Lesereise Dänemark - Barbara Denscher - E-Book

Lesereise Dänemark E-Book

Barbara Denscher

5,0

Beschreibung

Von keinem Punkt Dänemarks ist es weiter als rund fünfundfünfzig Kilometer bis zur Küste. Daher hat Barbara Denscher auf ihrer Reise durch das Königreich, dessen Bewohner sich immer noch gerne als stolze Wikinger sehen, vielfache Bezüge zum Meer gefunden. Im Norden Jütlands treffen Ost- und Nordsee aufeinander. Dort kann man eine unter Sand versunkene Kirche entdecken – und den riesigen Sanddünen folgen, die beständig wandern.Die kleine Insel Samsø hat ihr eigenes Ökologiekonzept: Elf Windkraftwerke sind hier in Betrieb, die Strom für ganz Dänemark produzieren. Und seit Kurzem hat Dänemark die längste Hängebrücke Europas: Sie verbindet Seeland mit dem idyllischen Fünen, dem "Garten Dänemarks", wo einst Bertolt Brecht Asyl fand. Auch der pulsierenden Hauptstadt Kopenhagen, in der Tradition und Moderne eine perfekte Einheit bilden, verleiht gerade ihre Lage am Meer einen besonderen Reiz.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 118

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
5,0 (14 Bewertungen)
14
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



 

 

Barbara Denscher

Lesereise Dänemark

Barbara Denscher

Lesereise Dänemark

Von Wikingern und Brückenbauern

Picus Verlag Wien

Copyright © 2017 Picus Verlag Ges.m.b.H., Wien

Alle Rechte vorbehalten

Grafische Gestaltung: Dorothea Löcker, Wien

Umschlagabbildung:

© mauritius images/imageBROKER/Kevin Prönnecke

ISBN 978-3-7117-1073-4

eISBN 978-3-7117-5339-7

Informationen über das aktuelle Programmdes Picus Verlags und Veranstaltungen unter

www.picus.at

Barbara Denscher, 1956 in Wien geboren, studierte Germanistik, Anglistik und skandinavische Sprachen in Wien und Kopenhagen. Die Kulturpublizistin und Sachbuchautorin ist regelmäßig in Dänemark unterwegs und arbeitet auch als Übersetzerin aus dem Dänischen. Im Picus Verlag erschienen ihre Lesereise Kopenhagen sowie die Reportage Armenien.

Inhalt

Typisch dänisch

Eine Art Einleitung

Das Land der Brücken

Ein Inselreich wächst zusammen

Nachbarn mit schwieriger Vergangenheit

Von deutschen Dänen und dänischen Deutschen

Raubeinige Eroberer

Die Wikinger

Im »lieblichsten Land der Welt«

Lego – eine dänische Erfolgsgeschichte

Die Energiemusterinsel

Ein Besuch auf Samsø

»Hier ist Sand, nochmals Sand, nichts ohne Sand«

Im Land an Nord- und Ostsee

Dorsch, Hering und Rotbarsch

Fischauktion in Skagen

Leberpastete und Neue Nordische Küche

Die kulinarische Seite Dänemarks

Unter dem dänischen Strohdach

Bertolt Brecht auf Fünen

Bildung als ein Fundament der Demokratie

Die dänischen »folkehøjskoler«

Am Strandvej: Dichter, Künstler, Millionäre

Von Kopenhagen nach Helsingør

Helsingør: Hamlet, Holger und »Er«

Eine Stadt sucht ihre Identität

In der Stadt der Fahrräder

Gebrauchsanweisung für Kopenhagen

Dank

Typisch dänisch

Eine Art Einleitung

»Wovon soll das Buch denn handeln? Von einer Reise durch das größte Land Europas?« Die Frage meiner Freunde irritierte mich. Ich hatte ihnen doch erzählt, dass ich über Dänemark schreibe. War mein Dänisch seit unserem letzten Treffen so schlecht geworden, oder hatte ich mich unklar ausgedrückt? »Es ist ein Buch über Dänemark!« – »Ja natürlich, über Dänemark, das größte Land Europas. Grönland und die Färöer gehören doch auch dazu!« Jetzt endlich wurde mir klar, was sie – nicht ganz so ernst – gemeint hatten. Und damit waren wir auch schon bei den Daten und Fakten zum kleinsten skandinavischen Königreich. Wobei wir uns auf die Diskussion, ob denn Dänemark überhaupt zu Skandinavien gehöre, nicht weiter einließen. Geografisch nicht, sprachlich und kulturell schon, das sollte genügen. Mit den Färöern und Grönland ist die Sache jedoch etwas schwieriger. Denn die beiden, sowohl die kleine Inselgruppe im Nordatlantik als auch die größte Insel der Erde, gehören zur rigsfællesskab, zur »Reichsgemeinschaft« des Königreichs Dänemark. Das bedeutet, dass sie ein mit Dänemark gemeinsames Staatsoberhaupt – Königin oder König – haben und dass auch auf Grönland und den Färöern die dänische Verfassung gilt. Letzteres ist allerdings mehr und mehr umstritten. Längst haben sich die beiden Gebiete die weitgehend autonome Selbstverwaltung erstritten: die Färöer bereits 1948, Grönland 1979. Zudem ist keines der beiden Länder – im Gegensatz zu Dänemark – Mitglied der Europäischen Union, außerdem ist Grönland, geografisch gesehen, Teil des amerikanischen Kontinents, außerdem … – »Außerdem haben wir uns doch längst damit abgefunden, ein kleines Land zu sein« – in dem man allerdings, so hat man oft den Eindruck, immer noch ein wenig der einstigen Bedeutung als nordische Großmacht nachtrauert. Immerhin gehörten Norwegen bis 1814 und Island bis 1944 zum Königreich Dänemark und in den Jahrhunderten davor auch Schweden, Teile Finnlands, Teile Norddeutschlands und zu Wikingerzeiten sogar England.

Das heutige Dänemark ist ein wenig größer als die Schweiz, etwas mehr als halb so groß wie Österreich und rund achtmal kleiner als Deutschland. Beeindrucken kann es mit seiner speziellen geografischen Struktur. Nein, damit sind nicht unbedingt die »Berge« gemeint, von denen die höchsten gerade einmal um die hundertsiebzig Meter erreichen. Und bei der Bezeichnung Sydfynske Alper, Südfünische Alpen, für eine – übrigens sehr malerische – Hügellandschaft nördlich der Stadt Faaborg handelt es sich eindeutig um dänische Selbstironie. Beeindrucken aber kann das kleine Königreich mit einer enorm langen Küstenlinie: Gemäß den neuesten Messungen sind es achttausendsiebenhundertfünfzig Kilometer. Einiges dazu trägt das lang gestreckte Jütland bei, die Halbinsel, auf der sich die einzige Landgrenze Dänemarks – jene, die es von Deutschland trennt – befindet. Für die restlichen vielen Küstenkilometer sorgen weit über tausend Inseln, von denen jedoch nur dreihundertachtundneunzig einen Namen haben. Derzeit sind fünfundsiebzig bewohnt. Der Bogen reicht dabei von der größten und am dichtesten besiedelten Insel Sjælland, Seeland, auf der sich die Hauptstadt Kopenhagen befindet, bis zu Minieilanden wie Langø, südlich von Seeland, mit gerade einmal zwei Einwohnern. Weit im Osten, vor der schwedischen Küste, liegt Bornholm, das eine Art Überbleibsel des einstigen dänischen Großreichs ist und das als »Sonnenscheininsel« gilt, weil das Wetter hier merklich freundlicher ist als im restlichen Dänemark. Sehens- und bereisenswert sind aber natürlich auch Anholt, die entlegenste dänische Insel, mitten im Meer zwischen Jütland und Schweden; Ærø im Süden, das als eine der idyllischsten Regionen des Landes gilt und dessen Hauptort Ærøskøbing oft als »Märchenstadt« bezeichnet wird; oder das kleine Mandø, die einzige Gezeiteninsel des Landes, die nur bei Ebbe über einen Damm erreichbar ist. Viele weitere Inseln wären da noch zu nennen – es gibt also viel zu entdecken im großen kleinen Dänemark.

Und es gilt, das typisch Dänische zu ergründen. Bekanntlich nimmt das Land stets einen Spitzenplatz – meist den ersten – im »World Happiness Report«, dem seit 2012 alljährlich erstellten Glücksreport der Vereinten Nationen, ein. Dass sich die Dänen also offenbar in ihrem Land sehr wohlfühlen, ist durchaus nichts Neues. Schon 1796 berichtete die englische Schriftstellerin Mary Wollstonecraft in den Briefen, die sie während eines Aufenthalts in Kopenhagen schrieb, dass ihr allseits versichert werde, »that Denmark is the happiest country in the world«. Die kritische Autorin führte das damals – wenig schmeichelhaft – auf eine gewisse provinzielle Selbstbezogenheit zurück, gestand aber auch ein: »The inhabitants of Denmark and Norway« – Norwegen gehörte damals zu Dänemark – »are the least oppressed people of Europe.« Außerdem, so betonte Wollstonecraft, gebe es Pressefreiheit, es könne über alles geschrieben und diskutiert werden »without fearing to displease the Government«. Die diversen aktuellen Rankings sind in ihren Kriterien noch um einiges differenzierter und verweisen unter anderem auf das gut ausgebaute Sozialsystem, den hohen Beschäftigungsgrad und auf die Tatsache, dass es in Dänemark nahezu keine Korruption gibt – und das Land daher auf dem entsprechenden Index von »Transparency International« fast immer auf Platz eins liegt.

Glücklich macht die Dänen wohl auch ihr ausgeprägter Sinn für eine gewisse Gemütlichkeit, jene hygge, die nicht so einfach zu definieren, aber einer der zentralen Werte im dänischen Selbstverständnis ist. Wohlbefinden und häusliche Geborgenheit sind damit gemeint, vertrautes Zusammensein mit Familie und Freunden. In letzter Zeit wurde hygge als Inbegriff eines angenehmen, gemütlichen Lebensstils vor allem in Großbritannien so populär, dass der Ausdruck vom »Collins English Dictionary« in die Liste der »Top 10 Words of the Year 2016« (gleich auf Platz zwei, nach »Brexit«) aufgenommen wurde. Hygge sei, so wird erklärt, »a concept, originating in Denmark, of creating cosy and convivial atmospheres that promote wellbeing«. Bücher wie »How to Hygge« oder »The Art of Hygge« sind gefragt und liefern auch die nötigen Aussprachehinweise: »hue-gah« wird da der englischen Leserschaft empfohlen. Wobei zugestanden wird, dass dies für angelsächsische Zungen nicht ganz einfach sei (Deutschsprechende treffen es mit »Hügge« um einiges besser) und man allenfalls ja auch »cosy« sagen könne. Hygge, die dänische Gemütlichkeit, ist also auf jeden Fall eine eher private Angelegenheit. Dass es im öffentlichen Leben, in Politik, Wirtschaft, bei der Flüchtlingsdebatte und bei Integrationsfragen auch in Dänemark nicht immer allzu gemütlich zugeht, ist bekannt.

Zu den dänischen Charakteristika gehört auch die Begeisterung, mit der man bei jeder sich bietenden Gelegenheit die dänische Nationalflagge, den Dannebrog, hisst. Und Gelegenheiten gibt es viele: so etwa die derzeit achtzehn nationalen Beflaggungstage, zu denen der Ostersonntag und der erste Weihnachtstag ebenso gehören wie die Geburtstage aller Mitglieder der königlichen Familie. 2016 sind mit Regierungsbeschluss noch zwei weitere Beflaggungstage dazugekommen, an denen allerdings nicht oder nicht nur der Dannebrog gehisst wird: Am 21. Juni, dem grönländischen Nationalfeiertag, weht nun auch die grönländische Fahne von öffentlichen Gebäuden; und am 29. Juli, wenn die Färöer feiern, die färöische. Und natürlich sind auch alle Däninnen und Dänen aufgefordert, an diesen beiden Tagen zu beflaggen. Sollte man keine grönländische oder färöische Fahne zur Hand haben, so ist es, wie es in einer diesbezüglichen Verlautbarung heißt, »selbstverständlich völlig in Ordnung den Dannebrog zu verwenden«. Allerdings nehmen es die Dänen mit den offiziellen Beflaggungsterminen nicht so genau. Nur rund ein Drittel von ihnen, so haben Umfragen ergeben, zeigt an diesen Tagen Flagge. Wenn aber ein Familienfest angesagt ist, dann ist für die meisten die rote Fahne mit dem weißen Kreuz das passende Symbol – und zwar nicht nur auf der Fahnenstange, die in fast jedem Vorgarten zu finden ist, sondern vor allem, in kleinerem Format, als Wohnungsdekoration und Tischschmuck. Besonders beliebt ist es, den Weihnachtsbaum mit Girlanden aus kleinen dänischen Fähnchen zu schmücken. Neunzig Prozent geben an, dass dies einfach zum Fest dazugehöre. Meine Freunde Dorte und Søren allerdings verzichten auf den Dannebrog als Baumschmuck. Aber schließlich sind sie ja auch keine Durchschnittsdänen. Denn die heißen – laut Vornamensstatistik – Anne und Peter. Der häufigste dänische Familienname ist übrigens Nielsen.

Das Land der Brücken

Ein Inselreich wächst zusammen

Die Straße führt die Brücke hinauf, steigt an, immer höher, noch ist nicht zu erkennen, wie es nach der Kuppe weitergeht, vielmehr hat man den Eindruck, direkt in den Himmel hineinzufahren. Vor allem an sonnigen Tagen ist es ein beeindruckendes Erlebnis, im Auto den Großen Belt, die Meeresstraße zwischen den Inseln Fünen und Seeland, zu überqueren. Da sind der blaue Himmel, die riesige, glitzernde Wasserfläche und unten, weit unten, die Schiffe. Die Verbindung über den Großen Belt – den Storebælt – ist ein Bauwerk der Superlative und führt, mit einer Gesamtlänge von rund sechzehn Kilometern, über zwei Brücken und die kleine, inmitten der Meeresstraße liegende Insel Sprogø. Imposant ist vor allem der fast sieben Kilometer lange Abschnitt zwischen Sprogø und der Küste von Seeland. Auf beiden Seiten wird die Straße zunächst von mächtigen Brückenpfeilern getragen, den Mittelteil bildet dann eine zwischen zwei riesigen Pylonen angebrachte Hängebrücke, die mit einer Spannweite von tausendsechshundertvierundzwanzig Metern die längste Hängebrücke Europas und eine der längsten der Welt ist. Der höchste Punkt der Brücke befindet sich fünfundsechzig Meter über dem Meer. »Diese Höhe war notwendig, um sicherzustellen, dass auch große Schiffe den Storebælt trotz der Brücke ohne Probleme passieren können«, weiß Niels Christian Skov-Nielsen, Bautechniker und Chefkonsulent der dänischen Straßenverwaltung. Ob die Konstrukteure die Sache richtig eingeschätzt hatten, so erzählt er, musste am 1. November 2009 unter Beweis gestellt werden. Denn da wurde das Kreuzfahrtschiff »Oasis of the Seas« von der finnischen Werft, in der es gebaut worden war, nach Florida überstellt. Der Weg dorthin führte durch den Großen Belt. »Die ›Oasis of the Seas‹ war bis dahin das größte je gebaute Kreuzfahrtschiff der Welt, mit einer Höhe von zweiundsiebzig Metern. Die Brücke ist aber, wie gesagt, nur fünfundsechzig Meter hoch. Deshalb stattete man das Schiff schon von vorneherein mit einfahrbaren Schornsteinen aus, sonst hätte man es ja nie aus der Ostsee herausgebracht.« Allerdings war die »Oasis of the Seas« auch mit eingezogenen Schornsteinen vierundsechzig Meter und fünfundsiebzig Zentimeter hoch – es blieben also nur fünfundzwanzig Zentimeter Spielraum für die Durchfahrt unter der Brücke. »Um sicherzugehen, dass wirklich alles klappt, ließ der Kapitän auf volle Fahrt gehen. Dadurch wurde ein größerer Tiefgang erreicht, und man gewann noch weitere fünfundzwanzig Zentimeter Abstand dazu.« Es klappte, und die »Oasis of the Seas« schaffte es problemlos, unter der Brücke durchzukommen.

Für das Schiff hatten die fünfundsechzig Meter Höhe der Storebæltsbrücke gereicht – für die Eisenbahn hingegen sind sie zu viel. Die Steigung und schwingungstechnische Probleme lassen es nicht zu, so erläutert Niels Christian Skov-Nielsen, dass Züge über die Hängebrücke fahren. Daher sind sie für diesen Abschnitt der Belt-Querung in einen Tunnel unter dem Meer verwiesen. Auf die großartige Aussicht von der Brücke müssen die Bahnfahrenden also verzichten, denn erst auf Sprogø kommt man wieder ans Tageslicht. Aber immerhin geht die Fahrt von Sprogø hinüber nach Fünen dann über eine neben der Autobrücke verlaufende Eisenbahnbrücke.

Die Eisenbahnverbindung über den Storebælt wurde im Sommer 1997 eröffnet, die Straßenbrücken ein Jahr später. Bis dahin sorgten Fähren für die Überfahrt. Wer von Kopenhagen nach Fünen oder Jütland wollte, oder umgekehrt, aus dem Westen des Landes in die Hauptstadt, musste eine oftmals sehr anstrengende und beschwerliche Reise auf sich nehmen, denn der Storebælt ist ein unruhiges und tückisches Gewässer. In den Tagebüchern des viel reisenden Hans Christian Andersen finden sich zahlreiche Eintragungen über hohen Seegang, heftige Stürme und Unwetter, denen der Märchendichter bei der Überfahrt über den Belt ausgesetzt war. Andersen berichtet nicht nur von seekranken Mitreisenden, sondern auch davon, dass Schiffe weit abgetrieben und schwer beschädigt wurden und man manchmal für die Reise von Odense nach Kopenhagen mehrere Tage benötigte.

Ein Zufluchtsort für so manche in Seenot geratene Reisende war Sprogø. Denn nachdem man die Seeräuber, die lange Zeit von der Insel aus ihr Unwesen im Storebælt getrieben hatten, endlich losgeworden war, wurden auf Sprogø zunächst ein paar Notunterkünfte und im 19. Jahrhundert eine große Herberge eingerichtet. Im Winter 1855 mussten dort, weil die Fähren wegen Vereisung des Großen Belts nicht weiterkonnten, an die hundertsechzig Menschen mehrere Tage ausharren. Dabei hatten sie es, wie aus dem erhaltenen Gästebuch hervorgeht, offenbar aber recht gemütlich. Von einer bunten internationalen Gesellschaft, in der jeder »sein Scherflein zur Unterhaltung beitrug«, berichtete ein Däne, und ein Engländer notierte: »Pleasant company here.«

Ein dunkles Kapitel in der Geschichte von Sprogø begann 1923, als auf der Insel eine »Besserungsanstalt« ihren Betrieb aufnahm, in der Mädchen und junge Frauen, die als geistig behindert, psychisch krank oder als sozial unverträglich galten, oft jahrelang unter gefängnisartigen Bedingungen leben mussten und in vielen Fällen zwangssterilisiert wurden. Bis 1961 gab es die Anstalt, doch erst als einige dänische Filmemacher und Schriftsteller die Geschehnisse von Sprogø aufgriffen – so etwa Jussi Adler-Olsen in seinem Thriller »Verachtung« –, begann man auch von offizieller Seite mit einer Aufarbeitung des Themas. Heute ist die Insel, die durch die für den Brückenbau notwendigen Aufschüttungen um das rund Vierfache, auf hundertvierundfünfzig Hektar, vergrößert wurde, ein unbewohntes Naturreservat.