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Vier Metaphysische Kapitel :1. Die Transzendenz des Lebens2. Die Wendung zur Idee3. Tod und Unsterblichkeit4. Das individuelle Gesetz
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Georg Simmel
LEBENSANSCHAUUNG
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Die Transzendenz des Lebens
Die Wendung zur Idee
Tod und Unsterblichkeit
Das individuelle Gesetz
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Copyright © 2012 / FV Éditions
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ISBN 978-2-36668-144-4
Alle Rechte Vorbehalten
Philosph und Soziologe, 1858-1918
1918
Messo t'ho innanzi: omai per te ti ciba;Ché a sé torce tutta la mia curaQuella materia ond'io son fatto scriba.
Dante an den Leser.
(Ich tischte auf; nimm selbst dir dein Gericht:Denn meine ganze Sorge gilt alleinDen Dingen, die zu künden meine Pflicht.)
Die Weltstellung des Menschen ist dadurch bestimmt, dass er sich innerhalb jeder Dimension seiner Beschaffenheiten und seines Verhaltens in jedem Augenblick zwischen zwei Grenzen befindet. Dies erscheint als die formale Struktur unseres Daseins, die in dessen mannigfaltigen Provinzen, Betätigungen, Schicksalen sich jeweils mit immer anderem Inhalt füllt.
Gehalt und Wert des Lebens und jeder Stunde fühlen wir zwischen einem höheren und einem tieferen stehen, jeden Gedanken zwischen einem klügeren und einem törichteren, jeden Besitz zwischen einem ausgedehnteren und einem beschränkteren, jede Tat zwischen einem größeren Maß an Bedeutung, Zulänglichkeit, Sittlichkeit und einem geringeren.
Wir orientieren uns dauernd, wenn auch nicht mit abstrakten Begriffen, an einem Über- uns und einem Unter- uns, einem Rechts und Links, einem Mehr oder Minder, einem Fester oder Lockerer, einem Besser oder Schlechter.
Die Grenze nach oben und nach unten ist unser Mittel, uns in dem unendlichen Raum unserer Welten zurechtzufinden. Damit, dass wir immer und überall Grenzen haben, sind wir auch Grenze.
Denn indem jeder Lebensinhalt: Gefühl, Erfahrung, Tun, Gedanke - eine bestimmte Intensität und eine bestimmte Farbe besitzt, ein bestimmtes Quantum und eine bestimmte Stelle in irgend einer Ordnung, so setzt sich von jedem jeweils eine Reihe nach zwei Richtungen, nach ihren beiden Polen zu, fort; dadurch hat der Inhalt selbst an jeder dieser beiden Reihenrichtungen teil, die in ihm zusammenstoßen und die er begrenzt.
Dieses Teilhaben an Wirklichkeiten, Tendenzen, Ideen, die ein Plus und ein Minus, ein Diesseits und ein Jenseits unseres Jetzt und Hier und So sind, mag dunkel und fragmentarisch genug sein; aber es gibt unserem Leben die beiden sich ergänzenden, wenn auch oft kollidierenden Werte: den Reichtum und die Bestimmtheit.
Denn diese Reihen, von denen wir begrenzt werden und deren Teilrichtungen wir begrenzen, bilden eine Art Koordinatensystem, durch das gleichsam der Ort jedes Abschnittes und jedes Inhaltes unseres Lebens festgelegt wird.
Für die entscheidendste Bedeutung aber des Grenzcharakters unserer Existenz bildet diese Festgelegtheit erst den Ausgangspunkt.
Denn die Grenze überhaupt ist zwar notwendig - jede einzelne bestimmte Grenze aber kann überschritten werden, jede Festgelegtheit verschoben, jede Schranke gesprengt; jeder solche Akt freilich findet oder schafft die neue Grenze.
Die beiden Bestimmungen: dass die Grenze unbedingt ist, indem ihr Bestand mit unserer gegebenen Weltstellung solidarisch ist - dass aber keine Grenze unbedingt ist, weil eine jede prinzipiell verändert, überlangt, umgriffen werden kann - diese beiden Bestimmungen erscheinen als die Auseinanderlegung des in sich einheitlichen Lebensaktes.
Aus unzähligen nenne ich nur einen Fall, der für die Bewegtheit dieses Prozesses und die Dauerbestimmtheit unseres Lebens durch ihn sehr bezeichnend ist: das Wissen und das Nicht -Wissen um die Folgen unserer Handlungen.
Wir alle sind wie der Schachspieler: wüsste er nicht, welche Folgen sich mit dem praktisch ausreichenden Wahrscheinlichkeitsgrade aus einem Zuge ergeben werden, so wäre das Spiel unmöglich; aber es wäre auch unmöglich, wenn diese Voraussicht bis zu jeder beliebigen Weite ginge.
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
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