Erhalten Sie Zugang zu diesem und mehr als 300000 Büchern ab EUR 5,99 monatlich.
Hendrik Rost ist ein äußerst wacher und genauer Beobachter. Sein Blick fixiert das ganz Kleine, das Familiäre ebenso wie die großen Zusammenhänge: Geschichte, politische Verwerfungen, Klimawandel. Seine Fähigkeit, beides im Text zusammenzubringen, hart aufeinanderprallen zu lassen oder in eine geradezu zärtliche Balance zu bringen, ist außerordentlich. Kein Lamento, sondern Bestandsaufnahme sind seine Texte. Und immer wieder gelingen ihm hinreißende Landschaftsgedichte.
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Seitenzahl: 31
Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:
Hendrik Rost
Ich danke Mirko Bonné herzlich für seine Anmerkungen zu vielen dieser Gedichte. Ein Wort hin, zwei Wörter her – viel mehr ist es oft nicht, aber das ist die Kunst. Jamas!
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
© Wallstein Verlag, Göttingen 2013
www.wallstein-verlag.de
Vom Verlag gesetzt aus der Stempel Garamond
Umschlaggestaltung: Susanne Gerhards, Düsseldorf
unter Verwendung der Fotografie Ice in Water
© Taro Yamada / Fancy / Veer / Corbis
Druck und Verarbeitung: Hubert & Co, Göttingen
ISBN (Print) 978-3-8353-1017-9
ISBN (E-Book, pdf) 978-3-8353-2337-7
ISBN (E-Book, epub) 978-3-8353-2435-0
Seit wir eine unsichtbare Katze
haben, ist nichts mehr, wie es war.
Wie war es denn noch mal, fragst
du, und ich erzähle dir von Sehnsucht
nach Verschwinden, dass vieles
von dem, was wir getan haben,
nichts war als Locken und Sträuben.
Ich liebe diese Kreatur. Sie schleicht
noch katzenartiger durch die Räume,
verrät sich durch nichts als ein
lautloses Schnurren. Ich streichle
fast das Fell, das sich auflädt,
elektrisch, wenn sie mich belohnt
mit Gegenwart auf dem Schoß.
Sie ist nur so ein Ball aus Energie,
vier Pfoten, die durch Zimmer
gleiten wie ein Luftkissenboot,
von dir zu mir und an ihren liebsten
Platz, den wir noch nicht kennen.
Seit sie bei uns ist, bemerke ich
immer öfter meine eigenen
Augen. Und ich sehe dich.
für Francis Mesenhöller
Das wundervolle Wort Wombat zum Beispiel
und der Name des Astrophysikers Hawking
beschreiben dasselbe Phänomen: Alles redet
mit dir auf seine ganz eigene Art. Unser Bild
vom Universum setzt sich zusammen aus
zahllosen Aufnahmen – nicht mehr wie früher:
ein einsam durchs Teleskop spähendes Auge.
Was wir heute sagen, wird jetzt und später
unser Leben und das unserer Kinder prägen.
Ich zum Beispiel. Ich bestehe aus Begriffen,
die einzeln gar keinen Sinn ergeben würden:
glatte ergrauende Haare, Nase, Ohrmuscheln.
Hunderttausende Erfahrungen dauerte es,
bis ich beide Knie unter Kontrolle hatte.
Jetzt stehe ich da und bewege mich fort
von einem Wort zum anderen. Der Name
Wombat etwa stammt aus der so gut wie
ausgestorbenen Sprache der Ureinwohner
Sydneys, als es Sydney noch gar nicht gab.
Und wenn in dem Puzzle, das wir Leben
nennen und feiern, wie es fällt, plötzlich das
Beuteltier und der Kosmologe im Rollstuhl
nebeneinanderliegen, dann ist das unsere Art,
alles zu wissen und keine Ahnung zu haben.
Da steht ein gemachtes Bett
in einem raumgewordenen
schlechten Traum.
Um die Lichtschalter eine Korona
schwarzer Abdrücke.
Im Hof rostet ein Trampolin,
auf dem unendlich langsam
der März springt.
Im Wohnzimmer richtet der Bildschirm
alles in Feldlinien um sich aus.
Eine Spinne fixiert mich
aus staubigem Netz –
du kommst nicht in Frage.
Überall drängeln Gesichter
an den Museumsstücken vorbei.
So haben wir gelebt:
Ohne Titel, Mischtechnik.
Was ich über den Urknall weiß,
ist, dass er mit einem Schrei anfing.
Und der Schrei war ein Atemzug,
um den Schleim loszuwerden,
und der Schleim eine Erinnerung
an die Stille vor dem Knall,
die so still war, dass alles und
jeder in ihr schon enthalten war.
Jener Moment, in dem Materie
erwacht und markerschütternd
brüllt: Jetzt bin ich dran.
Und dann dauert es eine Ewigkeit,
bis alles Ding geworden ist und
einen Namen bekommen hat.
Das ist Auswurf und das bist du.
für D. G.
Wenn nachmittags immer noch
nicht viel geschehen ist, wird es Zeit,
sich zu verabschieden von der
Vorstellung, dass Dinge sich ändern.
So ist es nicht. Kein Samurai fordert
auf zum Kampf, kein Postbote
bringt bedeutende Briefe, die Kunde.
Die Linde vorm Haus hat im März