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Dieses Buch bietet die Chance, den negativen Kreislauf von Erschöpfung und Stress zu durchbrechen und neue Kraft und Perspektiven zu gewinnen. Gestresste, die an klassischen Symptomen von allgemeiner Unruhe über Schlafstörungen bis zu Herzrhythmusstörungen leiden, finden über die Methode der "Positiven Psychotherapie" eine genaue Anleitung, was sie selbst tun können. Nachdem die persönlichen Stressfaktoren aufgespürt sind, führt das 4-Wochen-Programm garantiert zu neuer Lebensfreude
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Seitenzahl: 195
Prof. Dr. med. Nossrat Peseschkian, Jahrgang 1933, Facharzt für Psychiatrie, Neurologie und Psychotherapeutische Medizin. Er ist Begründer der Positiven Psychotherapie und Leiter der Internationalen Akademie für Positive und Transkulturelle Psychotherapie in Wiesbaden. Er ist Verfasser zahlreicher erfolgreicher Bücher zu diesem Thema.
Dr. med. Nawid Peseschkian, Jahrgang 1964, Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie & Psychotherapie, Facharzt für Psychiatrie & Psychotherapie, tätig in eigener Praxis in Wiesbaden, Dozent an der Wiesbadener Akademie für Psychotherapie.
Dr. med. habil. Hamid Peseschkian, Jahrgang 1962, Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie. Geschäftsführer der Wiesbadener Akademie für Psychotherapie.
Ein Fischer fand am Ufer eine wunderschöne Perle. Über diesen Fund war er sehr froh und glücklich. Ein wirklich toller Fund. Allerdings hatte die Perle einen winzig kleinen Fehler. Diesen Fehler wollte der Fischer dann beseitigen und fing an Schicht für Schicht abzuschleifen. Zum Schluss war nicht mehr viel von der Perle übrig und der Fehler war immer noch zu sehen. Der Fischer war nun sehr unzufrieden und traurig, er bekam Depressionen und konnte das Leben nicht mehr genießen.
Man ist reich, wenn es reicht.
Vielen Menschen, das will diese Geschichte wohl sagen, ist das Lebensglück, der Genuss, die Lebenszufriedenheit abhanden gekommen. Sie fühlen sich hoffnungslos und stellen sich die Frage nach dem Sinn ihres Handelns – sie fühlen sich gestresst. Das Bild des heutigen Menschen wird zunehmend von Hoffnungslosigkeit, Sinnentleerung und Ziellosigkeit geprägt. War früher die Frage nach dem »Woher« aktuell, tritt heute die Frage nach dem »Wozu« in den Vordergrund. Auch auf diese Sinnfragen wollen wir im vorliegenden Buch eingehen.
Der Begriff Stress wird in unserem Alltag auch für Situationen gebraucht, in denen wir uns überlastet fühlen. In der Wissenschaft wird heute anerkannt, dass Stress nicht nur eine psychologische Seite, sondern auch eine körperliche Beteiligung hat, und beide sich gegenseitig beeinflussen. Viele Erkenntnisse dazu hat in den letzten Jahren die Psychoneuroimmunologie gebracht, die gezeigt hat, auf welch vielfältige Weise Körper und Seele zusammenhängen. Ängste, Depressionen, Überlastung, Hektik, Erschöpfung und Zwänge sind beteiligt an Erkrankungen etwa des Herzens und des Gefäßsystems, aber auch an Schlafstörungen, Asthma, Allergien oder Kopfschmerzen.
Wer seinen Stress positiv bewältigen will, der sollte die folgenden drei Prinzipien berücksichtigen:
Alle Menschen ohne Ausnahme werden von den sie umgebenden Entwicklungen und Einwirkungen beeinflusst. Solche Einwirkungen können vielfältigster Natur sein: Zu ihnen gehören Krankheiten sowie die Angst vor Krankheiten, Reizüberflutung, extreme Arbeitsbedingungen, Hobbys und Freizeitverhalten, Familienkonflikte, Existenz- und Zukunftsängste sowie Sinnkrisen in verschiedenen Lebensstufen und Entwicklungen.
Wer die Grenzen erkennt und in ihnen sein Glück, der kann es auch halten sein Leben lang; wenn aber das Irrlicht seines Verlangens weitertreibt von Einem zum Nächsten, der stürzt am Ende ins Nichts. Nach Nizami, persischer Dichter
Der Einzelne steht mit dieser Entwicklung jedoch nicht allein da. Mit der Geburt betreten wir einen Lebensraum, der, wie wir selbst, ständigen Veränderungen unterworfen ist. So werden wir uns als Kind allmählich unserer selbst bewusst. Die Pubertät lässt uns in die Erwachsenenwelt hineinwachsen, der Single wird zum Paar und Beruf und Elternschaft wollen gemeistert sein. Später werden wir mit der Sinnkrise der Lebensmitte und der Wechseljahre konfrontiert. Der Ruhestand fordert erneut eine grundsätzliche Umgestaltung des Lebens, und das Alter führt uns in die Auseinandersetzung mit der Sterblichkeit und in die Vorbereitung auf den Tod. Jedes Lebensalter kann besondere Ängste, Stress und Überforderungen in sich bergen. Aber neben den Stressfaktoren, die die Umwelt vorgibt, belasten uns auch unsere persönlichen Eigenschaften wie Verschlossenheit, strenge Moral, Konsumkultur, Bewegungsmangel und ein einseitiges Leistungsstreben.
Jeder Mensch ist einzigartig und reagiert daher auch unterschiedlich auf Umwelteinflüsse. Diese Einzigartigkeit seiner Reaktionen wird durch seine körperlichen, beruflichen, sozialen, kulturellen und ethisch-weltanschaulichen Erfahrungen bestimmt. Das Ziel für einen positiven Umgang mit Stress ist, diese Einzigartigkeit zu erfahren und sein Leben vom Zustand des Ungleichgewichts wieder in eine Balance zu bringen.
Wer Bücher studiert, bleibt doch ein Tor; wer danach handelt, der ist klug gewesen. Einnehmen muss der Kranke die Arznei – was hilft es ihm, ihren Namen nur zu kennen? Orientalische Lebensweisheit
Jeder Mensch hat die Fähigkeit, die Möglichkeit und die Chance, durch erlerntes Problemlösungsverhalten oder Beratung seinen Stress, Überlastung und Erschöpfung abzubauen. Dabei lautet die Botschaft: Konflikte, die im Laufe der Entwicklung eines Menschen in der Auseinandersetzung mit seiner Umwelt entstehen, sind nicht notwendiges und unausweichliches Schicksal, sondern stellen sich als Probleme und Aufgaben dar, die wir zu lösen versuchen.
Wir danken allen Kollegen und Patienten für die Erkenntnisse, die sie im Verlauf unserer psychiatrischen, psychotherapeutischen und psychosomatischen Tätigkeit uns vermittelt haben. Unser besonderer Dank gilt dem TRIAS-Verlag, vor allem Frau S. Duelli, die uns ständig ermutigt und entscheidend zur Entstehung des Buches beigetragen hat. Insbesondere unserer Sekretärin Frau Michele Pieroni und unseren Mitarbeiterinnen Frau Manije Peseschkian (Auswahl der Geschichten) und Frau Dipl.- Psych. Kerstin Weiland danken wir für ihre Geduld, Sorgfalt und Zuverlässigkeit bei der Manuskripterstellung. Herrn Stud. Prof. A. Kärcher und Herrn Dipl.-Volkswirt Rainer Herzog danken wir für ihre Unterstützung und wertvollen Anregungen.
Wiesbaden im August 2008
Prof. Dr. med. Nossrat Peseschkian
Dr. med. Nawid Peseschkian
Stress empfindet jeder – die Frage ist nur, in welchem Maße und ob die Folgen den Menschen krank machen oder er in der Lage ist, sein Leben auf Dauer ins Gleichgewicht zu bringen.
Im Orient gab es in einem Tempel einen Saal der tausend Spiegel. Es begab sich, dass sich eines Tages ein Hund im Tempel verirrte und in diesen Saal gelangte. Plötzlich konfrontiert mit tausend Spiegelbildern, knurrte und bellte er seine vermeintlichen Gegner an. Diese zeigten ihm ebenso tausendfach die Zähne und bellten zurück; worauf er noch tollwütiger reagierte. Das führte schließlich zu einer solchen Überanstrengung, dass er in seiner Aufregung daran starb.
Einige Zeit verging, und es kam wieder ein Hund in den Saal der tausend Spiegel. Auch dieser Hund sah sich tausendfach umgeben von seinesgleichen. Da wedelte er freudig mit seinem Schwanz und tausend Hunde wedelten ihm entgegen und freuten sich mit ihm. Freudig und ermutigt verließ er den Tempel.
Stress war lange Zeit ein Phänomen, welches scheinbar den so genannten Managern vorbehalten war.
Unser ganzes Leben kennzeichnen Wachstum und Veränderungen: körperliche Entwicklung, Persönlichkeitsveränderungen, die Entwicklung kognitiver Fähigkeiten wie etwa Denken oder Lernen, Veränderungen unserer Gefühle und Einstellungen. Im Laufe unseres Lebens kommen eine scheinbar endlose Reihe von Entwicklungsaufgaben auf jeden von uns zu. Die Adoleszenz, Heirat und Kindererziehung, Berufswahl, die Wahl eines Lebensstils, das Akzeptieren des eigenen Lebens, der Ruhezustand und schließlich die Erwartung des Todes – dies alles sind Markierungen entlang des Lebensweges, die jeweils mit immensem Veränderungsdruck einhergehen.
Stress ist schon lange kein Phänomen mehr, das nur in den krisengeschüttelten Chefetagen großer Unternehmen oder unter auftragsabhängigen Freiberuflern zum täglichen Brot gehört. In unserer schnelllebigen und leistungsorientierten Gesellschaft, in der alles ständig besser, höher und weiter werden muss, gehört Stress zum Alltag vieler Menschen.
CHECKLISTE
Wie gut werden Sie mit Stress fertig?
Werfen Sie einmal einen Blick auf Ihr soziales Umfeld: Leben gute Freunde oder Verwandte in Ihrer Nähe, auf die Sie sich verlassen können?Sind Sie in der Lage, Alltagsstress auch ohne Kaffee, Nikotin, Alkohol oder andere Drogen und Medikamente zu bewältigen?Können Sie positive wie auch negative Gefühle zum Ausdruck bringen?Können Sie ohne Probleme ein- und durchschlafen?Wenn es in Ihrem Leben schwierige Veränderungen gibt, schaffen Sie es, mit ihnen umzugehen?Wissen Sie, was Sie wollen und was Sie brauchen?Können Sie sich Ihre Zeit gut einteilen und schaffen Sie es, effektiv zu arbeiten?Können Sie mit Stress leben, ohne Kopfschmerzen oder Magenschmerzen zu bekommen?Auflösung: Wenn Sie alle Fragen mit Ja beantwortet haben, bringen Sie gute Voraussetzungen mit, es mit den Problemen des Alltags aufzunehmen. Gibt es mehrere Neins bei Ihren Antworten, dann werden Sie in diesem Ratgeber eine Fülle an Hinweisen und Tipps finden, wie Sie Ihre Situation verbessern können. Verbessert sich Ihr Zustand nicht rasch und deutlich, sollten Sie sich überlegen, mit einem Arzt oder Therapeuten über Ihre Situation zu reden.
Stress am Arbeitsplatz ist teuer: Wenn die Anforderungen und der Druck bei der Arbeit zu groß werden, sind Nervosität, Ermüdung, Angst und Depressionen längerfristig programmiert. Und natürlich lassen dann auch Produktivität und Kreativität erheblich nach. Fehlzeiten und Krankheit kosten die Europäische Union nach eigenen Angaben jedes Jahr mindestens 20 Milliarden Euro.
50 bis 60 Prozent der Fehlzeiten werden mit Stress am Arbeitsplatz in Verbindung gebracht.
Von Stress, dem zweitgrößten berufsbedingten Gesundheitsproblem nach Rückenschmerzen, sind nach Schätzungen der Europäischen Agentur für Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz zufolge 40 Millionen Menschen in der Europäischen Union betroffen. Die Auswirkungen auf die Gesundheitssysteme sind erheblich: 16 Prozent der Herz-Kreislauf-Erkrankungen bei Männern und 22 Prozent bei Frauen in der EU sind Schätzungen zufolge auf Stress am Arbeitsplatz zurückzuführen. Arbeitsmediziner schätzen, dass durch ein weniger von Stress geprägtes Arbeitsfeld pro Jahr etwa 10 000 Herzinfarkte vermieden werden könnten. Das wären 10 Prozent aller Fälle! Wenn man die Behandlungskosten von Herzinfarkten sowie die Kosten eventueller Frühinvalidität einbezieht, kommen enorme Summen zusammen. Sie könnten durch Stress-Prävention eingespart werden. Auch das menschliche Leid, das mit den durch arbeitsbedingten Stress ausgelösten Krankheiten verbunden ist, könnte auf diesem Weg vermindert werden.
AUS DEM LEBEN
Wem soll ich nur die Geschäftsführung anvertrauen?
Ich fühle mich niedergeschlagen und habe starke Depressionen. Nachts kann ich nicht mehr einschlafen und wenn ich doch einschlafe, wache ich nach etwa ein bis zwei Stunden schreiend voller Angst wieder auf und weiß nicht, wo ich bin. Erst wenn ich den Lichtschalter gefunden habe, kann ich mich wieder beruhigen. Ich habe das Gefühl, dass mir alles über den Kopf wächst und ich bin oft sehr gereizt. Begonnen hat alles vor zwei Jahren, als mein Mann an einem Herzinfarkt starb. Er war beruflich total überlastet und nahm sich die finanziellen Schwierigkeiten seines Geschäftes sehr zu Herzen. Ein Mitarbeiter meines Mannes, dem er viel anvertraut hatte, führte die Bücher nicht korrekt genug, sodass wir Schwierigkeiten mit dem Finanzamt bekamen. Außerdem verschwanden immer wieder Waren. Mein Mann kam darüber einfach nicht hinweg. Mit seinem Tod hat er mir das Geschäft und damit die Sorgen zurückgelassen. Ich weiß nicht, wem ich die Geschäftsführung anvertrauen soll. Ich habe zu niemandem mehr Vertrauen, auch zu mir nicht, weil ich das niemals gelernt habe und auch jetzt schon total überfordert bin. Die Vorstellung, dass unser Geschäft langsam aber sicher wegen meines Unvermögens in Konkurs geht, bringt mich zur Verzweiflung (40-jährige Geschäftsfrau mit vielen Stressfaktoren, Depressionen und Angstzuständen nach dem Verlust des Ehemannes).
Stress hat ein Janusgesicht. Er hilft uns als genetische Grundausstattung einerseits, unser Verhalten einer Umwelt anzupassen, die einem raschen Wandel unterliegt, und er hilft uns auch, Neues zu erlernen – unser Körper ist bereit zum Handeln, unser Geist ist wach, wir stellen uns der Herausforderung. Ohne Stress also kein Leben, aber was, wenn die Herausforderung zu hoch ist, wenn sie sich (scheinbar) nicht bewältigen lässt, wenn sie zu lange andauert? Dann zeigt sich die andere, dunkle Seite von Stress: Überforderung, Erschöpfung, Angst, Zweifel, Aggression und Krankheit überfallen uns.
Die Abwesenheit von Stress ist Tod. Stressforscher Hans Selye
Es ist also nicht so, dass ein Leben ganz ohne Stress und Herausforderungen wünschenswert wäre, weil wir auch das als Stress empfinden würden, ganz so wie etwa für Arbeitslose das Nichtstun nicht etwa angenehm ist, sondern meist ziemlich stressig. Ein gewisses Maß an Anspannung ist also durchaus wünschenswert.
Info
Menschlicher Körper und Geist funktionieren am besten bei einer mittleren Belastung, dem so genannten Eustress. Sind die Belastungen zu hoch oder zu niedrig, spricht man von Distress.
Was aber jeder Mensch unter zu viel oder zu wenig versteht, das kann deutlich variieren, und auch auf welche den Stress auslösenden Faktoren die Menschen reagieren, kann durchaus unterschiedlich sein. So empfindet der eine Leistungsanforderungen als Stress, der andere Konfrontation mit Unordnung, Unhöflichkeit oder Untreue.
Wenn wir das Ziel vor Augen verlieren, verdoppeln wir das Tempo.
Fast jeder klagt heutzutage über Stress, und bereits im Kindergarten oder Schulalter diagnostizieren Ärzte und Therapeuten Stress bei Kindern. Doch was ist Stress eigentlich? Termindruck, Zeitnot, Überforderung, viel Arbeit, Erschöpfung? Oder müssen mehrere Faktoren zusammen kommen, damit man von Stress sprechen kann? Wie wird Stress festgestellt? Hat wirklich jeder Stress, der über Stress klagt?
Info
Stress ist also eine Anpassungsreaktion des Körpers auf alles, was droht, das Gleichgewicht vieler wichtiger Körperfunktionen aus dem Lot zu bringen, also beispielsweise extreme Hitze und Kälte, aber auch Angst oder eine Situation, die rasches Handeln erfordert.
Den Begriff Stress brachte vor etwa 50 Jahren der österreichisch-kanadische Biochemiker Hans Selye auf, der damit einen akuten Spannungszustand des Organismus definierte, der gezwungen ist, seine Abwehrkräfte zu mobilisieren, um einer bedrohlichen Situation zu begegnen.
Ob also nun die erste Fahrt mit dem Ballon, der Tod des Partners, der mobbende Chef oder der Sprung ins kalte Wasser: Alle diese Situationen lassen in uns eine Stressreaktion ablaufen.
AUS DEM LEBEN
Die Chicago-Beobachtung
In Chicago wurden durch ein Versehen drei Männer in einem Kühlhaus eingeschlossen. Sie konnten die Türen von innen nicht öffnen und auch anderweitig nicht auf sich aufmerksam machen. Die Männer wussten, dass in etwa drei Stunden die Kühlaggregate des Kühlhauses zu arbeiten beginnen würden. Da sie keine Schutzkleidung trugen, sondern leichte Sommerkleidung, war ihre Überlebenschance gleich null. Am nächsten Tag wurden die Männer entdeckt – sie waren tot und zeigten Erfrierungszeichen. Erstaunlich allerdings: Die Kühlanlage war an diesem Tag nicht eingeschaltet, die Männer waren also offensichtlich an der Angst vor dem Erfrieren gestorben.
Irrtum 1: Stress ist nicht schädlich. Erst ein zu viel und vor allem dauerhafter Stress kann krank machen.Irrtum 2: Manager haben mehr Stress als andere Menschen. Untersuchungen konnten sogar zeigen, dass Angestellte ohne Entscheidungsmöglichkeiten höhere Stresswerte aufwiesen.
Körperlich gesehen ist die Stressreaktion eine fein abgestimmte Nachricht, bei der Nervenimpulse gemeinsam mit Hormonen Botschaften recht schnell bis in alle Regionen des Körpers tragen. Selye unterschied drei Phasen der Stressreaktion, also der körperlichen Antwort auf den auslösenden Reiz:
Zunächst die so genannte Alarmreaktion, die dem Körper Energie bereitstellt, die er für eine mögliche Auseinandersetzung oder aber für eine Flucht aus der Situation gebrauchen könnte.
Parallel dazu läuft eine zweite Reaktion im Körper ab, die so genannte Anpassung, in der vor allem über die Nebennierenrinden das Hormon Cortisol ausgeschüttet wird. Dieses hat eine entzündungshemmende Wirkung und den Zweck, mögliche Verletzungen wirksam zu bekämpfen.
Dieser Ablauf hatte und hat entwicklungsgeschichtlich seinen Sinn, gilt es doch auch heute noch in vielen Situationen, rasch und möglichst richtig zu reagieren, beispielsweise im Straßenverkehr oder bei Bewerbungsgesprächen.
Dennoch: Die Form der Anpassungen hat sich seit dem Zeitalter unserer Vorfahren in grauer Vorzeit deutlich geändert. Auf eine ganze Reihe an »Stressoren«, also Stress auslösenden Reizen, reagiert zwar unser Stresssystem, aber die freigesetzte Energie wird nicht wirklich gebraucht. Sie verpufft grundsätzlich in der Luft, ja wir müssen unsere »Wut« und unseren »Ärger« gar unterdrücken, um sozial keine weiteren Probleme zu bekommen.
Es gibt eine ganze Reihe an Stressoren, die über einen sehr langen Zeitraum wirken, so etwa Mobbing im Büro oder der Dauerstress beispielsweise in einer Flugsicherung.
Für den Organismus ist es auf Dauer schädlich, die Stressreaktionen nicht richtig ablaufen zu lassen, denn die innere Mobilisierung bleibt noch lange erhalten.
Bleiben die stressauslösenden Reize erhalten, wie das in unserem modernen Leben häufig der Fall ist, tritt eine so genannte Adaptionskrankheit ein. Diese Phase wird umso eher erreicht, je schlechter die körperliche Konstitution und je geringer der Wille zum Widerstand ist.
Abb. 1: Schema der Stressreaktion
Stressantworten sind also ein in unserer evolutionären Entwicklung entstandener und bewährter kurzfristiger Schutz sowie eine Gelegenheit, sich einer neuen Situation anzupassen.
Die erste Fahrstunde ist noch aufregend, das Gehirn arbeitet auf Hochtouren, die Aufmerksamkeit ist hoch, die Hände zittern und der Schweiß bricht uns aus. Aber haben wir sie erfolgreich bewältigt, geht es in der nächsten Stunde schon besser.
Es gibt aber auch Stressfaktoren, die bestehen bleiben, denen wir nicht ausweichen können, beispielsweise eine Doppelbelastung mit Arbeit, Kindern und Haushalt. Hier zeigt sich, dass der sinnvolle Schutz der Stressreaktion auch seine andere Seite haben kann: Er geht auf Kosten unserer biologischen Grundlagen.
Dauerhaft erhöhte Cortisolwerte im Blut verhindern, dass die Stressantwort auf »Normalbetrieb« zurückgefahren wird: Unser Immunsystem wird geschwächt, Infektionen können sich leichter ausbreiten und Erkrankungen wie Diabetes, Übergewicht, Bluthochdruck und Arterienverkalkung machen sich breit. In der Folge kommt es zu Herzerkrankungen, Schlaganfall und Herzinfarkt. Und es geht weiter: Wissenschaftler registrieren nach langen Stressphasen ein zu starkes Absinken des Cortisolspiegels unter das Normalmaß – verantwortlich für Gefühle wie Angst und Depression sowie ein nachlassendes Gedächtnis im Alter.
Abb. 2: Schema der psychosomatischen Reaktion
Auch das Gehirn leidet unter chronischem Stress. Der hohe Cortisolspiegel hemmt die Funktionen einer für unser Gedächtnis wichtigen Schaltstelle im Gehirn, den Hippocampus – Ereignisse finden so nur noch bedingt den Weg in unser Langzeitgedächtnis. Langfristig zu hohe Cortisolspiegel können dieses überaus wichtige Hirnareal sogar schrumpfen lassen. Es wird daher in der Forschung auch ein Zusammenhang zwischen Dauerstress und dem Ausbrechen der Alzheimerkrankheit diskutiert.
Neben dieser biologischen Sicht der Stressreaktion interessieren sich die Forscher auch dafür, welche belastenden Ereignisse zu Stress und, in der Folge, zu Erkrankungen führen. Jeder Mensch reagiert anders auf Stressauslöser. Dennoch versuchen die Wissenschaftler herauszufinden, welche Lebensbedingungen besonders prädestiniert sind, das Leben des Menschen zu beeinträchtigen. Eine ganze Reihe an Ereignissen wie etwa der Tod eines nahen Angehörigen, der Verlust des Arbeitsplatzes, der Auszug der Kinder und vieles mehr wurden als besonders belastend eingestuft.
Info
Jenseits solcher belastender Ereignisse sind es aber vor allem die immer wiederkehrenden kleinen seelischen Verletzungen, die schließlich ein Charakterbild formen, das für einzelne Konflikte anfällig ist.
Man muss die Welt nicht verstehen, man muss sich darin zurechtfinden!Albert Einstein
Unter gewissen Bedingungen können sich so genannte Kleinigkeiten oder Lappalien potenzieren, bis sie schließlich dramatische Ausmaße annehmen. Bekannt ist in diesem Zusammenhang das Sprichwort »Aus einer Mücke einen Elefanten machen«. Kleinigkeiten können sich also fortpflanzen und außer Kontrolle geraten, sie können sich so lange ansammeln, bis der unterschwellige Konflikt akut wird.
In der Praxis zeigt sich immer wieder, dass psychosoziale und psychosomatische Störungen nicht aus heiterem Himmel kommen und auch nicht nur durch belastende Lebensereignisse wie den Tod des Partners ausgelöst werden, sondern häufig eine ganz eigene Geschichte haben. Sprachlich finden wir solche Zustände in Äußerungen wie:
»Ich habe mich in der Zwischenzeit damit abgefunden.«
»Seit Jahren schon rege ich mich darüber auf und leide darunter.«
»Es ist immer dasselbe, ich kann es bald nicht mehr aushalten.«
»Ich kann tun was ich will, es verändert sich ja doch nicht.«
Der Mensch lebt noch keine hundert Jahre, doch er macht sich Sorgen für tausend.Orientalische Weisheit
Alle diese Aussagen haben eines gemeinsam: Für die Betroffenen sind die Konfliktauslöser keine Kleinigkeiten. So beschrieb eine 33-jährige Lehrerin, die wegen Kopfschmerzen, Partnerproblemen und Sexualstörungen in die Praxis kam, ihre Probleme wie folgt: »Wenn ich mich mit meinem Mann über meine Probleme unterhalten will, hört er nicht richtig zu und sagt dann, das sind doch alles nur Kleinigkeiten. Mich aber ärgert diese Gleichgültigkeit sehr.«
Viele dieser Ereignisse, die uns tagtäglich begleiten, gehen nicht spurlos an uns vorüber. Forscher konnten zunächst an Experimenten mit Ratten, dann auch an Experimenten mit Menschen zeigen, dass Personen, die glauben ihr Leben wenig steuern zu können und sich dem Lauf der Dinge nur ausgeliefert sehen, sich ohnmächtig und orientierungslos fühlen. Dieser Zustand wird in der Wissenschaft als erlernte Hilflosigkeit bezeichnet. Dies gilt auch, wenn jemand unangenehme Erlebnisse der eigenen persönlichen Unfähigkeit zuschreibt: Depressionen sind die Folge, das zeigt sich auch auf der neurophysiologischen Ebene. Das unter Stress verbrauchte Noradrenalin wird neu gebildet und steht uns wieder zur Verfügung. Bleibt aber das Gefühl, hilflos zu sein, wird weniger Noradrenalin nachgebildet, die Stimmung bleibt im Keller. Auch für dieses Phänomen haben die Forscher einen Namen gefunden: Ausgebrannt oder auch – wahrscheinlich gut bekannt – das Burn-out-Syndrom.
Der Mensch erfährt Stress auf recht vielen verschiedenen Ebenen, und Stress kann sich auch auf sehr vielen verschiedenen Ebenen äußern, nämlich körperlich, psychisch und auch gedanklich. Die hier nachfolgend genannten Stichworte sollen Ihnen zunächst einmal lediglich einen Anhaltspunkt geben und sind ganz sicher keine vollständige Aufzählung. Versuchen Sie herauszufinden, wie sich bei Ihnen Stress auf den unterschiedlichen Ebenen äußert. Dies ist für Sie ein sehr wichtiger erster Schritt, das »Symptom« Stress zunächst zu beobachten und dann langsam einzukreisen.
Die folgende Tabelle zeigt Ihnen ausführlich und hoffentlich auch eindrucksvoll, auf welchen unterschiedlichen Ebenen sich Stress äußern kann. Nachdem Sie sich damit vertraut gemacht haben, wie sich Stress bei Ihnen äußert, ist es sinnvoll, dass Sie sich einmal genau selbst beobachten: Wann tritt bei mir Stress auf? Gibt es bestimmte Zeiten, zu denen Sie sich besonders gestresst fühlen? Gibt es bestimmte Gelegenheiten, die bei Ihnen immer wieder zu Stress führen?
Beobachten Sie sich ganz genau, und halten Sie schriftlich alles fest, was Ihnen auffällt. Sinnvollerweise tun Sie dies mindestens über einen Zeitraum von 6 Wochen. Der Sinn einer solchen Aufzeichnung ist, möglicherweise zu erkennen, dass Sie sich immer zu ganz bestimmten Zeiten »gestresst« fühlen und dann plötzlich so etwas wie ein Muster erkennen können.
Damit Erschöpfung und Überlastung schnell abgebaut und neue Kräfte wieder freigesetzt werden, gibt es eine ganze Reihe von hilfreichen Techniken.
Ein Kaufmann hatte hundertfünfzig Kamele, die seine Stoffe trugen, und vierzig Knechte und Diener, die ihm gehorchten. An einem Abend lud er einen Freund (Saadi) zu sich. Die ganze Nacht über fand er keine Ruhe und sprach fortwährend über seine Sorgen, Nöte und die Hetze seines Berufes. Er erzählte von seinem Reichtum in Turkestan, sprach von seinen Gütern in Indien, zeigte die Grundbriefe seiner Ländereien und seine Juwelen. »0 Saadi«, seufzte der Kaufmann. »Ich habe nur noch eine Reise vor. Nach dieser Reise will ich mich endlich zu meiner wohlverdienten Ruhe setzen, die ich so ersehne wie nichts anderes auf der Welt. Ich will persischen Schwefel nach China bringen, da ich gehört habe, dass er dort sehr wertvoll sei. Von dort will ich chinesische Vasen nach Rom bringen. Mein Schiff trägt dann römische Stoffe nach Indien, von wo ich indischen Stahl nach Halab bringen will. Von dort will ich Spiegel und Glaswaren in den Jemen exportieren und von dort Samt nach Persien einführen.« Mit einem träumerischen Gesichtsausdruck verkündete er dem ungläubig lauschenden Saadi. »Und danach gehört mein Leben der Ruhe, Besinnung und Meditation, dem höchsten Ziel meiner Gedanken.«
Damit auch Sie in Zukunft mit Stress umgehen können und erlenen, ihn dauerhaft abzubauen, geben wir Ihnen im Folgenden einige Hilfestellungen an die Hand und stellen Ihnen Techniken für den raschen Umgang mit Stress vor.
Oft sind unbewusste Faktoren stressfördernd. Ohne sich diese bewusst zu machen und zu bearbeiten, ist eine wirksame und dauerhafte Behandlung von Stress nicht möglich.
Wenn man nach großer Anstrengung einen Berg erstiegen hat, dann sieht man zweierlei: Wer zurückschaut, sieht das bisher Erreichte, wer nach vorne schaut, den nächsthöheren Berg. Viele Menschen steigen mühsam wieder ab – manchmal sogar bis ins Tal und bezwingen mit erneuter Anstrengung den nächsthöheren Berg. Oben angelangt, sehen sie wieder einen etwas höheren Berg – der Vorgang wiederholt sich. Der Mensch kommt nicht zur Ruhe, da er immer meint, jetzt kommt der höchste Berg, dann habe ich es geschafft.