Liebe hinter Gittern - Sabine Bomeier - E-Book

Liebe hinter Gittern E-Book

Sabine Bomeier

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Beschreibung

Liebe macht auch vor dem Knast nicht Halt. In kurzen Episoden werden die Erlebnisse von Knackis mit der Liebe geschildert, mal mit gutem Ende und mal mit einem traurigen. Kleine Dinge wie ein Blumenstrauß lassen den an sich tristen Knastalltag plötzlich bunt erscheinen aber wenn er draußen eine andere hat, bricht für sie hinter Gittern eine Welt zusammen. Eine Frau verliert ihren jungen Geliebten an die Drogen und Jutta und Susanne fallen auf pure Aufschneider herein. Und einige finden in einer glücklichen Ehe zusammen. Liebe ist auch im Knast so vielfältig wie in der freien Welt, aber immer spannend.

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Inhalt

Vorwort

Besuch von ihm

Stefan

Chaled

Der Typ hat eine andere

Hozan

Carlos

Blumen zur Weihnacht

Hubert kommt zu Besuch

Liebe ohne Grenzen

Vorwort

Liebe, Sehnsucht nach Zärtlichkeit oder Verliebtsein, das sind Gefühle, die auch vor den Mauern eines Gefängnisses nicht Halt machen. Mal himmelhochjauchzend, mal enttäuschend und mal erfüllend bis ins hohe Alter erleben auch inhaftierte Frauen die Liebe. Zwar machen die Gitterstäbe, die gefangene Frauen vor dem Alltag draußen in der freien Welt trennen, vieles schwerer, aber doch nichts unmöglich.

Während meiner Zeit in der Haft durfte ich so manches Mal miterleben, wie Frauen ihre Liebe lebten und damit immer auch etwas Buntes in den Knastalltag brachten. Die in diesem Buch beschriebenen Liebesgeschichten sind erfunden und beinhalten dennoch einen Kern Wahrheit. Sie sollen aufzeigen, dass auch hinter den Mauern Frauen leben, die lieben, leiden und eigentlich so gar nicht anders sind als die Frauen vor den Mauern. Es sind die gleichen Probleme mit den Männern und dem eigenen Selbstverständnis, das Frauen vor und hinter den Mauern umtreibt.

Besuch von ihm

Wie jeden Freitagabend rufe ich ihn an. Wir reden über alles Mögliche, was er so die Woche über gemacht hat, wie meine Woche war und eben all die kleinen Dinge, die man sich sagt, wenn man sich nicht sehen kann. Man versichert sich gegenseitig, wie sehr der andere fehlt und dass man oft aneinander denkt. Solche Dinge zu sagen und zu hören, tun weh, weil man hinter Gittern am Leben des anderen nicht wirklich teilhaben kann und doch ist es gleichzeitig schön zu hören, wie der andere seine Tage verbringt. Plötzlich aber meint er, dass er mich am Sonntag eigentlich gerne sehen würde, damit bekommt das zuvor Gesagte Realität. Ich freue mich, aber ich hatte diese Woche schon Besuch und es darf nur einmal in der Woche von draußen jemand zu uns in den Knast kommen. Wie oft wünschen wir uns, es mögen doch mehr Besuche genehmigt werden, aber das geschieht nur in Ausnahmefällen, die sehr gut begründet sein müssen. Was eine gute Begründung ist, darüber entscheiden die Beamten.

Da werde ich mal wieder ins Büro gehen müssen und einen Antrag auf einen vorgezogenen Besuch stellen müssen. Dann allerdings darf in der nächsten Woche niemand zu mir kommen. Mein Antrag wird bewilligt. Ich habe etwas von einer dringenden Familienangelegenheit gesagt. Sie, die Schließerinnen unserer Station, haben es geglaubt. Oder jedenfalls so getan, als glaubten sie es.

Wir sind beide Langschläfer, aber das interessiert hier niemanden. Man hat die Besuchszeit am Sonntag auf den frühen Vormittag gelegt, gleich nach dem Aufschluss. Also stehe ich früh auf, flitze sofort nachdem die Türen aufgeschlossen wurden, unter die Dusche, wasche mich und renne zurück in meine Zelle. Dort style ich mich, so wie ich es früher, draußen, immer getan habe. Den Aufwand treibe ich nicht nur für ihn, mehr noch mache ich das für mich selbst. Ich will wenigstens hin und wieder so aussehen wie früher, vor der Haft. Ich bin also wieder gut gekleidet mit sauberen, gut sitzenden Jeans und einer ebenso gut sitzenden farblich passenden blauen Bluse, selbst gefertigt im Schneiderkurs. Auch bin ich wieder dezent geschminkt. Ein Blick in den Spiegel zeigt mir die Frau, die ich früher einmal war. Zumindest äußerlich kann ich mit wenig Aufwand schnell wieder so aussehen, wie die Menschen von früher, vor meiner Haft, mich kennen. Aber es ist eben nur äußerlich. Im Innern wird nichts mehr, wie es einmal war.

Nun bleibt mir nur noch zu warten und ich setze mich auf den Stuhl an meinen kleinen Tisch in der Zelle und nehme ein Buch, aber ich kann mich nicht konzentrieren, bin zu aufgeregt. Aber nach draußen, auf den Flur zu den anderen Frauen, mag ich auch nicht gehen. Ich will die Vorfreude auf seinen Besuch mit niemandem teilen, will auch keine noch so lieb gemeinten Frotzeleien hören. Ich hoffe, dass bald mein Name aufgerufen wird und mich eine Beamtin in den Besuchertrakt bringt. Wird er pünktlich sein? Aber eigentlich ist er jetzt immer pünktlich. Das ist neu. Früher kam er oft zu spät. Aber hier muss er befürchten, nicht mehr herein gelassen zu werden, wenn er die Zeiten nicht einhält.

Und da wird auch schon mein Name aufgerufen. Die Beamtin, es ist zum Glück die nette Blonde mit der ich hin und wieder auch ein paar private Worte wechsle, bringt mich in den Besucherraum, dort muss ich wieder warten. Die Beamtin schließt mich ein und holt nun ihn von der Pforte ab, wo er warten musste. Sie bringt ihn zu mir, bringt uns zusammen. Eine leichte Nervosität will sich wieder in mir breit machen. Es hat wieder etwas Prickelndes sich zu treffen. Dabei kennen wir uns doch schon so lange.

Da geht die Tür auf und er lächelt mich an. Ich falle in seine Arme, er umfasst mich. Wir müssen uns erst einmal aneinander festhalten. Wir wollen nur noch schmusen. Tief in mir drin ist eine ganz große Sehnsucht nach ihm. Es tut gut, ihn wieder so zu spüren, in seinen Armen zu versinken. Ich fühle mich geborgen.

Er sieht gut aus, braun gebrannt vom letzten Urlaub und längst nicht so müde, wie ich es zu dieser frühen Stunde erwartet hatte. Ja, ich erkenne ihn wieder, diesen Mann, den ich so sehr mag. Da ist sein strahlendes Lachen, das ich wiederentdecke, als ich zu ihm aufschaue. Diese Lachen fehlt mir in so mancher Stunde in meiner Zelle.

Wir setzen uns an den Tisch, halten uns an den Händen. Reden fällt in dieser Atmosphäre nicht immer leicht. Aber immer näher rutschen wir aneinander heran. Da ist eine so große Sehnsucht nacheinander, die hier nicht erfüllt werden kann. Ich spüre seine zärtlichen Hände auf meinem Rücken, die so viel Begehren ausdrücken und denen ich so gerne nachgeben würde. Wir liegen uns wieder in den Armen, können nicht loslassen.

Er erzählt von seinem Treffen mit Freunden. Das neue Restaurant, den edlen Italiener haben sie ausprobiert. Das Essen soll phantastisch sein und erst die Auswahl an Weinen… Was hat das mit meinem Leben im Knast zu tun? Aber ich höre zu und träume mich in seine Erzählungen hinein. Dann gesteht er, wie sehr er mich vermisst. Er fühle sich mitbestraft, weil er nicht mehr jederzeit mit mir reden könne. Ja, das stimmt. Mit meiner Tat habe ich auch ihm etwas genommen.

Auch ich berichte von meinen Tagen, in die er sich sicher nicht hineinträumt und die er sich eigentlich auch nicht wirklich vorzustellen vermag. Knastalltag hat er nie erlebt.

Die Zeit vergeht mit Schmusen, Reden und sich endlich wieder ganz nah sein. In diesen Momenten entstehen die Träume von Freiheit. Wann werden wir endlich wieder einen ganzen Abend, eine ganze Nacht zusammen sein können?

Da ist dann auch schon das Geklirre der Schlüssel zu hören. Die Besuchszeit ist zu ende, wie immer viel zu schnell. Die Tür wird aufgeschlossen. Es bleibt nur noch Zeit für eine letzte Umarmung, einen letzten Kuss. Sich jetzt trennen zu müssen, tut weh.

Die Beamtin bringt erst die Besucher zur Pforte, alle auf einmal, auch die aus den anderen Besucherzellen, wo es sicher ähnlich zuging wie in der unseren. Ein letztes Winken, dann ist er verschwunden. In mir bleibt eine leichte Wehmut zurück und eine fast unendliche Sehnsucht. Wann wird er wieder hierher kommen?

Die Beamtin kommt zurück und bringt alle Frauen auf die Station zurück. Auch meine Mitgefangeninnen kommen nun aus den Besuchszellen heraus, aber wir reden nicht viel miteinander, jede hängt ihren eigenen Gedanken und Gefühlen nach. „Wir dürfen die Besuchszeiten ja leider nicht länger ausdehnen“, sagt die Beamtin mit einem fast um Entschuldigung bittenden Lächeln. Vielleicht ist ja auch sie gerade frisch verliebt und kann unsere Sehnsucht nachempfinden. Wir werden nie wissen, was und wie unsere Schließerinnen denken und empfinden.

Wir werden wieder weggeschlossen, nachdem wir in der Kammer gefilzt wurden. Man will sicher sein, dass wir nichts Unerlaubtes auf die Station schmuggeln. Und Ich leiste mir den Luxus, den Rest des Tages von ihm zu träumen. Seinen Duft habe ich noch auf der Haut.

Stefan

Es ist gerade kein anderer Mann da und Stefan macht Susanne Avancen, er gehört zu der Gruppe Gefangener, mit der sie sich gegen Abend stets noch auf ein halbes Stündchen vor dem Pavillon trifft. In der Gruppe führt er oft den Ton an, er sagt, was gerade angesagt ist und wo er überall dabei war, zum Geburtstag eines Politikers war er eingeladen, seinen Eltern musste er bei deren Empfang zum 25-jährigen Firmenjubiläum helfen, aber am Samstag geht er wieder Tennis spielen. Susanne fragt sich, ob er dafür nicht ein bisschen zu dicklich ist? Zumindest macht er einen einigermaßen gepflegten Eindruck. Allerdings ist er ein Aufschneider, das merkt auch Susanne schnell. Er sitzt wegen Betruges ein, was immer verdächtig ist. Meist wollen Betrüger mehr darstellen, als sie sind und leiden unter einem starken Geltungsdrang, ist Susanne überzeugt. So auch Stefan. Er soll ungedeckte Schecks unter die Leute gebracht haben.

Angeblich hat er Wirtschaft studiert, natürlich nicht hier in Deutschland, sondern in London. Das ist auch weniger kontrollierbar und zudem sehr viel schicker. Er will nach der Haft ganz schnell wieder in bürgerliche und natürlich erfolgreiche Bahnen kommen. Das betont er immer wieder. Er hat da auch schon etwas in Aussicht. Und wen er alles kennt? Na, da dann wird er wohl schon seinen Weg machen, denkt Susanne und will ihn eigentlich links liegen lassen.

Aber der Drang endlich wieder eine Frau sein zu dürfen und auszuprobieren, wie denn die Marktchancen so liegen, ist stärker, auch bei der sonst eher spröden Susanne. Sie ist noch jung und glaubt, etwas zu verpassen, wenn sie nicht jede sich bietende Gelegenheit ergreift. Und wer weiß, vielleicht, stimmt ja doch ein kleines bisschen von seiner ganzen Angeberei. Vielleicht kriegt sie über seine Kontakte auch einen tollen Job? Diesen Funken Hoffnung in sich kann sie nicht unterdrücken.

Sie verabredet sich mit ihm, sie gehen essen, in einem nur mäßig edlen Restaurant, wie Susanne enttäuscht bemerkt. Sie machen Spaziergänge in den Parks der Stadt und landen schon nach wenigen Tagen im Bett. Das steht in ihrem kleinen Zimmer, das sie sich in einer Wohngemeinschaft, in einem etwas heruntergekommenen Haus gemietet hat. Er hat noch keine eigene Bleibe, wird aber natürlich schon bald sich ein richtig tolles Appartement zulegen, er hat auch da schon etwas in Aussicht. Als Liebhaber ist er nicht ganz so sensationell wie er wohl gerne wäre, was auf Susanne wiederum eine recht ernüchternde Wirkung hat. Will sie wirklich mit so einem Typen durch die Gegend ziehen, wenn sie dabei nicht einmal wirklich Spaß hat? Er ist zwar redegewandt, das muss sie immer wieder zugeben, aber wirklich gebildet ist er nicht. Es gibt eigentlich nicht viele Themen, über die sie reden können. Musik kennt er nur aus dem Radio, das Theater der Stadt hat er anscheinend noch nie von innen gesehen und Zeitungen liest er zwar, aber ob er den Inhalt versteht ist nicht immer ganz klar, scheint es Susanne.

Geld hat er seltsamerweise auch nie so richtig, dabei kommt er doch aus einem so reichen Elternhaus, wie er sagt. Aber sie zahlt nicht für ihn, ganz so dumm ist sie denn doch nicht. Aber er weiß sich die nötigen finanziellen Mittel zu beschaffen. Bei einem Besuch bei einer guten Freundin von ihm, zu dem er Susanne mitgenommen hat, bittet er diese gute Freundin wie selbstverständlich beim Abschied um eine kleine Hilfe. Und diese zückt das Portemonnaie und rückt ihm lächelnd ein paar Scheine in die Hand. „Sie sei eben eine richtige Traumfrau“, meint er später. Susanne beschließt, keine Traumfrau sein zu wollen.

Er ist eigentlich reif für den Freigang, aber er findet draußen keine angemessene Stelle. Wahrscheinlich sind seine Ansprüche zu hoch – oder seine Schwindeleien zu groß. Schließlich landet er als Putzmann in der Putzkolonne einer großen Reinigungsfirma. Das passt zwar nicht in sein Selbstbildnis, aber er hat keine andere Wahl. Der Knast zwingt ihn in diesen Job. Fortan fährt er mit einem alten Kombi, von der Firma gestellt, durch die Gegend. Hinten drin hat er Schrubber, Besen, Eimer und Feudel. Das macht schon etwas her…

Susanne macht weiter ihr Praktikum in der Versicherungsgesellschaft und mit den Beiden zerschlägt es sich irgendwie. Er braucht Geld und sie zahlt nicht – das passt nicht zusammen. Aber mit der eigentlich etwas scheuen Birgit, die neulich in den Offenen Vollzug verlegt worden ist, scheint er sich gut zu verstehen.

Chaled

Die erste Morgensonne blitzt durch die nicht ganz geschlossenen Vorhänge und berührt mein Gesicht. Die Türen sind schon auf aber ich mag noch nicht aufstehen, es ist schließlich Wochenende und das Frühstück, das unten im Gang verteilt wird, lockt ohnehin nicht. Lieber ziehe ich mir die Bettdecke noch einmal bis unter das Kinn und kuschele mich in die weiche Wärme. Fast ist es als nehme mich ein Mann in seine Arme. Die Decke ist Ersatz für die so lange vermisste Umarmung eines Geliebten. Eine andere Zärtlichkeit gibt es hier nicht. Und eigentlich weiß ich auch schon gar nicht mehr, wie ein Mann sich anfühlt. Das mit der Bettdecke ist also irgendwie in Ordnung.

Doch nun okkupiert Jessi meine Zelle. Ohne anzuklopfen stürmt sie hinein, schmeißt sich zu mir aufs Bett und hält mir fast triumphierend ein paar Bilder vor das Gesicht. „Guck mal, das ist er. Ist der nicht süß?“, kreischt sie mir ins Ohr.

„Ohne Brille seh´ ich nix, und außerdem kennst du ihn doch kaum. Bloß immer Briefe… Was ist das denn schon?“, wage ich ihren Enthusiasmus zu dämpfen. „Und außerdem ist er ein Krimineller“, werfe ich noch hinterher. „Das sind wir auch“, gibt sie zurück. Sie besitzt manchmal eine Logik, der ich mich wider Willen nicht ganz verschließen kann.

„Ich hol´ uns Kaffee und du schaust dir die Bilder an“, lautet die Antwort. Und schon springt sie durch die Tür. Die langen blonden Haare flattern ihr hinterher.

Mit der Ruhe ist es vorbei. Ich gebe mich geschlagen und werfe die Decke zurück. Kalt ist es, die Heizung scheint mal wieder nicht zu funktionieren. Der Gedanke an die in Aussicht gestellte Übersiedlung in den offenen Vollzug tröstet mich. Was immer mich dort erwarten wird, die Zimmer sollen schön warm sein.