Leichte Sprache - Sonja Gross - E-Book

Leichte Sprache E-Book

Sonja Gross

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Beschreibung

Was ist Leichte(re) Sprache? Wie genau schreibt und spricht man leicht oder leichter? Dieses Buch gibt Antworten.  Leichte Sprache ist eine besonders einfache Sprache mit kurzen Sätzen, alltagsnahen Wörtern, prägnanten Aussagen und verständlicher Darstellung.  Studien zeigen, dass ca. ein Drittel der Erwachsenen im Alltag Mühe hat, schriftliche Informationen von Firmen, Behörden oder Medien zu verstehen. Mehr als die Hälfte der deutschen Bevölkerung hat Probleme, den Erklärungen von medizinischen und therapeutischen Fachpersonen zu folgen. Durch Leichte(re) Sprache werden gesundheitsrelevante Informationen besser verstanden und damit die Beziehungsqualität, die Patientensicherheit sowie der Therapieerfolg erhöht. Aber auch in anderen Bereichen wird Leichte(re) Sprache mit Erfolg eingesetzt, um mehr Menschen zu erreichen, Missverständnisse zu reduzieren und die Zusammenarbeit zu verbessern.  Von Leichter(er) Sprache profitieren deshalb neben medizinischen und betreuerischen Fachpersonen auch Lehrpersonen, Eltern, Führungspersonen, Politiker*innen, Behördenmitarbeitende, Angehörige von Demenzbetroffenen und viele weitere Berufsgruppen.  Dieses Buch gibt Ihnen einen Überblick über alles, was Sie über Leichte(re) Sprache wissen müssen: die Grundlagen, den Hintergrund sowie die Wirkweise. Außerdem erfahren Sie mehr über die bestehenden Regelwerke und lernen, wie Sie die Regeln optimal für sich und Ihre Ziele einsetzen können. Die Theorie wird mit kurzweiligen Beispielen vermittelt, und die enthaltenen Übungen, Tipps und Checklisten unterstützen Sie bei der eigenen Umsetzung.

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Grundlagen und Anleitung für eine barrierefreie Kommunikation

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Sonja Gross

Sonja Gross, M. A. Sozialwissenschaften

CONCEPTERA GmbH

Veia Pulens 10

7462 Salouf

Schweiz

E-Mail: [email protected]

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Hogrefe AG

Lektorat Psychologie

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www.hogrefe.ch

Lektorat: Dr. Susanne Lauri, Wiebke Erchinger

Bearbeitung: Tobias Gaudin, Gießen

Herstellung: Daniel Berger

Umschlagabbildung: Jeanne Lolness (Vy Thao Bui)

Umschlag: Claude Borer, Riehen

Illustrationen (Innenteil): Jeanne Lolness (Vy Thao Bui)

Satz: Claudia Wild, Konstanz

Format: EPUB

1. Auflage 2023

© 2023 Hogrefe Verlag, Bern

(E-Book-ISBN_PDF 978-3-456-96272-6)

(E-Book-ISBN_EPUB 978-3-456-76272-2)

ISBN 978-3-456-86272-9

https://doi.org/10.1024/86272-000

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Inhaltsverzeichnis

Einleitung

Teil I Der Erfolg Leichter(er) Sprache

1 Barrieren in der Kommunikation

1.1 Das Leseniveau der Bevölkerung

1.2 Gründe und Folgen zu schwieriger Sprache

1.3 Ein Geheimagent im Wohnheim und Erbsen zum Unterzeichnen

1.4 Über die Veränderung der Geschäftssprache

1.5 Barrierefreiheit in der Kommunikation

1.6 Zusammenfassung

2 Porträt Leichte(re) Sprache

2.1 Einfache Sprache und Leichte Sprache

2.2 Leichte(re) Sprache sprechen

2.3 Plain und Easy English, Lättlast und Selkokieli

2.4 Die Entwicklung im deutschen Sprachraum

2.5 Rechtliche Grundlagen

2.6 Zusammenfassung

3 Chancen (und Grenzen)

3.1 Inklusion, Teilhabe und Chancengleichheit

3.2 Empowerment und Selbstbestimmung

3.3 Entwicklung und Lernen

3.4 Kritik und Tipps

3.5 Zusammenfassung

4 Anwendungsgebiete

4.1 Gesundheit

4.2 Betreuung, Bildung und Erziehung

4.3 Verwaltung

4.4 Privatwirtschaft und Führung

4.5 Zusammenfassung

Teil II Die Schlüssel zur erfolgreichen Umsetzung

5 Informationen in Leichter(er) Sprache erstellen in 4 Schritten

5.1 Zielgruppe

5.2 Bereitstellung

5.3 Erstellung bzw. Übersetzung

5.4 Überprüfung

5.5 Zusammenfassung

6 Übersicht über die wichtigsten Leitlinien und Regelwerke

6.1 Regeln oder Leitlinien?

6.2 Angemessenheitsfaktoren

6.3 Regelwerke und Labels

6.4 Zusammenfassung

7 Die 20 wichtigsten Prinzipien Leichter(er) Sprache

7.1 Wörter

7.2 Sätze

7.3 Text

7.4 Gestaltung

7.5 Zusammenfassung

Anhang

Lösungen

Über die Autorin

Literaturverzeichnis

Sachwortverzeichnis

|7|Einleitung

Liebe Leserinnen und Leser,

bei der intendierten Realisierung der linguistischen Simplifizierung des regionalen Idioms resultiert die Evidenz der Opportunität extrem apparent, den elaborierten und quantitativ opulenten Usus nicht assimilierter Xenologien konsequent zu eliminieren!

Wie geht es Ihnen beim Lesen dieses Satzes?

Vielleicht spüren Sie:

• keine Lust weiterzulesen,

• Selbstzweifel,

• Frust?

Oder Sie haben erst gar nicht versucht, den Satz bis zum Ende zu lesen?

Vielen Menschen geht es im Alltag beim Lesen so.

Zum Beispiel:

Menschen mit Lern-Schwierigkeiten oder Menschen, die schlecht Deutsch sprechen.

Deshalb gibt es Leichte Sprache.

Leichte Sprache hat kurze Sätze.

Die Wörter sind einfach.

Die Schrift ist groß und gut lesbar.

Und: Leichte Sprache bringt die Informationen auf den Punkt.

Die Informationen werden schnell erfasst und verstanden.

|8|Das hat viele Vorteile:

• Mehr Menschen lesen den Text oder hören Ihnen zu.

• Mehr Menschen verstehen Sie.

• Sie verbessern Beziehungen.

• Sie sparen Zeit und Geld.

In diesem Buch erfahren Sie mehr über Leichte Sprache.

Und Sie lernen, wie Sie mit Leichter Sprache zu mehr Erfolg kommen.

Der Satz am Anfang bedeutet übrigens:

Es ist sinnvoll, nicht so viele schwierige Fremd-Wörter zu benutzen.

Dieses Buch gibt Ihnen einen Überblick über das Thema Leichte und leichtere Sprache. Nachfolgend verwende ich dazu den Begriff „Leichte(re) Sprache“. Damit sind alle Ausprägungen leicht verständlicher Sprache gemeint, einfache und Leichte Sprache eingeschlossen.

Das Buch besteht aus zwei Teilen. Der erste Teil, Kapitel 1 bis 4, beschäftigt sich mit den Fragen: Was ist Leichte(re) Sprache? Und was leistet sie? Sie erfahren mehr über den Unterschied zwischen einfacher und Leichter Sprache und darüber, wie Leichte(re) Sprache entstanden ist. Außerdem gehe ich auf die rechtlichen Grundlagen sowie die Chancen und die Kritik ein und zeige, wie Leichte(re) Sprache eingesetzt werden kann.

Im zweiten Teil, Kapitel 5 bis 7, lernen Sie die wissenschaftlichen Erkenntnisse und Regeln rund um Leichte(re) Sprache kennen und lernen, wie Sie diese anwenden können. Detailliert erläutere ich den Prozess zur Erstellung von Informationen in Leichter(er) Sprache. Darüber hinaus stelle ich Ihnen die Regelwerke und Labels sowie weitere Faktoren für eine gute Verständlichkeit vor und Sie lernen die 20 wichtigsten Prinzipien Leichter(er) Sprache kennen.

Die Theorie wird anhand von anschaulichen und kurzweiligen Praxisbeispielen verdeutlicht und die enthaltenen Übungen, Merkpunkte und Checklisten unterstützen Sie bei der eigenen Umsetzung. Zusätzlich finden Sie am Ende jedes Kapitels eine Zusammenfassung, in der die zentralen Aussagen nochmals wiedergegeben werden.

Ergänzende Hilfsmittel zum Buch, wie aktuelle Links, Vorlagen und Merkblätter sowie weitere Übungen mit Lösungsvorschlägen, finden Sie unter:

www.conceptera.ch/leichte-sprache.

|9|Teil I Der Erfolg Leichter(er) Sprache

|11|1  Barrieren in der Kommunikation

Wozu braucht es Leichte(re) Sprache und was hat Leichte(re) Sprache mit barrierefreier Kommunikation zu tun? Im ersten Kapitel geht es um die Barrieren von Sprache sowie um die Gründe und Folgen von zu schwieriger Sprache. Außerdem erfahren Sie, welche Vorteile Ihnen Leichte(re) Sprache bringen könnte – und was Erbsen mit einer Unterschrift zu tun haben.

Abbildung 1-1:  Informationen von Unternehmen, Behörden und Fachpersonen werden von vielen Personen nicht verstanden.

|12|1.1  Das Leseniveau der Bevölkerung

Wussten Sie, dass über ein Drittel der Erwachsenen in Deutschland über Deutschkenntnisse verfügt, die niedriger sind als die Anforderungen zum Ende der Grundschule?

Geringe Literalität

6,2 Millionen Menschen der erwerbsfähigen deutschen Bevölkerung (oder anders gesagt: jeder achte Erwachsene unter 64 Jahren) kann nicht oder nur unzureichend lesen und schreiben und entweder nur einzelne Buchstaben, Wörter oder Sätze lesen und verstehen, nicht aber zusammenhängende Texte – selbst kürzere. Zu diesem Ergebnis kommt die Level-One-Studie der Universität Hamburg 2018.

Früher sprach man von funktionalem Analphabetismus. Da Betroffene diesen Begriff jedoch als stigmatisierend wahrnehmen und „Analphabetismus“ in internationalen Forschungstexten außerdem immer wieder anders definiert wird, ergibt es Sinn, stattdessen von „geringer Literalität“ bzw. von „gering literalisierten Erwachsenen“ zu sprechen. Damit gemeint ist die geringe Fähigkeit, das geschriebene Wort zu nutzen, um am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen und eigene Ziele zu erreichen. Alternativ kann man auch von Lesekompetenz sprechen. Darunter wird das Verstehen, Nutzen und Interpretieren von geschriebenen Texten verstanden, zum Beispiel eines Medikamentenbeipackzettels oder eines kurzen Zeitungsartikels.

Zusätzlich zu den Menschen mit geringer Literalität in Deutschland können weitere 10,6 Millionen Menschen, also rund 20 Prozent der Erwachsenen, selbst gebräuchliche Wörter nur fehlerhaft schreiben.

Man könnte annehmen, dass diese große Zahl durch den Anteil an Menschen mit einer anderen Herkunftssprache verursacht wird. Jedoch ist über die Hälfte der gering literalisierten Personen mit deutscher Sprache in der Familie und im Umfeld aufgewachsen. Personen, die keiner einstündigen Befragung in Deutsch folgen können, sowie Personen über 64 wurden in der Level-One-Studie gar nicht einbezogen. Das bedeutet: Menschen mit Demenz, Menschen, die schlecht Deutsch sprechen, oder Menschen mit einer kognitiven Beeinträchtigung müssen zu dem Drittel noch hinzugerechnet werden (vgl. Grotlüschen, Buddeberg, Dutz, Heilmann & Stammer, 2019).

Für die Schweiz liegen vergleichbare Studienergebnisse vor. In der ALL-Studie konnte 2006 gezeigt werden, dass ca. 16 Prozent der Bevölkerung schon mit einfachen Texten Mühe haben und etwa ein weiteres Drittel nur einfach geschriebene Texte versteht. Das heißt, dass es etwa der Hälfte der Bevölkerung auch bei mehrmaligem Lesen nicht gelingt, Informationen in einem dichteren und längeren Text, |13|dessen Aufbau nicht unbedingt offensichtlich ist, zu finden und zu verstehen (vgl. Notter, Arnold, von Erlach & Hertig, 2006).

Dass dieses Problem zwar etwas mehr, aber längst nicht nur mittelalte oder ältere Personen betrifft, zeigt unter anderem die Befragung von Schulabgängern im Rahmen der PISA-Studie. Darin wird deutlich, dass jeder fünfte Jugendliche, also etwa 20 Prozent, über höchstens rudimentäre Kompetenzen im Lesen verfügt. Davon sind 13,5 Prozent in der Lage, einem Text Einzelinformationen zu entnehmen, das Hauptthema eines vertrauten Textes zu erkennen sowie einfache Bezüge zu Aspekten des täglichen Lebens herzustellen. 6,5 Prozent fehlen selbst diese eingeschränkten Kompetenzen. Diese PISA-Ergebnisse der Schweiz sind vergleichbar mit allen anderen OECD-Ländern, zu denen auch Deutschland und Österreich gehören (vgl. BFS, 2022). Auch weitere Studien, wie zum Beispiel die PIAAC-Studie in Österreich, deuten darauf hin, dass die Situation in den deutschsprachigen Ländern weitgehend vergleichbar ist (vgl. Rammstedt, 2013).

Kommunikation von Behörden, Firmen und Fachpersonen

Dass die Kommunikation von Behörden, Firmen und Fachpersonen ein häufiges Problem darstellt, wird vor allem dann deutlich, wenn man einen genaueren Blick darauf wirft, auf welchem (sprachlichen) Niveau diese in der Regel kommunizieren.

Wer schon einmal einen Fremdsprachenkurs besucht hat, erinnert sich vielleicht an den Europäischen Referenzrahmen für Sprache. Nach Abschluss des Kurses erhalten die Teilnehmenden ein Zertifikat, das sie dann ihrem Bewerbungsdossier hinzufügen können und das belegt, dass sie erfolgreich am Sprachkurs teilgenommen und nach dem Europäischen Referenzrahmen für Sprache zum Beispiel das Niveau A2 erreicht haben. Der Europäische Referenzrahmen reicht von Niveau A1 bis C2 und ist in sechs Stufen gegliedert, wobei A1 das unterste und C2 das höchste Niveau ist (vgl. Europarat, 2001; Tabelle 1-1).

Unternehmen, Behörden und Fachpersonen kommunizieren ca. drei Viertel aller Informationen auf Stufe C1 und höher. Die Folge: Über 90 Prozent der Bevölkerung können der Kommunikation nicht folgen. Ca. drei Viertel der Lesenden würden Texte vom Niveau B1 und maximal B2 verstehen und weitere ca. 20 Prozent nur Informationen mit Niveau A (vgl. Beekveldt, 2017). Es wird also völlig am Sprachniveau der durchschnittlichen Bevölkerung vorbei kommuniziert (Abbildung 1-1).

Daher wundert das Ergebnis einer von der OECD durchgeführten Studie wenig: Über 50 Prozent der Erwachsenen in Österreich sind nicht in der Lage, effektiv mit Behörden zu kommunizieren (Fröhlich & Candussi, 2021b). Zählt man sämtliche Schrifterzeugnisse dazu, von Behörden- und Firmeninformationen über Romane bis hin zu Zeitungsartikeln, so können wir davon ausgehen, dass in Europa für |14|40 Prozent der Menschen im erwerbsfähigen Alter nicht adäquat geschrieben wird. Wobei sowohl Menschen mit einer Behinderung wie auch jene ohne Behinderung nur ungern offen zugeben, wenn sie etwas nicht verstehen (vgl. Horak-Böck & Moser, 2018).

Tabelle 1-1:  In Anlehnung an den Europäischen Referenzrahmen für Sprache (Europarat, 2001).

Kompetente Sprachverwendung

C2

lange, anspruchsvolle und komplexe Fachtexte

C1

anspruchsvolle, längere Texte

implizite Inhalte

Selbstständige Sprachanwendung

B2

längere Texte mit abstrakten Inhalten

Fachtexte im eigenen Gebiet

B1

kurze Texte

klare Standardsprache

Elementare Sprachanwendung

A2

einfache, einzelne Sätze

häufig verwendete Wörter, vertraute Themen

A1

einfachste, kürzeste einzelne Sätze

Alltagswörter

Übung 1: Verschiedene Kommunikationsniveaus

Überlegen Sie sich im Folgenden anhand des Europäischen Referenzrahmens, wo Ihre Kommunikation einzustufen ist.

a)

Auf welchem Sprachniveau kommunizieren Sie beruflich? Kommunizieren Sie mit Ihren Kund*innen auf einem anderen Niveau als mit Ihren Kolleg*innen?

b)

Auf welchem Sprachniveau kommunizieren Sie privat? Welche Unterschiede im Sprachniveau stellen Sie fest, wenn Sie mit einem Kind sprechen, mit Ihrem Partner oder Ihrer Partnerin oder zum Beispiel Ihren Großeltern?

c)

Kommunizieren Sie mündlich und schriftlich auf demselben Sprachniveau?

|15|1.2  Gründe und Folgen zu schwieriger Sprache

Wie kommt es, dass so viele Texte an der Leserschaft vorbei verfasst werden? Was geht in den Menschen vor, dass sie einfache Informationen so sehr verkomplizieren, dass die Lesenden viel mehr Zeit brauchen, als nötig wäre, um den Inhalt zu verstehen und gleichzeitig in Kauf nehmen, dass die Lesenden auf halbem Wege aufgeben, ohne den Inhalt richtig verstanden zu haben?

Gründe und Folgen

Bei einer Personalschulung für Leichte Sprache fragte mich eine Teilnehmerin: „Wieso sind denn eigentlich die offiziellen Briefe in unserer Stiftung so schwierig geschrieben? Ich habe manchmal selbst Mühe, sie zu verstehen – wie sollen sie da Bewohnenden lesen können?“ Auf meine Nachfrage bei der Personalleitung der, ich nenne sie hier Stiftung Wohnlust, verfinsterte sich die Mine der Personalleiterin und sie erklärte mir nachdenklich: „Ein Dokument, das nur innerhalb unserer Organisation verwendet wird, ist eine Sache. Das kann gerne ganz einfach geschrieben sein. Aber Briefe gehen auch nach außen, an externe Personen. Das würde keinen guten Eindruck machen. Die Leute würden uns für dumm halten oder nicht mehr ernst nehmen.“

Ich schätze, mit dieser Erwartung steht sie nicht allein da und dies dürfte wohl mit ein Grund dafür sein, dass Texte komplizierter als nötig geschrieben werden. Unbewusst gehen wir davon aus, dass komplexe Sprache sowohl das eigene Ansehen als auch das Prestige der Organisation oder Firma fördert.

Könnte es in Wirklichkeit nicht andersherum sein? Ist der Text schwer verständlich, fühlt sich nämlich der Lesende als der Dumme. Und wer fühlt sich schon gerne dumm? Er wird die Zusammenarbeit als mühsam und anstrengend empfinden und nach alternativen Wegen suchen, um sich nicht mit dem Text auseinandersetzen zu müssen.

Es gibt aber noch eine Reihe weiterer Gründe, die uns dazu verleiten, schwer verständliche Texte zu schreiben. Einer ist: In schwer verständlichen Texten ist es deutlich einfacher, heikle Details zu verbergen. Je leichter verständlich Texte sind, desto wahrscheinlicher ist es auch, dass der Lesende alles versteht. Ein leichterer Text wird durch den Verzicht auf abstrakte Fremdwörter und unpersönliche Passivkonstruktionen automatisch viel konkreter und fassbarer.

Aber natürlich steckt nicht immer Absicht dahinter. Oftmals kennen sich die Verfassenden eines Textes exzellent mit ihrer Materie aus und das Geschriebene erscheint ihnen so logisch, dass ihnen schlichtweg der Blick dafür fehlt, dass es den Lesenden anders ergehen könnte. Auch fällt es ihnen schwer, Informationen un|16|erwähnt zu lassen. Denn alles erscheint wichtig und darüber hinaus sollen die Lesenden merken, dass sie sich sehr gut auskennen. Deshalb wird es jemandem, je besser er sich auf einem Gebiet auskennt, desto schwerer fallen, einen leicht verständlichen Text zu schreiben.

Sprache jedoch hat sich seit jeher immer weiterentwickelt und wird dies auch weiter tun. Durch das Fortschreiten unserer Wissensgesellschaft ist die Fachsprache immer elaborierter und noch fachlicher geworden. Eine These hierzu besagt, dass nicht das Leseniveau gesunken sei, sondern das Schreibniveau stetig ansteigt, bei gleichbleibendem Leseniveau. In Diskursen unter Expert*innen ist es auch durchaus sinnvoll, diese in der Fachsprache zu führen. Wenn es beispielsweise um den Austausch über psychische Störungen oder andere Krankheitsbilder geht, dann ist es exakter, effizienter und teils sogar unerlässlich, den genauen Begriff zu verwenden und die Symptome in Fachsprache zu beschreiben. In der Kommunikation mit Personen, die nicht dem Fachgebiet angehören, wird dann jedoch oftmals vergessen, dass es sich dabei um ein Fremdwort handelt, oder es ist zu mühsam oder schwierig, dafür einfache Alltagswörter zu finden. Expert*innen sind allerdings nur ein minimal kleiner Prozentsatz der Bevölkerung – denn auch Expert*innen sind in den allermeisten Gebieten Laien.

Schließlich kommunizieren wir aber meist auch aus Gewohnheit und machen uns wenig Gedanken über die Lesenden oder schätzen diese schlicht falsch ein.

Zurück zur eingangs erwähnten Stiftung Wohnlust: Ein Vorbehalt der Personalleitung bestand wie beschrieben darin, dass sie befürchtete, mit in Leichter(er) Sprache verfassten Briefen die Lesenden vor den Kopf zu stoßen und bei ihnen den Eindruck zu erwecken, dass sie diese für dumm halte.

Da dies eine berechtigte Vermutung war, beschloss ich, eine Umfrage zu starten. Zufällig ausgewählte Mitarbeitende und Klient*innen erhielten einen Brief in Leichter Sprache und einen zweiten in Standardsprache, also in der gewohnt kompliziert(er)en Sprache der Personalabteilung. Zudem wurden die Adressat*innen darüber informiert, dass es sich bei beiden Versionen um Texte mit demselben Inhalt handelte, und gebeten anzugeben, welche Textversion sie persönlich lieber erhalten würden. Das Ergebnis war verblüffend! Denn praktisch alle Befragten, egal ob Mitarbeitende oder Klient*innen, ob mit oder ohne Beeinträchtigung, wählten den Brief in Leichter Sprache.

Diese Umfrage ist nicht repräsentativ. Aber sie verdeutlicht, dass unsere Einschätzung, auf welchem Sprachniveau andere gerne Informationen erhalten möchten, stark von der Realität abweichen kann und es sich auf jeden Fall lohnt, dies bewusst kritisch zu hinterfragen.

Die Verwendung von Sprache auf zu hohem Niveau kann unterschiedliche Folgen haben. Bei Betroffenen kann es Unsicherheit auslösen, ihnen das Gefühl vermitteln, dumm zu sein, Selbstzweifel wecken und Frustration auslösen. Betroffene |17|sind einerseits abhängig von ihrem Umfeld oder davon, dass Fachpersonen ihnen die Inhalte richtig erläutern. Andererseits versuchen sie, sich sozial erwünscht zu verhalten und sich nicht anmerken zu lassen, dass sie etwas nicht verstehen.

Es kann aber auch schlicht den Effekt haben, dass sie den Text beiseitelegen, ohne ihn zu Ende gelesen zu haben. Entweder, weil sie davon ausgehen, dass er nicht für sie bestimmt ist oder weil sie gerade nicht die Zeit oder Motivation aufbringen, um sich anzustrengen und ihn zu verstehen. Und damit meine ich nicht nur Personen mit geringer Literalität, sondern alle Personen, die sich mit einem für sie schwierigen Text konfrontiert sehen.

Beispiel Bedienungsanleitungen

Noch vor ein paar Jahren machte sich häufig pure Verzweiflung breit beim Lesen von Bedienungsanleitungen. Erinnern Sie sich noch an die eine oder andere Anleitung zum Anschluss von Telefon- und Internetanlagen oder Druckern?

Hier ein besonders schönes Beispiel aus dem Handbuch für das Textprogramm Word von 1992:

Indem Sie die Druckformatvorlage des Dokuments mit der Druckformatvorlage der Druckformatvorlage verbinden, können Sie die Druckformatvorlage der Dokumentenvorlage aktualisieren. Wenn Sie die Druckformatvorlage eines Dokuments mit der Druckformatvorlage einer Dokumentenvorlage verbinden, ersetzen die Druckformatdefinitionen des Dokuments die gleichnamigen Druckformatdefinitionen der Dokumentenvorlage. (Schels, 1992, S. 255)

Zum Glück haben viele große Firmen inzwischen realisiert, dass sie ihre Kund*innen auf diese Weise nicht in erster Linie amüsieren, sondern vielmehr verärgern, und investieren mehr in eine verständliche Erarbeitung bzw. Übersetzung. Immer häufiger werden Bedienungsanleitungen mittlerweile in einer gut verständlichen Sprache angeboten, in denen, wenn man sie genauer unter die Lupe nimmt, viele Regeln der Leichten Sprache umgesetzt werden. Trotzdem gibt es noch immer viel zu viele allzu komplizierte Anleitungen. Und die Verärgerung der Kund*innen ist nur ein Problem. Weil Verbraucher*innen mit unverständlichen Bedienungsanleitungen nicht zurechtkommen, die Geduld verlieren und das Gerät falsch bedienen, entstehen jährlich enorme Schäden (Abbildung 1-2).

Dabei ist die Gesetzeslage in Deutschland eindeutig: Eine Bedienungsanleitung gilt als Teil des Produktes und muss verständlich und logisch aufgebaut sein. Wenn es aufgrund einer schwer verständlichen Anleitung zu einem Schaden kommt, dann kann die Firma auf Schadensersatz verklagt werden. Und in jedem Fall dürfen |18|Kund*innen ein gekauftes Produkt zurückgeben, wenn die Anleitung nicht verständlich ist (vgl. DIN EN IEC/IEEE 82079-1:2019, 2019).

Abbildung 1-2:  Scheitert der Familienausflug an der zu komplizierten Bedienungsanleitung?

Allerdings entstehen nicht nur physische Schäden aufgrund der Fehlbedienung – auch viele daraus resultierende vor allem telefonische Nachfragen können zu einem großen Mehraufwand führen. Auch die dadurch entstehenden Reputationsschäden können hoch sein. Die Kund*innen werden sich beim nächsten Mal gut überlegen, ob sie ein weiteres Produkt des Herstellers erwerben. Umgekehrt kann eine leicht verständliche Anleitung einen zusätzlichen Kaufanreiz schaffen, da Anleitungen und Handbücher vielfach schon vor dem Kauf eine wichtige Informationsquelle für Kaufende sind. Zum Beispiel bei Computersoftware erhalten Kund*innen häufig Testversionen. Eine gut verständliche Anleitung kann ausschlaggebend dafür sein, ob die Kund*innen später die Vollversion kaufen. Denn nur, wer das Produkt gut bedienen kann und seine Funktionen versteht, wird auch von ihm überzeugt sein.

Dasselbe Prinzip gilt natürlich nicht nur für Bedienungsanleitungen, sondern auch für Produktbeschreibungen, Arbeitsanweisungen und Dienstleistungen, wie Beratungen, Therapien oder Betreuung: Nur wenn die Kund*innen, Klient*innen oder Patient*innen Sie und die Vorteile Ihres Produktes, Ihrer Behandlung oder von |19|Vereinbarungen (etwa hinsichtlich der Betreuung) verstehen, werden sie überzeugt sein und das Produkt kaufen, der Behandlung zustimmen und/oder an dem gemeinsamen Erreichen der Ziele mitarbeiten.

Schlussfolgerung

Nicht zielgruppengerecht formulierte Informationen haben demnach nicht nur für die Adressat*innen schwerwiegende Folgen, sondern auch für die Absender*innen und sogar für die Gesellschaft. Die Folgen für die Absender*innen sind divers. Sie reichen zum Beispiel von geringeren Rücklaufquoten bei Umfragen oder Abstimmungen, geringerem Erfolg therapeutischer Maßnahmen, mehr Rückfragen und höheren Fehlerquoten bei der Umsetzung von Anleitungen oder Anweisungen über Missverständnisse hin zum Gefühl, „nicht auf einer Wellenlänge zu sein“ und „sich nicht richtig verstanden zu fühlen“. Durch Missverständnisse und Frust können Kund*innen verloren gehen, Verhaltensauffälligkeiten von Klient*innen zunehmen, Kosten für Therapien steigen oder durch Rückfragen und Reklamationen interne Personalressourcen verschwendet werden. Außerdem stelle ich immer wieder fest, dass zwar gute Ideen und interne Prozesse zur Qualitätssicherung vorhanden sind, diese aber oftmals nicht verstanden und deshalb auch nicht umgesetzt werden.

Nicht oder schlecht verstandene Informationen können aber noch weitreichendere Folgen haben und sogar zu einem gesellschaftlichen Problem werden. Dadurch, dass Informationen von Behörden und Unternehmen nicht verstanden werden, kann es passieren, dass Menschen für sie schlechtere Entscheidungen treffen, was sowohl finanzielle als auch gesundheitliche oder soziale negative Folgen haben kann. Diese Entscheidungen betreffen manchmal aber nicht nur das eigene Leben, sondern haben auch Auswirkungen auf die Gemeinschaft. Dies wiederum kann volkswirtschaftliche Kosten nach sich ziehen. Darüber hinaus werden durch nicht oder schlecht verstandene Informationen Menschen ausgeschlossen und die gesellschaftliche Spaltung nimmt zu (Fröhlich & Candussi, 2021b).

|20|1.3  Ein Geheimagent im Wohnheim und Erbsen zum Unterzeichnen

Wie Geheimagenten in die Stiftung Wohnlust kamen und was Erbsen mit einer Unterschrift zu tun haben, erfahren Sie im folgenden Praxisbeispiel.

Erstellung einer Anleitung in Leichter Sprache

In der Stiftung Wohnlust hat die Personalleiterin Carla inzwischen wieder andere Projekte und Ideen. So freut sie sich sehr darüber, dass endlich das veraltete System zur Verwaltung der Personaldaten durch ein neues, modernes ersetzt wurde. Das neue System ermöglicht Mitarbeitenden, ihre Personalien selbst zu erfassen und zu pflegen. Außerdem können Ferien- oder Ausbildungsanträge digital gestellt werden. Dadurch müssen Carla und ihr Team nicht mehr jeden Antrag und jede Änderung bearbeiten und können so viel Zeit und Ressourcen sparen.

Die Erleichterung und das Aufatmen sind groß, doch leider nur von kurzer Dauer: Das Telefon klingelt seit der Einführung fast ununterbrochen. Gestresste Mitarbeitende, die wissen wollen, wo sie was ablegen und eingeben müssen. Das Personalteam ist nach kurzer Zeit aufgrund der vielen Anfragen und weil es kaum nachkommt mit der Fehlerbehebung wieder so überlastet wie vor der Anschaffung.

Doch was hat diese Geschichte mit mir oder mit Leichter Sprache zu tun?

Die Stiftung Wohnlust war inzwischen überzeugt davon, dass Leichte Sprache eine gute Sache ist – zumindest für die Klient*innen. Und da auch die Klient*innen in Zukunft über das neue Tool ihre Ferien beantragen oder Adressänderungen eingeben sollten, war klar: Es brauchte eine leicht verständliche Anleitung. Dazu wurden zunächst die Inhalte in Leichte Sprache übertragen. Kurz zusammengefasst bedeutet das: Fremdwörter wurden ersetzt oder erklärt, die Sätze gekürzt und reduziert auf eine Information pro Satz, der Aufbau angepasst und passende Abbildungen hinzugefügt. So wurde etwa der Satz:

„Bei wieder vollständiger Arbeitsfähigkeit im Rahmen Ihres geschützten Arbeitsplatzes und der damit verbundenen Wiederaufnahme der Arbeit haben Sie Anspruch auf Lohnzahlung gemäß den vertraglichen Vereinbarungen und im Umfang der Arbeitsfähigkeit“ übersetzt in:

„Wenn Sie wieder arbeiten können,

dann kommen Sie zurück an Ihren geschützten Arbeits-Platz.

Wenn Sie wieder arbeiten,

dann bekommen Sie auch wieder Lohn.“

|21|In der Regel wird ein Text nach der Übertragung in Leichte Sprache von einer Prüfgruppe auf Verständlichkeit geprüft. Das ist eine Voraussetzung, um den Text danach mit einem Label wie dem von Inclusion Europe zu kennzeichnen. Die Prüfgruppe sollte sich so zusammensetzen, dass sie die Zielgruppe möglichst gut repräsentiert.

Im genannten Beispiel bestand diese aus fünf Personen. Darunter Aysha, eine Lernende aus Syrien, die (noch) schlecht Deutsch spricht, der 20-jährige Lukas mit Autismus-Spektrum-Störung und Heinrich, ein älterer Herr mit Trisomie 21.

Wie jedes Mal in der Prüfgruppensitzung gingen wir, nachdem alle die Anleitung für sich gelesen hatten, gemeinsam Absatz für Absatz durch und besprachen, was verstanden wurde und was nicht. Ich habe es mir angewöhnt, grundsätzlich nachzufragen, wenn sich bei einem ganzen Abschnitt niemand meldet und alle sagen, sie haben es verstanden.

„Was bedeutet Abteilungsleiter?“, fragte ich routinemäßig in die Runde, woraufhin Lukas zu schmunzeln begann.

„Ja, Lukas?“

„Also, ich weiß, was ein Abteilungsleiter ist. Ich schaue regelmäßig CSI.“

„Kannst du dann auch erklären, was ein Abteilungsleiter tut?“

„Ja. Das ist nämlich der Chef vom Geheimdienst.“

Dieses Beispiel verdeutlicht drei Dinge:

Wenn man etwas nicht zu 100 Prozent versteht, sucht das Gehirn automatisch nach Erklärungen. Deshalb wird oft auch nicht nachgefragt – und es entstehen Fehler.

Begriffe werden oft kontextgebunden abgespeichert.

Dies kann unangenehme Folgen haben, zum Beispiel, wenn dadurch das Gerücht entsteht, dass die Firma einen Geheimagenten beschäftigt.

Ich möchte Ihnen dies gerne noch anhand eines weiteren Beispiels verdeutlichen. Ebenfalls bei der Prüfung der Anleitung versicherte ich mich bei der Prüfgruppe, ob der Text auch wirklich für alle verständlich war, indem ich fragte:

„Gibt es etwas, was ihr nicht verstanden habt?“

„Ja, etwas ist komisch“, meldete sich Aysha. „Bitte unterschreiben Sie auf der Beilage“, las sie vor und runzelte die Stirn. „Das verstehe ich nicht. Was hat denn das Mittagessen damit zu tun? Sind nicht zum Beispiel Erbsen Beilagen?“

Wir haben daraufhin gemeinsam entschieden, zu schreiben:

„Bitte unterschreiben Sie das beigelegte Papier.“

Auch dieses Beispiel zeigt, dass das Vorwissen und die Lebenswelten der Zielgruppe einbezogen werden müssen. Gemäß den Regeln der Leichten Sprache soll zwar auf schwierige Wörter verzichtet werden. Aber für wen welches Wort ein schwieriges ist, wird nicht definiert.

|22|Auswirkungen

Nachdem die Anleitung in Leichte Sprache übersetzt und durch die Prüfgruppe auf Verständlichkeit geprüft worden war, wurde sie an alle Mitarbeitenden mit einer Beeinträchtigung verschickt.

Was wir nicht erwartet hatten: Die Version in Leichter Sprache verbreitete sich rasch auch unter den Fachpersonen und wird seitdem von ihnen genutzt. Zum einen, um den Klient*innen das System bei Fragen besser erklären zu können, zum anderen aber auch für sich selbst. „Wieso habt ihr nicht von Anfang an so eine Anleitung gemacht? Jetzt verstehe ich endlich, was gemeint ist“, war nur eine der Rückmeldungen.

Und obwohl auch die Mitarbeitenden mit einer Beeinträchtigung das HR-System nutzten, gingen sowohl die Anfragen als auch die Fehlerquoten deutlich zurück.

1.4  Über die Veränderung der Geschäftssprache

Bei den meisten Menschen lösen die folgenden Formulierungen keine positiven Reaktionen aus:

Zwecks baldiger Terminierung bitten wir um Ihre Kontaktaufnahme.

Wir bitten um Überprüfung der Ihnen überlassenen Unterlagen.

Wir freuen uns, Ihnen mitteilen zu können, dass wir die Angelegenheit haben klären können.

Früher waren das gängige Formulierungen, die zur etablierten Geschäftssprache gehörten. Heute wirkt diese formelle, komplizierte Sprache auf viele Leute unsympathisch und erhöht oftmals automatisch die innerliche Abwehrhaltung. Die Sätze kommen schwer, umständlich und veraltet daher. In kaufmännischen Ausbildungen lernen die Auszubildenden deshalb heutzutage unter anderem, auf unnötige Einleitungen und Fach- und Fremdwörter zu verzichten und anstatt Substantiven Verben zu benutzen (Tabelle 1-2).

|23|Tabelle 1-2:  Geschäftssprache: alte und neue Formulierungen im Vergleich (1)

Alte Formulierung

Neue Formulierung

Zwecks baldiger Terminierung bitten wir um Ihre Kontaktaufnahme.

Nehmen Sie bitte Kontakt mit uns auf.

Wir bitten um Überprüfung der Ihnen überlassenen Unterlagen.

Bitte überprüfen Sie die beigelegten Papiere.

Wir freuen uns, Ihnen mitteilen zu können, dass wir die Angelegenheit haben klären können.

Wir konnten Ihre Fragen klären.

Bezug nehmend auf Ihr Schreiben.

Vielen Dank für Ihre E-Mail/Ihren Brief.

Wir bedanken uns für das entgegengebrachte Vertrauen.

Vielen Dank für Ihr Vertrauen.