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Beschreibung

Lebensräume für sich entdecken! Menschliches Leben vollzieht sich in der Zeit, aber auch im Raum. Das Thema Lebensräume lässt sich nur schwer eingrenzen, interdisziplinäre Überschneidungen und Verbindungen lassen viel Raum zur Kombination. Raumerfahrung, Raumwahrnehmung und Raumgestaltung bilden den Schwerpunkt der 67. Internationalen Pädagogischen Werktagung. In diesem Buch von Melanie Erlinger und Karin Lauermann stehen die Mitgestaltung von politischen Räumen, die Suche nach neuen Lebensräumen für den Menschen, der Umgang mit digitalen Räumen, das Entwicklungspotenzial von Spiel- und Bewegungsräumen im Innen- wie im Außenbereich, das Kennenlernen therapeutischer Räume sowie das Entdecken innerer spiritueller Räume im Fokus. Über diese pädagogischen Grundfragen sprechen namhafte Referentinnen und Referenten: Prof. (FH) MMag. Kathrin Stainer-Hämmerle (Kärnten) Ao. Univ.-Prof. Dr. Franz Kerschbaum (Wien) Univ.-Prof. Dr. Stefan Aufenanger (Mainz) Kornelia Schneider (Hamburg) Dipl.-Ing. (FH) Mag. art. Herbert Österreicher (München) Dr. Dieter Breithecker (Wiesbaden) Prim. Univ.-Prof. Dr. Leonhard Thun-Hohenstein (Salzburg) Ao. Univ.- Prof. MMag. Dr. Emmanuel Bauer (Salzburg) Mag. Dr. Melanie Wolfers (Wien)

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LEBENSRÄUME

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Melanie ErlingerKarin Lauermann (Hg.)

Internationale Pädagogische Werktagung Salzburg

Tagungsband der 67. Tagung 2018

Katholisches Bildungswerk Salzburg

F.W.-Raiffeisenstraße 2, 5061 Elsbethen, Österreich

www.bildungskirche.at

Mit freundlicher Unterstützung der Universität Salzburg und der Caritas Österreich.

Anmerkung

Die in diesem Band gesammelten Texte spiegeln die Gedanken und Auffassungen der Autorinnen und Autoren wider.

Für die Korrektheit der Zitationen zeichnen allein diese verantwortlich.

Impressum

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie: Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

© 2019 Verlag Anton Pustet

5020 Salzburg, Bergstraße 12

Sämtliche Rechte vorbehalten.

Umschlagbild: © Gajus 2018,mit Genehmigung von shutterstock.com

Grafik, Satz und Produktion: Tanja Kühnel

Lektorat: Beatrix Binder, Wolfgang Perr

eISBN: 978-3-7025-8053-7

auch als Hardcover erhältlich: ISBN 978-3-7025-0912-5

www.pustet.at

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Melanie Erlinger und Karin Lauermann

Teile und herrsche – Der politische Raum zwischen Konkurrenz und Kooperation

Kathrin Stainer-Hämmerle

Lebensraum Universum – Über die Suche nach dem Leben im Kosmos

Franz Kerschbaum

Virtuelle Räume in der digitalen Gesellschaft – Räume für Kinder und Jugendliche

Stefan Aufenanger

Zur Bedeutung von Raumerfahrung von Kindern in den ersten Lebensjahren

Kornelia Schneider

Werk-Raum statt Gerätepark – Gartengestaltung für und mit Kindern

Herbert Österreicher

Spiel- und Bewegungsräume als heimliche Lehrmeister

Dieter Breithecker

Therapeutische Räume – Architektur, Kunst und Therapie an einer Kinder- und Jugendpsychiatrie

Leonhard Thun-Hohenstein

Lebendig im Raum der Freiheit und der Beziehung

Emmanuel J. Bauer

Ich gegen mich – Wie es gelingt, Freundschaft mit sich selbst zu schließen

Melanie Wolfers

Autorinnen und Autoren

Herausgeberinnen

Melanie Erlinger und Karin Lauermann

Vorwort

Menschliches Leben vollzieht sich in Zeit und im Raum. Dabei ist Raum ein Begriff, der, wie es zunächst scheint, so weit wie schwer zu fassen ist. Ein erster Blick auf die ursprüngliche Bedeutung des Wortes »Raum« führt zum althochdeutschen Wort »Rümi«, das zunächst weit und geräumig bedeutet, im erweiterten Sinne auch viel Platz, Freiheit, Möglichkeiten, Entfaltung umfasst. Eine aus der Sicht der Pädagogik treffende Beschreibung für den Begriff »Raum« (vgl. Textor 2008, S. 1).

In der Pädagogik gelten Räume häufig als die »dritten Erzieher«. Raum stellt demnach also eine wichtige Dimension pädagogischen Denkens und Handelns dar. Dies gilt zunächst im konkreten Sinne des physischen Raums. Erziehung und Bildung findet in den unterschiedlichen pädagogischen Feldern – wie beispielsweise frühkindliche Bildung, schulischer Unterricht, Nachmittagsbetreuung, Jugendarbeit, Sozialpädagogik, Erwachsenenbildung – also in physischen Räumen statt (vgl. Koller 2017, S. 13). Räume der Erziehung und Bildung meinen aber nicht nur den physischen Raum, sprich die Gebäude. Erziehung und Bildung findet stets auch in sozialen, politischen, ökonomischen, auch virtuellen Räumen statt. »Raum ist ein polymorpher Begriff, den wir im Alltag oft mit geometrischen Maßen wie Länge, Breite, Höhe verbinden, dessen Reichweite aber einer Vielzahl an Person-Umweltbezügen Bedeutung verleiht« (Dreher 2018, S.10).

Der Raum als philosophische und pädagogische Kategorie blickt auf eine lange Tradition zurück (vgl. Schluß/Lachmann 2007) und zeigt, dass Raum nicht nur in unserem alltäglichen Leben physisch manifest ist, sondern eine Grundkategorie darstellt für Versuche, die Welt zu ordnen und zu verstehen (vgl. Dünne/Günzel 2006). In den pädagogischen und erziehungswissenschaftlichen Diskursen gab es immer wieder theoretische Aufmerksamkeit auf den Raum (vgl. Kessl 2016; Bilstein 2017).

So entwirft Jean-Jacques Rousseau bereits im 18. Jahrhundert (1762) einen eigenen – vor allem eigens hinter dem Rücken des Zöglings Émile – edukativen Raum (vgl. Rousseau 1998), von dem er sich besonders intensive und tief greifende Wirkungen erhoffte (vgl. Bilstein 2017, S. 33).

Der Pädagoge und Philosoph Otto Friedrich Bollnow (1963), dessen Denken stark anthropologisch ausgerichtet war, befasste sich ebenfalls mit Phänomenen, ihrer Wirkung und der Relevanz des Raumes im Erziehungsfeld und betonte, dass das Leben ursprünglich im Verhältnis zum Raum bestehe. Damit weist er auf die Wechselwirkung zwischen Mensch und Raum hin und plädiert gleichzeitig für eine Art Respekt vor Raumgestalten: Zunächst müssen wir im Raum sein, dann können wir Raum haben und sind in der Lage, Eigenraum herzustellen (Bilstein 2017, S. 24).

Auch aus entwicklungspsychologischer Perspektive wird deutlich: Räume begegnen uns vom Beginn unseres Lebens an. In ihnen müssen wir uns orientieren und zurechtfinden (vgl. Piaget/Inhelder 1977). Psychologisch betrachtet, repräsentiert »Raum« einen Erfahrungsraum, der den eigenen Körper wie auch die sinnlich erfahrbare Welt umfasst. Raumerfahrung erfolgt zum einen durch äußere Reize, die das visuelle, auditive und taktile System betreffen. Sie wird aber zum anderem vor allem auch durch innere Reize wie Eigenwahrnehmung, Tiefensensibilität, Stellungssinn, Gleichgewichtssinn, Schwerkraft und Bewegungssinn vermittelt (vgl. Dreher 2018, S.10). Nicht erst seit Piaget ist bekannt, dass die Wahrnehmung des Raumes eine fortschreitende Konstruktion räumlicher Bilder und Beziehungen bewirkt und dadurch die geistige Entwicklung begründet. Auch Alexei N. Leontjew stellt deutlich heraus, dass räumlich-materielle Rahmenbedingungen die psychische Entwicklung von Kindern nicht nur beeinflussen, sondern ihre Voraussetzung sind.

Die Reformpädagogin Maria Montessori stellt ebenfalls den Zusammenhang zwischen Raumgestaltung, Bewegungsmöglichkeiten und geistiger Entwicklung des Kindes fest. Die intellektuelle Neugier, Spannung und Entdeckung erfordern eine kontinuierliche Interaktion zwischen Kind und Umgebung. Für Maria Montessori (1938/1952) war eine bewusste Raumgestaltung als »vorbereitete Umgebung« Kerngedanke ihrer Pädagogik.

In der Reggio-Pädagogik spielt der Raum die Rolle schlechthin: »Der Raum als dritter Erzieher. Räume wirken als reichhaltige, vorbereitete Umgebung, die den Kindern sowohl Anregung und Herausforderung bieten, als auch Geborgenheit und Rückzugsmöglichkeiten. Sie können als Gruppenräume strukturiert sein, wie auch als Funktionsräume, zum Beispiel Räume für Atelier, Bewegung, Entspannung etc. Einrichtung und Material haben durch die Präsentation Aufforderungscharakter, bieten ordnende Orientierung, ermöglichen unterschiedliche Perspektiven, fordern verschiedene Wahrnehmung heraus und laden zum forschenden Lernen ein« (Dialog Reggio 2005; zitiert nach Textor 2018, S. 1).

Der Reformpädagoge und Psychoanalytiker Siegfried Bernfeld (1929) thematisiert am Ende der 1930er-Jahre den »sozialen Ort« als eine die Entwicklung bestimmende Dimension. Der (Sozial-)Pädagoge Michael Winkler konzentriert 60 Jahre nach Bernfeld seine Theorie der Sozialpädagogik auf die Grundbestimmungen von Subjekt und Ort: Sozialpädagogisches Denken beginne dort, »wo überlegt wird, wie ein Ort beschaffen sein muß, damit ein Subjekt als Subjekt an ihm leben und sich entwickeln kann« (Winkler 1988).

Thematisierungsweisen der räumlichen Dimensionen in der Pädagogik werden daher im vorliegenden Dokumentationsband der 67. Internationalen Pädagogischen Werktagung behandelt. Der Raum und seine pädagogischen Dimensionen werden aus den Blickwinkeln unterschiedlicher Disziplinen verhandelt und unter dem Aspekt einer gelebten Pädagogik bedacht.

Die Politikwissenschaftlerin Kathrin STAINER-HÄMMERLE akzentuiert, dass mit Politik der öffentliche Raum, aber auch das persönliche Lebensumfeld gestaltet wird. Dabei wird gerne vergessen, dass Politik nicht immer Demokratie sein muss. Sie mahnt die Verantwortung von politischen Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträgern sowie Bürgerinnen und Bürgern an, trotz ideologischer Konkurrenz und zunehmender gesellschaftlicher Polarisierung über Partizipation zu Kooperation und Vertrauen zu gelangen.

Der Astrophysiker Franz KERSCHBAUM fragt danach, ob das Leben, wie wir es kennen, auch anderswo im Kosmos möglich sei und welche Voraussetzungen dafür erfüllt sein müssten. Diese Fragen aufgreifend kontrastiert sein Beitrag historische Zugänge zur Frage nach der Einmaligkeit unseres Sonnensystems und des Lebens im Universum mit dem heutigen Stand der Forschung.

Der Medienpädagoge Stefan AUFENANGER erörtert in seinem Beitrag in einem ersten Schritt die Rolle der digitalen Medien im Leben von Kindern und Jugendlichen heute und folgert daraus auf die Herausforderungen für Erziehung im familialen Kontext sowie in Bildungsinstitutionen. Abschließend lenkt er den Blick auf das Verhältnis von realen, virtuellen und medienpädagogischen Aspekten und fragt nach einer sinnvollen Balance.

Die Erziehungswissenschaftlerin Kornelia SCHNEIDER plädiert in ihrem Aufsatz dafür, dass anstelle einer Raumgestaltung nach Katalog vielmehr das Hauptaugenmerk auf die Kinder als Hauptakteurinnen und Hauptakteure der Raumaneignung und des Raumerlebens gelenkt werden sollte.

Kinder brauchen und suchen natürliche Freiräume, um ihren Forschungsund Entdeckungsdrang auszuleben, unterstreicht der selbstständige Freianlagenplaner Herbert ÖSTERREICHER. Die gegenwärtige Entwicklung von Außenanlagen in vielen Kindertageseinrichtungen zeigt einen anderen Trend – hin zu einer monofunktionalen Gerätelandschaft. Ein Garten für Kinder sollte aber nicht nach den Vorstellungen der Erwachsenen geplant werden, sondern eine Werkstätte für Kinder darstellen, die immer neu entdeckt, bearbeitet und verändert werden kann.

Die Bedeutung des Raums als »dritter Pädagoge« wird häufig unterschätzt, betont der Gesundheits- und Bewegungswissenschaftler Dieter BREITHECKER und stellt entwicklungsanregende Räume vor, in denen Kinder in Kita und Grundschule ihren naturgegebenen Forscher- und Entdeckerdrang spielend, selbstgesteuert und grenzwertig handelnd ausleben können.

Planen und Bauen für psychisch kranke Kinder und Jugendliche hängt notwendigerweise von den Bedürfnissen der zu Versorgenden ab, muss die Kinderrechtskonvention berücksichtigen und ein Lebensmodell für die Entwicklung neuer, hilfreicher und lebensnaher Erfahrungen darstellen, führt der Kinder- und Jugendpsychiater Leonhard THUN-HOHENSTEIN aus.

Der Philosoph und Psychotherapeut Emmanuel J. BAUER spürt der Frage nach, was »Raum« eigentlich ist. Im Vordergrund steht: Die Natur des Raumes aus alltäglicher, etymologischer und ontologischer Sicht zu beleuchten, um danach auf existentiell-phänomenologisch-psychotherapeutischem Weg zu erkunden, wie aus unseren alltäglichen Aufenthaltsgebieten lebendige Räume der Freiheit und der Beziehung, also existentielle Biotope (wörtlich: τόποι τοῦ βίου, Orte des Lebens) werden können.

Die Theologin und Autorin Melanie WOLFERS macht deutlich, dass Freundschaft sich nicht nur auf Beziehungen mit Menschen im Lebensumfeld bezieht, sondern auch auf das »Freundsein« mit der eigenen Person. Um den sich steigernden Außen- wie Selbstanforderungen entgegenzuwirken, lohnt es sich, sich Zeit zu nehmen, um in sich hineinzuhören und zu lernen, sich mit all seinen Stärken und Schwächen zu akzeptieren. Eine dauerhafte und gestärkte Freundschaft mit sich selbst einzugehen, ist die Basis für ein zufriedenes und harmonisches (Zusammen-)Leben.

Räume werden zur Verfügung gestellt, groß, weit oder klein und schmal, zuweilen nur als umgrenzter Bereich, jedenfalls geschützt und schützend, zugleich jedoch herausfordernd, weil man von diesem Raum aus wieder einen Blick nach außen richten kann. Räume bilden die Bedingung dafür, dass man sich selbst erfasst und zugleich Optionen erkennen kann (vgl. Winkler 2018, S. 5). Die Erziehungswissenschaft nähert sich dem Thema »Raum« vor allem über die Frage der Gestaltung von Räumen zu pädagogischen Zwecken, als pädagogische Wirkung von Räumen und als Aneignung von nicht-pädagogischen Räumen durch Kinder und Jugendliche an (vgl. Nolda 2006).

Welche Herausforderungen und Handlungsperspektiven ergeben sich daraus für Pädagoginnen und Pädagogen in der alltäglichen pädagogischen Arbeit? Diesen und anderen Gedanken wird auf den folgenden Seiten des breit interdisziplinär angelegten Dokumentationsbandes zur 67. Internationalen Pädagogischen Werktagung nachgegangen und Raum gegeben. In diesem Sinne möge der vorliegende Band Anstöße für die pädagogische Arbeit in unterschiedlichen Handlungsfeldern geben, um pädagogische Räume zu eröffnen und mit pädagogischen Absichten in Einklang zu bringen.

Kathrin Stainer-Hämmerle

Teile und herrsche – Der politische Raum zwischen Konkurrenz und Kooperation

Zusammenfassung

Mit Politik wird der öffentliche Raum, aber auch das persönliche Lebensumfeld gestaltet. Dass Politik aber nicht immer Demokratie sein muss, wird gerne vergessen. Der Beitrag gibt die Gedanken der Verfasserin wieder und behandelt die Verantwortung von politischen Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträgern sowie Bürgerinnen und Bürgern trotz ideologischer Konkurrenz und zunehmender gesellschaftlicher Polarisierung über Partizipation zu Kooperation und Vertrauen zu gelangen. Share- und Retweet-Funktionen dürfen nicht nur unser Kommunikationsverhalten beherrschen, sondern sollten auch unsere Rolle als Bürgerinnen und Bürger bestimmen.

Fußball und Politik haben vieles gemeinsam. Bei beidem geht es um Konkurrenz und Kooperation. Mit Strategie und Taktik werden verschiedenste Spielzüge geplant. Ziel ist immer die Eroberung und Verteidigung von Räumen. Vereinbarte Spielregeln sind einzuhalten, sowohl im Match als auch in einer politischen Auseinandersetzung, zumindest wenn diese unter demokratischen Vorzeichen stattfinden soll.

Einiges fällt aber im Sport leichter: Nach einer klar definierten Spieldauer ist unmissverständlich, wer als Siegerin und Sieger oder Verliererin und Verlierer den Platz verlässt. Demokratische Politik lebt zwar nach dem Takt von Wahlen. Politische Erfolge oder Niederlagen werden allerdings erst oft viel später sichtbar. Wer politische Ziele erreichen will, braucht ohnehin einen sehr langen Atem.

Noch etwas unterscheidet Politik und Fußball wesentlich. Bei der wichtigsten Nebensache der Welt gehört zum Spielende sowohl für Siegerinnen und Sieger als auch Verliererinnen und Verlierer das partnerschaftliche Shake-hands zum abschließenden Ritual. In der Politik überwiegt inzwischen der Konkurrenzreflex, obwohl das österreichische Erfolgsmodell der Zweiten Republik eigentlich auf einem breiten Konsens zwischen den Parteien und innerhalb der Gesellschaft aufgebaut wurde.

Bei der Analyse teilen Politik und Fußball wieder ein ähnliches Schicksal. In WM-Zeiten wollen mindestens fünf Millionen Fußballexpertinnen und Fußballexperten den besseren Sachverstand beweisen. In Wahlkampfzeiten teilen sich mindestens ebenso viele die Expertise der Politikwissenschaft oder zumindest der Politikanalyse. Das ist in einer Demokratie auch richtig. Mündige Bürgerinnen und Bürger sollen und müssen in einer Demokratie in der Lage sein, sich ein eigenständiges Urteil zu bilden und zwar aufgrund der Informationen, zu denen sie Zugang haben und mithilfe ihrer Kompetenzen, die sie sich im Laufe ihrer Bildungskarriere aneignen konnten.

Unter diesen Bedingungen müssen Bürgerinnen und Bürger unterscheiden können zwischen einem Offensiv- und Defensivspiel, vor allem aber zwischen Fair Play und Foul. Ohne diese Möglichkeit, die nur durch vielfältige und freie Medien garantiert werden kann sowie durch ausreichende politische Bildung, gerät die Demokratie in Gefahr.

Jeder Fußballerin und jedem Fußballer (ob aktiv oder passiv) ist ganz klar, dass es auf dem Spielfeld verschiedene Rollen gibt und es diese auch braucht. Nur im Zusammenspiel, im Team, kann der Sieg erreicht werden. Es ist klar, dass es Regeln braucht, um unfaire Spielerinnen und Spieler zurechtzuweisen. Jegliche Taktik und Strategie dürfen nur innerhalb eines klar definierten Rahmens ausgerichtet werden. Jede und jeder hat sich dem Urteil des Schiedsrichters – seltener der Schiedsrichterin – zu unterwerfen, auch wenn es manchmal schwerfällt. Im Sport ist klar, dass am Ende trotz Sieg auch die Verliererinnen und Verlierer ein anerkennendes Schulterklopfen verdienen, denn schließlich begegnet man sich nicht nur auf dem Spielfeld öfter als einmal.

Für eine Demokratie sind verteilte Rollen und klare Spielregeln genauso wichtig. Denn eine Demokratie ohne Gewaltenteilung und gegenseitige Kontrolle wäre höchstens eine defekte Abart, ein Abklatsch einer Demokratie. Das Zusammenspiel zwischen Regierung und Opposition, zwischen Regierung und Parlament, zwischen den Repräsentantinnen oder Repräsentanten und dem Volk sowie zwischen Politik und Medien muss funktionieren. Wenn eine Spielerin oder ein Spieler versucht, die andere oder den anderen durch dauerhafte Kritik zu desavouieren, schadet sie oder er sich am Ende meist auch selbst. Kritik am politischen System richtet sich am Ende in Form einer Politikskepsis immer gegen alle Parteien und Politikerinnen beziehungsweise Politiker, Institutionen und Verfahren. Nicht zuletzt der Ausgang der österreichischen Nationalratswahl 2017 hat gezeigt, was das Thematisieren von politischem Dauerstreit bewirkt: Trotz guter Konjunkturdaten und Lebensverhältnissen war der Wunsch nach einem Wechsel besonders groß und führte nicht zuletzt auch zu einer neuen Regierungskoalition mit dem jüngsten Bundeskanzler aller Zeiten an der Spitze.

In der Politik sind klar verteilte Rollen ebenso wichtig. Ähnlich wie auf dem Fußballfeld braucht es Torhüterinnen oder Torhüter wie die obersten Gerichte, defensive Verteidigerinnen oder Verteidiger wie konservative Parteien und offensive Stürmerinnen oder Stürmer wie neue Parteien, die sich heute lieber Bewegungen nennen. Es braucht Stars wie manche Parteichefinnen oder Parteichefs, inklusive ihrer Anhängerschaft in Bevölkerung und Medien, und laufstarke, ausdauernde Arbeiterinnen oder Arbeiter, denen die Luft trotz manch leerer Kilometer nicht ausgeht. Es braucht spröde Expertinnen und Experten sowie charismatische Motivationskünstlerinnen und Motivationskünstler.

Selbstverständlich kennen wir in der Politik auch Foulspiele, sogar innerhalb der eigenen Mannschaft. Wenn zum Beispiel der deutsche Innenminister Horst Seehofer in den letzten Tagen der eigenen Koalitionspartnerin Kanzlerin Angela Merkel mit ihrem politischen Aus drohte, am Ende aber dennoch klein beigeben musste. »Demokratien atmen im Rhythmus von Wahlen«, schrieb die ehemalige Außenministerin Ursula Plassnik (2018) kürzlich in der Kleinen Zeitung. Ja, das taten sie schon immer. Inzwischen sind Demokratien aber noch viel kurzatmiger geworden. Sie atmen bereits im Rhythmus von Umfragen, und die Methoden im Kampf um jede Stimme werden immer kurzsichtiger, kurzfristiger und skrupelloser.

Literatur

Bernfeld, Siegfried (1929): Der soziale Ort und seine Bedeutung für Neurose, Verwahrlosung und Pädagogik. 1921–1933. In: Herrmann, Ulrich (Hrsg.) (1996): Sozialpädagogik. Siegfried Bernfeld – Sämtliche Werke. Band 11. Weinheim/Basel: Beltz, S. 255–272.

Bilstein, Johannes (2017): Vom Inneren der Seele bis ans Ende der Welt. Raum als pädagogische Kategorie. In: Glaser, Edith/Koller, Hans-Christopher/Thole, Werner/Krumme, Salome (Hrsg.): Räume für Bildung – Räume der Bildung. Beiträge zum 25. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft. Opladen/Berlin/Toronto: Budrich, S. 24–39.

Bollnow, Otto Friedrich (2010/1963): Mensch und Raum. Stuttgart: Kohlhammer.

Dreher, Eva (2018): Zentrale Kompetenzen und Modalitäten der Förderung. In: Sozialpädagogische Impulse 2/2018, S. 10–13.

Dünne, Jörg/Günzel, Stephan (Hrsg.) (2006): Raumtheorie. Frankfurt am Main: Suhrkamp.

Kessl, Fabian (2016): Erziehungswissenschaftliche Forschung zu Raum und Räumlichkeit. In: Zeitschrift für Pädagogik 62, H. 1, S. 5–19.

Koller, Hans-Christoph (2017): Vorworte. In: Glaser, Edith/Koller, Hans-Christopher/Thole, Werner/Krumme, Salome (Hrsg.): Räume für Bildung – Räume der Bildung. Beiträge zum 25. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft. Opladen/Berlin/Toronto: Budrich, S. 13–14.

Montessori, Maria (1938/1952/2004): Kinder sind anders. (Orig.: Il Segreto dell’ Infanzia). Stuttgart: Klett.

Nolda, Sigrid (2006): Pädagogische Raumaneignung. Zur Pädagogik von Räumen und ihrer Aneignung – Beispiele aus der Erwachsenenbildung. In: ZBBS 7. Jg. Heft 2/2006, S. 313–334.

Piaget, Jean/Inhelder, Bärbel (1971): Die Entwicklung des räumlichen Denkens beim Kinde. Stuttgart: Klett.

Rousseau, Jean-Jacques (1998/1762): Émile oder über die Erziehung. Stuttgart: Schöningh.

Schluß, Henning/Lachmann, Stefanie (2007): Raum als pädagogische Dimension? In: Bildung und Erziehung, 60. Jg 1/2007, S. 79–95.

Textor, Ingeborg (2018): Raumgestaltung und pädagogische Wirkung. In: Textor Martin R./Bostelmann, Antje (Hrsg.): Kita-Handbuch. Online: https://www.kindergartenpaedagogik.de/1674.html [02.08.2018].

Winkler, Michael (2018): Sozialpädagogik – Handeln im Raum. In: Sozialpädagogische Impulse 2/2018, S. 4–9.

Eine Politik der Drohgebärden, aber auch die Politik der leeren Drohungen, gewinnen auch außerhalb Deutschlands an Beliebtheit. Der kurze und meist nur erhoffte, parteitaktische Vorteil wird jedoch teuer erkauft: durch ein immer tiefer gehendes Misstrauen der Bevölkerung gegenüber der Problemlösungskompetenz der Politik.

Die jüngste OGM-Exklusivumfrage für die Initiative Mehrheitswahlrecht und Demokratiereform vom 4. bis 7. Oktober 2017 zeichnet wieder ein deprimierendes Bild: 87 Prozent der Befragten haben wenig bis gar kein Vertrauen in die Politik. 2016 lag der Wert noch bei 82 Prozent, 2014 gar erst bei 70 Prozent. Jene Gruppe, die angibt, gar kein Vertrauen zu haben, ist von 31 auf 39 Prozent angestiegen. Ein ähnliches, noch schlechteres Ergebnis brachte die Frage nach den Politikerinnen und Politikern. In sie setzen 93 Prozent wenig bis gar kein Vertrauen. 2016 waren dies 89 Prozent. Der Prozentsatz derer, die völligen Vertrauensverlust konstatieren, ist in diesem Zeitraum von 35 auf 43 Prozent gestiegen.

Wer der Politik nicht vertraut, ist mit der Demokratie unzufrieden und sehnt sich eher nach einem »starken Mann«, der, wie in Frankreich, etwa auch eine »starke Frau« sein darf. Denn dieser Terminus vertritt weniger stellvertretend ein bestimmtes Geschlecht als vielmehr einen besonderen Führungsstil. Bei autoritären Politikangeboten steht ein klares Schwarz-Weiß-Schema zur Erklärung der Welt eindeutig über dem Wunsch nach Partizipation. Dieser zunehmende Wunsch nach einfachen Antworten und die Sehnsucht nach der Delegation von Verantwortung sollten uns Sorgen bereiten. Ein neues Phänomen ist es allerdings nicht.

Interessanterweise fand die Fußball-WM 2018 unter konträren Bedingungen statt, obwohl auch der Austragungsort Russland einige Unschärfen bei der Interpretation von Demokratie aufweist. Der bisher sakrosankte Schiedsrichter, der »starke Mann« auf dem Feld, hat 2018 erstmals ein Korrektiv zur Seite gestellt bekommen, den Videoschiedsrichterassistenten. Über ein Headset verbunden werden nun Urteile des Hauptschiedsrichters in Frage gestellt, und nach einer Unterbrechung mit Wiederholung der entscheidenden Spielszene auf Video können Entscheidungen auch verändert werden. Diese Gelegenheiten des Austauschs, des Wiederholens, Überdenkens und Rückversicherns, und auch den Zwang des Rechtfertigens, würden wir uns in der Politik manchmal wünschen. Eine Möglichkeit des Dialoges und der Mitbestimmung wurden im bisher autoritären System »Fußball« geschaffen. In unseren politischen Systemen scheinen wir sie hingegen immer weniger zu schätzen.

Doch wir sollten bedenken: In einer Demokratie haben wir die Möglichkeit des Reversierens, etwa bei den periodisch stattfindenden Wahlen. Ob und wie wir diese Gelegenheiten benützen, hängt allein von uns Bürgerinnen und Bürgern ab. Auch Politikerinnen und Politikern sollten wir erlauben, ihre Meinungen zu überdenken und auch zu revidieren. »Aber meine Herren, es kann mich doch niemand daran hindern, jeden Tag klüger zu werden« (Weismeyer 1955, S. 521), entgegnete etwa Konrad Adenauer seinen Parteifreunden im Dezember 1949, als sie ihm vorwarfen, seine Haltung zu gemeinsamen europäischen Streitkräften radikal geändert zu haben. Dagegen steht der Ausspruch des bekannten, leider viel zu früh verstorbenen ORF-Anchorman Robert Hochner: »Die Rache der Journalisten an den Politikern ist das Archiv«. Journalistinnen und Journalisten können sich aber nicht rächen in einer Demokratie, das können nur die Wählerinnen und Wähler. Nur vor uns und unserem Urteil fürchten sich die Politikerinnen und Politiker. Journalismus mag dieses Urteil prägen, Konsequenzen einfordern kann nur die wahlberechtigte Bevölkerung.

In einem demokratischen politischen System ändern sich laufend die Spielregeln. Manche gewollt, manche geplant, manche ohne Zutun. Auch das liegt in der Hand der Bürgerinnen und Bürger. Nicht jede Änderung, jedes Gesetz glückt und hält, was man sich von ihm verspricht. Aber so erging es auch dem Fußball. Der Regel des Golden Goals war jedenfalls kein langes Leben beschieden.

Politik ist im Grunde nichts anderes als ein permanenter Trial-and-Error-Prozess. Die Periodizität ermöglicht es, jede Entscheidung zu überdenken und zu revidieren, Fehlentwicklungen auszugleichen. Was aber auch bedeutet, dass Politik nie an ein Ende kommt, dass wir uns damit abfinden müssen, wenn jeder Lösung neue Probleme folgen, über die es wiederum nachzudenken und zu verhandeln gilt. Politik ist dazu verdammt, permanent in einer Endlosschleife zu stecken. Ähnlich wie Sisyphos, der den Stein immer wieder den Berg hinaufrollt, um dann kurz vor dem Ziel die Kontrolle zu verlieren. Doch eine Schleife muss nicht immer zum Ausgangspunkt zurückkehren. Es kann sich auch eine Spirale daraus entwickeln. Im besten Fall eine mit Aufwärtsbewegung, im schlechteren Fall eine in den Abgrund.

Bei allen wiederholenden Elementen der Politik haben sich dennoch einige Rahmenbedingungen für Parteien und Politikerinnen wie Politiker in den letzten Jahrzehnten gravierend verändert. Beginnen wir mit einer Erfolgsstory. Die höheren Bildungschancen für immer breitere Bevölkerungsschichten haben zu einer individualisierten Gesellschaft geführt. Keine Autorität, sei sie geistlich oder weltlich, vermag mehr unhinterfragt die Regeln zu bestimmen. Das ist gut so. Mündige Bürgerinnen und Bürger sind ein Zeichen von reifen Demokratien.

Die Individualisierung hat uns alle von Zwängen befreit, die auf unserer Herkunft, unserem Geschlecht, unseren Werten und Neigungen beruhen. Individualisierung heißt Freiheit, bedeutet aber auch Verantwortung. Individualisierung bedingt aber vor allem die Auflösung der gesellschaftlichen Milieus. Niemand versteht sich heute ausschließlich als Arbeiterin oder Arbeiter Bäuerin oder Bauer, Unternehmerin oder Unternehmer, Österreicherin oder Österreicher. Wir alle tragen vielfältige Identitäten in uns und wechseln oft und gerne unsere Zugehörigkeit zu einer Gruppe.

Für die Politik und vor allem für traditionelle Parteien, die aufgrund von gesellschaftlichen Konfliktlinien vor über 100 Jahren gegründet wurden, bedeutete diese Entwicklung den Verlust ihrer Stammwählerschaft sowie den Verlust ihres ideologischen Alleinvertretungsanspruches. Die lange Geschichte mancher Parteien und ihre gewachsenen Apparate ließen sie aber träge werden und manche Zeichen der Veränderung wurden lange Zeit von den Funktionären (und mancher Funktionärin) ignoriert. Als diese die gesellschaftlichen Veränderungen rund um sie endlich erkannten, griffen sie meist zu den falschen Mitteln im Kampf um jede einzelne Stimme. Mit Hochglanz-PR-Kampagnen wollen Politikerinnen und Politiker die Wählerinnen und Wähler bei Laune halten, statt ernsthaft mit ihnen über den Zustand unserer Welt zu diskutieren.

Die veränderte Kulisse bedeutet auch, dass unsere Gesellschaft immer weniger durch allgemein akzeptierte Werte zusammengehalten wird. Alles wird hinterfragt. Keine Gewissheit akzeptiert. Keiner Elite mehr geglaubt. Jede Form der Solidarität muss erst begründet und erzeugt werden. In einer individualisierten Gesellschaft ist jede und jeder zunächst sich selbst am nächsten. Individualisierung kann also auch Egoismus bedeuten. Oder die Eingrenzung des Mitgefühls auf Menschen, die ähnlich denken und fühlen, aber durchaus an einem beliebigen Ort auf diesem Erdball leben können.

Die Globalisierung hat viele Gesichter. Viele sind zu begrüßen, manche nicht. Für die Politik bedeutet Globalisierung aber, dass ihr Handlungsspielraum beträchtlich geschrumpft ist. Beinahe alle heutigen Probleme sind nur mehr überregional zu lösen: Umweltverschmutzung, Steuerflucht, Urheberschutz oder Migration. Nationale Lösungen lassen sich dabei kaum erfolgreich umsetzen.

Doch hier zeigt sich das zweite Mal ein unserer Demokratie innewohnendes träges Moment: Die Parteien haben nicht nur ihr Klientel verloren und sich zu lange auf den immer kleiner werdenden Restbestand konzentriert. Sie können auch nicht mehr in dem sie legitimierenden Rahmen die Probleme lösen. Mandate werden immer noch auf nationaler Ebene, in nationalen Wahlen vergeben. Die Probleme müssen aber aufgrund der Globalisierung auf internationaler Ebene gelöst werden. Die Diskussionen in der EU illustrieren uns dieses Dilemma jeden Tag. Heute rücken nationale Interessen – wider besseres Wissen – wieder in den Vordergrund, allein weil die Vertretung europäischer Lösungsansätze im eigenen Land keinen Vorteil verspricht. Gewählt wird zu Hause, könnte man einen beliebten Spruch über das Essen abwandeln.

In manchen Feldern ist die Politik aber national wie international schlicht machtlos. Da braucht es Bürgerinnen und Bürger, die aktiv mithelfen anstatt passiv verharrend auf die Lösung ihrer Probleme durch die Politik zu warten. So wie es derzeit etwa beim Thema Migration geschieht. Nichts zeigt deutlicher, wie verflochten unsere Welt ist, wie Konflikte weit ab unserer Heimat Auswirkungen auf unser tägliches Leben zeigen können. So wie unser tägliches Verhalten umgekehrt Auswirkungen auf Lebensbedingungen in fernen Ländern haben. Ulrich Brand nennt dies imperiale Lebensweise, bei der unsere Inanspruchnahme vieler Güter und Dienstleistungen an anderen Orten des Globus ökologischen und sozialen Schaden anrichtet (vgl. Brand/Wissen 2007). Die Folgen des Konsums von SUVs, Smartphones, Billigflügen, täglichem Fleisch oder Erdbeeren im Winter werden von uns kurzerhand externalisiert. Die Kosten tragen Menschen in anderen Ländern und sie hören auf, dies zu akzeptieren. Sie machen sich auf den Weg nach einem besseren Leben, zum Beispiel nach Europa. Mit einer »Grenzen-dicht-Politik« lässt sich dieses globale Ungleichgewicht aber nicht mehr lösen. Die Gräben zwischen Nord und Süd werden zwar tiefer, aber gleichzeitig auch überwindbarer.

Doch auch in unserer Gesellschaft tun sich Gräben auf. Zwischen Stadt und Land, zwischen den Geschlechtern, zwischen Jung und Alt, zwischen jenen mit sicherem Job und den prekär Beschäftigten, zwischen den Optimistischen und jenen, die unsicher in die Zukunft blicken.