, wie er meinen Namen betonte. Ich fühlte mich plötzlich … begehrenswert. So etwas hatte noch nie jemand allein durch das Aussprechen meines Namens geschafft.
Finn wandte sich ab.
Nein, ich konnte ihn nicht gehen lassen. Nicht bevor er mir sein merkwürdiges Verhalten erklärt hatte.
»Warte!« Ich griff nach seiner Hand, und er drehte sich wieder zu mir um.
Seine Hand war kalt, kälter noch als meine.
Der Nebel verschwand, als hätte ich ihn weggepustet. Oder war Finn es gewesen?
Wir stehen auf einer hohen Klippe, der Wind zerrt an unseren Kleidern, und unter uns tobt das Meer. Er hält mich fest, sieht mich eindringlich an. Es gibt nur uns beide.
Dann kehrte langsam die Realität zu uns zurück. Nein, wir standen auf keiner Klippe, und unter uns tobte kein stürmisches Meer. Wir standen in Amsterdam auf einer von Nebel verhangenen Brücke, auf der das Licht der Straßenlaternen kaum zu uns durchdrang.
Aber Finn hielt mich wirklich in seinen Armen. Es war ein wunderbares Gefühl. Meine Hände lagen auf seinen Oberarmen. Ich legte den Kopf in den Nacken, damit ich ihn ansehen konnte.
»Kannst du mir jetzt sagen, was das war?«
Er schluckte. »Das war meine Heimat: Schweden.« Finn löste sich von mir.
Das Fahrrad war erneut umgekippt, und er bückte sich, um es aufzurichten.
Wenn er mir hätte etwas antun wollen, hätte er es bereits erledigen können. Wir waren ganz allein, und er konnte meine Leiche einfach in die Gracht schubsen.
Ich schluckte. Der Gedanke amüsierte und erschreckte mich zugleich. Dann siegte meine Neugier, und ich nahm all meinen Mut zusammen. »Also gut, bis zur Haustür, klar?«
Er nickte, und wir gingen Seite an Seite den Rest des Weges zu dem kleinen Haus, in dem sich meine Wohnung befand. Das Fahrrad schob ich lieber neben mir her, da ich meinem Gleichgewichtssinn nicht mehr traute.
Vor der Tür blieb ich stehen. »Hier wohne ich.«
Er sah die Fassade hoch und nickte. »Sieht nett aus.«
»Ist jedenfalls günstig.«
Stille trat zwischen uns ein. Ich musterte sein Gesicht, er mein Fahrrad.
Da stand dieser sexy Kerl direkt vor mir, ich musste es nur zulassen … Er drängte mich zu nichts, und doch war diese Spannung, das Knistern zwischen uns so deutlich, dass ich es fast sehen konnte. Ich wollte nicht, dass er jetzt ging. Auch, wenn ich zuvor etwas anderes gesagt hatte, wurde mir das nun bewusst. Ich wollte mehr über ihn wissen und vor allem erfahren, was das wirklich zwischen uns war. Schließlich gab ich mir einen Ruck und fragte: »Kommst du mit rein?«
»Ich weiß nicht, ob das eine so gute Idee ist.«
»Findest du nicht, dass wir über das reden sollten, was da gerade passiert ist?«
Er zögerte, und ich fragte mich: Warum? Warum kommt er nicht einfach mit?
»Und wenn ich keine Antwort darauf habe?«, sagte er nun.
»Vielleicht finden wir gemeinsam eine.«
»Okay.«
»Okay?«
Er nickte. »Ja, okay.«
Und so schloss ich die Tür mit zittrigen Fingern auf und brachte Finn zu meiner Wohnung, die im zweiten Obergeschoss lag. Leider hatte ich gar nicht mit Besuch gerechnet, sodass uns ein mittelschweres Chaos begrüßte.
Aber Finn schienen die umherliegenden Sachen überhaupt nicht zu stören. In meinem Wohnzimmer, das zugleich mein Schlafzimmer war, setzte er sich auf die Zweiercoach. Er war viel zu groß für das kleine Möbelstück.
»Magst du etwas trinken?«, fragte ich ihn nervös.
Wenigstens konnte ich nun sein Gesicht sehen, da ich eine kleine Lampe auf meinem Bücherregal eingeschaltet hatte.
Er nickte.
In der Küche fand ich noch eine Flasche Whisky, die mir irgendjemand mal zum Geburtstag geschenkt hatte. Zwar konnte sie bestimmt nicht seinem erlesenen Geschmack gerecht werden, da der Tropfen erst zwölf Jahre alt war, aber die Flasche war das einzige alkoholische Getränk, das ich im Haus hatte.
Er nippte auch nur an seinem Glas, dann sah er mich fragend an.
»Wie machst du das?«, wollte er wissen.
»Wie mache ich was?«
»Das hier …« Er stellte sein Glas auf den Couchtisch und nahm meine Hand in seine.
Wir befinden uns nicht mehr auf der Klippe, sondern auf einem Schiff … einem sehr alten Schiff. Es schaukelt auf den Wellen, und ich kann fast spüren, wie mir die kalte Gischt ins Gesicht spritzt.
Schnell ließ ich seine Hand los. »Das bin ich doch gar nicht. Ich mache überhaupt nichts.«
Einen weiteren Augenblick sah er mich an. Dann nahm er meine Hand und zog mich zu sich auf die Couch.
»Antonia, ich bin … rumgekommen auf dieser Welt«, sprach er sanft und doch irgendwie ernst. »Aber so was habe ich noch nie erlebt.«
Ich hatte auch noch nie erlebt, dass ich mich seit der ersten Berührung körperlich so sehr nach einem Mann verzehrte. Ich schluckte und wich seinem Blick aus. »Die Bilder, die wir sehen, kommen nicht aus meiner Erinnerung.«
Er nickte. »Es sind meine Erinnerungen.«
»Oh«, sagte ich nur. Mein Herz raste. Ich schaute auf seine Hand, die meine hielt. »Jetzt gerade sehe ich gar nichts.« Ich hob den Blick. »Nur dich.«
Er lächelte und schüttelte den Kopf.
Ich war mir sicher, dass er genau wusste, welche Wirkung er auf Frauen hatte. Dennoch war er im Pub nie mit einer anderen mitgegangen. Zumindest nicht, soweit ich das bemerkt hatte.
Doch er war zu mir gekommen.
»Du bist nervös«, stellte er fest.
Tatsächlich war meine Hand etwas feucht, und ich entzog sie ihm. »Nein«, log ich.
Er hob die Brauen, und seine grauen Augen waren sanft wie das Meer, das wir zusammen gesehen hatten. Seine Lippen wirkten eher schmal, und ich musste mich beherrschen, nicht die Hand auszustrecken, um sie zu berühren.
Die Linie seines Halses ging über zu seinem Schlüsselbein. Der Rest war unter seinem Hemdausschnitt verborgen. Es drängte mich danach, den obersten Knopf zu öffnen und die Linie seiner Schlüsselbeine und der Brustmuskeln, die sich unter dem Hemd abzeichneten, weiterzuverfolgen.
Mein Mund war trocken, und ich schluckte. Rasch stand ich auf. »Ähm, ich hole mir etwas zu trinken. Möchtest du noch einen Schluck?« Ich deutete mit einem Nicken auf sein Glas, das er kaum angerührt hatte.
Er schüttelte den Kopf. »Nein, danke. Aber der Whisky schmeckt gut.«
In der Küche versuchte ich, meinen Puls zu beruhigen. Eine Vorlesung aus dem Psychologiestudium fiel mir wieder ein. Der Hintergrund der Lust. Es war mehr Biochemie gewesen und eine wahre Ernüchterung für alle, die an Liebe auf den ersten Blick glaubten. Ich befand mich in einem Dopaminrausch, der ungebremst meinen Körper beherrschte.
Ich ließ mir kaltes Wasser über die Handgelenke laufen, bevor ich ein Glas füllte und in raschen Schlucken leer trank. Erst dann fühlte ich mich bereit dazu, zurück in mein Wohnzimmer zu gehen.
Finn saß nicht mehr auf dem Sofa. Er stand vor meiner kleinen Plattensammlung. Das Sakko hatte er abgelegt und die Hemdsärmel aufgekrempelt, die Hände locker in die Hostentasche gesteckt.
Er war wirklich groß, und mein Regal wirkte plötzlich so klein.
»Schöne Sammlung«, sagte er, als er meine Anwesenheit bemerkte. »Darf ich sie mir ansehen?«
Ich nickte. »Nur ein paar Lieblingsalben. Schallplatten sind ganz schön teuer.«
Ich blieb auf Abstand und beobachtete, wie er meine Plattensammlung durchsah.
Jede seiner Bewegungen war geschmeidig, elegant und doch kraftvoll. Er machte den Eindruck eines Raubtieres. Keines wilden, ungebändigten, sondern eines, das sich seiner Stärke und Erhabenheit sehr bewusst war und es deswegen nicht nötig hatte, laut und stürmisch zu sein.
Ich trat näher an ihn heran und nahm seinen Duft wahr. Es war nicht nur das Aftershave. Da war mehr. Ich konnte es nur nicht genauer benennen.
Zögerlich streckte ich die Hand aus und legte sie auf seinen Oberarm.
Sein Muskel spannte sich unter meiner Berührung an, doch den Blick hielt Finn weiter auf meine Platten gerichtet.
Daher legte ich meine andere Hand auf seinen Rücken. Auch dort spannten sich seine Muskeln an.
»Ist dir meine Berührung unangenehm?«
Er schüttelte den Kopf. »Ganz und gar nicht.« Langsam wandte er sich zu mir um.
Meine Hände wanderten wie von selbst auf seine Brustmuskeln, und ich legte den Kopf in den Nacken, um ihm ins Gesicht sehen zu können.
Er nahm meine rechte Hand und hielt sie in seinen. Wie kühl sich seine Haut anfühlte, während ich fast zu verglühen drohte. Die Hitze war mir in die Wangen gestiegen, und mein Herz raste.
Etwas funkelte in seinen Augen auf, und er leckte sich kurz über die Lippen.
»Jetzt sehe ich keine Bilder«, murmelte ich benommen.
»Nein, ich auch nicht.«
Eine Hand vergrub er in meinem Haar, mit der anderen hielt er mich fest an sich gedrückt.
Endlich tat er das, wonach ich mich gesehnt hatte: Er neigte den Kopf, und wie von selbst erhob ich mich auf die Zehenspitzen. Als seine Lippen meine berührten, waren sie fordernd, und seine Zunge verlangte Einlass in meinen Mund. Ich ließ ihn gewähren, mehr noch, ich erwiderte den Kuss.
Nun existierte gar nichts mehr um uns herum, nur noch wir beide. Seine Hände waren überall: unter meinem Shirt, auf meinem Po … Ich genoss jede einzelne Berührung. Ich begann, sein Hemd aufzuknöpfen. Aber das ging mir nicht schnell genug. Also riss ich es auf, und die Knöpfe sprangen ab.
Mit einer geschmeidigen Bewegung nahm er mich auf seine starken Arme. Hinter dem Bücherregal, vom Rest des Zimmers getrennt, befand sich mein Bett. Sanft legte er mich dort ab und kam über mich. Er liebkoste meinen Hals, schob mein Shirt hoch und küsste die Stelle zwischen meinen Brüsten.
Ich schloss die Augen und überließ mich einfach dem, was er mit mir tun wollte. Er küsste meine Brustwarzen, fuhr mit seinen Lippen über meinen weichen Bauch und öffnete meine Hose. Als er mich zwischen den Beinen küsste, stöhnte ich, vergrub meine Hände in seinem blonden Haar und brachte ihn dazu, wieder zu mir zu kommen.
Er küsste mich auf den Mund, und ich öffnete bereitwillig meine Beine. Sein Ständer drückte gegen meine Scham. Mir war heiß, und ich erschauerte wohlig, weil sich seine Haut angenehm kühl auf der meinen anfühlte.
»Ist dir kalt?«, murmelte er an meinen Lippen.
Ich schüttelte den Kopf. Er sollte jetzt bloß nicht aufhören.
Ich hob mein Becken ein wenig an, sodass sein Schwanz noch fester gegen meine Mitte drückte. Unter flatternden Lidern sah ich, dass er sich fest auf die Unterlippe biss.
Ich wollte ihn in diesem Moment mehr als alles andere auf dieser Welt. Dennoch gab es eine Kleinigkeit zu berücksichtigen. Ich richtete mich keuchend auf, und er machte mir ein wenig Platz.
»Alles in Ordnung?«
Seine Besorgnis war irgendwie süß.
Ich nickte, wandte mich meinem Nachttisch zu und holte aus der Schublade ein kleines Päckchen.
Finn verstand und nahm das Kondom entgegen.
Zwischen uns war noch viel zu viel Stoff. Ich hockte mich hin und fasste nach dem Bund seiner Hose.
Mit glühenden Augen sah er zu, wie ich den Knopf und dann den Reißverschluss öffnete. Langsam schob ich meine Hand in seine Hose und umfasste seine Härte.
Diesmal war er es, der aufstöhnte, und ich grinste, weil ihm zu gefallen schien, dass ich ihn anfasste. Ich massierte ihn weiter, während ich den Bund seiner Hose weiter nach unten schob.
Als ich es geschafft hatte, gab es für uns beide kein Halten mehr.
Ich legte meine Hände in seinen Nacken, küsste ihn leidenschaftlich und ließ mich mit ihm zusammen zurück in die Kissen fallen.
Noch während er das Kondom überstreifte, schlang ich meine Beine um seine Hüfte. Meine Schamlippen zuckten, als seine Eichel sie berührte.
Ganz langsam glitt er in mich hinein. Schon da wollte ich einfach nur noch zerfließen vor Lust. Er spürte, wie feucht ich war, und stöhnte ebenfalls. Langsam bewegte er sich in mir, während er seine Hand unter meinen Hintern schob, um mein Becken anzuheben. Dann konnte er sich nicht beherrschen und stieß in schnellerem Rhythmus zu.
Gemeinsam schwebten wir auf den Wellen der Lust, ich fühlte das Pochen in meiner Mitte, drängte mich noch mehr an ihn. Er erstickte mein Stöhnen mit Küssen.
Aber ich konnte nicht mehr. Ich explodierte. Ich sah Farben in allen Variationen des Regenbogens, in mir bereitete sich das wahnsinnige Gefühl des Orgasmus aus. Immer wieder zog sich mein Innerstes um seinen Schaft zusammen.
Er kam kurz darauf, als habe er nur darauf gewartet, dass meine Lust erfüllt war.
Und in diesem Moment biss er in meinen Hals. Überrascht schrie ich auf. Er wollte sich zurückziehen, aber ich hielt ihn fest. So etwas hatte ich noch nie gespürt, diese verrückte Mischung aus Lust und Schmerz. Er sollte weitermachen … nicht aufhören.
Es war schon Mittag, als ich erwachte. Durch den Nebel fiel Licht in mein Fenster. Ich war allein.
Hatte ich alles nur geträumt?
Dann spürte ich den Schmerz, das Brennen an meinem Hals. Ungläubig ging ich ins Bad und betrachtete mich im Spiegel. Etwas blass sah ich aus. Doch was mich fast umkippen ließ, waren die zwei roten Male ganz in der Nähe meiner Halsschlagader, dort wo eine Vene verlief, wenn ich mich richtig an den Bio-Unterricht erinnerte.
Nein, das konnte einfach nicht real sein! Ich zwickte fest in meinen Handrücken. Aua! Gut, ich befand mich also im Wachzustand. Dann gab es nur eine logische Erklärung: Ich war verrückt. Ja, richtig, nur das konnte es sein. Das würde auch die merkwürdigen Halluzinationen der letzten Tage erklären.
Wie in Trance kochte ich mir einen Kaffee und schob zwei Scheiben Toast in den Toaster. Ich setzte mich schließlich mit meinem Laptop auf die Couch. Ich brauchte einen Arzt. Am besten einen Neurologen … oder sollte ich direkt ins Krankenhaus fahren? Die Sache war ernst, wenn ich mir schon einen Vampir in mein Bett halluzinierte.
Hatte ich mir nicht irgendwann einmal in meiner Teeniezeit gewünscht, wie Sookie Stackhouse zu sein? Mein Gehirn wollte mir diesen Wunsch wohl nun erfüllen. Vampire! Ich lachte laut über mich selbst.
Das Telefon klingelte und unterbrach mein Gelächter. Die Realität holte mich in der Form meines Chefs ein, zumindest in Form seiner Stimme.
»Toni, du musst für Tanja einspringen«, erklärte er mir ohne große Umschweife.
Eigentlich hätte ich die nächsten beiden Tage frei gehabt. »Och, Colin, bitte nicht.« Mir war gar nicht nach arbeiten, ich war viel zu müde und verwirrt.
»Ich würde nicht anrufen, wenn nicht Not am Mann wäre. Dédé ist zwar da, hängt aber die ganze Zeit über der Kloschüssel. Lissy sieht auch nicht sehr fit aus. Ich brauche dich heute.«
Ich seufzte.
Sollte ich ihm sagen, dass ich ebenfalls krank war? Schließlich wäre ich am liebsten zum Arzt gefahren, um mich gründlich durchchecken zu lassen. Andererseits hatten die Praxen heute ohnehin nicht auf, jede Notaufnahme würde mich abweisen, und die Arbeit konnte mich auf andere Gedanken bringen. Oder eben nicht, denn womöglich tauchte Finn heute wieder dort auf.
Ich seufzte tief. »Also gut, ich komme.«
Dédé und Lissy waren wirklich in einem furchtbaren Zustand, wie ich bei meiner Ankunft im Pub feststellen musste. Beide waren blass und hatten mit Übelkeit zu kämpfen.
»Geht bloß weg von mir«, meinte ich und machte einen großen Bogen um sie. Ich hatte keine Lust, mir irgendetwas einzufangen.
Sie beeilten sich auch beide, ganz schnell aus dem Pub zu kommen.
Mit Mundschutz, ellbogenlangen Gummihandschuhen und Desinfektionsmittel bewaffnet, reinigte ich erst mal die Personal-Toilette. Das musste echt ein schrecklicher Magen-Darm-Virus sein, der unsere Kellnerinnen da heimgesucht hatte.
»Hat Tanja dasselbe wie die Mädels?«, fragte ich bei Colin nach, als ich mit der Säuberungsaktion fertig war.
Er zuckte mit den Achseln. »Kein Ahnung, sie ging erst gar nicht ans Telefon – weder an ihr Handy noch ans Festnetz.«
Das war merkwürdig. Tanja war eigentlich eine sehr zuverlässige Kraft. Es musste ihr richtig mies gehen, wenn sie nicht einmal die Kraft hatte, unseren Boss anzurufen.
»Und was ist mit Marlon? Ist er ans Telefon gegangen?«
»Ja, er kommt später. Aber er hat Tanja auch nicht erreichen können, deshalb fährt er noch bei ihr vorbei, bevor er kommt. Sag mal, was ist denn das an deinem Hals?«
Ich zog die Schultern hoch. »Was meinst du?«
»Diese beiden Male da.« Er zeigte mit dem Finger auf meine Halsvene, und ich wich zurück.
»Nichts, nur zwei aufgekratzte Pickel. Ich bring das schnell mal raus.« Ich hielt den Eimer mit dem Putzzeug und den Gummihandschuhen hoch, glücklich, eine schnelle Ablenkung parat zu haben. »Das Zeug ist bestimmt kontaminiert. Ich schmeiß es direkt draußen in die große Tonne.«
Das leuchtete ihm ein. Er wollte kein verseuchtes Pub haben, das vom Gesundheitsamt geschlossen wurde.
Unsere Restmülltonne ist einer von diesen großen schwarzen Containern, bei denen ich zwei Hände benötigte, um den Deckel auch nur ein paar Zentimeter zu bewegen. Ich stellte also den Eimer mit dem Putzzeug auf den Boden und bewegte den Deckel der Tonne ächzend nach hinten.
Sofort stieg mir der übliche Gestank in die Nase, und ich versuchte, meine Nasenflügel nach innen zu ziehen. Es half nichts, es stank einfach bestialisch. Hatten wir Fischreste darin entsorgt? Ich konnte mich gar nicht daran erinnern, dass wir letzte Woche irgendetwas mit Fisch im Snack-Angebot gehabt hätten.
Ich wollte mich beeilen, um den Gestank nicht länger ertragen zu müssen, griff nach dem Eimer, holte weit aus und verharrte, als ich etwas Rotes zwischen all dem Unrat hervorblitzen sah. Ich stellte mich auf die Zehenspitzen, um besser hineinschauen zu können. War das ein Schuh? Ja, das war ein roter Sneaker!
Wer um Himmels willen entsorgte bitte seine Altkleidersammlung in unserem Container?! Ich schüttelte den Kopf und warf endlich den dämlichen Eimer hinein. Er landete neben einem Stück Fleisch. Kein Wunder, dass der Müll so stank, wenn wir darin Fleischabfälle entsorgten.
So schnell es ging, zog ich den Deckel zu.
»Colin!«, brüllte ich in Richtung Hintertür. »Colin, warum haben wir Fleischabfälle im Restmüll? Das stinkt!«
Mein Boss kam stirnrunzelnd zu mir heraus. Er sah aus, als wäre er kurz vor dem Nervenzusammenbruch. »Was meinst du?«
»Das da!« Ich mühte mich wieder mit dem Deckel ab, und Colin kam mir zu Hilfe.
»What the …?!«, entfuhr es ihm. Er starrte den Müll an.
Ich hielt mir meinen Strickjackenärmel vor Mund und Nase und schaute noch mal genauer nach. Colin selbst hielt sich die Hand vor das Gesicht.
Ich deutete neben den Putzeimer. Mein Boss legte den Kopf schief, ich tat es ihm gleich und hatte plötzlich eine etwas andere Sichtweise.
Erkannte ich da …? Nein, das durfte nicht sein!
Colin eilte nach drinnen, ließ mich mit dem Gestank und der furchtbaren Ahnung allein. Ich starrte auf das Ding, konnte nicht fassen, was ich da sah. Eine kleine rote Erhebung blitzte mir entgegen.
Mein Boss kehrte zurück und hatte einen Besen dabei. Mit dessen Stiel begann er vorsichtig, den Müll zur Seite zu schieben. Ein zweiter Fleischberg kam zum Vorschein mit der gleichen roten Erhebung. Tränen traten in meine Augen, als ich auf den roten Sneaker zeigte. Sehr langsam schob er auch dort den Müll zur Seite. An dem Schuh hing ein Bein. Das Bein steckte in einer zerrissenen schwarzen Jeans.
Colin gab mir den Besen, drehte sich zur Seite und übergab sich. Ich selbst schluckte tapfer. Meine Hände umkrallten den Besenstiel. Wir brauchten Gewissheit. Fettiges Küchenrollenpapier, benutzte Servietten, Damenbinden … sie verbargen ein weiteres Bein und einen nackten Bauch. Die nackten Brüste der Toten starrten mich anklagend an.
Ich musste weitermachen. Nun wusste ich, wo ich zu suchen hatte. Oberhalb der Brüste fand ich unter noch mehr Müll den Kopf mit dem früher so schönen rötlichen Haar.
Deshalb also hatte Tanja nicht auf Anrufe reagiert.
Ich warf den Besenstiel zur Seite und kramte in meiner Hosentasche nach meinem Handy. Meine Hände zitterten, ich presste die Lippen aufeinander.
»Krankenwagen?«, schlug Colin vor und mied den Anblick seiner toten Kellnerin im Müllcontainer.
»Wohl eher Polizei.«
Ich hatte noch nie die Polizei anrufen müssen. Wie nett die Frau am anderen Ende der Leitung klang. Ich nannte meinen Namen, den Grund meines Anrufs und wo ich mich befand, ganz brav, wie ich es irgendwann einmal in der Grundschule gelernt hatte. Die nette Frau versprach, sofort einen Streifenwagen zu schicken und wies mich an, genau dort zu bleiben, wo ich war.
Mir war so unglaublich schlecht. Mein Puls raste. Im Gegensatz zu Colin musste ich immer wieder auf Tanja starren, als könne mein Gehirn nicht begreifen, was meine Augen da sahen.
»Ich gehe rein und rufe Marlon an. Er braucht ja jetzt nicht weiter nach Tanja zu suchen. Und den Pub schließe ich besser.« Er würgte.
»Ja … ja, das ist wohl das Beste.«
Ich blieb allein mit Tanja. Was war geschehen? Wann? Warum? Ich sah ihr lebloses, bleiches, von Abfall verschmiertes Gesicht, ließ den Blick über ihren Hals zu ihren Brüsten gleiten. Armes Mädchen! Fassungslos starrte ich wieder ihren Hals an.
War das nur Dreck? Ich stellte mich auf die Zehenspitzen und sah genauer hin. Dann schrak ich zurück und fasste mir selbst an den Hals. Alles drehte sich um mich. Tanja hatte dieselben Male am Hals wie ich!
Ich wusste, die Polizei würde jeden Moment eintreffen. Also rannte ich in unser Pub und suchte nach irgendetwas, womit ich meine eigenen Bissspuren verstecken konnte.
Warum ich das tat? Ich war panisch! Wenn die Polizei die Male entdeckte, würde man mir unangenehme Fragen stellen. Was sollte ich auf diese antworten? »Jaaaa, das war doch ein Vampir, ganz klar.« Nein, das würde mir keiner glauben. Außerdem hätte ich ihnen dann von Finn erzählen müssen.
Finn … War er zu solch einer Tat fähig? Wieso hätte er Tanja umbringen sollen? War es der Durst nach Blut? Wahnsinn? In meinem Kopf schwirrten alle möglichen Vermutungen durcheinander. Der Gedanke, dass ich wirklich annahm, Finn sei ein Vampir, ließ mich hysterisch auflachen.
Ich fand einen schwarzen Schal, den jemand an der Garderobe vergessen hatte und schlag ihn mir um den Hals.
Als die Polizei eintraf, wartete ich neben dem Müllcontainer. Unglaublich, mit welcher Hektik es an einem solchen Tatort zugeht. Da wurde abgesperrt, telefoniert, fotografiert, abgesucht, befragt. Und als die Kripo eintraf, ging alles von vorn los.
Es kam mir so vor, als hätte ich stundenlang dieselben Fragen beantwortet: Name? Wann haben Sie das Opfer zuletzt gesehen? Wer war bei ihr? Wo waren Sie letzte Nacht?
Für diese Polizisten war jeder von uns verdächtig, selbst mein Chef.
Colin war fix und fertig. Er zitterte am ganzen Leib und rauchte eine Zigarette nach der anderen. Er tat mir echt leid, denn Colin war der allerliebste Mensch, den ich je auf diesem Planeten kennengelernt hatte.