2,99 €
“Leben und Ansichten von Tristram Shandy, Gentleman”: Wie der Titel schon sagt, ist das Buch vordergründig Tristrams Erzählung seiner Lebensgeschichte. Doch neigt er dazu, Abschweifungen zu machen, um seiner Erzählung Kontext und Farbe zu verleihen, und zwar in dem Maße, dass er erst im zweiten Band seiner Lebensgeschichte bei seiner eigenen Geburt angelangt ist… Folglich sind neben Tristram als Erzähler die bekanntesten und wichtigsten Figuren des Buches sein Vater Walter, seine Mutter, sein Onkel Toby, Tobys Diener Trim und eine Reihe beliebter Nebenfiguren, darunter das Zimmermädchen Susannah, Doktor Slop und der Pfarrer Yorick, der später zu Sternes Lieblings-Pseudonym wurde. Der größte Teil der Handlung dreht sich um häusliche Unruhen oder Missverständnisse, die in den gegensätzlichen Temperamenten vom rationalen und sarkastischen Walter und dem sanften und gutmütigen Onkel Toby ihre komische Seite haben. Zwischen diesen Ereignissen findet sich Tristram als Erzähler wieder, der sich ausführlich über sexuelle Praktiken, Beleidigungen, den Einfluss von Namen und Nasen sowie über Geburtshilfe, Belagerungskrieg und Philosophie auslässt, während er darum kämpft, sein Material zu ordnen und die Geschichte seines Lebens zu beenden. Und wundern Sie sich nicht, wenn dabei auch mitunter Kapitel durcheinander geraten oder zunächst scheinbar vergessen werden… „Tristram Shandy“ ist der erste postmoderne Roman der Welt, entstanden etwa zweihundert Jahre, bevor überhaupt irgendeine postmoderne Theorie existierte. Lesen Sie eines der bedeutendsten Werke der Literaturgeschichte. Dies ist der dritte von insgesamt vier Bänden.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 224
LAURENCE STERNE
R O M A N
BAND DREI
TRISTRAM SHANDY wurde im englischen Original zuerst veröffentlicht in neun Bänden in den Jahren von 1759 bis 1767 von Ann Ward (vol. 1–2), Dodsley (vol. 3–4), Becket & DeHondt (vol. 5–9), York et al.
Diese Ausgabe wurde aufbereitet und herausgegeben von
© apebook Verlag, Essen (Germany)
www.apebook.de
1. Auflage 2022
V 1.0
Nach der Übersetzung von A Seubert.
Anmerkungen zur Transkription: Schreibweise und Interpunktion des Originaltextes wurden teilweise übernommen, zu einem großen Teil aber auch der heutigen Schreibweise angeglichen, um einerseits der Eigentümlichkeit des Textes Rechnung zu tragen, andererseits aber auch die Lesegewohnheiten heutiger Leserinnen und Leser nicht zu sehr zu stören.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über www.dnb.d-nb.de abrufbar.
Band Drei
ISBN 978-3-96130-497-4
Buchgestaltung: SKRIPTART, www.skriptart.de
Books made in Germany with
Bleibe auf dem Laufenden über Angebote und Neuheiten aus dem Verlag mit dem lesenden Affen und
abonniere den kostenlosen apebook Newsletter!
Erhalte zwei eBook-Klassiker gratis als Willkommensgeschenk!
Du kannst auch unsere eBook Flatrate abonnieren.
Dann erhältst Du alle neuen eBooks aus unserem Verlag (Klassiker und Gegenwartsliteratur)
für einen sehr kleinen monatlichen Beitrag (Zahlung per Paypal oder Bankeinzug).
Hier erhältst Du mehr Informationen dazu.
Follow apebook!
*
* *
Die
TRISTRAM-TETRALOGIE
Band Eins | Band Zwei | Band Drei | Band Vier
Klicke auf die Cover oder auf die Textlinks oben!
*
* *
BUCHTIPPS
Entdecke unsere historischen Romanreihen.
Der erste Band jeder Reihe ist kostenlos!
DIE GEHEIMNISSE VON PARIS. BAND 1
MIT FEUER UND SCHWERT. BAND 1
QUO VADIS? BAND 1
BLEAK HOUSE. BAND 1
Klicke auf die Cover oder die Textlinks oben!
Am Ende des Buches findest du weitere Buchtipps und kostenlose eBooks.
Und falls unsere Bücher mal nicht bei dem Online-Händler deiner Wahl verfügbar sein sollten: Auf unserer Website sind natürlich alle eBooks aus unserem Verlag (auch die kostenlosen) in den gängigen Formaten EPUB (Tolino etc.) und MOBI (Kindle) erhältlich!
* *
*
Inhaltsverzeichnis
Leben und Ansichten von Tristram Shandy, Gentleman. Band Drei
Impressum
BAND DREI
119. Kapitel.
120. Kapitel.
121. Kapitel.
122. Kapitel.
123. Kapitel.
124. Kapitel.
125. Kapitel.
126. Kapitel.
127. Kapitel.
128. Kapitel.
129. Kapitel.
130. Kapitel.
131. Kapitel.
132. Kapitel.
133. Kapitel.
134. Kapitel.
135. Kapitel.
136. Kapitel.
137. Kapitel.
138. Kapitel.
139. Kapitel.
140. Kapitel.
141. Kapitel.
142. Kapitel.
143. Kapitel.
144. Kapitel.
145. Kapitel.
146. Kapitel.
147. Kapitel.
148. Kapitel.
149. Kapitel.
150. Kapitel.
152. Kapitel.
153. Kapitel.
154. Kapitel.
155. Kapitel.
156. Kapitel.
157. Kapitel.
158. Kapitel.
159. Kapitel.
160. Kapitel.
161. Kapitel.
162. Kapitel.
163. Kapitel.
164. Kapitel.
165. Kapitel.
166. Kapitel.
167. Kapitel.
168. Kapitel.
169. Kapitel.
170. Kapitel.
171. Kapitel.
172. Kapitel.
173. Kapitel.
174. Kapitel.
175. Kapitel.
176. Kapitel.
177. Kapitel.
178. Kapitel.
179. Kapitel.
180. Kapitel.
181. Kapitel.
182. Kapitel.
183. Kapitel.
184. Kapitel.
185. Kapitel.
186. Kapitel.
187. Kapitel.
188. Kapitel.
189. Kapitel.
190. Kapitel.
191. Kapitel.
192. Kapitel.
193. Kapitel.
194. Kapitel.
195. Kapitel.
196. Kapitel.
197. Kapitel.
198. Kapitel.
199. Kapitel.
200. Kapitel.
201. Kapitel.
Eine kleine Bitte
Die Buchreihe im Überblick
Buchtipps für dich
Kostenlose eBooks
A p e B o o k C l a s s i c s
N e w s l e t t e r
F l a t r a t e
F o l l o w
A p e C l u b
Links
Zu guter Letzt
Wären nicht jene zwei mutigen Rößlein gewesen und der Tollkopf von Postillon, der sie von Stilton nach Stamford lenkte, der Gedanke wäre mir nie in den Sinn gekommen. Aber er flog dahin wie der Blitz; – es ging 3½ Meilen lang bergab; – wir berührten kaum den Boden, – es war die schnellste, heftigste Bewegung, die je meinem Gehirn mitgeteilt wurde, – die mein Herz in Anspruch nahm. – Beim großen Gott des Tages, sprach ich, indem ich dabei nach der Sonne sah und meinen Arm durch das vordere Kutschenfenster streckte, ich will mein Studierzimmer abschließen, sobald ich nach Hause komme und den Schlüssel dazu 90' unter die Erdoberfläche in den Ziehbrunnen hinter meinem Hause werfen.
Der Londoner Wagen bestärkte mich in meinem Entschluß; er wackelte den Hügel hinauf, daß er kaum vom Fleck kam, acht schwere Tiere schleppten und schleppten daran hinauf. – »Mit der größten Kraft! rief ich und schüttelte mit dem Kopf; eure Herren schleppen gerade so und einigermaßen alle Welt! Merkwürdig! merkwürdig!«
So sagt mir doch, ihr gelehrten Herren, müssen wir denn immer nur für den Umfang, und so wenig für den inneren Wert arbeiten?
Müssen wir denn immer neue Bücher machen, wie die Apotheker neue Arzeneien machen, – indem wir aus dem einen Gefäß in das andere schütten?
Müssen wir stets dasselbe Seil drehen und wieder aufdrehen? immer in derselben Richtung? – immer in demselben Tempo?
Sind wir denn bis in alle Ewigkeit dazu bestimmt, Sonntags und Werktags die Reliquien der Gelehrsamkeit zu zeigen, wie die Mönche die Reliquien ihrer Heiligen, – ohne daß wir ein – auch nur ein einziges Wunder damit tun?
Wurde der Mensch mit Kräften erschaffen, die ihn in einem Nu von der Erde zum Himmel emporheben; diese große, trefflichste, edelste Schöpfung der Welt, – dieses Wunder der Natur, wie Zoroaster ihn in seinem περὶ φύσεως nannte; – das Shekinah der göttlichen Gegenwart nach Chrysostomus; – das Ebenbild Gottes nach Moses; – der Strahl der Gottheit nach Plato; – das Wunder der Wunder nach Aristoteles – damit er in diesem jammerwürdigen, – elenden, – kniffigen Tempo fortkrieche?
Ich will nicht so schmähen, wie es Horaz über diesen Gegenstand tat; – wenn aber nichts Unrichtiges oder Sündhaftes in meinem Wunsche liegt, so wünsche ich von ganzem Herzen, daß jeder Nachahmer in Großbritannien, Frankreich und Irland für seine Mühe den Wurm bekäme; und daß ein gutes Wurmhaus erdichtet würde, groß genug, um sie alle in sich aufzunehmen und sie zu läutern, den ganzen Pöbel, Männlein und Fräulein; und das bringt mich auf die Sache mit den Bärten; – nach welchem Ideengang aber – das überlasse ich den Spröden und Heuchlern als ein Vermächtniß der toten Hand, damit sie sich daran ergötzen und möglichst davon profitieren.
Über Spitz-Bärte.
Es tut mir leid, daß ich das Versprechen machte – es war ein so unbedachtes, als je eines einem Mann in den Kopf kam. – Ein Kapitel über Spitz-Bärte! Ach! das wird die Welt nicht durchmachen! – es ist eine gar so zarte Welt! – aber ich wußte ja nicht, aus welchem Stoff es gemacht würde, hatte das unten folgende Fragment nie gesehen; sonst würde ich gewiß, so wahr Nasen Nasen sind und Spitz-Bärte Spitz-Bärte (die Welt mag dagegen sagen was sie will) an diesem gefährlichen Kapitel vorübergesegelt sein.
Das Fragment.
*
*
*
*
*
*
*
*
*
*
*
Sie schlafen wohl halb, meine gute Dame, sagte der alte Herr, indem er die alte Dame bei der Hand faßte und sie zart drückte, als er das Wort »Spitz-Bart« aussprach. – Sollen wir von etwas Anderem sprachen? – O durchaus nicht, erwiderte die alte Dame; – ich höre Sie ganz gerne von diesen Dingen sprechen. Dann schlang sie ein dünnes Tuch um den Kopf, lehnte diesen nach der Stuhllehne zurück, wandte ihm das Gesicht zu und schob ihre beiden Füße vor, während sie den Körper zurücklehnte. – Ich wünschte, daß Sie jetzt weiter machten, sprach sie.
Der alte Herr fuhr fort wie folgt: – Spitzbart! rief die Königin von Navarra und ließ ihren Ball fallen, als die Fosseuse das Wort aussprach. – Spitzbart, Madame! sagte die Fosseuse und heftete den Ball an die Schürze der Königin, wobei sie sich verneigte.
Die Stimme der Fosseuse war von Natur sanft und tief, aber sehr vernehmlich; jeder Buchstabe des Wortes Spitzbart fiel daher deutlich in das Ohr der Königin von Navarra. – Spitzbart! rief die Königin und legte einen größeren Nachdruck auf das Wort, als ob sie ihren Ohren nicht recht traute. – Spitzbart! wiederholte die Fosseuse zum dritten Mal. – Es gibt keinen Cavalier seines Alters in Navarra, Madame, fuhr die Ehrendame fort, um der Königin ein größeres Interesse für den Pagen einzuflößen, der einen so herrlichen Spitzbart hätte. – Wie sagt Ihr? frug Margaretha lächelnd. – Spitzbart, versetzte die Fosseuse mit unendlicher Züchtigkeit.
Das Wort Spitzbart behauptete sich noch immer und wurde fortwährend in den besten Gesellschaften des kleinen Königreichs Navarra gebraucht, trotzdem die Fosseuse es so unvorsichtig angewendet hatte. Die Fosseuse hatte das Wort nämlich nicht nur vor der Königin sondern auch bei verschiedenen anderen Gelegenheiten bei Hofe mit einem Accent ausgesprochen, der immer etwas Geheimnißvolles andeutete. – Und da der Hof Margarethen's damals bekanntlich eine Mischung von Galanterie und Frömmigkeit war, – und Spitzbärte sich auf dem einen wie auf dem andern Gebiete verwenden lassen, so behauptete sich das Wort natürlich; – es gewann gerade soviel als es verlor; denn die Geistlichkeit war dafür, das Laientum dagegen; – die Frauen waren geteilt. –
Um diese Zeit zog der ausgezeichnet schöne Kopf und die Figur des jungen Herrn de Croix die Aufmerksamkeit der Ehrendamen nach der Terrasse vor dem Palasttor, wo die Wache aufzog. Die Frau von Baussière verliebte sich sterblich in ihn – die Battarelle desgleichen; – es war das beste Wetter für's Verlieben, als es je in Navarra gewesen; – auch die Guyol, die Maronette, die Sabatière verliebten sich in den Herrn de Croix; die Rebours und die Fosseuse wußten es aber besser; – de Croix hatte bei einem Versuch sich der Rebours zu empfehlen, Fiasco gemacht; und die Rebours und Fosseuse waren unzertrennliche Freundinnen.
Die Königin von Navarra saß eben mit ihren Damen in dem gemalten Bogenfenster, das nach dem Tor des inneren Hofes ging, als de Croix passierte. – Er ist hübsch, sagte die Baussière. – Er sieht gut aus, sagte die Battarelle. – Er hat eine schöne Figur, bemerkte die Guyol. – Nie in meinem Leben sah ich einen Gardeoffizier mit zwei solchen Beinen, sagte die Maronette; – noch Einen, der so schön darauf stand, setzte die Labatière hinzu. – Aber er hat keinen Spitzbart, sagte die Fosseuse. – Nicht die Spur! beteuerte die Rebours.
Die Königin ging nach ihrem Betzimmer und sann während sie durch die Galerie ging immer über die Sache nach; betrachtete sie im Geist bald von dieser bald von jener Seite. – Ave Maria † – was will die Fosseuse eigentlich damit sagen, sprach sie, während sie auf das Kissen kniete.
Die Guyol, Battarelle, Maronette und Sabatière zogen sich auf ihre Zimmer zurück. Keinen Spitzbart! sprachen alle vier bei sich selbst, während sie ihre Türen von innen verriegelten.
Die Dame Carnavalette ließ ihren Rosenkranz unbemerkt unter dem Reifrock durch beide Hände gleiten. – Vom heiligen Antonius bis zur h. Ursula inclusive kam ihr kein Heiliger durch die Finger, der nicht einen Spitzbart gehabt hätte: der h. Franciscus, der h. Dominicus, der h. Benedikt, der h. Basilius, die h. Brigitte, alle hatten einen Spitzbart.
Die Dame Baussière verlor sich in ausschweifende Ideen, als sie sich in tiefere moralische Betrachtungen über den von der Fosseuse gegebenen Text verlor: – sie bestieg ihren Zelter, ihr Page folgte ihr, – die Hostie kam vorüber, – die Dame ritt unbekümmert weiter.
Einen Pfennig, rief ein barmherziger Bruder, – einen einigen Pfennig zur Rettung der tausend armen Sklaven, deren Augen nach dem Himmel und nach Euch schauen, um erlöst zu werden.
Die Dame Baussière ritt weiter.
Habt Mitleid mit den Unglücklichen, sprach ein ehrwürdiger, silberhaariger, frommer Greis und hob ihr eine eisenbeschlagene Büchse in den welken Händen entgegen. – Ich bitte für die Unglücklichen, gute Dame; für Eingekerkerte, – für ein Spital, – für einen alten Mann, – einen armen Schiffbrüchigen, einen Abgebrannten, einen Bürgen, – Gott und all seine Engel mögen es bezeugen, – es soll dazu dienen die Nackten zu kleiden, – die Hungrigen zu füttern. – die Kranken und Betrübten zu trösten.
Die Dame Baussière ritt weiter.
Ein heruntergekommener Anverwandter bückte sich bis auf den Boden.
Die Dame Baussière ritt weiter.
Er lief mit bloßem Kopfe bettelnd neben ihrem Zelter her und beschwor sie bei den Banden ihrer früheren Freundschaft und Verwandtschaft, – Base, Tante, Schwester, Mutter, – um der Tugend willen, um Euretwillen, um meinet-, um Christi willen!
Bedenket mich! – habt Mitleid mit mir!
Die Dame Baussière ritt weiter.
Da, halte meinen »Spitzbart«, sagte die Dame Baussière, – der Page hielt ihren Zelter. Sie stieg am Ende der Terrasse ab.
Es gibt gewisse Gedanken, die ihre Spuren um unsere Augen und Augbraunen lassen; es gibt ein gewisses Gefühl, so um das Herz herum, das dazu dient, diese Umrisse noch mehr hervor treten zu lassen. – Wir sehen, buchstabieren und setzen sie zusammen ohne ein Wörterbuch.
Hahaha! hihihi! riefen die Guyol und die Sabatière, als sie sich genau ansahen und die gegenseitigen Spuren bemerkten. – Hoho! riefen die Battarelle und die Maronette, als sie ebenso taten. – St! sagte die Eine; – Pst! die andere; – sch! die dritte, – pah! die vierte; – Schön Dank! rief die Dame Carnavalette; – es war die, welche die h. Brigitte bespitzbartet hatte.
Die Fosseuse zog die Nadel aus ihrem Haarknoten, entwarf mit dem stumpfen Ende derselben den Umriß eines Spitzbärtchens auf der einen Seite ihrer Oberlippe und gab sie dann der Rebours in die Hand. – Die Rebours schüttelte den Kopf. Die Dame Baussière hustete drei Mal in die innere Seite ihres Muffs. – Die Guyol lächelte. – Pfui! sagte die Dame Baussière. Die Königin von Navarra berührte ihr Auge mit der Spitze ihres Zeigefingers, – als wollte sie sagen: ich verstehe euch Alle!
Es war dem ganzen Hofe klar, daß das Wort verloren sei: die Fosseuse hatte ihm einen Treff gegeben; und es half ihm eben nicht, daß es all jene Engnisse passieren mußte. – Doch hielt es sich noch ein Paar Monate schwach aufrecht; dann fand Herr de Croix, daß es hohe Zeit sei, Navarra zu verlassen, weil er keinen Spitzbart hatte. – Das sonst gangbare Wort wurde jetzt unpassend und (nach einigen Bemühungen zu seinen Gunsten) vollständig ungeeignet für den Gebrauch.
Unter solchen Umständen hätte das beste Wort der besten Sprache, der besten Welt Not gelitten. – Der Pfarrer von Estella schrieb ein Buch dagegen, worin er die Gefahren der Hintergedanken auseinandersetzte und die Navarresen davor warnte. Weiß nicht Jedermann, sagte der Pfarrer von Estella am Schluß seines Werks, daß vor einigen Jahrhunderten die Nase in dem größten Teil von Europa dasselbe Schicksal hatte, wie es jetzt dem Spitzbart im Lande Navarra passiert? – Das Übel breitete sich damals allerdings nicht weiter aus; aber standen nicht seitdem Betten und Polster, Nachtmützen und Nachtgeschirre am Rande des Verderbens? Sind nicht Pumphosen und Rockschlitze, Pumpenschwengel, Hahnen und Faßzwicker von der gleichen Ideenassociation bedroht? – Wenn man der Keuschheit, dieser von Natur edelsten aller Tugenden, die Zügel schießen läßt, – so wird sie zum springenden und brüllenden Löwen.
Der Zweck der Beweisführung des Pfarrers von Estella wurde nicht verstanden: – man ging einer falschen Witterung nach. – Die Welt zäumte den Esel am Schwanz auf. – Und wenn die »Extreme des Zartgefühls« und die »Anfänge der Lüsternheit« ihr nächstes Provinzialkapitel zusammen halten, mögen sie auch über dieses häßliche Ding Beschluß fassen.
Als mein Vater den Brief erhielt, der ihm die traurige Nachricht vom Tode meines Bruders Bobby brachte, war er gerade damit beschäftigt, die Kosten von dessen Postkutsche von Calais nach Paris und von da nach Lyon zu berechnen.
Die Vorbedeutungen waren dieser Reise gar nicht günstig; mein Vater mußte jeden Schuh derselben nochmals durchreisen und seine Berechnung, mit der er sich eben dem Ende näherte, wieder von vorn anfangen, weil Obadiah in diesem Augenblick die Türe öffnete, ihm die Mitteilung machte, daß die Familie keine Hefe mehr habe, und fragte, ob er nicht morgen früh das große Kutschenpferd nehmen und nach neuer Hefe reiten solle. – Sehr gerne, Obadiah, sagte mein Vater, während er seine Reise fortsetzte, – nimm das Kutschenpferd, und mache, daß du fortkommst. – Es fehlt dem armen Tier aber ein Hufeisen, sagte Obadiah. – Armes Tier! widerholte mein Onkel Toby, in welchem jener Ton wie auf einer gleichgestimmten Saite wiederklang. – Dann reite den Schotten, versetzte mein Vater hastig. – Der will um Alles in der Welt keinen Sattel auf dem Rücken dulden, erwiderte Obadiah. – Der Teufel sitzt in dem Tier! so nimm den Patrioten, rief mein Vater, und geh. – Der Patriot ist ja verkauft, bemerkte Obadiah. – Da haben wir's! rief mein Vater, machte eine Pause und sah meinem Onkel Toby ins Gesicht, als ob das Ding nicht möglich wäre. – Euer Gnaden haben mir ja im vorigen April befohlen ihn zu verkaufen, sagte Obadiah. – Dann geh' dafür zu Fuß, rief mein Vater. – Ich gehe viel lieber als ich reite, versetzte Obadiah und schloß die Türe.
Diese Plackereien! rief mein Vater und vertiefte sich wieder in seine Berechnungen – Aber die Wasser sind ausgetreten, sagte Obadiah, und öffnete die Türe von Neuem.
Bis diesen Augenblick hatte mein Vater, der Sanson's Karte und ein Postroutenbuch vor sich liegen hatte, die Hand auf dem Kopf seines Zirkels gehabt, dessen einer Schenkel in Nevers steckte, der letzten Poststation, für die er bezahlt hatte – und wollte eben von diesem Punkte aus seine Reise und Berechnung weiter fortsetzen, aber dieser erneuerte Angriff Obadiah's, der abermals die Türe öffnete und die ganze Gegend unter Wasser setzte, war zuviel für ihn. – Er ließ den Zirkel fallen, – oder vielmehr er warf ihn mit einer Bewegung, die aus Zufall und Ärger gemischt war, auf den Tisch, es blieb ihm nichts übrig, als so klug wie er ausgefahren war (wie so viele Andere) wieder nach Calais zurückzukehren.
Als man den Brief hereinbrachte, der die Nachricht vom Tode meines Bruders enthielt, war mein Vater in seiner Reise wieder bis zu dem Zirkelstich auf der gleichen Station Nevers vorgerückt. – Erlauben Sie, Herr Sanson, sagte mein Vater und stach mit seinem Zirkel durch Nevers bis in den Tisch – und winkte meinem Onkel Toby, daß er sehen möchte, was in dem Brief stehe, – zwei Mal in einer Nacht von einem so lausigen Nest wie Nevers zurückgejagt zu werden, Herr Sanson, ist für einen Engländer und seinen Sohn zu viel. Was meinst du, Toby? setzte mein Vater in einem munteren Tone hinzu. – Wenn's nicht eine Garnisonsstadt ist, sagte mein Onkel Toby, denn dann – Ich werde doch mein Lebenlang ein Esel bleiben, sagte mein Vater und lächelte vor sich hin. – Dann winkte er abermals meinem Onkel Toby, behielt seinen Zirkel in der einen Hand auf Nevers und das Postbuch in der anderen und bog sich halb rechnend, halb zuhörend auf beiden Ellbogen über den Tisch hin, während mein Onkel Toby den Brief überlief – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – Er ist hinüber! sagte mein Onkel Toby. – Wo hinüber? – Wer? fragte mein Vater. – Mein Neffe, sagte mein Onkel Toby. – Was? – ohne Abschied? – ohne Geld? – ohne Hofmeister? rief mein Vater erstaunt. – Nein, nein! sagte mein Onkel Toby, er ist gestorben, lieber Bruder. – Ohne krank gewesen zu sein? rief mein Vater. – Das weiß ich nicht, versetzte mein Onkel Toby mit leiser Stimme und holte einen tiefen Seufzer aus dem Grunde seines Herzens; er muß wohl gehörig krank gewesen sein, – der arme Junge – denn er ist tot.
Als Agrippinen der Tod ihres Sohnes gemeldet wurde, brach sie, wie uns Tacitus erzählt, ihre Arbeit jählings ab, da sie nicht im Stande war, die Heftigkeit ihres Schmerzes zu zügeln. – Mein Vater drückte seinen Zirkel nur um so fester in Nevers. – Welche Gegensätze! er war allerdings in einer Berechnung begriffen, Agrippina mußte wohl eine ganz andere Arbeit vorgehabt haben; wie könnte man sonst aus der Geschichte etwas ableiten wollen?
Wie mein Vater weiter verfuhr, das verdient meiner Ansicht nach ein besonderes Kapitel.
Und ein Kapitel soll der Sache gewidmet werden, und zwar ein ganz verteufeltes; – also nehmen Sie sich in Acht!
Es ist entweder Plato oder Plutarch oder Seneca oder Xenophon oder Epictet oder Theophrastus oder Lucian – oder vielleicht ein späterer Schriftsteller – Cardan oder Budäus oder Petrarca oder Stella, – möglicherweise auch ein geistlicher Autor oder Kirchenvater, St. Augustin, St. Cyprian oder Bernhard, der behauptet hat, ein unwiderstehlicher, natürlicher Drang führe dazu, über den Verlust von Freunden oder Kindern zu weinen; – und Seneca (das weiß ich gewiß), sagt irgendwo, solche Schmerzen werden am besten durch jenen besonderen Kanal gelindert. Wir finden demgemäß auch, daß David um seinen Sohn Absalon, Hadrian um Antinous, Niobe um ihre Kinder, und Apollodor und Crito um Socrates weinten, als er starb.
Mein Vater behandelte seinen Kummer in anderer Weise und zwar ganz anders als die meisten Menschen des Altertums oder der Neuzeit; denn er weinte ihn nicht hinweg wie die Hebräer und Römer, noch verschlief er ihn wie die Lappländer, – noch henkte er ihn auf wie die Engländer, – noch ersäufte er ihn wie die Deutschen, – noch verfluchte, verwünschte, excommunicierte, verreimte oder verlillabullerote er ihn, – und dennoch wußte er ihn los zu werden.
Erlaubt mir der geneigte Leser hier eine kleine Geschichte einzuschieben?
Als Tullius Cicero seine teure Tochter Tullia verlor, nahm er es sich zuerst sehr zu Herzen, – er hörte auf die Stimme der Natur und modulierte seine eigene darnach: – O meine Tullia! meine Tochter! mein Kind! – noch immer, immer, immer! – es war meine Tullia – meine Tullia! – Es ist mir als sehe ich meine Tullia, als höre ich meine Tullia, als spreche ich mit meiner Tullia. – Sobald er aber in das Magazin der Philosophie zu schauen begann, und sah, wie viel treffliche Dinge sich bei diesem Anlaß sagen ließen, – so, sagt der große Redner, kann sich kein Mensch vorstellen, wie glücklich, wie vergnügt mich das machte.
Mein Vater war auf seine Beredtsamkeit ebenso stolz, wie Marcus Tullius Cicero es nur immer sein konnte, und so lange man mich nicht vom Gegenteile überzeugt, mit ebensoviel Recht. Es war in der Tat seine Stärke – aber allerdings auch seine Schwäche. – Seine Stärke, denn er war von Natur beredt; und seine Schwäche, weil sie ihm stündlich Streiche spielte; und wenn sich eine Gelegenheit bot, wo er seine Talente zeigen, und etwas Kluges, Witziges oder auch Verschrobenes sagen konnte, – (den Fall eines systematischen Unglücks ausgenommen), – so hatte er Alles was er brauchte. – Ein Glücksfall, der meinem Vater die Zunge band, und ein Unglück, das sie mit Anstand löste, machten so ziemlich die gleiche Wirkung auf ihn; bisweilen sogar das Unglück eine bessre, wenn zum Beispiel das Vergnügen sprechen zu können, gleich zehn, und der Schmerz über das Unglück gleich fünf war, – so gewann mein Vater gerade die Hälfte; und kam deshalb über jenen so gut weg, als ob er ihn nie befallen hätte.
Hierdurch erklärt sich Manches, was sonst im häuslichen Charakter meines Vaters ganz widersinnig erschienen wäre; dies ist auch der Grund, weshalb bei den Anlässen, wo Nachlässigkeiten und Fehler der Diener oder andere Widerwärtigkeiten, die in einer Familie nun einmal nicht zu vermeiden sind, seinen Zorn reizten, dieser oder vielmehr die Dauer desselben beständig jeder Berechnung spottete.
Mein Vater hatte eine kleine Lieblingsstute, die er von einem sehr schönen arabischen Hengste belegen lassen wollte, um daraus einen Paßgänger für seinen eigenen Gebrauch zu erhalten. In allen seinen Projekten sanguinisch, sprach er auch täglich von diesem Paßgänger mit der größten Sicherheit, wie wenn derselbe schon auferzogen, dressiert, gesattelt und gezäumt vor seiner Türe stände, so daß er nur aufsitzen dürfte. Durch irgend eine Nachlässigkeit Obadiah's kam es jedoch, daß die Erwartungen meines Vaters – durch einen Maulesel erfüllt wurden, ein so häßliches Vieh, als je eines das Licht der Welt erblickte.
Meine Mutter und mein Onkel Toby fürchteten, mein Vater werde den Obadiah umbringen, und seine Klagen über dieses Mißgeschick würden nie ein Ende nehmen. – Da sieh, du Spitzbube, was du getan hast! rief mein Vater und deutete auf den Maulesel. – Ich hab' es nicht getan, sagte Obadiah. – Wer beweist mir das? erwiderte mein Vater.
Triumph schwamm im Auge meines Vaters bei dieser Erwiderung. – Das attische Salz hatte es mit Wasser gefüllt; – und so bekam Obadiah nie mehr etwas davon zu hören.
Wir wollen nun zum Tode meines Bruders zurückkehren.
Die Philosophie hat für Alles schöne Worte. Für den Tod hat sie eine ganze Reihe; das Unglück war nur, daß sie meinem Vater alle zumal in den Kopf kamen, so daß es schwer war sie in der Art zu vereinigen, um eine solide Schaustellung daraus zu bilden. – Er nahm sie also wie sie kamen.
Es ist eine unvermeidliche Schickung, – der erste Paragraph der Magna Charta, – eine ewig dauernde Parlamentsacte, lieber Bruder, – daß Alle sterben müssen.
Wenn mein Sohn nicht hätte sterben können, so wäre dies ein Wunder gewesen; – daß er gestorben, ist keins.
Könige und Prinzen tanzen in dem gleichen Reigen mit uns.
Sterben ist die große Schuld, der große Tribut, den wir der Natur bezahlen müssen: Gräber und Denkmäler, die unser Andenken verherrlichen sollen, bezahlen ihn ebenfalls; die stolzeste Pyramide, welche Reichtum und Wissenschaft errichtet hat, hat dann ihre Spitze verloren und steht nun abgestumpft vor den Blicken des Wanderers. – (Mein Vater fand, daß es ihm leichter wurde und er fuhr fort.) Haben nicht Reiche und Provinzen, Städte und Städtchen ihre Perioden? und wenn die Grundsätze und Kräfte, welche sie anfangs zusammenführten und verketteten, ihre Evolutionen durchgemacht haben, zerfallen sie. – Bruder Shandy, sagte mein Onkel Toby bei dem Worte »Evolutionen« und legte die Pfeife weg. – Revolutionen wollt' ich sagen, erwiderte mein Vater; – so wahr ich lebe, Bruder Toby, ich meinte Revolutionen; – Evolutionen ist ja Unsinn. – Nein, das ist's nicht, sagte mein Onkel Toby. – Ist es aber nicht Unsinn, den Faden einer solchen Unterhaltung gegen so etwas abzubrechen? rief mein Vater, – halt ein, lieber Toby, fuhr er fort und nahm ihn bei der Hand, – halt ein, ich bitte dich dringend, unterbrich mich nicht in dieser Krisis. – Mein Onkel Toby steckte die Pfeife wieder in den Mund.