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Turbulente Ferien und die große Liebe: Der Jugendroman „Lieben verboten“ von Erfolgsautorin Sissi Flegel jetzt als eBook bei dotbooks. Mathe pauken oder mit der coolen Tante Urlaub am Mittelmeer machen? Isa weiß sofort, wie sie ihre Ferien lieber verbringen möchte. Da gibt es nur einen Haken: ausgerechnet jetzt plagt ihre Tante ziemlich großer Liebeskummer und sie braucht eine Menge Aufmerksamkeit. Schon bald lernen sie Walter kennen – und Isa wäre nicht Isa, wenn sie nicht sofort Verkupplungsversuche starten würde – zumal Walter auch noch einen süßen Sohn hat … Jetzt als eBook kaufen und genießen: Der Jugendroman „Lieben verboten“ von Erfolgsautorin Sissi Flegel. Freche Mädchenbücher ab 12 Jahren. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 233
Über dieses Buch:
Mathe pauken oder mit der coolen Tante Urlaub am Mittelmeer machen? Isa weiß sofort, wie sie ihre Ferien lieber verbringen möchte. Da gibt es nur einen Haken: ausgerechnet jetzt plagt ihre Tante ziemlich großer Liebeskummer und sie braucht eine Menge Aufmerksamkeit. Schon bald lernen sie Walter kennen – und Isa wäre nicht Isa, wenn sie nicht sofort Verkupplungsversuche starten würde – zumal Walter auch noch einen süßen Sohn hat …
Über die Autorin:
Sissi Flegel, Jahrgang 1944, hat neben ihren Romanen für erwachsene Leser sehr erfolgreich zahlreiche Kinder- und Jugendbücher veröffentlicht, die in 14 Sprachen erschienen sind und mehrfach preisgekrönt wurden. Die Autorin ist verheiratet und lebt in der Nähe von Stuttgart.
Bei dotbooks erschienen Sissi Flegels Jugendbuch-Trilogie Internat Sternenfels mit den Einzelbänden Wilde Hummeln, Die Superhexen und Die Vollmondparty sowie folgende Kinderbücher:
Gruselnacht im Klassenzimmer
Bühne frei für Klasse Drei
Wir sind die Klasse Vier
Klassensprecher der Spitzenklasse
Klassensprecher auf heißer Spur
Klassensprecher für alle Fälle
Wir sind die Klasse Fünf
Klasse Fünf und die Liebe
Mutprobe im Morgengrauen
Weitere Mädchenbücher von Sissi Flegel sind in Vorbereitung.
Die Website der Autorin: www.sissi-flegel.de
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eBook-Neuausgabe Oktober 2016
Copyright © der Originalausgabe 1998 by Thienemann Verlag(Thienemann Verlag GmbH), Stuttgart/Wien
Copyright © der Neuausgabe 2016 dotbooks GmbH, München
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.
Titelbildgestaltung: Nele Schütz Design unter Verwendung von shutterstock/Rohappy (Mädchen), Anna Fraijlova (Zeichnungen)
eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH
ISBN 978-3-95824-708-6
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Sissi Flegel
Lieben verboten
dotbooks.
In der Englischstunde lief an diesem Donnerstag überhaupt nichts.
Isa hatte das neue Bravo-Girl mitgebracht, um es heimlich ihrer Freundin Nadja zu zeigen, doch Nadja kam, sah und quietschte. Die anderen drängten sich sofort um ihren Tisch.
»Was ist? Zeigt her! Lasst sehen, was ihr habt!«
Yvonne bekam eine Ecke des Heftes zu fassen, zog und quietschte ebenfalls. Dann brüllte sie: »Das bist ja du!«
Und damit war die Katze aus dem Sack.
»Wie hast du das gemacht?«
»Hat man dich richtig entdeckt?«
»Woher hast du die Klamotten?«
»Wer hat dich geschminkt?«
»Mein Gott, das Bravo-Girl! Liest du das noch? Dazu bist du doch viel zu alt! Wie bist du denn da reingekommen?«
»Seid ihr neugierig!«, rief Isa zwischen Lachen und Empörung.
»Nun erzähl schon, wir wollen alles wissen. Das sind nämlich tolle Bilder, stimmt’s?«, sagte Nadja.
Das fanden die anderen auch.
»Es war Zufall«, sagte Isa. »Jemand aus meinem Reitclub kennt jemanden im ›Bravo-Girl-Team‹ und hat sich für Aufnahmen bereit erklärt. Als dann die Leute mit den Klamotten kamen, um die Bilder zu machen, stellte sich heraus, dass ihr kein Pulli, keine Hose, überhaupt kein Fummel passte. Aber ich hatte die richtige Größe, und so –«
»– haben sie die Aufnahmen mit dir gemacht. Toll, einfach super«, sagte Nadja begeistert, aber auch mit etwas Neid in der Stimme.
»Wie haben sie nur deine Haare so glatt bekommen?«
Die Haare waren Isas großer Kummer. Die waren nicht glatt, nicht wellig, nicht lockig. Die waren einfach nur kraus und ließen sich kaum bändigen.
Alles hatte sie schon versucht, jede Haarlänge von kurz bis lang, aber kein Ergebnis hatte sie zufrieden gestellt. Nun ließ sie sie gerade wieder wachsen, aber sie standen ihr oft nahezu waagrecht vom Kopf ab.
»Meine Haare sehen toll aus«, meinte Isa mit großer Begeisterung. »Die haben die nass gemacht und beim Föhnen dermaßen glatt gezogen, dass ich dachte, sie würden mir noch den Skalp vom Kopf reißen. Zu Hause klappt das nie so gut …«
»Es sieht super aus, aber es macht dich so fremd«, stellte Nadja kritisch fest.
»Und dann haben sie dich nach der Schule gefragt, nach deiner Familie, deinen Hobbys und so?«, wollte Julia wissen.
»Ja, aber da hab ich aufgepasst und ihnen eine Menge Schrott erzählt. Ich meine, schließlich geht das niemanden was an, wie gut oder wie schlecht ich in Mathe und Englisch oder Bio bin, stimmt’s? Und ob ich meinen Bruder öde finde, ist auch nur meine Angelegenheit.«
Die anderen nickten. »Aber das, was du übers Reiten gesagt hast, das war doch dein Ernst?«, fragte Julia nach. »Und dass du Redakteurin unserer Schulzeitung bist, hast du auch gesagt.«
Isa nickte. »Ein Interview ist ’ne megatückische Sache. Du willst ja keinen Totalflop landen, so nach dem Motto: ’ne neue Zicke braucht das Land! Zu viel von dir willst du aber auch nicht verraten, also was tust du? Du fährst Slalom. Das, was ich übers Reiten gesagt habe, stimmt, was ich über die Schule und die Familie gesagt hab, stimmt nur so ’n bisschen, ist aber nicht richtig doll gelogen.« Isa hob die Schultern. »Jedenfalls – hinterher kommst du dir vor wie Falschgeld.«
»Kann ich verstehen.« Nadja trommelt mit den Fingerspitzen aufs Papier. »Trotzdem ist das eine super Sache. Was sagen eigentlich deine Eltern dazu?«
Isa hob die Schultern. »Keine Ahnung. Sie wissen noch nichts davon.«
Das bereitete ihr Kummer. In ihrer Familie gab es eine feste Regel: keine Heimlichkeiten. Der Grund dafür war, dass ihre Eltern sich selbst und ihre Kinder, Isa und Paul, respektierten und als gleichwertige Partner behandelten. Das kann man nur, erklärten sie immer, wenn man sich vertraut. Heimlichkeiten fanden sie unwürdig und kleinkariert. Außerdem kommen sie sowieso irgendwann unweigerlich ans Tageslicht – und was dann? Dann war das Vertrauen dahin, oder doch nachhaltig gestört. Isa und ihr Bruder hatten schon früh begriffen, dass der Preis dafür zu hoch sein würde und sich strikt an die Regel gehalten.
Isa wuschelte sich durchs Haar. Als sie damals gefragt worden war, ob sie für die Fotos und die Reportage im Bravo-Girl herhalten würde, hatte sie gar keine Zeit gehabt ihre Eltern zu informieren.
Anschließend hätte sie ihnen natürlich alles berichten können, aber was wäre gewesen, wenn sie Nein gesagt hätten? Und außerdem, hatte sie damals gedacht, wenn nichts von ihr veröffentlicht würde, wären Fragen und eventuelle Proteste völlig unnötig gewesen und hätten den Frieden ebenfalls gestört. Also hatte sie erst mal geschwiegen. Aber nun hatte sie den Salat, nun hatte sie ein mieses Gewissen und musste beides beichten, die Reportage und ihre mangelnde Offenheit, Mist aber auch! Die halbe Freude ist dahin, dachte sie und verzog das Gesicht. Wenn die Sache nur nicht so plötzlich über sie hereingebrochen wäre und wenn sie nur nicht so spontan gehandelt hätte … Aber nun war nichts mehr zu ändern, nun half nur noch schonungslose Offenheit. Sie straffte die Schultern und nahm sich vor, den Stier mutig bei den Hörnern zu packen.
Als sie zum Mittagessen nach Hause kam, legte sie das Heft auf den Esstisch. »Mama!«, rief sie. »Kannst du gleich kommen? Ich muss dir unbedingt etwas furchtbar Wichtiges zeigen!«
»Später«, bat ihre Mutter. »Ich hatte einen aufregenden Vormittag.«
»Ist was passiert?«, fragte Isa, dankbar für den Aufschub.
Ihre Mutter tappte auf bloßen Füßen aus der Küche und erklärte, dass sie am heutigen Vormittag wegen eines verzweifelten Anrufes ihrer Schwester Florentine und eines Blitz-Rettungsbesuches bei ihr nicht zum gewohnten Kochen gekommen sei und es infolgedessen etwas »aus der Stadt« gebe – was in ihrer Sprache panierte Schnitzel, kalt, und Kartoffelsalat, eiskalt, bedeutete und von niemandem mit Appetit gegessen wurde, am allerwenigsten von ihr selbst.
»’ne Pizza wäre mir lieber gewesen«, murrte Paul, Isas jüngerer Bruder. »Oder etwas von Mac Ente, findste nicht auch, Isa?«
Isa nickte und fischte ein großes Zwiebelstück aus dem kalten Glitschsalat. Sie schob es an den Tellerrand und fragte: »Warum musstest du Florentine retten? Und wovor?«
»Ich wette, das hat etwas mit ihrem Freund zu tun. Hat er sein Auto zu Schrott gefahren? Das fänd ich nicht gut, er hat mir nämlich versprochen mich mal von der Schule abzuholen, und das hat er noch nicht gemacht. So ein Taxiservice würde mein Image ziemlich aufpeppen …« Paul kaute. »Also was ist? Ist das Auto noch ganz?«
Seine Mutter nickte. »Das Auto ist noch ganz. Aber sonst sieht’s ziemlich düster aus. Sie hat Arger mit ihrem Bert-Wolfram.«
Paul zuckte die Schultern, schob den Teller beiseite und stand auf. »Kaputte Teile aus ’ner morschen Beziehungskiste interessieren mich null. Ich geh mal in mein Zimmer, okay?«
»Warum hat sie dich denn angerufen?«, wollte Isa wissen. »Normalerweise kommt sie doch ganz gut allein zurecht.«
Isa mochte ihre Tante. Sie war die jüngere Schwester ihrer Mutter, knappe dreißig Jahre war sie erst alt, sie war fröhlich, temperamentvoll, unternehmungslustig, sah gut aus und war immer total cool. Isa wollte gerne genauso super aussehen, sich genauso kleiden, nämlich meist in Schwarz, wollte später mal garantiert genauso erfolgreich sein und so viel Power haben – nur wollte sie nicht Innenarchitektin, sondern Journalistin werden.
»Dieses Mal scheint es eine ernste Krise zu sein«, sagte Isas Mutter. »Sie hatte schon seit einiger Zeit ein merkwürdiges Gefühl, vieles war nicht mehr so wie früher und nun hat sie heute Morgen erfahren – definitiv erfahren, dass er eine Freundin hat. Das allein ist schon scheußlich genug. Aber nun kommt noch dazu, dass sie ihn immer wieder danach gefragt hatte, doch der Feigling leugnete, was das Zeug hielt. Das ist es, was Florentine nicht versteht – sie meint, wenn sich die Verhältnisse ändern, ist es nur fair, davon informiert zu werden.«
Isa nickte und dachte an das Bravo-Heft. »Manchmal«, sagte sie, »kommt man nicht gleich dazu, etwas zu sagen. Und dann vergisst man’s, und wenn man sich wieder dran erinnert, sieht alles ganz anders aus und man kann es wieder nicht sagen.«
»Das kann schon mal zutreffen, aber in Florentines Fall hätte ihr Freund Zeit und Gelegenheit genug gehabt ihr eine klare Antwort auf ihre Fragen zu geben. Du weißt doch: ›Was du nicht willst, das man dir tu, das füg auch keinem andern zu‹.«
Isa hatte Florentines Freund immer ganz gern gehabt. Er hatte nie die üblichen öden Erwachsenenfragen gefragt: Was macht die Schule? Magst du deine Lehrer? Schreibst du gute Noten? Welches sind deine Lieblingsfächer? Wenn er schon mal mit Florentine zu ihnen kam, erkundigte er sich höchstens nach ihrem neuesten Artikel in der Schülerzeitung und nach ihrem Sport – Himmel! Isa schaute auf die Uhr.
»Ich muss gehen, Mami! Astra und Felix warten. Wenn ich jetzt nicht flitze, komm ich ewig zu spät!«
Wenige Minuten später schob sie das Rad aus der Garage und sauste die Straße hinunter.
Bis zur Pferdekoppel war es ein ganzes Stück, mindestens eine Viertelstunde würde sie brauchen, aber sie war noch nie zu spät gekommen und mit ein bisschen Glück würde sie es auch heute schaffen.
Sie schaffte es.
Der Reiterhof bestand aus dem Wohnhaus der Familie Langer, aus dem Pferdestall und zwei neuen kleineren Nebengebäuden für Futter, Geräte und dem gesammelten Kram, der für einen Reiterhofbetrieb benötigt wurde. Schon seit fünf Jahren ritt Isa dreimal in der Woche; das Reiten und die Stunden auf dem Hof waren ihr wichtig. Nicht nur, aber natürlich auch wegen Felix, siebzehn Jahre alt und ihr Freund.
Er wartete bereits auf sie und wie gewohnt nahm er ihr Fahrrad entgegen und lehnte es an die Hauswand.
Als ihr kleiner Bruder sie einmal begleitet und gesehen hatte, wie Felix Langer seiner Schwester behilflich war, hatte er ihn mit offenem Mund und kugelrunden Augen angestarrt und schließlich, als er sich gefasst hatte, gefragt: »Die Isa kann das selbst. Warum machst du das?«
Felix war ein kleines bisschen rot geworden, aber er hatte dann doch ganz gefasst geantwortet: »Das gehört sich so. Weißt du das nicht?«
Das hatte Paul den Rest gegeben. Reiten und alles, was damit zusammenhing, war von diesem Zeitpunkt an für ihn komplett und total out.
Isa fand Felix’ Betragen auch reichlich altertümlich und überzogen, aber trotzdem machte sie jedes Mal dieselbe Vollbremsung, sprang ab und stieß das Rad mit einem kleinen Schubs in seine Richtung.
»Alles in Ordnung?«, fragte Isa und gab Felix einen Kuss. »Was macht Astra?«
Astra war »ihr« Pferd. Es war kapriziös, hatte Launen und einen eigenen Kopf und Isa musste ihm immer von neuem beweisen, wer von beiden das Sagen hatte. Sie mochte das, ein langweiliges Pferd hätte ihr längst nicht so viel Spaß gemacht.
»Alles in Ordnung«, bestätigte Felix und legte den Arm um sie.
Gemeinsam gingen sie zum Stall hinüber.
Astra hob den Kopf, schaute ihnen entgegen und wieherte.
»Heute ist sie gut gelaunt«, stellte Isa fest und führte das Pferd ins Freie. Felix folgte mit Joringel. Sie banden die Tiere an und begannen mit dem Putzen.
Isa zupfte ein paar Pferdehaare aus der Bürste. »Ich hab ein Problem«, sagte sie.
»Ja? Miese Noten?«, fragte Felix. »Schlimm kann’s nicht sein, sonst würdest du nicht so vergnügt aussehen.«
Isa lachte. »Auch wenn man mir meine Sorgen nicht ansieht, sie sind trotzdem da.«
Felix legte die Bürste beiseite und nahm Isa in den Arm. »Lass hören, vielleicht kann ich dir helfen.«
Isa drückte sich einen Moment an ihn, dann machte sie sich los, holte das Bravo-Heft aus ihrem Rucksack, schlug die »Kummer«–Seiten auf und hielt sie Felix vors Gesicht.
Der warf einen raschen Blick auf das Titelblatt und meinte: »Ich dachte immer, du würdest höhere Ansprüche an deinen Lesestoff stellen. Als angehende Journalistin solltest du immerhin –« Dann pfiff er durch die Zähne. »Ja, da schau her, das seh ich jetzt erst, das bist ja du!«
Er las den Text aufmerksam und konzentriert, schaute die Fotos kritisch an, dann schlug er das Heft zu und legte es auf Isas Rucksack.
»Die Fotos sind gut und die Reportage ist sehr freundlich«, meinte er schließlich. »Mich würde nur interessieren, wieso ausgerechnet du in dieses Heft gekommen bist.«
Isa berichtete und sagte abschließend: »Du siehst, eigentlich konnte ich gar nichts dafür. Ich hab die ganze Sache nicht ernst genommen, deshalb hab ich zu Hause auch nichts gesagt. Nun steh ich blöd da …«
Felix nickte. »Kann ich verstehen. Aber da musst du durch, da hilft kein Kneifen, kein Leugnen, kein Beschönigen.« Er legte den Kopf schief und zwinkerte ihr zu. »Was ich an dir besonders mag, ist dein Mut.«
Isa blickte ihn an. Felix war immer sehr korrekt gekleidet, er trug keine ausgefallenen Klamotten, er peppte sein Image nicht mit einem besonderen Haarschnitt auf und trotzdem kam niemand auf die Idee, in ihm einen angepassten Loser zu sehen. Sie atmete auf. »Ich bin mutig«, sagte sie entschieden.
»Eben. Und mit den Fotos musst du auch nicht hausieren gehen.«
»Felix!«, rief Isa empört. »Wofür hältst du mich?«
Er lachte. »Beeil dich, wir wollen ausreiten oder hat das Fotomodell heute keine Lust dazu?«
Am liebsten hätte Isa ihm die Pferdebürste ins Gesicht geworfen. Aber sie streckte ihm nur die Zunge raus und meinte: »Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen. Du bist fies, findest du nicht auch?«
Eine gute halbe Stunde später waren sie fertig mit dem Putzen. Sie sattelten die Pferde und ritten langsam aus dem Hof. Die Sonne schien.
Das Haus war wie ausgestorben.
Isa hüpfte unter die Dusche, zog dann einen langen schwarzen Rock an, den ihr Florentine einmal geschenkt hatte, suchte ein ganz bestimmtes T-Shirt mit schrillen orange-pinkfarbenen Ringeln, schaute im Schrank und allen Schubladen nach, konnte es nirgends finden, entdeckte es schließlich im Trockner, zog es über und klimperte mit dem silbernen Ringchen an ihrem Bauchnabel. Anstatt Mathe zu lernen, was in Bezug auf eine bevorstehende Arbeit dringend nötig gewesen wäre, wählte sie zwei Fläschchen Nagellack aus und setzte sich damit an ihren Schreibtisch. Mit äußerster Sorgfalt lackierte sie ihre Nägel halb orange, halb pink, jedoch so, dass die Trennungslinie schräg verlief. Mit den Farben drückte sie ihre Stimmung aus, das fand sie ganz vergnüglich, außerdem hatte sie Spaß am Experimentieren.
Sie hörte, wie ihre Mutter mit Paul zurückkam. »Sie muss da sein«, schrie Paul durchs Haus. »Hier liegt ihre Reitkappe!«
Schon wurde die Tür aufgerissen und Paul stürmte herein.
Isa streckte die Arme hoch, wedelte den Lack trocken und fuhr ihren Bruder an: »Pass auf, halt Abstand!«
»He, warum hast du uns nichts gesagt?« Er knallte das Bravo-Heft auf ihren Tisch.
»Ja, warum hast du auf einmal Heimlichkeiten vor uns?«, wollte ihre Mutter wissen. »Ich denke, es war ausgemacht, dass wir Heimlichkeiten nicht nötig haben, oder?«
»Stimmt«, antwortete Isa ziemlich kleinlaut. »Ich wollte es euch gleich nach der Schule sagen, aber dein Florentine-Rettungsbesuch war dir wichtiger als das Schicksal deiner Tochter.« Isa guckte vorwurfsvoll.
Das Telefon klingelte.
Paul rannte los, nahm den Hörer ab und rief: »Isa, für dich! Es ist der mit den großen Ohren, Nadjas Bruder!«
Isa nahm ihm den Hörer aus der Hand und sagte atemlos: »’tschuldigung, mein Bruder ist unmöglich. Ich kann nichts dafür!«
»Mensch Isa, ich hab gerade das Bravo-Heft von meiner Schwester bekommen. Toll siehst du aus, echt cool, super, gratuliere!«
Isa lachte geschmeichelt.
»Halb so wild«, sagte sie. »Halt an dich. Das Ganze war ein Zufall, nichts weiter, ehrlich.«
»Hast du nachher Zeit, mit in die Kneipe zu kommen? Alle sind da, ich wette, jeder hat die Bilder von dir gesehen. Also kommst du?«
Isa sagte zu. Die Mathearbeit hatte sie völlig vergessen.
Ihre Mutter blätterte durchs Heft, schüttelte mehrmals den Kopf und zog Isa, als sie den Hörer aufgelegt hatte, neben sich aufs Sofa.
»Wie bist du in dieses Blatt geraten? Und warum hast du uns nichts davon gesagt? Ich kann dich nicht verstehen, so etwas lässt sich doch nicht verheimlichen!«
Wieder schilderte Isa den Hergang und meinte abschließend: »Ich war wirklich nicht vorgesehen. Wenn ich nicht zufällig anwesend gewesen wäre und wenn ich nicht zufällig die richtige Kleidergröße gehabt hätte, hätte niemand etwas von mir wissen wollen. So wurde ich einfach hineingezogen und als dann eins zum andern kam, konnte ich nicht mehr Nein sagen. Es ging so schnell, wirklich, Mama, versteh das doch.«
»Das verstehe ich. Trotzdem erklärt das nicht, weshalb du nicht anschließend sofort zu uns –«
Die Haustürglocke schrillte.
Es war Florentine. Sie stürmte zur Tür herein, schleuderte ihre Handtasche in eine Ecke, warf die Autoschlüssel auf den kleinen Tisch im Flur und ließ sich in den nächstbesten Sessel fallen.
»Ich halt’s nicht mehr aus«, sagte sie wild. »Ich halt’s nicht mehr aus, ganz bestimmt halt ich den Jammer nicht mehr aus. Der Kerl bringt mich noch ins Irrenhaus! Dieser Blödmann, dieser verdammte Profilneurotiker im Endstadium, den schieß ich endgültig auf den Mond!«
»Tu das«, sagte Isas Mutter. »Zuerst kommst du aber mit in die Küche, ich koche uns Tee.«
»Was ist los?«, fragte Paul neugierig. »Nervt dich dein Lover, der mit dem Wahnsinnsnamen, der Bert-Wolfram?«
Florentine schüttelte energisch den Kopf. »Er hat mich genervt, der Hohlkörper nervt mich nicht mehr. Aus! Aus ist’s mit ihm. Endgültig aus! Wie kann man nur so blind sein, so dumm, so vernagelt!«
»Wer ist dumm, blind und vernagelt? Du oder dein Bert-Wolfram?«, wollte Isa wissen.
»Ich natürlich!«, antwortete Florentine und schnaubte in ein Papiertaschentuch. »Da lebt man seit Jahren zusammen, man arbeitet zusammen, man hat gemeinsame Bekannte und Freunde und was weiß ich noch alles und plötzlich geschieht dir das, was du nur aus den bunten Blättern kennst, die beim Friseur herumliegen: eine Blondine –«
»Fährt sie Manta?«, fragte Paul neugierig.
»Nee, wieso?«
»Weil sie doch blond ist«, erklärte Paul ungeduldig. »Weißt du, was passiert, wenn sich eine Blondine gegen ’ne Mauer lehnt?«
»Die gibt der Dummheit nach und fällt ein«, antwortete Florentine automatisch und wuschelte durch ihr rabenschwarzes Haar. »Eigentlich hab ich gerade keinen Sinn für Witze, weil nämlich Bert-Wolfram mir versichert hat, er könne mich und meine Aufregung und meinen Protest überhaupt nicht verstehen, das Ganze sei eine vorübergehende Affäre und hätte null Komma nichts mit unserer Beziehung zu tun. Ich frage euch, in welchem Jahrhundert lebt dieser Mensch? Hat der schon mal was von Gleichberechtigung gehört?«
»Der ist ein echter, fieser Macho«, stellte Paul fest. »Der sieht in ’ner Frau nur ein Lustobjekt.«
»Paul!«, rief seine Mutter alarmiert. »Woher hast du diesen Ausdruck?«
»Von Papa, von wem sonst?«
»Mit dem muss ich ein ernstes Wort reden«, sagte seine Mutter. »Gleich wenn er heimkommt!«
»Vielleicht hat er’s nicht so ernst gemeint«, sagte Isa.
»Wer? Papa?«
»Nein, Bert-Wolfram. Ich meine, vielleicht hat er sie nur ein paar Mal gesehen, vielleicht hat er sich nur mit ihr unterhalten und Kaffee getrunken –«
Florentine jaulte auf. »Kaffee getrunken! Dass ich nicht lache! Ein Doppelleben hat er geführt, der Elende, und gehofft, ich würde nichts davon erfahren.«
»Und nun? Nun hast du’s erfahren. Was machst du nun?«, fragte Isa.
»Ich…« Florentine schluckte und schnäuzte sich energisch. »Nachdem ich’s wusste und nachdem er es immer wieder abstritt, gab’s nur noch eins: entweder ein Schrecken ohne Ende oder ein Ende mit Schrecken.« Jetzt weinte Florentine.
Paul schaute sie mitleidig an, dann hielt er ihr das Bravo-Heft vor die Nase. »Schau mal, da ist Isa drin.«
Florentine warf einen tränenblinden Blick auf die bunten Seiten, dann quietschte sie los: »Himmel, das ist ja die Isa! Da schau her! Gut siehst du aus, gratuliere!«
»Es war ein Zufall«, schwächte Isas Mutter ab. »Verdreh ihr nicht den Kopf, ja? Der Tee ist fertig. Müsst ihr nicht eure Hausaufgaben machen?«
Paul nickte und sagte: »Isa, die wollen ein Gespräch von Frau zu Frau führen, da sind Kinder unerwünscht.« Er griff rasch in die Keksdose. An der Tür drehte er sich noch einmal um. »Ich find’s ja gut, dass du den Macho los bist und dich nach einem neuen Lover umsehen kannst. Aber euer Timing ist schlecht. Konntest du nicht warten, bis er mich ein einziges Mal mit seinem tollen Schlitten von der Schule abgeholt hat?«
»Daran hab ich in der Hektik einfach nicht mehr gedacht«, antwortete Florentine. »Später, wenn du älter bist, kannst du das vielleicht mal verstehen.«
»Das kapier ich jetzt schon«, meinte Paul. »Es gibt Dinge, die darf man nicht aufschieben.«
»So ist es«, sagte Florentine und heulte schon wieder.
Isa hätte ihre Tante am liebsten in den Arm genommen. Aber Paul zog sie heftig am Ärmel und schleppte sie nach draußen. An der Tür rief sie: »Ich geh jetzt. Johannes und die ganze Clique warten auf mich.«
»Wann kommst du wieder?«, fragte ihre Mutter, während sie Florentine Tee einschenkte. »Neun Uhr? Vergiss nicht, morgen ist Schule. Hast du eigentlich deine Hausaufgaben gemacht?«
»Alles o. k.«, sagte Isa schnell. »Kein Grund zur Aufregung.«
Weg war sie.
Mit der Mathearbeit landete Isa einen Totalflop, mit der folgenden Englischarbeit auch, und wenn sie an Physik und Chemie dachte, wurde ihr schlecht. Die Aussichten in der Schule waren düster. Es gab nur zwei Möglichkeiten: entweder ununterbrochen lernen, oder gar nichts mehr tun, angesichts der vielen Lücken, die sich eh nicht so rasch schließen ließen. Isa entschied sich für die zweite Möglichkeit, war ständig mit ihren Freundinnen unterwegs, verbrachte viel Zeit mit Felix auf dem Reiterhof, ritt, so viel sie konnte und ging ihren Eltern so gut wie möglich aus dem Weg. Außerdem bastelte sie an einem zweiseitigen Artikel über das Thema »Alltag auf dem Reiterhof – Pferdepflege und Ausreiten« und musste dazu einige Bücher lesen, um fundiertes Hintergrundwissen zu sammeln.
Da ihre Eltern jedoch getreu der familiären Abmachung – es gibt keine Heimlichkeiten! – von ihren Flops unterrichtet waren, machten sie sich naturgemäß um die schulische Laufbahn ihrer Tochter große und immer größere Sorgen.
Mit ihrer Erklärung zukünftig an drei Abenden an einem Selbstverteidigungskurs für Mädchen teilzunehmen, da sie nach dem Artikel über »Alltag auf dem Reiterhof« einen über dieses Thema schreiben und dafür eigene Erfahrungen sammeln wollte, überschritt sie deren Toleranzmarke: Es kam zu einer entschiedenen Stellungnahme ihrer Eltern.
»Und was ist, wenn ich einen miesen Artikel schreibe? Wollt ihr das wirklich? Außerdem – wenn ich lerne, mich im Notfall zu wehren, ist der Kurs keine verlorene Zeit. So gesehen ist er sogar zweimal nützlich, stimmt’s? Ihr wollt doch gewiss nicht, dass ich ein Opfer dreister Gewalt werde, oder?«
»Sei nicht dumm«, fuhr sie ihr Vater an. »Kein Mensch will das, am allerwenigsten wir. Aber wir wollen auch nicht, dass du eine Ehrenrunde in der Schule drehst. Also – worauf können wir uns einigen?«
Isa zog die Nase kraus. »Das Reiten kann ich nicht aufgeben, Felix nicht und meine Freunde auch nicht, ich meine, jeder Mensch braucht Freunde, und ohne Kontaktpflege läuft da gar nichts, das müsst ihr verstehen. Außerdem bin ich noch Redakteurin … Ich hab keine Ahnung, wie ich alles unter einen Hut bringen soll.«
»Da triffst du den Nagel auf den Kopf«, stellte ihre Mutter fest. »Für deine Freizeitaktivitäten tust du zu viel, für die Schule zu wenig. Wenn du den Kopf eines Genie hättest, wäre …«
»Eben«, unterbrach Isa erleichtert. »Hättet ihr mir bessere Erbanlagen mitgegeben, müssten wir uns jetzt nicht streiten. Im Grunde genommen ist alles eure Schuld. Was kann ich für meinen Kopf?«
»Für deine Faulheit bist du verantwortlich, das müssen wir schonungslos klarstellen. In zwei Wochen sind Pfingstferien, stimmt’s?« Ihr Vater blätterte im Kalender. »Zwei Wochen Ferien. In diesen zwei Wochen lernst du. Ich werde schauen, dass ich jemanden auftreiben kann, der dir dabei hilft.«
»Das kannst du mir nicht antun!«, rief Isa. »Ich lerne selbst! Aber in den Ferien will ich Ferien machen. Die Schule ist anstrengend genug, da braucht man ein bisschen Abstand zu der ganzen Paukerei. Ferien sind schließlich eine sinnvolle Einrichtung –«
»Zum Wiederholen, zum Lückenschließen, zum Nachlernen, was man in der Schulzeit versäumt hat«, fiel ihr Vater ihr ins Wort. »Wenn du jetzt keinen Nachhilfeunterricht bekommst, wirst du das Schuljahr wiederholen müssen. Das ist viel schlimmer, als in den Ferien zu lernen. Ich schau, dass ich rasch jemanden finde.«
»Wenn es sein muss«, antwortete Isa widerstrebend, dachte eine Sekunde nach und fragte dann hoffnungsvoll: »Suchst du einen netten Studenten?«
Sie lächelte ihren Vater an, streichelte ihn mit der einen Hand, mit der anderen Hand drehte sie an ihrem Nabelring.
»Es wird der älteste, scheußlichste Knacker sein, der mir über den Weg läuft«, antwortete ihr Vater grob. »So einer, den nicht die Löcher in deinem Bauch, sondern die Löcher in deinem Wissen interessieren.«
»Den möcht ich kennen lernen«, sagte Isa. Plötzlich fiel ihr noch etwas ein: »Heißt das, dass ihr Ferien ohne mich macht? Darf ich nicht mit euch in die Toskana fahren?«
»Du wirst hier bleiben und lernen«, sagte ihr Vater so entschieden, dass Isa auf jeden weiteren Protest verzichtete.
Enttäuscht und frustriert verzog Isa sich in ihr Zimmer.
Wegen Florentine kam aber alles ganz anders.
Sie machte Ernst mit ihrer Drohung ihren Lover ohne Rückflugkarte hinter den Mond zu schießen. Sie war so wütend, dass sie sogar einen Möbelwagen orderte, die Besitztümer ihres ehemaligen Lebensabschnittsgefährten einladen ließ und dem Fahrer nur die Adresse des Architekturbüros, dessen Besitzer der Elende war, in die Hand drückte.
Anschließend fuhr sie zu ihrer Schwester, Isas Mutter, und erklärte, diese Maßnahme habe sie um hundert Jahre verjüngt. Das müsse gefeiert werden, deshalb lade sie die ganze Familie zu einem Essen beim besten Italiener der Stadt ein.
»War das nicht eure Lieblingskneipe?«, fragte Isas Mutter. »Wenn wir dorthin gehen, weckt das Erinnerungen. Erträgst du die?«
»Klar. Jetzt steh ich über der Sache«, erklärte Florentine und fügte hinzu: »Jedenfalls hoffe ich das.«
Als sie dort saßen, die Gläser mit Rotwein oder Apfelsaft hoben und Florentine Glück und Erfolg für die Zukunft wünschten, trat plötzlich ein Mann an den Tisch: Es war der Blödmann, der Profilneurotiker im Endstadium, der Hohlkörper.
Mit einer theatralischen Geste verkündete er: »Mein Abschiedsgeschenk«, ließ einen braunen Umschlag auf den Tisch flattern und verschwand.
Die Flamme der Kerze flackerte, die kleine Vase mit der einsamen roten Nelke schwankte.
Florentine griff hastig nach dem Abschiedsgeschenk und fragte laut: »Was soll das? Was hat er sich nun noch ausgedacht?«, und riss den Umschlag auf. »Du lieber Himmel!«, rief sie. »Daran hab ich im Traum nicht mehr gedacht!«
Sie schaute in die Runde und breitete dramatisch zwei Flugtickets auf dem Tisch aus. »Was soll ich damit anfangen?«
»Was hast du denn da?«, fragte Paul neugierig. »Nun sag schon, du weißt doch, bei uns gibt es keine Heimlichkeiten.«