Leonce und Lena - Georg Büchner - E-Book

Leonce und Lena E-Book

Georg Büchner

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Beschreibung

Der melancholische, traumversunkene Prinz Leonce vom Königreich Popo langweilt sich. Auch sein Verhältnis zu seiner Mätresse, der schönen Tänzerin Rosetta, ermüdet ihn mehr, als dass es ihn anregt. Da wird er von seinem Vater, König Peter, vor vollendete Tatsachen gestellt: Leonce soll die ihm völlig unbekannte Prinzessin Lena vom Königreich Pipi heiraten. Nicht gewillt, den Bund der Ehe einzugehen, flüchtet er Richtung Italien, um sich für den Rest seines Lebens dem süßen Nichtstun hinzugeben. Begleitet wird er von seinem treuen, arbeitsscheuen Diener Valerio, einem stets leicht betrunkenen und immer heißhungrigen Genussmenschen, der seinen idealistisch verträumten Herrn auf den Boden der Wirklichkeit zurückholt. Auf dem Weg begegnet er zufällig Prinzessin Lena, die sich ebenfalls auf der Flucht befindet.

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Seitenzahl: 46

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LUNATA

Leonce und Lena

Ein Lustspiel

Georg Büchner

Leonce und Lena

Ein Lustspiel

© 1836 Georg Büchner

© Lunata Berlin 2020

Inhalt

Personen

Vorrede

Erster Akt

Zweiter Akt

Dritter Akt

Personen

König Peter vom Reiche Popo

Prinz Leonce, sein Sohn, verlobt mit

Prinzessin Lena vom Reiche Pipi

Valerio

Die Gouvernante

Der Hofmeister

Der Zeremonienmeister

Der Präsident des Staatsrats

Der Hofprediger

Der Landrat

Der Schulmeister

Rosetta

Bediente, Staatsräte, Bauern etc.

Vorrede

Alfieri: 'E la fama?'

Gozzi: 'E la fame?'

Erster Akt

O wär' ich doch ein Narr!

Mein Ehrgeiz geht auf eine bunte Jacke.

Wie es Euch gefällt.

Erste Szene

Ein Garten

Leonce(halb ruhend auf einer Bank. Der Hofmeister) Mein Herr, was wollen Sie von mir? Mich auf meinen Beruf vorbereiten? Ich habe alle Hände voll zu tun, ich weiß mir vor Arbeit nicht zu helfen. Sehen Sie, erst habe ich auf den Stein hier dreihundert fünf und sechzig Mal hintereinander zu spucken. Haben Sie das noch nicht probiert? Tun Sie es, es gewährt eine ganz eigne Unterhaltung. Dann – sehen Sie diese Hand voll Sand? (Er nimmt Sand auf, wirft ihn in die Höhe und fängt ihn mit dem Rücken der Hand wieder auf.) jetzt werf' ich sie in die Höhe. Wollen wir wetten? Wieviel Körnchen hab' ich jetzt auf dem Handrücken? Grad oder ungrad? Wie? Sie wollen nicht wetten? Sind Sie ein Heide? Glauben Sie an Gott? Ich wette gewöhnlich mit mir selbst und kann es tagelang so treiben. Wenn Sie einen Menschen aufzutreiben wissen, der Lust hätte als mit mir zu wetten, so werden Sie mich sehr verbinden. Dann habe ich nachzudenken, wie es wohl angehn mag, daß ich mir einmal auf den Kopf sehe. O wer sich einmal auf den Kopf sehen könnte! Das ist eins von meinen Idealen. Mir wäre geholfen. Und dann – und dann noch unendlich Viel der Art. – Bin ich ein Müßiggänger? Habe ich keine Beschäftigung? – Ja es ist traurig ...

Hofmeister Sehr traurig, Euer Hoheit.

Leonce Daß die Wolken schon seit drei Wochen von Westen nach Osten ziehen. Es macht mich ganz melancholisch.

Hofmeister Eine sehr gegründete Melancholie.

Leonce Mensch, warum widersprechen Sie mir nicht? Sie sind pressiert, nicht wahr? Es ist mir leid, daß ich Sie so lange aufgehalten habe. (Der Hofmeister entfernt sich mit einer tiefen Verbeugung.) Mein Herr, ich gratuliere Ihnen zu der schönen Parenthese, die Ihre Beine machen, wenn Sie sich verbeugen.

Leonce(allein, streckt sich auf der Bank aus) Die Bienen sitzen so träg an den Blumen, und der Sonnenschein liegt so faul auf dem Boden. Es grassiert ein entsetzlicher Müßiggang. – Müßiggang ist aller Laster Anfang. – Was die Leute nicht Alles aus Langeweile treiben! Sie studieren aus Langeweile, sie beten aus Langeweile, sie verlieben, verheiraten und vermehren sich aus Langeweile und sterben endlich an der Langeweile und – und das ist der Humor davon – Alles mit den wichtigsten Gesichtern, ohne zu merken warum, und meinen Gott weiß was dabei. Alle diese Helden, diese Genies, diese Dummköpfe, diese Heiligen, diese Sünder, diese Familienväter sind im Grunde nichts als raffinierte Müßiggänger. – Warum muß ich es grade wissen? Warum kann ich mir nicht wichtig werden und der armen Puppe einen Frack anziehen und einen Regenschirm in die Hand geben, daß sie sehr rechtlich und sehr nützlich und sehr moralisch würde? – Der Mann, der eben von mir ging, ich beneidete ihn, ich hätte ihn aus Neid prügeln mögen. O wer einmal jemand Anders sein könnte! Nur 'ne Minute lang. –

(Valerio halb trunken, kommt gelaufen.)

Leonce Wie der Mensch läuft! Wenn ich nur etwas unter der Sonne wüßte, was mich noch könnte laufen machen.

Valerio(stellt ich dicht vor den Prinzen, legt den Finger an die Nase und sieht ihn starr an) Ja!

Leonce(eben so) Richtig!

Valerio Haben Sie mich begriffen?

Leonce Vollkommen.

Valerio Nun, so wollen wir von etwas Anderm reden. (Er legt sich ins Gras.) Ich werde mich indessen in das Gras legen und meine Nase oben zwischen den Halmen herausblühen lassen und romantische Empfindungen beziehen, wenn die Bienen und Schmetterlinge sich darauf wiegen, wie auf einer Rose.

Leonce Aber Bester, schnaufen Sie nicht so stark, oder die Bienen und Schmetterlinge müssen verhungern über den ungeheuren Prisen, die Sie aus den Blumen ziehen.

Valerio Ach Herr, was ich ein Gefühl für die Natur habe! Das Gras steht so schön, daß man ein Ochs sein möchte, um es fressen zu können, und dann wieder ein Mensch, um den Ochsen zu fressen, der solches Gras gefressen.

Leonce Unglücklicher, Sie scheinen auch an Idealen zu laborieren.

Valerio Es ist ein Jammer. Man kann keinen Kirchturm herunterspringen, ohne den Hals zu brechen. Man kann keine vier Pfund Kirschen mit den Steinen essen, ohne Leibweh zu kriegen. Seht, Herr, ich könnte mich in eine Ecke setzen und singen vom Abend bis zum Morgen: »Hei, da sitzt e Fleig an der Wand! Fleig an der Wand! Fleig an der Wand!« und so fort bis zum Ende meines Lebens.

Leonce Halt's Maul mit deinem Lied, man könnte darüber ein Narr werden.

Valerio