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Examensarbeit aus dem Jahr 2006 im Fachbereich Didaktik für das Fach Englisch - Pädagogik, Sprachwissenschaft, Note: 1,7, Landesinstitut für Schule und Ausbildung Mecklenburg-Vorpommern, Sprache: Deutsch, Abstract: „Thanks to TV, I can’t remember what happened eight minutes ago. No, really, it’s a serious problem.“ Bart, eine der Hauptfiguren der Fernsehserie "The Simpsons", bringt mit dieser Aussage die wohl schärfste Kritik am Fernsehkonsum von Jugendlichen auf den Punkt. Hartmut von Hentig, einer der bedeutendsten Pädagogen unserer Zeit, spricht von der „Vermoosung der Menschheit“. Viele andere Wissenschaftler, aber auch Lehrer und Eltern teilen diese Sorge. Sie befürchten, das Fernsehen würde Kinder verdummen, ihre intellektuellen Fähigkeiten verkümmern lassen. Widersprechen diese sicher begründeten Vorbehalte nicht grundsätzlich einem schulischen Einsatz von Fernsehen? Um diese Frage zu beantworten, werden zunächst fachwissenschaftliche und bildungspolitische Argumente aufgezeigt, die für eine Nutzung von Fernsehen im schulischen, insbesondere im fremdsprachlichen Unterricht, sprechen. Anschließend wird eine Unterrichtseinheit vorgestellt und reflektiert, in der das Fernsehen als Leitmedium für die Entwicklung des Hör-/ Sehverstehens fungierte und nachweislich fruchtbar gemacht werden konnte. Ein Ausblick auf mögliche Anknüpfungspunkte in weiterem Unterricht schließt die Arbeit ab.
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„Thanks to TV, I can’t remember what happened eight minutes ago. No, really, it’s a serious problem.“1
Bart, eine der Hauptfiguren der FernsehserieThe Simpsons,bringt mit dieser Aussage die wohl schärfste Kritik am Fernsehkonsum von Jugendlichen auf den Punkt. Hartmut von Hentig, einer der bedeutendsten Pädagogen unserer Zeit, spricht von der „Vermoosung der Menschheit“.2Viele andere Wissenschaftler, aber auch Lehrer und Eltern teilen diese Sorge. Sie befürchten, das Fernsehen würde Kinder verdummen, ihre intellektuellen Fähigkeiten verkümmern lassen.
Widersprechen diese sicher begründeten Vorbehalte nicht grundsätzlich einem schulischen Einsatz von Fernsehen? Um diese Frage zu beantworten, werden zunächst fachwissenschaftliche und bildungspolitische Argumente aufgezeigt, die für eine Nutzung von Fernsehen im schulischen, insbesondere im fremdsprachlichen Unterricht, sprechen. Anschließend wird eine Unterrichtseinheit vorgestellt und reflektiert, in der das Fernsehen als Leitmedium für die Entwicklung des Hör-/ Sehverstehens fungierte und nachweislich fruchtbar gemacht werden konnte. Ein Ausblick auf mögliche Anknüpfungspunkte in weiterem Unterricht schließt die Arbeit ab.
Um das Hör-/ Sehverstehen zu schulen, ist es zunächst einmal wichtig, sich mit diesem kognitivennäher auseinander zu setzen. Das Hör-/ Sehverstehen ist ein kommunikativer Prozess. Dabei ist ein Sender mit einem EmpfängerAbbildung 1 - Kommunikationsmodell nach Umberto Eco
5durch ein Medium verbunden, das die gesendete Nachricht transportiert und beeinflusst. Dieses vereinfachte Modell bedarf jedoch der Präzisierung, denn nicht nur das Medium wirkt auf die gesendete Nachricht, auch Sender und Empfänger beeinflussen diese auf-
1BartSimpson in:The Simpsons - Staffel 5, Episode 12:“Bart Gets Famous” (1F11), 1994.
2Hartmut von Hentig,Die Schule neu denken(München, Wien: Carl Hanser Verlag, 1993), S. 27.
3Dieser Überblick fußt im Wesentlichen auf René Dirven, „Von der Hörfertigkeit zum Hörverstehen“, in:
Udo Jung (Hrsg.),Praktische Handreichung für Fremdsprachenlehrer(Frankfurt: Peter Lang Verlag,
1992), S. 249ff. Allerdings habe ich seine Aussagen auf das Hör-/ Sehverstehen ausgeweitet.
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grund verschiedener Codes und Subcodes.4Die oben stehende Übersicht5versucht dieses komplexe Verhältnis graphisch darzustellen.
Ein vergleichbarer Vorgang liegt auch dem Fernsehen zugrunde. Es überrascht jedoch, dass die Fernsehsender zwar genauestens über Einschaltquoten Bescheid wissen, es in diesem Zusammenhang jedoch kaum Daten darüber gibt, was das Publikum tatsächlich verstanden hat. Inhalte können anders gedeutet werden als von den Produzenten beabsichtigt. Hinzu kommt, dass ein und dieselbe Person in verschiedenen Situationen unterschiedlich auf das Wahrgenommene reagieren kann.6
Die Schwierigkeit des Fremdsprachenlernens besteht aber weniger in der Schulung der visuellen Wahrnehmung als vielmehr in der Entschlüsselung akustischer Signale. Denn anders als ein Muttersprachler, der phonologische Unstimmigkeiten durch sein Wissen um das Sprachsystem etwas kompensieren kann, fehlt den Englischschüler/innen diese entscheidende Voraussetzung. Zudem können sie die Prosodie, das Zusammenspiel von Intonation, Tonhöhe, Tonstärke, Silbendauer usw. nicht ausreichend nutzen. Auch unterstützende Logogene, also Wortwiedererkennungsmechanismen, mit deren Hilfe man Wörter anhand spezifischer Merkmale wiedererkennen kann, stehen Fremdsprachenlernenden nicht zur Verfügung. Daher benötigt ein „Fremdsprachler im Durchschnitt ein Drittel mehr an phonetischen Wortsegmenten [als ein Muttersprachler], um mehrsilbige Wörter“ zu verstehen.7
Im vorherigen Abschnitt wurde deutlich, dass der Begriff „Hör-/ Sehverstehen“ über die bloße Wahrnehmung hinausgeht und weitere geistige Prozesse, nämlich die Analyse und Interpretation der verarbeiteten Sinneseindrücke umfasst. Auf diese Weise wird das Hör-/ Sehverstehen unerlässlich für eine erfolgreiche Kommunikation. Daher überrascht es nicht, dass im Rahmen des Hörprozesses die Interpretation eines Satzes bereits zeitlich vor dessen Ende beginnt. Dabei unterliegt diese Deutung nicht nur kulturgebundenen Kategorien der Kommunikation, sondern hat auch eine textuelle Komponente, das Weltwissen sowie gemeinsame Vorwissen der Kommunikationspartner. Zu Letzterem zählen frühere Äußerungen ebenso wie parasprachliche Hinweise. Ohne dieses „Interpretationswissen“ bleibt Gesehenes und Gehörtes unverstan-
4Aufgrunddes engen Rahmens der Arbeit kann nicht auf die komplexen Bedingungen eingegangen wer-
den, die diese beeinflussen.
5Umberto Eco, „Can television teach?“, in: Manuel Alvarado u.a. (Hrsg.),The Screen Education Reader
(London: Macmillan, 1993), S. 98.
6Ebd., S. 99-101.
7Dirven, „Von der Hörfertigkeit zum Hörverstehen, S. 251.
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den.8Hören und Sehen innerhalb eines Gespräches sind daher „nicht an erster Stelle eine Frage des korrekten Verstehens, sondern vielmehr eine des sich in Grenzen haltenden Interpretierens.“9Bei dieser Ansicht rücken das gesamte „Geschehen“ und alle im Kontext zu Verfügung stehenden Mittel in den Blickpunkt.
Zweifelsfrei ist die Schulung der kommunikativen Fertigkeiten eine, wenn nicht die, Hauptaufgabe des Fremdsprachenunterrichts.10Dennoch muss der Unterricht auch fachübergreifenden, allgemein pädagogischen Kriterien genügen, von denen eine im Zusammenhang mit dem Hör-/ Sehverstehen zentrale Bedeutung erlangt. Der Begriff „TV Literacy“ - ein passendes Äquivalent gibt es in der deutschen Sprache meines Wissens nicht - beinhaltet die aktive, kritische Auseinandersetzung mit einem wahrgenommenen Fernsehinhalt. Ein/e Schüler/in, der/die kritisch fernsieht, wird sich nicht mit der bloßen akustischen und visuellen Wahrnehmung begnügen, sondern versuchen darauf zu reagieren, sie zu erkunden, zu verstehen und eventuell für seinen Alltag nutzbar zu machen.11