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Grillparzer orientierte sich für dieses Drama an der mythischen Figur der Libussa und die Legende über die Gründung Prags. Heraus kommt dabei dem Autor zufolge der "Streit über den Vorrang der Männer vor den Weibern".Libussas Vater, König Krokus, ist sehr krank. Als sie sich auf die Suche nach heilenden Kräutern macht, begegnet ihr der junge Pflüger Primislaus, der ihr den Weg zeigt. Zum Dank überlässt sie ihm einen Teil ihrer Kette. König Krokus stirbt jedoch und Libussa muss seinen Platz einnehmen. Allerdings duldet das Volk die Alleinherrschaft einer Frau nicht und verlangt einen Ehemann an ihrer Seite. Libussa willigt ein, stellt jedoch eine Bedingung, die nur ein einziger Mann im Stande ist zu erfüllen...-
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Seitenzahl: 113
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Franz Grillparzer
Trauerspiel in fünf Aufzügen
Saga
Libussa
Coverbild/Illustration: Shutterstock
Copyright © 1848, 2021 SAGA Egmont
Alle Rechte vorbehalten
ISBN: 9788726997385
1. E-Book-Ausgabe
Format: EPUB 3.0
Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für gewerbliche und öffentliche Zwecke ist nur mit der Zustimmung vom Verlag gestattet.
Dieses Werk ist als historisches Dokument neu veröffentlicht worden. Die Sprache des Werkes entspricht der Zeit seiner Entstehung.
www.sagaegmont.com
Saga Egmont - ein Teil von Egmont, www.egmont.com
Offner Platz im Walde. Rechts im Vorgrunde eine Hütte. Daneben brennt ein Feuer.
Primislaus(an der Tür der Hütte horchend).
Bist du schon fertig?
Libussa(von innen).
Nein.
Primislaus(nach vorn kommend).
Ihr Götter!
Ist es denn wahr? und ist es wirklich so?
Daß ich im Walde ging, längshin am Gießbach,
Und nun ein Schrei in meine Ohren fällt,
Und eines Weibes leuchtende Gewande,
Vom Strudel fortgerafft, die Nacht durchblinken.
Ich eile hin und fasse sie, und trage
Die süße Beute, laue Tropfen regnend,
Hierher; und sie erholt sich, und ich löse
Die goldnen Schuhe selbst ihr von den Füßen,
Und breit ins Gras den schwergesognen Schleier,
Und meine Hütt' empfängt den teuern Gast.
Glückselige, ihr meiner Schwester Kleider,
Die sie getragen und mir sterbend ließ,
Ihr werdet dieser Hohen Leib umhüllen,
Und näher sie mir zaubern, die so fern.
Libussa(in ländlicher Tracht aus der Hütte tretend).
Hier bin ich, und verwandelt wie du siehst.
Des Bauern Kleider hüllen minder warm nicht
Als eines Fürsten Rock; insoweit, merk ich,
Sind sie sich gleich.
Primislaus. Du Hohe, Herrliche!
Wie zierst du diese ländlich niedre Tracht!
Das Bild der Schwester, die mir kaum entschwand,
Es tritt in dir neu atmend mir entgegen,
Dasselbe Bild, doch lieblicher, gewiß.
Libussa. Auch für die Kleider Dank! du mein Erretter!
Wenn Rettung ja wo die Gefahr nicht groß.
Ich half mir selbst, glaub nur! erschienst du nicht.
Doch nun erfülle ganz dein schönes Wort
Und bring mich zu den Meinen wie du wolltest.
Primislaus. Dein edler Leib, bedarf er nicht der Ruh?
Libussa. Ich hab geruht, nun ruft mich ein Geschäft.
Primislaus. Bei dem ein Helfer dich nicht fördert?
Libussa. Nein.
Primislaus. Du hast den Ort bezeichnet, der dein Ziel.
Geleiten sollt' ich zu drei Eichen dich,
Die auf dem Hügel stehn am Weg nach Budesch.
Ist dort dein Haus?
Libussa. Dort nicht.
Primislaus. Vielleicht von da aus
Erkennst du selbst den Weg?
Libussa. So ist's.
Primislaus. Und ich
Soll dort dem Ungefähr dich übergeben,
Das niemals wohl uns mehr zusammenführt?
Libussa. Der Menschen Wege kreuzen sich gar vielfach
Und leicht begegnet sich Getrennter Pfad.
Primislaus. Du bist kein Weib um das man werben könnte?
Libussa. Du hast's erraten.
Primislaus. Und, verbeut's dein Stand,
Sind's andre Gründe, die's verbieten?
Libussa.Beides.
Nun noch einmal: gedenke deines Worts
Und führe mich aus dieses Waldes Schlünden
Zum Ziele meines Weges, das du kennst.
Primislaus. Wohl, du gebeutst und ich muß dir gehorchen.
Dort angebunden steht mein wackres Roß,
Gefällt's dir, so besteig es, und ich leite
Am Zügel es den Trennungs-Eichen zu.
Den Trennungs–Eichen! Wohl für immer. Sei's denn!
Dein Schmuck liegt hier im Grase rings verstreut.
Der Schleier da, die goldnen Schuhe hier,
Des Gürtels reiche Ketten aufgesprengt
Und in zwei Stücken ein so schönes Ganze.
Ich samml' es dir und trag es dienend nach,
Bis an dem Ort der Trennung du's erhältst.
Und kehr ich wieder in die heim'sche Hütte
Ist deines Daseins jede Spur verweht,
Das Gras selbst wo du tratest, es ersteht,
Und wie ein Träumender nach seines Traums Entschwinden,
Frag ich mich selbst: wie war's? und weiß mich nicht zu finden.
Komm denn!
Libussa. Noch eins vorerst, das ich vergaß.
(Sie geht in die Hütte.)
Primislaus. Ich will ein Zeichen nehmen meiner Tat,
Daran ich sie, sie mich dereinst erkennt,
Denn sie verhehlt, ich seh's, mit Fleiß ihr edles Selbst.
Des Gürtels goldnen Ketten eingefügt
Seh ich ein Kleinod, wohl nicht reich zumeist,
Allein beprägt mit Bildern und mit Sprüchen;
Das lös ich los und wahre mir's als Pfand,
Das Namen mir enthüllt und Stamm und Haus und Stand.
(Er steckt das Kleinod in den Busen und sammelt Libussens übriges Geräte.)
(Libussa kommt zurück, ein Körbchen mit Kräutern tragend.)
Libussa. Sieh mich zurück!
Primislaus. Und mich bereit.
Libussa. Wohlan!
Wo ist dein Pferd?
Primislaus. Sieh, dort!
Libussa. So komm!
Primislaus.Mit Gott!
(Sie gehen. Primislaus Libussas Gewande tragend. – Pause. Dann kommt Wlasta mit einem Jagdspieße bewaffnet, von der linken Seite.)
Wlasta. Und nirgends Menschen? – Doch! Hier eine Hütte.
(An die Türe schlagend.)
Ihr drin im Hause! – Keine Antwort?
(Nachdem sie die Türe geöffnet.)
Leer!
Und wieder keine Spur und keine Kunde.
(Dobromila tritt im Hintergrunde auf.)
Wlasta. Wer schreitet dort?
Dobromila. Hallo! Libussas Mägde!
Wlasta. Libussas Mägde hier!
Dobromila. Bist du's, o Wlasta?
Wlasta. Ich bin's. Suchst du die Fürstin?
Dobromila. Wohl, Libussa.
Wlasta. Und keine Spur?
Dobromila.Noch keine. Einsam ging sie,
Nach Kräutern suchend für den kranken Vater,
Von Psary aus, dem Schloß, gen Budesch zu,
Und ward nicht mehr gesehn.
Wlasta. Wie lebt der Fürst?
Dobromila. Er lebt wie einer, der zu leben aufhört,
Ich fürchte bald, er stirbt.
Wlasta. Ei, seine Töchter,
Gar hoch erfahren in geheimer Kunst,
Sie hindern wohl sein Ende.
Dobromila. Ach, die Kunst,
Sie endet auch, oft eh' man noch am Ende.
Komm, laß uns jetzt nach Budesch, und im Gehn
Erheben wir die Stimme Zeichen gebend,
Vielleicht vernimmt's die Fürstin und erscheint.
Wlasta. Hier läuft ein Pfad. Du rechts, ich links ins Dickicht
Und ausgeruft: Libussas Mägde, ho!
Dobromila(schon außer der Szene).
Libussa!
(Beide ab.)
Schloß der Schwestern auf Budesch.
Innerer Hof. Links ein Teil der Wohngebäude mit einer Pforte. Der Hintergrund durch eine wallartige Terrasse geschlossen mit einem großen Eingangstor. Oben sitzt Swartka. Links nach vorn Dobra an einem Tische, auf dem ein aufgeschlagenes großes Buch liegt. Ein großer eherner Leuchter mit brennendem Licht steht neben ihr.
Dobra. Was ist die Zeit?
Swartka. Längst Mitternacht vorüber.
Die Sterne gehen scharenweis zur Ruh
Und ein Gebilde schwindet nach dem andern.
Den Reihen führt der flammende Arktur,
Die Krone sinkt am Himmel und der Adler
Lenkt nach den Bergen seinen müden Flug.
Dobra(in dem Buche nachsehend).
O weh, o weh!
Swartka. Was klagst, was jammerst du?
Dobra. Wenn Mars und Jupiter sich so begegnen
Ist das die Stunde, die dem Leben droht.
Weh, Herzog Krokus, wenn du ja noch lebst.
Welch Sternbild glänzt zuhöchst?
Swartka. Ob meiner Scheitel
Spannt seine Flügel aus der helle Schwan,
Ein Erbe recht der Sterne, welche gingen,
Und wie geschlagne Saiten zitternd klingen
Kommt an mein Aug' der Leier Strahl heran.
Dobra. O mög' es gute Vorbedeutung sein
Für meiner Frauen Zukunft. Doch davon
Schweigt dieses Buch.
Swartka. Fuchs, Fisch und Eidechs drängen
Die niedre Form dem edlen Vogel nach,
Die kluge Schlange droht mit fahlem Blinken,
Und auf dem Pfad der königlichen Sterne
Folgt namenloses Volk zu weiter Ferne.
Dobra. Laß nun genug sein, Swartka! Komm herab!
Es wachen Kascha noch und Tetka oben
In ihrer Kammer. Laß zu ihnen uns,
Sie werden ihrer Diener Eifer loben.
Swartka. Ich komme. Harre noch!
(Sie steigt herab.)
(Es wird ans Tor geschlagen.)
Von außen.Macht auf! Macht auf!
Dobra. Wer lärmt?
Von außen. Macht auf um aller Götter willen!
Dobra. Geh Swartka hin und öffne nur das Tor!
Der Lärm tut's an Gewicht dem Anlaß wohl zuvor.
(Durchs geöffnete Tor dringen Domaslav, Biwoy, Lapak herein. Volk hinter ihnen.)
Domaslav. Wo sind die Fürstinnen? bring mich vor sie!
Dobra. Sie wachen noch, doch zeigen sie sich nie.
Lapak. Auch nicht dem Bringer wichtig schwerer Kunde?
Dobra. Das Wicht'ge wiegt nicht gleich in dein', in ihrem Munde.
Domaslav. Doch frommt es uns, es frommt dem ganzen Land.
Dobra. Ob's ihnen selber frommt, blieb dir wohl unbekannt.
Biwoy. So hebt die Stimme, schlaget an die Schilde,
Sie müssen uns vernehmen, sei's mit Zwang.
Dobra. Am Tor der Einsicht tobt und lärmt der Wilde,
Hört er am liebsten doch der eignen Worte Klang.
Lapak. So wisse denn: der Fürst, der uns gebot,
Der Böhmen Herr und deiner Frauen Vater,
Fürst Krokus lebt nicht mehr.
Dobra. Ihr Götter! tot?
Lapak.Des Landes Hort, sein Schirmer und Berater
Starb diese Nacht.
Dobra. So ist sie wahr gewesen
Die Kunde, die mein Aug' in Sternenschrift gelesen?
Fürst Krokus tot!
Biwoy. Du siehst, der Grund genügt,
Daß man den Schlummer stört, in dem ein Weib sich wiegt.
Dobra. Sie schlummern nicht, doch wenn in Schlaf versenket,
Ihr Träumen acht ich mehr als was ihr andern denket.
Biwoy. Nun wohl, so rüttl' ich selber an der Tür,
Wenn sie zu uns nicht, wohl, komm ich zu ihr.
(Er geht auf die Türe zu. Diese öffnet sich und Tetka und Kascha treten heraus. Erstere eine offene Rolle in der Hand, die zweite das Haupt nachdenklich gesenkt. Alle weichen ehrerbietig zurück.)
Kascha. Ich sage dir: es war um Mitternacht
Da ging er heim und segnete das Leben;
Hätt' ich der Zeichen Widerstreit bedacht,
Vielleicht war's Zeit ihm Fristung noch zu geben.
Tetka. Libussa war bei ihm.
Kascha. Fast glaub ich: Nein.
Ihr Platz ist dunkel in den sonn'gen Kreisen.
Tetka. Wo blieb sie sonst?
Kascha. Bald wird mir's klarer sein.
Die nächste Stunde muß ihr Handeln weisen.
Gab sie ihm jenen Trank, den du wohl kennst,
Gepreßt von Kräutern, die die Wälder bieten,
Vielleicht starb er noch nicht.
Tetka. Daß es nicht möglich ist,
Die Krankheit aufzuhalten, ja den Tod
Durch Vorsatz und Entschluß! Kann einer sterben
Weil er nicht leben will; warum nicht leben
Weil er dem Tod sich weigert? Könnte Schwäche
So viel, und Stärke nichts? Stand ich am Bette
Des Vaters, und erinnerte ihn dran
Wie vielen fromme, daß er länger lebe,
Er sah dem Tod ins Aug' und starb noch nicht.
Kascha. Wie gerne bot sich heilend meine Kunst.
Tetka. Ich ehre deine Kunst, weil du sie denkest,
Doch hilft sie dem nur der wie du gedacht.
Wenn du den Kranken mit dem Besten tränkest,
Er stirbt, hält er für Gift was du gebracht.
Als Krücke mag es sein daß sie noch leiste
Für schwache Seelen, die am Willen krank,
In Wahrheit hilft doch nur der Geist dem Geiste,
Er ist der Arzt, das Bette und der Trank.
Wenn ich mich über unsern Vater neigte
Und ihm die Sprüche alter Weisheit las,
Der Seinen Not, der Feinde Scheelsucht zeigte,
Er faßte neuen Mut und er genas.
Kascha. Nun aber ist er tot, wir sind verwaist.
Tetka. Bist du verwaist? ich nicht. Ich seh ihn noch,
Nicht wie zuletzt in seiner Schwachheit Banden.
Ehrwürd'ger Greis, war Greis er immer doch,
Mir ist er als ein Jüngling auferstanden.
Lapak(näher tretend).
Erhabne Fürstinnen!
Kascha. Was ist?
Tetka. Was sucht, was wollt ihr?
Domaslav. Die Nachricht euch zu bringen sind wir da –
Kascha. Wir haben es gewußt, bevor es noch geschah.
Tetka. Als ihr noch hofftet, zagtet, dies und das gemeint,
Da war es uns bekannt, da haben wir's beweint.
Lapak.Wenn nun der Tod den besten Fürsten schlug –
Kascha. Zu gut für euch, für uns nicht gut genug.
Denn sorgt' er nicht um euch, und dacht' er an die Seinen,
Ihr lebtet wüst wie vor, wir brauchten nicht zu weinen.
Tetka. Weil euer Trutz vergällt ihm jeden Tag,
Gab er dem Kummer sich und welkte hin, erlag.
Domaslav. Wenn's nun auch so, und wenn die Sorg' um uns
Beschwert sein Leben, gar es ihm geraubt,
Laßt das uns nicht entgelten, hohe Frauen,
Belohnt, mit dem wir nahn, das kindliche Vertrauen,
Vollendet was begann des Vaters hohes Haupt.
Lapak. Die Krone die er trug, dies Land, sein Reich
Verschmäht sie nicht und nehmt, wählt eine unter euch.
Domaslav. Ihr stammet, wissen wir, von höhern Mächten,
Wir sind ein dunkles Volk, unkundig in den Rechten;
Der Stab, der in Fürst Krokus Händen lag,
Wer, als sein eignes Blut, zu halten ihn vermag?
Alle(auf die Knie sinkend).
Nehmt unsre Krone! Wählet! Kascha, du!
Kascha.
Unter Sternen schweif ich,
In der Tiefe walt ich;
Was Natur vermag und kann
Ist mir willig untertan.
Das Leblose lebt,
Des Lebend'gen Dasein ist Tod.
Ich mag nicht herrschen über Leichen,
Geht zu andern mit euern Reichen,
Was ist mir gemein mit euch?
Lapak. So nimm denn Tetka du dich unser an!
Tetka.
Was sein soll ist nur Eins,
Was sein kann ist ein Vieles,
Ich aber will sein einig und Eins.
Nutzen und Vorteil zählen,
Aus Wahrheit und Lüge wählen,
Recht erdenken das kein Recht,
Dafür sucht einen Sündenknecht.
Mein sonnig Reich strahlt hellres Licht,
Von mir! Ich mag eure Krone nicht!
Lapak. So laßt ihr uns denn hilflos und verwaist!
Wo ist Libussa eure jüngste Schwester?
Tetka. Sie ist nicht heim. Allein, wenn auch zu Hause,
Sie folgt euch nicht.
Domaslav. Laßt uns es doch versuchen.
Tetka. Ich sag euch, sie verweigert's.
Lapak. Gut. Doch hören,
Anhören soll sie uns. Erlaubt zu harren.
Kascha. Seht ihr so gern noch einmal euch verschmäht,
So wartet bis sie naht. Geht dort hinein!
Ihr aber gebt was sie am meisten lockt,'
Gebt ihnen Speis' und Trank, und damit gut.
Domaslav. Wir nehmen unsern Urlaub, hohe Frauen.
Kascha. Gehabt euch wohl! Und, wenn nicht eure Fürstin,
Bin ich euch Freundin doch.
(Die Abgeordneten werden durch eine Pforte links abgeführt.)
Nun aber ihr!
Stellt euch ringsum, senkt eure düstern Schleier,