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“Leben und Ansichten von Tristram Shandy, Gentleman”: Wie der Titel schon sagt, ist das Buch vordergründig Tristrams Erzählung seiner Lebensgeschichte. Doch neigt er dazu, Abschweifungen zu machen, um seiner Erzählung Kontext und Farbe zu verleihen, und zwar in dem Maße, dass er erst im zweiten Band seiner Lebensgeschichte bei seiner eigenen Geburt angelangt ist… Folglich sind neben Tristram als Erzähler die bekanntesten und wichtigsten Figuren des Buches sein Vater Walter, seine Mutter, sein Onkel Toby, Tobys Diener Trim und eine Reihe beliebter Nebenfiguren, darunter das Zimmermädchen Susannah, Doktor Slop und der Pfarrer Yorick, der später zu Sternes Lieblings-Pseudonym wurde. Der größte Teil der Handlung dreht sich um häusliche Unruhen oder Missverständnisse, die in den gegensätzlichen Temperamenten vom rationalen und sarkastischen Walter und dem sanften und gutmütigen Onkel Toby ihre komische Seite haben. Zwischen diesen Ereignissen findet sich Tristram als Erzähler wieder, der sich ausführlich über sexuelle Praktiken, Beleidigungen, den Einfluss von Namen und Nasen sowie über Geburtshilfe, Belagerungskrieg und Philosophie auslässt, während er darum kämpft, sein Material zu ordnen und die Geschichte seines Lebens zu beenden. Und wundern Sie sich nicht, wenn dabei auch mitunter Kapitel durcheinander geraten oder zunächst scheinbar vergessen werden… „Tristram Shandy“ ist der erste postmoderne Roman der Welt, entstanden etwa zweihundert Jahre, bevor überhaupt irgendeine postmoderne Theorie existierte. Lesen Sie eines der bedeutendsten Werke der Literaturgeschichte. Dies ist der vierte von insgesamt vier Bänden.
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Seitenzahl: 275
LAURENCE STERNE
R O M A N
BAND VIER
TRISTRAM SHANDY wurde im englischen Original zuerst veröffentlicht in neun Bänden in den Jahren von 1759 bis 1767 von Ann Ward (vol. 1–2), Dodsley (vol. 3–4), Becket & DeHondt (vol. 5–9), York et al.
Diese Ausgabe wurde aufbereitet und herausgegeben von
© apebook Verlag, Essen (Germany)
www.apebook.de
1. Auflage 2022
V 1.0
Nach der Übersetzung von A Seubert.
Anmerkungen zur Transkription: Schreibweise und Interpunktion des Originaltextes wurden teilweise übernommen, zu einem großen Teil aber auch der heutigen Schreibweise angeglichen, um einerseits der Eigentümlichkeit des Textes Rechnung zu tragen, andererseits aber auch die Lesegewohnheiten heutiger Leserinnen und Leser nicht zu sehr zu stören.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über www.dnb.d-nb.de abrufbar.
Band Vier
ISBN 978-3-96130-498-1
Buchgestaltung: SKRIPTART, www.skriptart.de
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Inhaltsverzeichnis
Leben und Ansichten von Tristram Shandy, Gentleman. Band Vier
Impressum
BAND VIER
202. Kapitel.
203. Kapitel.
204. Kapitel.
205. Kapitel.
206. Kapitel.
207. Kapitel.
208. Kapitel.
209. Kapitel.
210. Kapitel.
211. Kapitel.
212. Kapitel.
213. Kapitel.
214. Kapitel.
215. Kapitel.
216. Kapitel.
217. Kapitel.
218. Kapitel.
219. Kapitel.
220. Kapitel.
221. Kapitel.
222. Kapitel.
223. Kapitel.
224. Kapitel.
225. Kapitel.
226. Kapitel.
227. Kapitel.
228. Kapitel.
229. Kapitel.
230. Kapitel.
231. Kapitel.
232. Kapitel.
233. Kapitel.
234. Kapitel.
235. Kapitel.
236. Kapitel.
237. Kapitel.
238. Kapitel.
239. Kapitel.
240. Kapitel.
241. Kapitel.
242. Kapitel.
243. Kapitel.
244. Kapitel.
245. Kapitel.
246. Kapitel.
247. Kapitel.
248. Kapitel.
249. Kapitel.
250. Kapitel.
251. Kapitel.
252. Kapitel.
253. Kapitel.
254. Kapitel.
255. Kapitel.
256. Kapitel.
257. Kapitel.
258. Kapitel.
259. Kapitel.
260. Kapitel.
261. Kapitel.
262. Kapitel.
263. Kapitel.
264. Kapitel.
265. Kapitel.
266. Kapitel.
267. Kapitel.
268. Kapitel.
269. Kapitel.
270. Kapitel.
271. Kapitel.
272. Kapitel.
273. Kapitel.
274. Kapitel.
275. Kapitel.
276. Kapitel.
277. Kapitel.
278. Kapitel.
279. Kapitel.
280. Kapitel.
281. Kapitel.
282. Kapitel.
283. Kapitel.
284. Kapitel.
285. Kapitel.
286. Kapitel.
287. Kapitel.
288. Kapitel.
289. Kapitel.
290. Kapitel.
291. Kapitel.
292. Kapitel.
293. Kapitel.
294. Kapitel.
295. Kapitel.
296. Kapitel.
297. Kapitel.
298. Kapitel.
299. Kapitel.
300. Kapitel.
301. Kapitel.
302. Kapitel.
303. Kapitel.
304. Kapitel.
Das 297. Kapitel.
Das 298. Kapitel.
305. Kapitel.
306. Kapitel.
307. Kapitel.
308. Kapitel.
309. Kapitel.
310. Kapitel.
311. Kapitel.
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Zu guter Letzt
Nein; – ich glaube, ich sagte einmal, ich würde alljährlich zwei Bände schreiben, falls der böse Husten, der mich damals plagte und den ich noch heute mehr fürchte als den Teufel, es mir verstatten würde; – und an einer anderen Stelle, – (wo? kann ich mich nicht mehr erinnern), wo ich von meinem Buch als einer Maschine sprach und meine Feder und mein Lineal kreuzweise auf den Tisch legte, damit man mir besser glauben möchte, – schwur ich, daß ich es in den nächsten vierzig Jahren mit der gleichen Geschwindigkeit fortsetzen würde, falls es der Quelle des Lebens gefiele, mich solange bei Gesundheit und guter Laune zu erhalten.
Was nun meine Laune betrifft, so habe ich ihr wenig zur Last zu legen, – sogar so wenig (wenn nicht darin eine Klage gefunden werden will, daß sie mich auf einen langen Stock setzt und mich neunzehn Stunden lang von vierundzwanzig zum Besten hat), – daß ich ihr im Gegenteil sogar viel – sehr viel zu danken habe. Durch dich wurde ich in den Stand gesetzt, den Weg des Lebens mit allen Lasten desselben (die Sorgen ausgenommen) auf meinem Rücken heiter zurückzulegen; in keinem Augenblick meines Lebens hast du mich, (so viel ich mich erinnere) verlassen oder die Gegenstände, die mir aufstießen, in Schwarz oder ein krankhaftes Grün gekleidet; in der Gefahr hast du meinen Horizont mit der Hoffnung vergoldet; und als der Tod selbst an meine Türe pochte, – ersuchtest du ihn ein ander Mal wieder zu kommen, und tatest das in einem so lustigen Tone sorgloser Gleichgiltigkeit, daß er in Zweifel über seinen Auftrag geriet.
Es muß hier ein Mißverständniß obwalten, sagte er.
Nun gibt es nichts auf der Welt, was mir widerwärtiger wäre, als wenn ich in einer Geschichte unterbrochen werde; – und ich erzählte eben Eugenius eine sehr pikante von einer Nonne, die sich für einen Schellfisch hielt, und einem Mönch, der verdammt war, weil er eine Muschel gegessen hatte, und setzte ihm gerade die Gründe und die Richtigkeit dieses Verfahrens auseinander.
Ist jemals eine so ernsthafte Persönlichkeit in eine so böse Klemme geraten? meinte der Tod. – Du bist dies Mal mit knapper Not durchgekommen, Tristram, sagte Eugenius und faßte mich bei der Hand, als ich meine Geschichte schloß.
Aber um diesen Preis, Eugenius, sagte ich, läßt sich nicht leben; denn da dieser H—sohn nun einmal meine Wohnung ausgefunden hat –
Du nennst ihn beim rechten Namen, sagte Eugenius, denn durch die Sünde, heißt es, sei er in die Welt gekommen. – Es ist mir gleichgiltig, auf welche Art er hereingekommen ist, sagte ich, wenn er sich nur nicht so beeilt, mich mit sich hinauszunehmen, – denn ich habe noch 40 Bände zu schreiben; und 40,000 Dinge zu sagen und zu tun, die Niemand auf der Welt für mich tun und sagen könnte als du; und da du siehst, daß er mich am Kragen hat (denn Eugenius konnte mich kaum über den Tisch weg verstehen), und daß ich ihm auf freiem Felde nicht gewachsen bin, sollte ich nicht, so lange dies Bischen zerrütteten Geistes noch besteht und diese zwei Spinnenfüße (dabei streckte ich ihm einen hin) mich noch tragen können, – sollte ich da nicht lieber durchgehen, um mein Leben zu retten? – Das rate ich dir ebenfalls, lieber Tristram, sagte Eugenius. – Dann soll er mir beim Himmel! einen Tanz machen, an den er nicht im Schlafe denkt, fuhr ich fort; – denn ich will, ohne mich auch nur einmal umzuschauen, bis an die Ufer der Garonne entfliehen; – und höre ich ihn auch dann noch hinter mir klappern, – so will ich bis zum Vesuv ausreißen, – und von da bis Joppe und von Joppe bis ans Ende der Welt; und wenn er mir auch bis dahin folgt, so will ich Gott bitten, daß er den Hals brechen möge.
Dabei riskiert er mehr als du, sagte Eugenius.
Eugenius' Geist und Freundschaft brachte mir wieder einiges Blut in die Wange, wo es seit mehreren Monaten weggeblieben war. – Es war eine böse Abschiedsstunde: er führte mich nach meinem Wagen. – Allons! sagte ich; – der Postknecht tat einen Klatsch mit seiner Peitsche, und – fort ging's wie die Kugel aus dem Rohr, und nach einem halben Dutzend Sprüngen war ich in Dover.
Zum Henker! sagte ich, als ich nach der französischen Küste hinüberblickte, – ein Mann sollte zuerst von seinem eigenen Lande etwas wissen, ehe er in die Fremde ginge, – und ich habe noch nie in die Kirche von Rochester geblickt, noch das Dock von Chatham besichtigt, oder St. Thomas in Canterbury besucht, obgleich alle drei mir im Wege lagen.
Aber allerdings ist es bei mir ein besonderer Fall.
Ich verhandelte daher hierüber nicht weiter mit Thomas o Becket oder sonst Jemand, – sondern schiffte mich ein und fünf Minuten später gingen wir unter Segel und flogen dahin wie der Wind.
Sagen Sie einmal, Kapitain, sagte ich, als ich in die Kajüte hinabstieg, ist noch nie Jemand bei dieser Überfahrt vom Tode hingerafft worden?
Ach nein! man hat ja gar keine Zeit um krank zu werden, erwiderte er. – Dieser verdammte Lügner! sagte ich, ich bin ja bereits krank wie ein Pferd! – O mein Kopf! – Das Oberste zu unterst! – O Jerum! die Zellen sind wie zerrissen und untereinander geworfen, das Blut, – die Lymphen, die Nervensäfte, die festen und flüssigen Salze, alle sind in einen Brei zusammengerüttelt! – Guter Gott! Alles dreht sich in meinem Kopf wie tausend Wirbel. – Ich gäbe einen Schilling, wenn ich erfahren könnte, ob ich nachher um so klarer schreibe.
Krank! krank! krank! krank!
Wann landen wir denn, Kapitain? – O diese Leute haben Herzen von Stein. – Ich bin sterbenskrank! – Reich' mir das Ding da her, Junge. – O es ist eine trostlose Krankheit. – Ich wollte, ich läge am Grunde. – Wie geht es denn Ihnen, Madame? – Ganz hin, hin, – o hin, mein Herr! – Wie? kommt es zum ersten Mal? – Nein, zum zweiten, dritten, sechsten, zehnten Mal, mein Herr! – O Je, o Je! – Was ist denn das für ein Getrampel da oben? – He, Kajütenjunge, was gibt es denn eigentlich?
Der Wind ist umgesprungen! – Hols' der Henker! – Dann bekommen wir ihn gerade ins Gesicht.
Welch' ein Glück! – er ist schon wieder umgesprungen, Master. – Der Henker spring' um!
Kapitain, sprach sie, bringen Sie uns um Gottes willen ans Land!
Es ist ein großer Übelstand für einen Mann, der Eile hat, daß es drei verschiedene Routen von Calais nach Paris gibt, zu deren Gunsten die verschiedenen Behörden der entlang derselben liegenden Städte so viel gesagt haben, daß man leicht einen halben Tag damit hinbringen kann, bis man sich für eine derselben entschieden hat.
Die erste, welche über Lille und Arras führt, ist die weiteste – aber auch die interessanteste und belehrendste.
Die zweite über Amiens schlägt man gerne ein, wenn man Chantilly sehen will, –
Dann kommt die über Beauvais; die wählt man, wenn man eben Lust dazu hat.
Aus diesem letzteren Grunde wählen sehr viele Leute die Straße über Beauvais.
Ehe ich Calais verlasse, würde ein Reisebeschreiber sagen, würde es nichts schaden, wenn ich Einiges darüber sagte. – Ich aber denke, es würde sehr viel schaden, – wenn ein Mann nicht ruhig durch eine Stadt reisen und sie links liegen lassen könnte, wenn er nichts darin zu schaffen hat, sondern sich umdrehen und bei jeder Gosse, die er überschreitet, lediglich aus Gewissenhaftigkeit die Feder in die Hand nehmen müßte. um sie zu beschreiben; denn wenn wir nach dem urteilen wollen, was Alle über diese Dinge geschrieben haben, welche geschrieben und galoppiert – oder galoppiert und geschrieben haben, was wieder etwas ganz Anderes ist; oder welche der größeren Eile wegen galoppierend geschrieben haben, – wie ich gegenwärtig tue, – so gab es von dem großen Addison an, der es tat während ihm sein Ranzen mit Schulbüchern auf dem H— hing und seines Tiers Hinterteil bei jedem Schlag traf, – keinen Galopin von uns Allen, der nicht lieber ruhig auf eigenem Grund und Boden (falls er welchen hat) wandelte und was er zu schreiben hat, lieber trockenen Fußes schriebe.
Was mich selbst betrifft, so ist der Himmel, an den ich immer meine letzte Berufung richten werde, mein Zeuge, – daß ich von Calais (mit Ausnahme des Wenigen, was mir mein Barbier erzählte, während er sein Rasirmesser wetzte) nicht mehr weiß als von Cairo; denn an dem Abend, da ich landete, war es trübe, und an dem Morgen, da ich abfuhr, pechfinster; gleichwohl wollte ich, wenn ich nur ein klein wenig wüßte, – und in einem Teil der Stadt dies von jenem ableitete, und im andern dies und das zusammenbuchstabierte, – jede Reisewette machen, daß ich ein armslanges Kapitel über Calais schreiben wollte; und zwar mit soviel genauen Details über Alles was in jener Stadt der Neugierde des Reisenden würdig ist, – daß man mich für den Stadtschreiber von Calais halten sollte. – Und was wäre dabei zu verwundern, mein Herr? War nicht auch Demokritos, der zehn Mal mehr lachte als ich, – Stadtschreiber von Abdera? Und war nicht ein Gewisser (dessen Namen ich vergaß), der mehr Klugheit besaß als wir Beide, Stadtschreiber von Ephesus? Es sollte überdies mit so viel Kenntniß, Verstand, Wahrheit und Genauigkeit geschrieben werden, – Nun, – wenn Sie mir nicht glauben wollen, so lesen Sie nur zur Strafe das folgende Kapitel.
Calais, Calatium, Calusium, Calesium.
Diese Stadt war, wenn wir den in ihren Archiven befindlichen Notizen Glauben schenken wollen, deren Wahrhaftigkeit zu bezweifeln ich hier keinen Grund sehe, – einst nur ein kleines Dorf, das einem der ersten Grafen von Guignes gehörte; und da die Stadt gegenwärtig nicht weniger als 14,000 Einwohner zählt, worin die 420 Familien in der basse ville oder unteren Stadt nicht eingerechnet sind, – so muß sie offenbar ganz allmählich zu ihrer jetzigen Größe emporgewachsen sein.
Die Stadt hat vier Klöster, aber nur eine Pfarrkirche. Ich hatte keine Gelegenheit, ein genaues Maß vom Umfang der letzteren zu nehmen, aber es ist nicht schwer, denselben ziemlich annähernd zu schätzen; – denn da die Stadt 14,000 Einwohner hat, so muß die Kirche, falls sie alle in sich aufnehmen soll, ziemlich groß sein; – falls sie dies aber nicht könnte, – so wäre es sehr schade, daß nicht noch eine da ist. – Die Kirche ist in Kreuzform gebaut und der Jungfrau Maria geweiht; der Turm, der eine Spitze hat, steht über der Mitte der Kirche auf vier Pfeilern, die elegant und leicht genug, jedoch zugleich genügend stark sind. – Sie ist mit elf Altären geschmückt, die mehr reich als schön sind. Der Hochaltar ist in seiner Art ein Meisterstück, aus weißem Marmor und fast 60' hoch; wäre er noch viel höher, würde er so hoch wie der Kalvarienberg selbst sein; – ich glaube daher, daß er in jeder Beziehung hoch genug ist.
Nichts machte einen größeren Eindruck auf mich als der große Platz: er ist zwar weder gut gepflastert noch schön umbaut; aber er befindet sich im Herzen der Stadt und die meisten Straßen, besonders diejenigen in dem betreffenden Viertel, münden darein. Wenn in ganz Calais ein Brunnen wäre, was wie es scheint untunlich ist, so würde er zweifellos, da ein solcher Gegenstand dem Platz sehr zur Zierde gereicht haben würde, von den Einwohnern in die Mitte desselben gestellt worden sein; – der Platz ist nicht eigentlich ein Quadrat, denn er ist von Osten nach Westen um 40' länger als von Norden nach Süden, so daß die Franzosen im Allgemeinen mehr Recht haben, wenn sie ihn Platz statt Square (Viereck) nennen, welches letztere er genau genommen wirklich nicht ist.
Das Rathhaus ist ein armseliges Gebäude und nicht im besten Stand gehalten; sonst hätte es eine zweite große Zierde für den Platz abgeben können. Es entspricht jedoch seiner Bestimmung und eignet sich sehr gut zur Aufnahme der Magistratspersonen, welche sich von Zeit zu Zeit darin versammeln; so daß man annehmen darf, die Gerechtigkeit werde hier regelmäßig verwaltet.
Von dem Courgain hatte ich viel gehört, es ist aber durchaus nichts Merkwürdiges daran; es ist ein besonders nur von Matrosen und Fischern bewohntes Stadtviertel und besteht aus vielen schmalen Gassen, deren Gebäude hübsch und meist aus Backsteinen gebaut sind. Es ist außerordentlich bevölkert, aber wie man sich schon nach den dort vorherrschenden Berufsarten denken kann, gibt es auch hier nichts Merkwürdiges zu sehen. – Ein Reisender mag es besuchen, um sein Gewissen zu beruhigen; jedenfalls aber darf er den Wartturm nicht vergessen. Er heißt so nach seiner ursprünglichen Bestimmung, und dient in Kriegszeiten dazu die Annäherung des Feindes von der See- oder der Landseite bei Zeiten zu entdecken und Auskunft darüber zu erhalten; – er ist sehr hoch und fällt so sehr ins Auge, daß man ihn nicht übersehen kann, wenn man auch wollte.
Es war mir sehr unangenehm, daß ich die Erlaubniß nicht erhalten konnte, die Befestigungen, welche die stärksten auf der Welt sind, im Detail zu besichtigen. Sie sollen von Anfang bis zu Ende, das heißt von der Zeit an, da sie durch Philipp von Frankreich, Grafen von Boulogne begonnen wurden, bis zum letzten Krieg, wo viele Reparaturen stattfanden, (wie mir später ein Ingenieur in der Gascogne erzählte) – über hundert Millionen Livres gekostet haben. – Es ist hervorzuheben, daß man für die Tête de Graveline, und da wo die Stadt von Natur am schwächsten ist, am meisten getan hat; so daß sich dort die Außenwerke weit in das Land hinaus erstrecken und demzufolge eine große Bodenstrecke bedecken. – Doch muß man, nach Allem was hierüber gesagt und getan wurde, zugeben, daß Calais niemals an und für sich, sondern lediglich durch seine Lage eine solche Bedeutung bekam, indem sie unsern Vorfahren zu allen Zeiten einen leichten Einfall in Frankreich ermöglichte. Doch hatte das auch seine Mißstände; und Calais war in jenen Zeiten für die Engländer ebenso lästig, als es zu unserer Zeit Dünkirchen wurde, so daß man es mit Recht für den Schlüssel beider Reiche ansah, weshalb ohne Zweifel so viele Kämpfe darüber entstanden, wer es im Besitz haben sollte. Unter den letzteren war die Belagerung von Calais oder vielmehr die Blokade (denn es war sowohl auf der Land- als auf der Seeseite eingeschlossen) die merkwürdigste Begebenheit. Damals widerstand es den Anstrengungen Eduards III. ein ganzes Jahr und wurde nur durch Hungersnot und das äußerste Elend bezwungen. Der Edelmut des Eustace de St. Pierre, der sich als Opfer für seine Mitbürger hingab, hat seinen Namen denjenigen der größten Helden beigesellt. – Da die Erzählung nicht über fünfzig Seiten in Anspruch nehmen kann, wäre es Unrecht gegen den Leser, wenn ich ihm nicht eine genaue Schilderung jener romantischen Begebenheit sowie von der Belagerung selbst mit Rapin's eigenen Worten gäbe:
Doch keine Angst, lieber Leser! – Ich will es nicht tun: es ist genug, daß ich dich in meiner Gewalt habe; – aber von dem Vorteil, den das Glück der Feder nun über dich errungen hat, einen solchen Nutzen ziehen zu wollen, das wäre doch zu viel. – Nein! – bei jenem allmächtigen Feuer, welches das Gehirn der Geisterseher erhitzt und den Gespenstern durch außerweltliche Regionen leuchtet, ehe ich ein hilfloses Wesen zu dieser harten Arbeit zwänge, und dich arme Seele! für fünfzig Seiten zahlen ließe, die ich kein Recht habe an dich zu verkaufen, – wollte ich eher, nackt wie ich bin, auf den Bergen weiden und darüber lachen, daß mir der Nordwind weder mein Zelt noch mein Nachtessen bringe.
Fahr also zu, mein braver Junge, und mache, daß du bald nach Boulogne kommst.
Boulogne! – Ha! – so wären wir hier Alle beisammen. – Schuldner und Sünder vor dem Himmel; eine nette Gesellschaft; – doch ich darf hier nicht weilen und die Flasche mit Ihnen leeren, – ich werde selbst verfolgt wie hundert Teufel, und muß fürchten, erwischt zu werden, ehe umgespannt ist: – ums Himmels willen beeilen Sie sich! – Er wird gewiß wegen Hochverrat verfolgt, flüsterte ein sehr kleiner Mann so leise als er konnte einem sehr großen Manne zu, der neben ihm stand. – Oder auch wegen Mords, sagte der große Mann. – Gut geworfen, Sechs – Aß! sagte ich. – Nein, bemerkte ein Dritter, der Herr verübte ein Vergehen der –
Ah ma chère fille! sagte ich, als sie aus ihrer Frühmette vorbeitrippelte, – Sie sehen ja so rosig aus wie der Morgen (die Sonne ging eben auf, wodurch das Compliment um so reizender wurde) – Nein, das kann nicht sein, sagte ein Vierter (sie machte mir einen Knix, – ich küßte meine Hand), es ist wegen Schulden, fuhr er fort. – Ja gewiß, wegen Schulden, sagte ein Fünfter. – Ich möchte die Schulden des Herrn nicht für 1000 Pfund bezahlen, sagte Aß. – Ich nicht für sechs Mal so viel, sagte Sechs. – Wieder gut geworfen, Sechs – Aß! sagte ich, – aber ich habe keine Schulden als die Schuld der Natur; und ich werde ihr jeden Pfennig bezahlen, den ich ihr schuldig bin, sie soll sich nur noch ein wenig gedulden. – Wie können Sie so hartherzig sein, Madame, daß Sie einen armen Reisenden in Haft nehmen wollen, der ohne irgend Jemand zu belästigen ruhig seinen Angelegenheiten nachgeht? Halten Sie doch diesen weitausschreitenden Schuft mit dem Todtengesicht, diese Sünderscheuche, die mir nachsetzt, gefälligst auf. – Er wäre mir nie nachgeeilt, wenn Sie nicht wären; – und wenn's nur eine oder zwei Stationen wären, gerade so viel, daß ich einigen Vorsprung vor ihm gewinnen könnte, ich bitte Sie dringend, Madame. – Tun Sie's, liebe Dame. Nun. wahrhaftig, sagte mein irischer Wirt, es ist wirklich Schade, daß all diese schöne Courmacherei umsonst ist, denn die junge Dame ist weiter gegangen, und hat es nicht gehört. –
Esel! sagte ich.
Sonst haben Sie in Boulogne nichts Sehenswürdiges?
Ach Herr Jesus! wir haben das schönste Seminar für Humaniora. –
Schöner gibt es keins. sagte ich.
Wenn die Wünsche eines Menschen seine Gedanken neunzig Mal schneller vorwärts jagen, als das Fuhrwerk, in dem er reist, – dann wehe der Wahrheit und wehe dem Fuhrwerk und dessen Ausstattung (mag sie aus einem Stoff sein aus welchem sie will), gegen die er die Enttäuschung seines Innern losläßt!
Da ich, wenn ich in Wut bin, niemals allgemeine Charakterisirungen von Menschen oder Dingen gebe, so bestand die ganze Betrachtung, die ich anstellte, als mir die Geschichte zum ersten Male passierte, darin, daß ich sagte: je größer die Hast, desto geringer die Eile, – das 2., 3., 4. und 5. Mal beschränkte ich mich darauf den 2., 3., 4. und 5. Postknecht deshalb auszuzanken und stellte keine weiteren Betrachtungen an. Als die Sache mir aber auch zum 6., 7., 8., 9., 10. und alle Mal ohne Ausnahme passierte, da konnte ich nicht umhin eine Betrachtung über die Nation anzustellen, die ich in folgende Worte faßte: –
An einem französischen Postwagen ist zu Anfang einer Reise immer etwas in Unordnung.
Was sich auch so ausdrücken ließe:
Ein französischer Postillon muß immer absteigen, ehe er dreihundert Schritt von der Station entfernt ist.
Was ist denn jetzt wieder los? – Diable! – ein Strick ist gerissen! – ein Knoten ist abgegangen! – eine Krampe ist los! – ein Bolzen ist zu schärfen! – es ist etwas an einem Stift, einer Felge, einer Kerbe, einer Strupfe, einer Schnalle, einer Schnallenzunge zu machen.
So richtig nun dies Alles ist, so halte ich mich doch nicht für berechtigt, deshalb die Postkutsche oder deren Lenker zum Teufel zu wünschen; auch fällt es mir nicht ein, bei dem lebendigen Gott zu schwören, ich wollte 10,000 Mal lieber zu Fuß gehen, – oder ich wolle verdammt sein, wenn ich je wieder eine Postkutsche besteige; – ich nehme die Sache vielmehr ganz kaltblütig vor, und sage mir, daß ein Nagel, oder eine Kerbe, oder ein Bolzen, oder eine Schnalle, oder eine Schnallenzunge immer fehlen oder nicht in Ordnung sein müsse, wo ich immer reise. – Auf diese Art wüte ich nie, sondern nehme das Gute und Böse, wie es mir in den Weg kommt, und fahre weiter. – Tu das, mein Junge, sagte ich; er hatte bereits fünf Minuten mit Absteigen verloren, um sein Frühstück von Schwarzbrod hervorzuholen, das er in die Kutschentasche gesteckt hatte, und war dann wieder aufgestiegen und langsam weiter gefahren, um mehr Genuß davon zu haben. – Etwas rascher, Schwager, sagte ich, aber in dem denkbarst einschmeichelnden Ton, denn ich klopfte mit einem vierundzwanzig Sousstück an die Scheibe, wobei ich Sorge trug, daß die breite Seite gegen ihn sah, als er zurückblickte. Der Schlingel grinste verständnißvoll vom rechten bis zum linken Ohr; und ließ hinter seiner schmutzigen Schnauze eine solche Perlenreihe von Zähnen sehen, daß ein Souverain seine Juwelen dagegen hätte verpfänden können.
Gerechter Himmel! {Welche Kauer! / Welches Brot!}
Als er mit dem letzten Mundvoll fertig war, fuhren wir in Montreuil ein.
Ich glaube, keine Stadt in ganz Frankreich sieht auf der Karte besser aus als Montreuil. – In dem Buch der Poststraßen sieht sie schon nicht so gut aus; – aber wenn man wirklich hineinkommt, – da sieht sie schon ganz erbärmlich aus.
Doch gibt es gegenwärtig etwas sehr Hübsches drin, nämlich die Tochter des Gastwirts. – Sie war achtzehn Monate in Amiens und sechs in Paris und hat dort ihre Klassen durchgemacht; sie strickt und näht und tanzt und macht ihre kleinen Koketterien sehr gut.
Die Schlampe. Während der fünf Minuten, daß ich sie anschaute, ließ sie alle jene Koketterien los und wenigstens ein Dutzend Maschen in ihrem Strickstrumpf fallen. – Ja, ja! – Ich sehe es, du schlaue Hexe! – er ist lang und fein gerundet – du brauchst ihn nicht auf deinem Knie anzustecken; – ich sehe wohl, er gehört dir, – und liegt dir genau an.
Obwohl die Natur diesem Geschöpf ein Wort über den »Daumen einer Statue« gesagt hat!
Da aber dieses Modell so viel wert ist als alle Daumen der Welt – und ich dabei überdies Daumen und Finger mitbekomme, für den Fall, daß sie mir von irgend etwas eine Andeutung geben können, – und der Janatone (Jeanneton) (so heißt sie nämlich) zugleich so gut zum Zeichnen sitzt, – so will ich nie wieder zeichnen, oder vielmehr mit aller Kraft Zeit meines Lebens wie ein Zugpferd ziehen – wenn ich sie nicht in allen ihren Verhältnissen und mit einem so sicheren Stift zeichne, als ob sie in ihrem nässesten Gewande vor mir säße.
Doch der verehrte Leser wünscht lieber, daß ich ihm die Länge, Breite und senkrechte Höhe des großen Kirchturms oder eine Zeichnung von der Façade der Abtei St. Austreberte gebe, die von Artois hierher gebracht wurde: – da ist Alles noch gerade so wie die Steinhauer und Zimmerleute es verlassen haben; – und wird auch noch die nächsten fünfzig Jahre so bleiben, falls die christliche Religion solange dauert; – mithin kann sie der verehrte und hochwürdige Leser nach Muße selbst ausmessen. Wer aber dich ausmessen will, Jeanneton, muß es jetzt tun; – du trägst die Motive der Veränderung in deiner Gestalt; und wenn ich die Wechselfälle dieses Lebens betrachte, so möchte ich nicht einen Augenblick für dich stehen. ehe zwei Mal zwölf Monate vergehen, kannst du wie ein Kürbis auswachsen und deine Taille verlieren; – oder wie eine Blume verwelken und deine Schönheit einbüßen; – ja du kannst sogar verwelken wie eine Dirne – und dich selbst verlieren. – Ich würde nicht einmal für meine Tante Dinah stehen, wenn sie noch am Leben wäre; – ja nicht einmal für ihr Portrait, – wäre es nämlich von Reynold gemalt.
Doch wenn ich in meiner Zeichnung noch weiter mache, nachdem ich diesen Sohn Apollo's genannt habe, will ich mich totschießen lassen.
Sie müssen sich daher mit dem Original begnügen, und dieses können Sie, falls der Abend schön ist, wo Sie durch Montreuil kommen, an Ihrem Kutschenschlag sehen, während Sie die Pferde wechseln; wenn Sie jedoch nicht einen so bösen Grund zum Weitereilen haben, – so bleiben Sie lieber über Nacht. – Sie hat etwas von einer Frommen; aber dies ist eine Terz gegen einen Neuner zu Ihren Gunsten, mein Herr.
Leider Gottes konnte ich nicht einen einzigen Point zählen, so sehr war ich schon gepikt und wieder gepikt und zum Teufel gematscht.
Wenn ich dies Alles in Betracht ziehe und mir sage, daß zudem noch der Tod mir näher sein könnte, als ich denke – so wollte ich, ich wäre zu Abbeville, sagte ich, und wäre es nur um zu sehen, wie sie krämpeln und spinnen: – und so fuhren wir ab
von Montreuil nach Nampont
–
1½ Poststationen
von Nampont nach Bernay
–
1 Poststation,
von Bernay nach Nouvion
–
1 "
von Nouvion nach Abbeville
–
1 "
– aber die Krämpler und Spinner waren bereits alle zu Bett gegangen.
Wie große Vorteile bringt doch das Reisen! Nur erhitzt es Einen; aber dagegen gibt es ein Mittel, das Sie dem nächsten Kapitel entnehmen können.
Wäre ich in der Lage, mit dem Tod einen Vertrag abschließen zu können, wie ich in diesem Augenblick mit meinem Apotheker verhandle, wie und wo ich sein Klystier nehmen solle, – so würde ich mich ganz bestimmt dagegen aussprechen, mich ihm Angesichts meiner Freunde zu unterwerfen; ich denke deshalb nie ernstlich über die Art und Weise dieser großen Katastrophe nach, was übrigens meine Gedanken eben so sehr in Anspruch nimmt und quält wie die Katastrophe selbst – ohne daß ich jedes Mal einen Vorhang mit dem Wunsche darüber ziehe, der Allmächtige möchte es so anordnen, daß es mir nicht in meinem eigenen Hause passiere – sondern lieber in einem anständigen Gasthof. Zu Hause weiß ich schon – würde die Betrübniß meiner Freunde und die letzten Dienste, die sie mir erwiesen, das Abwischen meiner Stirne, das Glätten meines Kissens mit der zitternden Hand der bleichen Liebe, meine Seele so peinigen. daß ich an einer Krankheit stürbe, an die mein Arzt nicht dächte. In einem Gasthofe dagegen würden die wenigen kalten Dienstleistungen, deren ich bedürfte, mit ein Paar Guineen zu erkaufen sein und mit einer ungetrübten, pünktlichen Aufmerksamkeit geschehen. Indessen bitte ich zu bemerken, daß dieser Gasthof dann doch nicht der von Abbeville sein sollte: und gäbe es auch keinen andern Gasthof auf der Welt, ich würde dennoch diesen Gasthof aus dem Vertrage streichen. Also Punkt vier Uhr Morgens soll angespannt sein. –
Ja, mein Herr, Punkt vier – oder bei der h. Genovefa. ich fange einen Lärm im Hause an, daß die Todten davon aufwachen.
»Mache sie gleich einem Rade!« – ist, wie alle Gelehrten wissen, eine bittere Spottrede gegen die große Tour und jenen rastlosen Touristengeist, der, wie David voraussah, die Menschenkinder in der letzten Zeit heimsuchen würde; es ist deshalb, wie der große Bischof Hall meint, eine der schwersten Verwünschungen, die David jemals gegen die Feinde des Herrn ausgestoßen hat, – und so viel wie wenn er gesagt hätte: »ich wünsche ihnen kein schlimmeres Schicksal als ewig herum zu rollen.« – So viel Bewegung, fährt er fort, ist eben so viel Unbehagen (er war nämlich sehr beleibt); und so viel Ruhe wäre nach der gleichen Analogie eben so viel Himmel.
Nun denke ich (der ich sehr dünn bin) ganz anders; daß nämlich so viel Bewegung so viel Leben und so viel Freude sei: – und daß stille stehen oder nur langsam vorwärtskommen, Tod und Teufel sei.
Hollah! Ho! – Da schläft ja die ganze Welt! – die Pferde heraus, – die Räder geschmiert, – das Brieffelleisen aufgebunden, einen Nagel in dieses Tragband geschlagen, – ich will keinen Augenblick verlieren.
Nun war aber das Rad, von dem wir sprechen, und wozu (nicht worauf, denn sonst würde ja ein Ixions Rad daraus) er seine Feinde verwünschte, entsprechend der Leibesbeschaffenheit des Bischofs, gewiß ein Postkutschenrad, mochte es nun damals welche in Palästina geben oder nicht; – mein Rad aber muß aus den entgegengesehen Gründen ein Karrenrad sein, das fast ein Menschenleben dazu braucht, bis es seine Umdrehung ächzend vollzogen hat; und von diesen hatten sie, wie ich als Bibelausleger ohne Anstand behaupten würde, in jener gebirgigen Gegend gewiß einen großen Vorrat.
Ich liebe die Pythagoräer (und zwar weit mehr als ich je meiner lieben Jenny zu sagen wage) wegen ihres χωρισμὸν απὸ του̃ σώματος, είς τὸ καλω̃ς φιλοσοφει̃ν – »wegen ihres Heraustretens aus dem Körper, um richtig zu denken.« Kein Mensch denkt richtig, solange er sich darin befindet; da er notwendig durch die ihm eigentümlichen Launen verblendet und wie der Bischof und ich selbst durch zu schlaffe oder zu straffe Fasern nach verschiedenen Richtungen hin zu Abweichungen genötigt wird. – Die Vernunft ist zur Hälfte sinnliches Empfinden; und selbst den Himmel bemessen wir lediglich nach unseren dermaligen Gelüsten und unserer Verdauung.
Wer aber, glauben Sie, habe im gegenwärtigen Falle am meisten Unrecht?