Licht für andere Augen - Hendrik Rost - E-Book

Licht für andere Augen E-Book

Hendrik Rost

3,7

Beschreibung

Hendrik Rost ist ein äußerst wacher und genauer Beobachter. Sein Blick fixiert das ganz Kleine, das Familiäre ebenso wie die großen Zusammenhänge: Geschichte, politische Verwerfungen, Klimawandel. Seine Fähigkeit, beides im Text zusammenzubringen, hart aufeinanderprallen zu lassen oder in eine geradezu zärtliche Balance zu bringen, ist außerordentlich. Kein Lamento, sondern Bestandsaufnahme sind seine Texte. Und immer wieder gelingen ihm hinreißende Landschaftsgedichte.

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Hendrik Rost

Licht für andere Augen

Gedichte

Ich danke Mirko Bonné herzlich für seine Anmerkungen zu vielen dieser Gedichte. Ein Wort hin, zwei Wörter her – viel mehr ist es oft nicht, aber das ist die Kunst. Jamas!

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

© Wallstein Verlag, Göttingen 2013

www.wallstein-verlag.de

Vom Verlag gesetzt aus der Stempel Garamond

Umschlaggestaltung: Susanne Gerhards, Düsseldorf

unter Verwendung der Fotografie Ice in Water

© Taro Yamada / Fancy / Veer / Corbis

Druck und Verarbeitung: Hubert & Co, Göttingen

ISBN (Print) 978-3-8353-1017-9

ISBN (E-Book, pdf) 978-3-8353-2337-7

ISBN (E-Book, epub) 978-3-8353-2435-0

I. Mischtechnik

Und Maus

Seit wir eine unsichtbare Katze

haben, ist nichts mehr, wie es war.

Wie war es denn noch mal, fragst

du, und ich erzähle dir von Sehnsucht

nach Verschwinden, dass vieles

von dem, was wir getan haben,

nichts war als Locken und Sträuben.

Ich liebe diese Kreatur. Sie schleicht

noch katzenartiger durch die Räume,

verrät sich durch nichts als ein

lautloses Schnurren. Ich streichle

fast das Fell, das sich auflädt,

elektrisch, wenn sie mich belohnt

mit Gegenwart auf dem Schoß.

Sie ist nur so ein Ball aus Energie,

vier Pfoten, die durch Zimmer

gleiten wie ein Luftkissenboot,

von dir zu mir und an ihren liebsten

Platz, den wir noch nicht kennen.

Seit sie bei uns ist, bemerke ich

immer öfter meine eigenen

Augen. Und ich sehe dich.

Aus dem Entwurf zu einer Rede

für Francis Mesenhöller

Das wundervolle Wort Wombat zum Beispiel

und der Name des Astrophysikers Hawking

beschreiben dasselbe Phänomen: Alles redet

mit dir auf seine ganz eigene Art. Unser Bild

vom Universum setzt sich zusammen aus

zahllosen Aufnahmen – nicht mehr wie früher:

ein einsam durchs Teleskop spähendes Auge.

Was wir heute sagen, wird jetzt und später

unser Leben und das unserer Kinder prägen.

Ich zum Beispiel. Ich bestehe aus Begriffen,

die einzeln gar keinen Sinn ergeben würden:

glatte ergrauende Haare, Nase, Ohrmuscheln.

Hunderttausende Erfahrungen dauerte es,

bis ich beide Knie unter Kontrolle hatte.

Jetzt stehe ich da und bewege mich fort

von einem Wort zum anderen. Der Name

Wombat etwa stammt aus der so gut wie

ausgestorbenen Sprache der Ureinwohner

Sydneys, als es Sydney noch gar nicht gab.

Und wenn in dem Puzzle, das wir Leben

nennen und feiern, wie es fällt, plötzlich das

Beuteltier und der Kosmologe im Rollstuhl

nebeneinanderliegen, dann ist das unsere Art,

alles zu wissen und keine Ahnung zu haben.

Wohnungsbesichtigung

Da steht ein gemachtes Bett

in einem raumgewordenen

schlechten Traum.

Um die Lichtschalter eine Korona

schwarzer Abdrücke.

Im Hof rostet ein Trampolin,

auf dem unendlich langsam

der März springt.

Im Wohnzimmer richtet der Bildschirm

alles in Feldlinien um sich aus.

Eine Spinne fixiert mich

aus staubigem Netz –

du kommst nicht in Frage.

Überall drängeln Gesichter

an den Museumsstücken vorbei.

So haben wir gelebt:

Ohne Titel, Mischtechnik.

Mannigfaltigkeit

Was ich über den Urknall weiß,

ist, dass er mit einem Schrei anfing.

Und der Schrei war ein Atemzug,

um den Schleim loszuwerden,

und der Schleim eine Erinnerung

an die Stille vor dem Knall,

die so still war, dass alles und

jeder in ihr schon enthalten war.

Jener Moment, in dem Materie

erwacht und markerschütternd

brüllt: Jetzt bin ich dran.

Und dann dauert es eine Ewigkeit,

bis alles Ding geworden ist und

einen Namen bekommen hat.

Das ist Auswurf und das bist du.

Stillleben

für D. G.

Wenn nachmittags immer noch

nicht viel geschehen ist, wird es Zeit,

sich zu verabschieden von der

Vorstellung, dass Dinge sich ändern.

So ist es nicht. Kein Samurai fordert

auf zum Kampf, kein Postbote

bringt bedeutende Briefe, die Kunde.

Die Linde vorm Haus hat im März