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Sturmumtoste Gipfel, ausgedehnte Hügellandschaften und eine reiche Geschichte, die gleichermaßen von Dichtern der Romantik wie dem industriellen Bergbau geprägt ist. Erik Lorenz erkundet die Faszination Nordenglands in luftigen Höhen und unter Tage, von der Westküste zur Ostküste Englands. Er erklimmt die Gipfel des Lake District, klettert über die jahrhundertealten Steinmauern der Yorkshire Dales, durchstreift die Weiten der North York Moors – und taucht unterwegs in die englische Seele ein.
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Seitenzahl: 132
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Erik Lorenz, 1988 in Berlin geboren, ist Autor und Herausgeber zahlreicher Reisebücher. Er studierte in den Niederlanden, Hongkong und Großbritannien, lebte in Australien und bereiste unter anderem Südostasien, China und Jordanien. 2017 gründete er das Online-Magazin »Weltwach« und moderiert im dazugehörigen Podcast sowie dem englischsprachigen Ableger »Unfolding Maps« Gespräche mit prominenten Abenteurern. Im Picus Verlag erschienen seine Lesereisen Laos, Kambodscha, England »Von Küste zu Küste« und, gemeinsam mit Rasso Knoller, Hongkong.www.weltwach.de
Erik Lorenz
Von Küste zu Küste
Picus Verlag Wien
Copyright © 2021 Picus Verlag Ges.m.b.H., Wien
Alle Rechte vorbehalten
Grafische Gestaltung: Dorothea Löcker, Wien
Umschlagabbildung: © Dave Head/shutterstock
ISBN 978-3-7117-1107-6
eISBN 978-3-7117-5446-2
Informationen über das aktuelle Programm des Picus Verlags und Veranstaltungen unter
www.picus.at
Der erste Schritt
Aufbruch zur anderen Seite
An romantischen Wassern
Ennerdale
A Coast to Coast Walk
Alfred Wainwright und die Erschließung des Lake District
»Diese Mine ist kein Bullshit«
Unter Tage
Grasmere Gingerbread
Mit Ingwer durch die Jahrhunderte
Höhenluft
Von Aufstiegen, Ausblicken und Abstürzen
Stille unter fernen Himmeln
Schritt für Schritt von Horizont zu Horizont
Wo das englische Herz schlägt
Yorkshire Dales
Industrieruinen und Traktorenwracks
Auf Achse am Swale
Müde im Moor
Auf und ab in den North York Moors
Mann der Wildnis
Ein Abend in Gesellschaft
Dreieinhalb Meilen
Auf wackeligen Beinen nach Robin Hood’s Bay
Epilog
Das Meer war unruhig: Der Westwind scheuchte es auf und peitschte mir die kalte, feine Gischt ins Gesicht. Unter dem grauen Himmel sah das Wasser weiter draußen aus wie flüssiges Blei, das in einem riesigen Tank hin und her schwappte und an den Seiten hochspritzte. Näher an der Küste, dort, wo die Wellen unter der Wasseroberfläche den Sand aufwirbelten, wechselten sich in einem fortwährenden Spiel weiße Schaumflecken und braune Flächen ab. Hier und da hauchte eine angespülte Qualle ihr letztes Leben aus.
Ich schmeckte Salz auf meinen Lippen. Die Wellen brachen sich rauschend und drückten das Wasser beinahe bis an die Spitzen meiner Stiefel heran.
Ich machte einen Schritt vorwärts.
Ein paar Leute beobachteten mich neugierig. Eine Frau, die mit einem kleinen Kind auf dem Arm ein gutes Dutzend Meter entfernt stand, schaute mich mit hochgezogenen Brauen an.
Vermutlich zweifelte sie an meinem Verstand. Ich wandte den Blick von ihr ab und betrachtete meine Füße. Das Wasser umspülte meine Stiefel: Es fuhr vor ihnen auseinander, strömte um die Sohlen herum und vereinigte sich hinter ihnen. Es strebte wenige Zentimeter weiter den Kiesstrand hinauf, bis es die letzte Kraft verlor und sich zurückfallen ließ, um nach ein paar Sekunden einen neuen Angriff auf die Küste zu starten.
Eine Sache gab es noch zu tun.
Ich ging zurück an den Strand und wühlte auf der Suche nach dem perfekten Stein im Kies herum. Er sollte nicht so groß sein, dass er mich störte, und nicht so klein, dass ich ihn unbemerkt verlieren konnte. Er sollte auch keine scharfen Kanten haben, die mir beim Gehen durch die Hose ins Bein stechen würden, aber die meisten waren über die Jahrhunderte ohnehin rundgewaschen worden. Schließlich fand ich einen hübschen runden Stein, grau, so groß wie zwei Pflaumenkerne, mit einer dünnen weißen Quarzspur.
Jetzt war es so weit: Jetzt war ich bereit. Ich atmete tief ein. Meine Lungen füllten sich mit kühler, salziger Luft. Ich nahm sie auf und versuchte sie zu Kraft werden zu lassen, versuchte meine Muskeln ein letztes Mal bewusst zu entspannen, ganz locker zu sein. Dann machte ich den ersten, etwas unsicheren Schritt.
Ich fühlte mich, als würde ich zum Gipfel des Mount Everest aufbrechen, als würde ich eine Reise zum Mond beginnen. Ein großer Moment. Es war mehr als nur der Aufbruch zu einer Wanderung. Mit diesem Schritt, mit dem ich vom Wasser zurücktrat, mit dem ich mich von der Irischen See entfernte, begann eine Zeit fortwährender Mühsal. Sie würde erst enden, wenn ich, voraussichtlich am Ende meiner Kräfte, auf der anderen Seite wieder am Meer stand.
Die andere Seite.
Der Gedanke, dass dies der Beginn meines Versuchs war, England zu Fuß zu durchqueren, beunruhigte und elektrisierte mich zugleich. Ich möchte es nicht dramatisieren: Ich hatte weder vor, einen Kontinent zu durchqueren noch über Tausende Kilometer einem Pilgerweg zu folgen. Der vor mir liegende Weg von West nach Ost erstreckte sich über ungefähr dreihundertzwanzig Kilometer. Ich plante keine Großtat, die alle anderen in den Schatten stellen würde.
Trotzdem war ich beinahe überrascht, als mich beim zweiten, beim dritten Schritt noch immer keine unsichtbare Kraft hinderte. Ich wartete auf einen inneren oder äußeren Widerstand, etwas, das mich zurückhielt, abhielt, aber ich machte vorsichtig den nächsten Schritt und dann noch einen. Ich holte noch einmal tief Luft, und bevor ich mich versah, war ich auf dem Weg zur anderen Seite.
Für einige Stunden führte der Weg an der Küste entlang. Dann bog er rechts ab: landeinwärts, über Wiesen und Hügel, durch Dörfer und Farmen, die ich dank des öffentlichen Wegerechts durchschreiten durfte, das in Großbritannien herrscht. Während es beispielsweise in Deutschland ein allgemeines Betretungsrecht gibt, das den Gemeingebrauch an Wäldern, Fluren und anderen Flächen zu Erholungszwecken regelt und zum Wohle der Allgemeinheit das Eigentumsrecht einschränkt, durchzieht Großbritannien ein weitverzweigtes Netzwerk frei zugänglicher Pfade. Deren Geschichte reicht zum Teil bis ins Mittelalter zurück. So wird erlaubt, dass Wanderer wie ich sich nicht nur durch Wildnis und auf öffentlichen Straßen, sondern auch über Privatgrundstücke bewegen dürfen. Die Eigentümer dieser Grundstücke müssen sicherstellen, dass die Wege weder versperrt noch umgeleitet werden und dass die Nutzer nicht etwa von einem wilden Stier angegriffen werden. Sie dürfen auch keine Gebühr verlangen. Seit 1949 bemühen sich die Behörden, alle bestehenden Wegerechte in der sogenannten »Definitive Map« einzuzeichnen. Doch noch im Jahr 2000 fehlten Schätzungen zufolge über zehn Prozent der Wegerechte. Eine Frist bis zum ersten Januar 2026 wurde ausgesprochen, bis zu der noch nicht erfasste Wegerechte in einer digitalen Karte nachgetragen werden können. Alle, die nach Ablauf der Frist nicht in der Karte erfasst sind, verfallen. Dementsprechend bemühen sich Organisationen wie der mit hundertdreiundzwanzigtausend Mitgliedern größte britische Wanderverein The Ramblers, insbesondere in landschaftlich attraktiven Gebieten rechtzeitig Nachweise für möglichst viele Wegerechte zu erbringen. Auch dank ihres Engagements war es mir also vergönnt, heute und auf der restlichen Wanderung immer wieder über hübsche Wiesen und Weiden zu stapfen, statt nur den Straßen von einer Ortschaft zur nächsten zu folgen.
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, in diesem Teil Englands von Küste zu Küste zu laufen. Neben der Richtung (von Westen nach Osten, wie die meisten Wanderer, oder andersherum) betrifft eine grundsätzliche Frage die Art der Unterbringung: Die meisten Wanderer steigen jede Nacht in Bed and Breakfasts, Jugendherbergen, Hostels und Hotels ab, die oftmals ganz wundervoll, in der Sommerzeit zumeist aber auf Monate hin ausgebucht und der Nachfrage entsprechend hochpreisig sind. Zweifelsfrei gibt es kaum etwas Erbaulicheres, als nach einem endlosen Tag des Laufens die geschwollenen Füße aus den Schuhen zu schälen und sich erst in eine mit warmem Wasser gefüllte Badewanne und dann in ein weiches Bett zu legen. Weil die Zimmer aber so frühzeitig gebucht werden müssen, schließt diese Option jegliche Flexibilität aus: Bereits Monate bevor der erste Schritt getan wird, muss festgelegt werden, in welchem Ort welche Nacht verbracht werden soll. Reiseführer raten aufgrund der raren Unterkünfte bei einer Wanderung in den Sommermonaten, die Übernachtungen bis zu einem halben Jahr im Voraus zu buchen.
Ein halbes Jahr? Ich wusste nicht einmal, wo ich in einer halben Woche sein würde! Ich wollte es auch nicht wissen. Ich wollte mich treiben lassen. Meine Füße sollten entscheiden dürfen, wie langsam oder schnell sie gingen, und die Landschaft sollte mich hierhin oder dorthin locken können, zu diesem Umweg oder jenen Berg hinauf.
Die offensichtliche Alternative zum Buchen einer Unterkunft ist: Man schleppt die Unterkunft selbst mit. Was ist befriedigender als das Wissen, ein ganzes Land zu durchqueren und dabei alles, was man braucht, von einer Seite zur anderen zu tragen? Das hieß für mich also: zelten. Ohnehin ist das der Wanderstil, der mir am besten gefällt. Ja, es ist wundervoll, abends in ein nettes Bed and Breakfast zu kommen, sich zu duschen, runter ins Restaurant zu gehen, zu essen und bei gedimmtem Licht die Füße zu massieren – keine Frage. Aber was kann schon das Gefühl übertreffen, nach einem langen Wandertag nicht einzukehren und die Mühsal hinter sich zu lassen, sondern draußen das Zelt aufzubauen und fortwährend in dem Umfeld zu verbleiben, in dem zu bestehen man sich entschieden hat?
Am späten Nachmittag spähte ich über dichtes Buschwerk zu meiner Rechten – und erblickte die allerersten Ausläufer des prächtigen Lake District National Park. Der See Ennerdale Water schmiegt sich an die Füße unzähliger Hügel und Berge, die sich hinter ihm erheben: Blake Fell, Great Gable, Kelton Fell, Crag Fell, Red Pike, High Stile, Bowness Knott, High Pen, Low Pen und viele mehr. Lauter wohlklingende Namen, in denen das Raue im Schönen mitschwingt und die Lust machen, ihre Namensträger zu erforschen. Überhaupt sind viele Namen im Lake District – wie in Teilen des restlichen Englands – wunderbar klangvoll. Der Name des Gipfels Old Man of Coniston könnte der Nachname eines strengen Lehrers mit großen, tropfenförmigen Brillengläsern sein und der des Great Lingy Hill mit etwas Fantasie der seines langwüchsigen, faulen Schülers. Welche Schweinerei der Rabauke am Great Cockup fabriziert hat, will man lieber nicht so genau wissen, wie sich angesichts der Namen auch das Verlangen in Grenzen hält, die Hänge des Great Hell Gate, Little Hell Gate oder Great End zu besteigen. Dann schon lieber sich an Bezeichnungen für Siedlungen und Hügel erfreuen, die wie Kinderbonbons klingen – Howtown, Ill Bell, Mickleden, Glaramara, Tirril, Pike o’Stickle, Crinkle Crags – oder durch Täler stromern, deren Namen pure Gemütlichkeit verheißen: Easedale, Riggindale, Mosedale oder Longsleddale. Letzteres liest sich zunächst, als hätte jemand zu tief ins Glas geschaut und zu lallen begonnen, heißt aber schlichtweg Langschlittental. Stammt die Bezeichnung aus der Zeit, als Eselszüge Waren durch dieses Tal nach Schottland und aus dem hohen Norden gen Süden brachten, oder ist sie gar noch älter?
Die Namen vieler Ortschaften künden von der Ära, da etliche umliegende Hänge noch von Wäldern bewachsen waren, durchsetzt von vereinzelten Lichtungen. Das altnordische Wort für Lichtung ist »waite«, und so ahnt, wer durch Applethwaite schreitet, dass in grauer Vorzeit unter den Hölzern, die die damalige Lichtung begrenzten, zumindest der eine oder andere Apfelbaum war. So weiß, wer Rosthwaite besucht, dass hier einst Rosendornen wucherten. Ambleside klingt nicht nur in der heutigen Form einladend, sondern auch, wenn man den altnordischen Ursprungsnamen »á melr sætr« übersetzt: Weide bei der Sandbank. In der Bedeutung weniger poesievoll, sondern bodenständig und im Klang etwas gestelzter, ist der Flussname Glenderamackin, der auf das walisische »glyndwfr mochyn« zurückgeht und das Tal kennzeichnet, in dem die Schweine leben. Noch bodenständiger, hart an der Grenze zur Einfallslosigkeit, sind vereinzelte Orte, denen das Glück verwehrt blieb, von einem originellen Geist mit einem ausdrucksstarken Namen geschmückt zu werden. Die Gipfel Pillar und Knott – Pfeiler und (aus dem Kumbrischen übersetzt) Hügel – haben jedenfalls einigen Grund zur Klage. Das ist wie ein Baum ohne Blätter, wie ein Raum ohne Einrichtung: Da bleibt kein Platz für irgendwelchen Zauber.
Am nächsten Morgen den Uferpfad des Ennerdale Waters zu betreten, war aus mehreren Gründen ein besonderer Augenblick. Eine weniger große Bedeutung hatte für mich, dass Bill Clinton an diesen Ufern 1973 seiner späteren Frau Hillary einen Heiratsantrag machte. Wichtiger war mir, dass Ennerdale Water der westlichste und damit erste von zahllosen Seen des Lake District National Park ist.
Dieser Nationalpark in Cumbria, vollgestopft mit Seen und Bergen, ist zweifellos eine der schönsten Gegenden Englands und würde ein echtes Highlight der Wanderung sein. Seine raue Landschaft lässt das Herz jedes Naturfreunds unweigerlich höherschlagen und inspirierte Anfang des 19. Jahrhunderts eine Gruppe englischer Lyriker, die Lake Poets, zu hingebungsvollen Passagen über seine Schönheit, allen voran ein Dichter, bei dem schon der Name wie Poesie klingt: William Wordsworth. Er wurde 1770 in Cumbria geboren und verbrachte einen großen Teil seines Lebens hier. Er schrieb viele Gedichte, in denen er sich an der romantischen Anmut der hiesigen Natur ergötzte, und veröffentlichte 1820 einen frühen, mit prosaischen Gedichten angereicherten Reiseführer zum Lake District. Dieser verkaufte sich damals besser als seine Lyrik, so erfolgreich gar, dass ein Geistlicher Wordsworth fragte, ob er denn auch irgendetwas außer jenem Führer geschrieben habe.
Selbst für das wechselhafte, oft von Wolken, Regen und Sturmwinden geprägte Wetter fand Wordsworth nur gute Worte: Die rasch schwebenden Wolken veranlassten viele Einwohner, so Wordsworth, sich selbst dazu zu beglückwünschen, in einem Land des Nebels, der Wolken und des Sturmes zu wohnen. Die Leere des tiefblauen italienischen Himmels sei im Vergleich ein lebloses und trauriges Schauspiel. Wahrheit oder Schönfärberei? Begriffe wie Eisen, Kohle, Industrie, Minen und Kupfer, durchaus elementare Bestandteile des Districts in seiner Gänze, tauchten im Register seines Führers jedenfalls nicht auf. Aber wer hat das Recht auf ein wenig Idealisierung der Natur seiner Heimat, wenn nicht einer der größten Dichter der Romantik?
Wordsworth war einer der Entdecker des Wanderns als eine Form der Selbstverwirklichung. Für ihn war Wandern keine Fortbewegung, die dem reinen Zweck diente, von einem Ort zum anderen zu gelangen, sondern es ermöglichte die Vereinigung des Körpers mit der Natur durch die Betrachtung der Landschaft. Er nutzte seinen Laufrhythmus, um Versmelodien zu finden, seine Augen, Ohren und Nase, um die Kraft der Worte aufzunehmen, die sich in seinem Kopf formten und die er gehend zu Papier brachte. Seine Gedichte trügen den »regelmäßigen, unaufgeregten, eintönigen Rhythmus des Gehens in sich«, meint der französische Philosoph Frédéric Gros. »Wie das Meeresrauschen lullen sie ein, ohne zu langweilen.«
Wordsworth kämpfte sich durch die Alpen, lief durch Italien, erkundete Frankreich, erforschte England. In seiner Heimat, dem Lake District, Quell seiner reichsten Inspirationen, verfasste er 1804 seine berühmteste Arbeit, das Gedicht »I Wandered Lonely as a Cloud«, dessen erste Strophe lautet:
I wandered lonely as a cloud
That floats on high o’er vales and hills,
When all at once I saw a crowd,
A host of golden daffodils;
Beside the lake, beneath the trees,
Fluttering and dancing in the breeze.
Ich schaute mich um und nahm die Landschaft in mich auf, die Wordsworth und viele andere so begeistert hatte. Über eine kleine Brücke gelangte ich zur südlichen Seite des Sees. Der Blick von dieser Seite war fantastisch.
Gegenüber leuchteten zwei weiße Häuser vor grün bewachsenen, zum Teil mit Feldern bedeckten Hügeln, die nach hinten hin immer steiler wurden und rasch zu Bergen anwuchsen. Der Berg rechts hinter den Häusern war im unteren Drittel grün bewachsen. Darüber zogen sich hellgraue steile Schotterpisten, durchsetzt von dunkelgrünen buschigen Inseln, ihrerseits überragt von Dunkelgrau. Dort thronte der Fels, dessen Verwitterung das Schotterfeld speiste. Rechts daneben folgte eine Reihe kleinerer und größerer Berge. Mancher Gipfel verbarg sich in den dichten, niedrig hängenden Wolken. Der See selbst ist mit seiner Ausdehnung von vier Kilometern einer der kleinsten Seen der Gegend, aber der windungsreiche, schmale Uferpfad, dem ich folgte, war erheblich länger. Das Wasser zu meiner Linken war ruhig. Kein Wind regte sich.
Eine Wanderung durch den Lake District kann nicht geschildert werden ohne die Erwähnung eines weiteren denkwürdigen Mannes, dessen Streifzüge ihn über Dekaden durch England und darüber hinaus führten, dessen Herz aber immer in besonderem Maße am Lake District hing: Alfred Wainwright, am 17. Januar 1907 geboren, vierundachtzig Jahre und drei Tage später gestorben. In sieben »Pictorial Guides to the Lakeland Fells« – also: Bildhaften Führern zu den Bergen der Seenlandschaften – beschreibt er die Routen zu zweihundertvierzehn Bergen und Hügeln, die im Norden Englands und in Teilen Schottlands nicht als mountains oder hills, sondern als fells bezeichnet werden. Dementsprechend nannte Wainwright sich selbst einen fellwalker oder Fellwanderer. 1952 verfasste der damals Fünfundvierzigjährige den ersten Band, »The Eastern Fells«, allein zur persönlichen Freude und zur späteren Erinnerung, wenn seine alten Beine ihn nicht mehr zu den fells