Life Undercover - Amaryllis Fox - E-Book

Life Undercover E-Book

Amaryllis Fox

0,0
7,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Als Undercover-Agentin bei der geheimsten Eliteeinheit der CIA

»Ich bin hier, um einen unmittelbar bevorstehenden Anschlag zu verhindern. Einen, der Kinder töten wird. Ich bin allein und einsatzbereit in dem Land, in dem mein Kollege entführt und geköpft wurde. Jede Stunde, die ich abwarte, ist eine Stunde mehr, in der etwas fürchterlich schiefgehen kann – für den Informanten, der meinen Aufenthaltsort kennt, für die Quelle, die mir helfen soll, den Anschlag abzuwenden, für uns, wenn die Bombe vielleicht doch hochgeht.«
Fast zehn Jahre arbeitete Amaryllis Fox in der Terrorismusabwehr der CIA. Ihr überwältigendes Memoir ist politisch und hochspannend, die elektrisierende Lebensgeschichte einer jungen Frau, die für eine bessere Zukunft kämpft.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 369

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Über das Buch

Als Undercover-Agentin bei der geheimsten Eliteeinheit der CIA»Ich bin hier, um einen unmittelbar bevorstehenden Anschlag zu verhindern. Einen, der Kinder töten wird. Ich bin allein und einsatzbereit in dem Land, in dem mein Kollege entführt und geköpft wurde. Jede Stunde, die ich abwarte, ist eine Stunde mehr, in der etwas fürchterlich schiefgehen kann — für den Informanten, der meinen Aufenthaltsort kennt, für die Quelle, die mir helfen soll, den Anschlag abzuwenden, für uns, wenn die Bombe vielleicht doch hochgeht.«Fast zehn Jahre arbeitete Amaryllis Fox in der Terrorismusabwehr der CIA. Ihr überwältigendes Memoir ist politisch und hochspannend, die elektrisierende Lebensgeschichte einer jungen Frau, die für eine bessere Zukunft kämpft.

Amaryllis Fox

Life Undercover

Als Agentin bei der CIA

Aus dem Englischen von Elisabeth Liebl

hanserblau

Für meine Mutter, die mich lehrte, ohne Tarnung zu leben

1

In der Scheibe des Schaufensters kann ich den Mann sehen, der mich beschattet. Er ist mir schon vorhin aufgefallen, weil sein Weg im Straßengewirr von Karatschi exakt derselbe ist wie meiner. Unsere Spiegelbilder überlagern sich in der Auslage des Schneiders. Er ist groß und hat ein Pferdegesicht. Seine Hände öffnen und schließen sich rhythmisch, während er mir folgt. »Der Schleier gibt Sicherheit« lese ich auf einem Plakat, das in der Auslage über den ausgestellten Burkas und Hidschabs hängt.

Mein Bus kommt und fährt vorbei, bedeckt mit ekstatischen Wirbeln aus Farben und Mustern. Jeder Quadratzentimeter bemalt mit bunten Formen, die ineinanderfließen wie bei einem Karnevalswagen, ein wahrer Dieseltempel fürs Auge. Er erscheint wie der Inbegriff der Freiheit, der unter seiner Last zu Boden geht, ein kriechender Drache, von der eigenen Schönheit niedergedrückt und von den Fahrgästen, die sich an seinen Rücken und seinen Bauch klammern. Diese Busse sind es, was ich an Pakistan am meisten liebe. Inmitten von Staub, Smog und Hupkonzerten ziehen sie den Blick auf sich, als schiene in dem sonst so freudlosen Gesicht eines Fremden plötzlich eine verwandte Seele auf.

Ich verliere nicht viel Zeit, wenn ich diesen Bus nicht nehme. In ein paar Minuten kommt ein anderer, der mich zur M. A. Jinnah Road bringen kann. Ich tue besser nicht so, als würde ich versuchen, Mr. Ed abzuschütteln. Nichts wirkt verdächtiger, als einen Beschatter abzuschütteln. Ich muss immer lachen, wenn ich mir Agentenfilme ansehe. Die Sprünge über die Dächer, das Wirbeln mit der Pistole. Im wirklichen Leben würde eine solche Verfolgungsjagd mitten durch die Stadt meine Tarnung unweigerlich auffliegen lassen. Man wiegt seine Verfolger besser in Sicherheit. Geht langsam, damit sie die Spur nicht verlieren. Bleibt mit dem Auto an der Ampel schon bei Gelb stehen. Lässt sie immer genau erkennen, wohin man will. In anderen Worten: Man langweilt sie zu Tode. Und hebt sich die Bond-Manöver für den Moment auf, da sie meinen, deine Schritte exakt vorhersagen zu können.

Ich sehe Mr. Ed, wie er an einem der Marktstände mit Küchengeräten hantiert, während wir warten. Es ist nicht ganz klar, welcher Typ von Beschatter er ist. Mein Tipp wäre, dass er zum lokalen Geheimdienst gehört — Spionageabwehr des jeweiligen Landes, in dem ich mich gerade aufhalte. In seinem Fall allerdings bin ich mir nicht ganz sicher. Die pakistanische Spionageabwehr ist gut in dem, was sie tut. Ihre Überwachungsteams sind sechs bis sieben Mann stark, sodass man die Beschatter alle paar Straßen auswechseln kann. Damit ist das Risiko geringer, dass ich sie bemerke. Der Mann hier scheint aber allein zu arbeiten. Und nicht nur das, sein Gesicht wirkt irgendwie fremdländisch. Trotz seiner traditionellen Kleidung — er trägt den Kamiz lang und locker über der Hose — sieht er aus, als würde er aus Zentralasien kommen. Ein Kasache vielleicht oder ein Usbeke. Vermutlich beschattet er mich wegen des Meetings morgen. Al-Qaida hat in jüngster Zeit viele Rekruten aus den zentralasiatischen Ländern aufgenommen. Und neue Leute zunächst mal zu Überwachungsaufgaben abzuordnen ist das Standardprocedere. So lernen sie die Stadt kennen, während die Ausbilder sich ein Bild von ihren Fähigkeiten machen können.

Ich sehe ihm zu, wie er sich durch die Gassen und Marktstände des Jodia-Bazars kämpft. Er nimmt ein Ersatzteil für einen Vergaser in die Hand und dreht es hin und her. Etwas an der Art, wie er mit dem Ding hantiert, lässt mich vermuten, dass er vielleicht zu einer dritten Kategorie gehört — ein künftiger Waffenschieber, der weiß, dass ich mit Jakab zusammenarbeite, dem ungarischen Lieferanten für buchstäblich alles, was aus Sowjetzeiten übrig geblieben ist. Natürlich gibt es da immer noch eine vierte, weniger spannende Möglichkeit: Er ist eins der klassischen Möchtegern-Raubtiere und verfolgt eine achtundzwanzigjährige Amerikanerin, die allein durch fremde Straßen streift. Vergessen wir nicht Ockhams Rasiermesser: Die einfachste Lösung ist gewöhnlich die richtige.

Regierungsbeamter oder Schläger, jeder Verfolger ist Grund genug, eine Operation abzubrechen. Es hat wenig Sinn, Informanten zu treffen oder Dokumente in Empfang zu nehmen, wenn man neugierige Augen und Ohren im Schlepptau hat. Selbst harmlose Voyeure verlieren schnell an Harmlosigkeit, wenn sie meinen, auf etwas Wertvolles gestoßen zu sein. Glücklicherweise bin ich nicht auf dem Weg zu einem Treffen. Nicht vor morgen. Heute geht es nur ums Auskundschaften.

Jakab hatte gesagt, ich solle mir die Kreuzung Abdullah Haroon und Sarwar Shaheed Street ansehen. Mehr wisse auch er nicht. Und nicht einmal das hätte er wissen dürfen. Er hatte seinen Käufern diese Information unter dem Vorwand entlockt, ohne ein paar Angaben zum Zielobjekt könne er ihnen nicht den richtigen Sprengsatz liefern. Sie bräuchten schließlich genug radioaktives Material, dass man es mit einem Geigerzähler messen könne. Genug, um ihnen die gewünschte Aufmerksamkeit zu sichern.

Als der nächste Bus kommt, steige ich gemächlich ein, als wäre ich nicht im Begriff, das Zielobjekt eines möglichen Anschlags mit einer Schmutzigen Bombe in Augenschein zu nehmen. Mr. Ed klettert nach oben, er setzt sich aufs Dach. Ich nehme im Frauenabteil Platz. Draußen geht der Nachmittag allmählich in die Dämmerung über, und die Motorräder schalten ihre Scheinwerfer ein. Es ist genug Zeit, um im Ansturm des abendlichen Verkehrs die Gebäude zu betrachten, die meisten älter als das Land selbst und Denkmäler aus einer Zeit, als Pakistan und Indien noch zusammengehörten und von Kolonialisten und Königen als Spielzeug benutzt wurden. Hier verspüre ich als Yankee eine Seelenverwandtschaft. Das Abschütteln des englischen Jochs. Ich kann mir die Männer und Frauen in Kamiz und Schal, von denen ich umgeben bin, auch gut dabei vorstellen, wie sie Teekisten ins Meer werfen. Wir sind Rebellenstaaten, sie und wir. Wenn diese Rebellion nur nicht so viel Blutvergießen verursacht hätte.

Ich sehe die Kreuzung aus dem Chaos aus Autos und Eselskarren auftauchen, weiter vorn, unter verblichenen Planen, die zwischen den Gebäuden aufgespannt werden, um Schutz vor der mittlerweile gesunkenen Sonne zu bieten. Auf der einen Seite liegt die National Bank of Pakistan, die meiner Ansicht nach ein Ziel sein könnte. Schließlich haben die Mullahs die Twin Towers als legitimes Ziel ausgewählt, weil Amerika ihrer Ansicht nach Muslime nicht nur mit Panzern tötet, sondern auch, indem es Unschuldige in Armut stürzt. Aber es fühlt sich irgendwie nicht richtig an. Das Betongebäude ist nicht besonders symbolträchtig, vielmehr die nackte Ausgeburt von typischem Nachkriegsbrutalismus. Es steht nicht gerade für westlichen Prunk.

Ich warte, bis der Bus langsamer wird, und springe zurück in den Staub der Stadt. Am anderen Ende des Busses landet Mr. Ed sanft auf den Beinen. Ich spaziere langsam die Abdullah Haroon Road hinunter, sodass er mir folgen kann, und dann, am oberen Ende angekommen, fällt es mir wie Schuppen von den Augen. Direkt vor mir, ein wenig zurückversetzt hinter verschlossenen Toren, liegt eine Art Miniaturschloss, eine kleine Steinfestung mitten zwischen Rikschas und Tauben. Der Karachi Press Club, die Bastion der freien Meinungsäußerung und des unabhängigen Journalismus in Pakistan. Heimat von Protesten und Debatten und der einzigen Bar im ganzen Land, die Alkohol ausschenkt. Hundertprozentig ist das der richtige Ort. Wie macht man sich in diesem Land am schnellsten zum Zielobjekt für einen Bombenanschlag? Richtig, indem man sich volllaufen lässt. Jakab meinte, dass der geplante Anschlag als Warnung gedacht sei — als Drohung an jedes Land, in dem die Worte der Presse so frei fließen dürfen wie der Alkohol: Zuerst räumen wir in Pakistan auf, dann knöpfen wir uns die Ungläubigen vor. Ein guter Plan, letztlich aber ist es schlicht sehr viel einfacher, hier einen Angriff zu planen und auszuführen als am Times Square. Al-Qaida bemüht sich schon seit 1992, an Nuklearwaffen zu kommen, als Osama bin Laden seinen ersten Trupp nach Tschetschenien sandte, um spaltbares Material zu besorgen, das während des Zusammenbruchs der Sowjetunion aus den offiziellen Registern verschwunden war. Aber ausgemusterte Atomwaffen sind schwer zu bekommen, teuer und launisch in der Handhabung. Da ist es nur sinnvoll, dass man zu Hause erstmal einen Probelauf versucht.

Das bedeutet, dass ich zwei Szenarien gleichzeitig im Hinterkopf behalten muss: zunächst die potenzielle Attacke vor meiner Nase und dann einen möglichen Folgeangriff auf US-amerikanischem Boden. Schriftsteller und Denker aus aller Welt kommen hierher, um im Karachi Press Club zu sprechen, auch Amerikaner. Eine Bombe mit einer Sprengkraft von zehn Kilotonnen würde jedes Gebäude und alle Menschen im Umkreis von achthundert Metern pulverisieren. Würde dieselbe Bombe vor dem Gebäude der New York Times mitten in Manhattan gezündet, würde sie den Times Square ausradieren, die Penn Station, Bryant Park und die New York Public Library, neben unzähligen Wohnungen, Kneipen, Kindergärten und Taxis. Die Stichflamme wäre heißer als die Sonne. Da Licht schneller ist als Schall, würde ungefähr eine halbe Million Menschen zu Staub werden, bevor sie auch nur ein Bumm hörten. Im Umkreis weiterer achthundert Meter würde die Strahlung die meisten Menschen innerhalb weniger Tage töten. Und wer außerhalb dieses Radius wohnte, würde in den nächsten Jahren an Krebs sterben.

Terrorismus ist ein psychologisches Spiel, das auf Eskalation setzt. Man hat nicht vor dem letzten Anschlag Angst, sondern vor dem nächsten.

Sie denken, es sei schlimm, wenn Botschaften in Übersee angegriffen werden, wie dies 1998 in Kenia und Tansania der Fall war? Dann stellen Sie sich ein Schlachtschiff vor, das im aktiven Dienst in die Luft gejagt wird, wie dies zwei Jahre später mit der USS Cole im Golf von Aden passierte. Sie finden einen Angriff auf das Militär erschreckend? Was sagen Sie dann zu einem Angriff auf unschuldige Menschenmassen auf heimatlichem Boden, wie wir ihn schreckensstarr an einem wolkenlosen Dienstagmorgen im September 2001 erlebten?

Seit dem 11. September beschäftigt al-Qaida nur eine Frage: Wie weitermachen? Was würde noch schrecklichere Bilder erzeugen als Flugzeuge, die in Wolkenkratzer krachen? Was könnte mehr Zerstörung bieten als der Tod von dreitausend Menschen an einem beliebigen Dienstagmorgen? Am Ende bleibt nur noch die Pilzwolke. Am Ende ist die einzig noch mögliche Eskalationsstufe eine Stichflamme, so hell, dass sie sich den wenigen überlebenden Zeugen für immer in die Netzhaut brennt.

Mr. Ed mustert eine Frau durch die Gitterstäbe an den Toren des Karachi Press Clubs. Sie trägt einen Kopfschleier, der an den Pucci-Stil der Siebzigerjahre erinnert. Der Saum ihres Kamiz ist mit Blumen bestickt. Ihr Outfit ist sittsam und islamisch, mit einem fröhlichen Touch von Die Partridge Familie. Neben den Toren verkauft ein Mann Blumensträuße. Er schreit den Autofahrern seine Preise entgegen. An dem Haus hinter ihm hängt das Schild eines Kinderzahnarztes.

Ich spüre Grauen in mir aufsteigen. Dieses Ausmaß an Zerstörung. Diese schreckliche, nutzlose Verschwendung von Potenzial. Am liebsten würde ich zum Pferdegesicht hinüberlaufen, ihn schütteln und fragen, wie er dazu kommt, diese Frau töten zu wollen, die mit Blumenmustern verzierte Kleidung trägt. Wie er darüber nachdenken kann, eine halbe Million Menschen wie sie einfach umzubringen. Doch vielleicht ist er auch nur ein gewöhnlicher Stalker. Morgen wird meine Chance kommen. Eine einmalige Gelegenheit, al-Qaida zu zeigen, warum sie besser keine Atomwaffe und keine Schmutzige Bombe im Zentrum einer großen Stadt detonieren lassen sollten. Eine einzigartige Gelegenheit, den Leuten, die dieses Land in die Knie zwingen wollen, von Angesicht zu Angesicht gegenüberzutreten.

Lass den Mann in Frieden, sage ich mir.

Dann zieht er ein Handy hervor, tippt eine Nummer ein und blickt mir dabei geradewegs in die Augen.

2

Mein Vater gleicht einer Tabellenkalkulation: logisch, extrem datenaffin und fähig, alle Informationen zu verarbeiten, die man ihm einfüttert. Er ist Amerikaner und wuchs in Franklinville im Staat New York auf, einer Kleinstadt, die so abgeschottet ist, dass er einer der ganz wenigen war, die nach der Highschool an die Uni gingen. Er studierte an der University of Chicago, wo er einer der jüngsten Professoren für Wirtschaftswissenschaften der Geschichte wurde. Als mein Bruder Ben und ich zur Welt kamen, war er als energiepolitischer Berater für Regierungen in allen erdenklichen Ländern der Welt tätig. Für uns hieß das, dass wir ihn meist nur zu sehen bekamen, wenn er auf dem Weg vom oder zum Flughafen war.

In jenen frühen Tagen war meine Mutter am ehesten mit einem impressionistischen Gemälde zu vergleichen: schön, manierlich und dazu ausersehen, eines Tages — aber nicht sofort — unter allen Vorschriften der Form hindurchzutauchen, um zu ihrer eigenen abstrakten Wahrheit vorzustoßen. Sie ist die Farbe in unseren Malbüchern, sie bringt Leben in unseren Morgen, Mittag, unsere Nacht. Sie ist Engländerin. Und wie alle Briten ist sie mit Vorschriften und Manieren aufgewachsen. In meinen frühen Erinnerungen ist sie durchdrungen von den Regeln der Klassengesellschaft, die die sozialen Kreise der englischen Landsitze prägen. In ihrer Jugend war sie eine wilde Dichterin, doch ihre Mutter regiert mit strengem Glanz, lehrt sie die Bedeutung der richtigen Angewohnheiten, der richtigen Sprache, der richtigen Bildung, um in den Untiefen der englischen Aristokratie zu gedeihen. In meinen frühesten Erinnerungen ist meine Mutter sich noch unsicher, ob sie diese Regeln weitergeben sollte. Ein Geschenk aus Liebe für uns Kinder, wir sind ihr ein und alles. Doch im Herzen noch Künstlerin entscheidet sie sich dafür, unsere Leinwände unbeschrieben zu lassen und langsam, immer mutiger, dürfen wir mit unseren Farben auch außerhalb der Linien malen.

Mein Bruder hat Lernschwierigkeiten. Manchmal hindern sie ihn daran, die Leinwand überhaupt zu erkennen. Ungestüm brillant, aber vor gewaltigen Hindernissen stehend, sobald motorische und sprachliche Fähigkeiten verlangt sind, wird er von den Halbstarken an unserer Schule in Washington D. C. gnadenlos gehänselt. Meine Mutter ist wild entschlossen, Bens Schwierigkeiten zu beheben, aus Angst, dass andere gemein zu ihm sein könnten, ihn als irgendwie falsch oder als anders ansehen könnten. Wir begreifen nicht so recht, welche schlimmen Dinge in den Schatten dieses »falschen« Lebens lauern könnten, aber wie auch immer sie aussehen mögen, aus dem Ton unserer Mutter schließen wir, dass sie schrecklich sein müssen.

Wie ein Sherpa, der fest entschlossen ist, seine Ladung auf den Gipfel des Mount Everest zu schleppen, sitzt Mama geduldig mit Ben an unserem kleinen Küchentisch und schlägt das Mathebuch auf: ein Meer von Zahlen, die, wie Ben klagt, auf der Seite einfach nicht stillstehen wollen. Sie hüpfen herum wie Kobolde, sagt er, und ich warte im Schränkchen unter dem Spülbecken darauf, dass einer in die Luft springt und auch ich ihn sehen kann. Ich habe das Schränkchen zum Spielzimmer umfunktioniert, mit Wolken aus Glitzerkleber an den Wänden. Hin und wieder gibt mein Bruder es auf, so zu tun, als würde er begreifen. Dann dreht er sich verzweifelt zu meinem Versteck um. Ich nehme die Pfote unseres alten Terriers Snowy und halte sie hoch, um ihm meine Solidarität zu signalisieren. Oder ich versuche, dass unsere Einsiedlerkrebse so aussehen, als würden sie ihm zujubeln. Dann endlich schenkt mein Bruder mir ein breites Grinsen, das schöne Lachen meiner Mutter perlt auf, und die beiden machen eine Pause, damit wir Popcorn essen können — Fertig-Popcorn komplett mit Pfanne, die auf der Herdplatte anschwillt wie ein schwangerer Bauch. An den Wochenenden streifen Ben und ich glücklich durch das Smithsonian, nur zu zweit. Mama setzt uns gegenüber des Triceratops aus Fiberglas ab, der Uncle Beazley heißt. Seine Hörner sind von Tausenden Händen blank geputzt, so viele Menschen sind hinaufgeklettert. Sie gleicht unsere Uhren an, dann ermahnt sie uns, auf Autos achtzugeben und uns nicht von Fremden ansprechen zu lassen (nicht mal, wenn sie behaupten, sie hätten Hundebabys zu Hause). Wenn wir die Treppen hinaufsteigen, ruft sie uns nach, dass sie uns liebt.

Im Mesopotamien-Raum des Naturhistorischen Museums sehen wir uns den Gilgamesch-Film an. Das ist ein Stop-Motion-Trickfilm mit Tonfiguren, die ruckeln, wenn sie gehen. Im Air and Space Museum essen wir dehydrierte Eiscreme und hören zu, was der Mann im Mond über Geschichte und Kriege und all die Veränderungen erzählt, die er von seinem Ausguck am Himmel zu sehen bekommen hat. Das lässt das Gilgamesch-Epos, wie mein Bruder immer sagt, zu einem schmalen Streifen in einem Fürst-Pückler-Eisbecher zusammenschmelzen.

Wenn das Wetter gut ist, verbringen wir unsere Zeit am Lincoln Memorial und rezitieren abwechselnd die Gettysburg Address von Abraham Lincoln, während wir einen Absperrkegel als Zylinder tragen. Kurz bevor die Zeiger unserer synchronisierten Uhren sich dem 17-Uhr-Punkt nähern, sausen wir los zur Infinity Sculpture, wo unsere Mom mit dem Auto wartet. Der Parkplatz im Untergeschoss ist geschlossen. Damit man dort keine Bombe ablegen kann, erklärt uns unsere Mutter.

Ich komme in den Kindergarten und erfahre dort, dass Ben sich auf eine Weise von anderen Kindern unterscheidet, die ich cool finde. Die anderen Kinder jedoch finden, das mache ihn zu einem Opfer. Er geht ein wenig steif. »Wie ein Freak«, spotten die anderen. »Wie Gilgamesch«, sage ich zu ihm. Auf dem Spielplatz bringt er seine Zeit damit zu, im Schatten eines Baumes zu sitzen und seltsame Musikstücke zu summen, mit langen Pausen darin. Die anderen Kinder glauben, er hat eine Schraube locker, ich aber weiß, dass er sich durch die Symphonie tastet, die mein Vater am Abend zuvor auf dem Plattenspieler gehört hat. Er summt den Part jedes einzelnen Instruments vom Anfang bis zum Ende. Zuerst die Geige, dann die Klarinette, dann die Kesselpauken. Er nimmt die Musik auseinander wie ein Bastler ein Radio. Und er hört im Kopf, wie alles zusammenpasst.

»Jedes Dorf hat seinen Idioten«, lachen die anderen Kinder.

Jedes Genie wird missverstanden.

Am Abend liest Mama uns vor. Paddington und Der König von Narnia und Wölfe ums Schloss. Sie ahmt alle Stimmen nach und unterbricht nur, wenn sie uns so sehr zum Lachen oder Weinen gebracht hat, dass sie einfach mitmachen muss. Danach reißen wir uns wieder zusammen und tauchen aufs Neue ein in die Seiten, die um uns tanzen und irrlichtern, bis wir endlich aufhören, um noch ein Kapitel zu bitten, und in den Schlaf hinübergleiten in Länder weitab von Mathebüchern und Schulquälgeistern. »Vergesst nie«, flüstert Mama zärtlich, »ihr könnt überall hinreisen, indem ihr nur die Augen schließt.«

Als ich sieben bin und Ben zehn, sammeln wir die Deckel unserer Cornflakesschachteln und schicken sie ein, damit wir ein Geisterhaus aus Pappe bekommen. Es kommt in einem ganz flachen Paket an, und wir bauen es im Keller auf, stecken sorgfältig die Einzelteile ineinander, bis wir tatsächlich unser eigenes Spukschloss haben, zwischen Waschmaschine und Treppe.

Das Licht da unten ist recht düster, da es durch staubige Kellerfenster muss, daher benutzen wir mein Plastikglühwürmchen als Laterne. Das heißt, dass wir es jeden zweiten Tag in den sonnigen Garten hinaufbringen müssen, damit es sich auflädt. Von Zeit zu Zeit kommt Mama runter, um die Wäsche zu machen, aber ansonsten ist unser Königreich abgeschottet von der Welt da oben.

Ich trage Rollerskates und mein Bruder baut Häuser aus Lincoln Logs, Holzbausteinen, die man zu Forts und Blockhütten zusammensetzen kann. Doch sie sind winzig im Vergleich zu unserem riesigen Papp-Spukschloss. »Wir müssen die Dörfler beschützen«, sagt er. Also setzen wir Actionfiguren auf die Hütten und sperren Bens Spielzeugvampir in das Spukschloss, damit sie sich nicht fürchten müssen. »Snowy wird sie verteidigen«, gurre ich und streichle über das drahtige Fell des alten Hundes, der auf dem Boden schläft. Manchmal kommt Bens alter Teddybär Chester mit nach unten und setzt sich schief und pummelig neben ihn.

Wir sind da unten im Keller und wehren Angriffe von feindlichen Raumschiffen ab, als meine Mutter die Treppen herunterkommt und uns sagt, dass Bens Brief gekommen ist. Man hat ihn in Wicken Park angenommen, dem englischen Internat, in das er gehen soll, bevor er nach Eton kommt.

»Und wenn es ihm dort nicht gefällt?«, frage ich. »Wenn sie gemein zu ihm sind?« Meine Mutter setzt sich auf die unterste Stufe.

»Nun, dann kann er uns schreiben und uns alles sagen«, meint sie liebevoll. »Und wir kommen und holen ihn ab.« Sie wendet sich Ben zu. »Die Lehrer werden vielleicht deine Briefe lesen, deshalb brauchen wir also ein Codewort.«

»Wird sie das denn nicht beleidigen?«, frage ich. »Wenn wir ihn wieder abholen?«

»Wir denken uns eine Entschuldigung aus«, sagt sie. »Wir brauchen nur ein Wort, das normal in einem Brief nicht vorkommt, damit du es nicht versehentlich verwendest.«

Es ist verwirrend: Warum schicken wir Ben an einen Ort, wo er ein Codewort braucht, wenn er wieder wegwill? Ich weiß nicht mal, wie Wicken Park aussieht. Ich kann mir den Ort nicht vorstellen, der mir meinen Bruder raubt. Ich gucke die Pappungeheuer auf meiner Seite des Spukschlosses an. Eines hat ein ganz weißes Gesicht, weil der Klebstreifen die Farbe abgezogen hat. Vor ihm fürchte ich mich am meisten.

»Wie wäre es mit ›Spukschloss‹?«, frage ich.

»Perfekt«, sagt Mama und drückt uns beide fest.

*

Wir begehen jeden Tag des folgenden heißen, schwülen Sommers so, als wäre er eines von einer Anzahl genau abgezählter Juwelen. Wir notieren jedes Mal, wenn wir Dinge vielleicht zum letzten Mal tun — Maulbeerblätter für die Seidenraupen in Bens Zimmer pflücken, weil wir einen Fallschirm aus ihrem Gespinst machen wollen; über die Balken am Georgetown Canal balancieren und dabei so tun, als wären wir tapfere Seeleute, die von bösen Piraten zum Plankengehen gezwungen werden; auf dem Rücksitz im Kombi unserer Eltern ausharren, bis wir im John-Brown-Wachsfigurenkabinett mit seinen Musketen und Freiheitskämpfern und dem verhüllten Henkersstrick waren.

Mitten in diesen letzten Monaten fing der Bauch meiner Mutter auf einmal an zu wachsen wie die Popcornpfanne auf dem Herd, und unsere Eltern sagten uns, wir würden bald eine Schwester bekommen.

Diese Nachricht setzt sich in uns irgendwie nicht fest, bis wir beide mit Windpocken im Bett liegen und Mama in ein Hotel ziehen muss, um das Baby nicht zu gefährden. Wir heulen nach ihr und wollen, dass sie uns übers Telefon Geschichten vorliest, nur um dann sauer zu erklären, das sei nicht dasselbe. Unser Vater tut sein Bestes, um uns abzulenken. Er spielt uns Carl-Sagan-Vorträge über die Weiten des Universums auf dem Plattenspieler vor. Wir fallen ein, wenn Carl mit seiner magischen, tief klingenden Stimme über die unendliche Anzahl der Sterne am Himmel spricht und sagt: »Milliarden.« Aber beim dritten oder vierten Mal macht auch das keinen Spaß mehr, also wechselt Papa zu Billy Crystal und der Saturday Night Life Show, und wir alle rufen gemeinsam: »You look marvellous!«, obwohl wir voller Pusteln sind.

Als ihm die Schallplatten ausgehen, greift er zu den harten Sachen. Er bringt uns bei, Möbiusschleifen zu basteln. Einen Streifen Papier zu einer runden Schleife biegen, es in der Mitte verdrehen, die Enden zusammenkleben und — »Ta-da«, sagte Papa, »schon hast du die Ewigkeit«. Ich schaue ihn an, als wäre er verrückt, aber dann meint er, ich solle mal eine Linie auf der Oberfläche dieser Schleife zeichnen, ohne den Stift abzusetzen. Und tatsächlich geht der Strich auf der Innenseite weiter, eine einzige, ununterbrochene Linie auf beiden Seiten. Das ist pure Zauberei.

»Hat sich doch gelohnt, dass wir Windpocken gekriegt haben, wo wir jetzt wissen, wie man die Ewigkeit macht«, sagt Ben zu mir. »Findest du nicht?« Dann kommt meine Großmutter, um uns zu helfen, und der köstliche gestohlene Splitter von Dads Aufmerksamkeit verschwindet wieder wie Sonnenlicht unter der Tür eines geschlossenen Schranks.

An jenem 4. Juli standen Ben und ich auf der verfallenen Brücke über den Potomac Docks, als das Feuerwerk in den Himmel krachte. »Stell dir vor, das wäre das Zeichen, dass die Briten kommen«, sagt Ben. Ich schließe die Augen und versuche es. Eine Armee marschiert ein, um unsere Familie zu töten. Mit jedem Donner kommen sie näher. Ich fange an zu weinen. Und zum ersten Mal in meinem Leben wird mir klar, dass Feuerwerk nicht immer zum Spaß da ist.

In der Woche darauf kommt Antonia zur Welt. Aber sie ist nur ein Baby und kann die Tatsache nicht wettmachen, dass Ben bald weg sein wird. Mama fängt an, neben dem Kinderbett zu schlafen, weil Antonia nachts so viel weint. Im Sommer dann begleitet sie uns, als wir Ben in die Schule jenseits des Ozeans bringen.

Wir fahren durch die abgelegensten englischen Landschaften nach Wicken Park, einem beeindruckenden Landgut aus Steinquadern, das aussieht, als habe man es direkt aus einem Dickens-Filmset genommen. Ben und ich stehen Seite an Seite in der geschwungenen Einfahrt und sehen zu, wie die anderen Jungs mit ihren riesigen Koffern und affigen Haarschnitten ankommen. Ben presst seine Hand fest in meine. Ich spüre, dass er zittert. Die Schule sieht aus wie unser Spukschloss aus Pappe. »Wenigstens haben wir das richtige Codewort ausgesucht«, denke ich. Aber ich sage es nicht laut. Stattdessen sage ich: »Ein sehr schönes Königreich, um es vor Piraten zu beschützen!« Und er nickt so mutig, dass ich einen Kloß im Hals bekomme. Dann, endlich, fließen die Tränen.

»Der weint ja wie ein kleines Mädchen«, kräht einer der affigen Jungs. »Buuhuu. Du bleibst besser zu Hause und spielst mit deiner Schwester.« Ich lasse Bens Hand los, damit sie ihn nicht noch weiter verspotten. Dann ist er plötzlich weg. Eine Hausmutter hat ihn brüsk eingesammelt und durch die Tür gescheucht. Ich spüre immer noch die Wärme seiner zitternden Hand in meiner.

Wir stehen eine Weile da und beobachten die Fenster, falls er noch winken sollte, doch die Scheiben spiegeln nur die Kühle des Abendhimmels wider.

*

Kaum sind wir wieder zu Hause, findet unsere Einrichtung ihren Weg in Umzugskisten. Mein Vater erklärt mir, dass auch wir nach England ziehen werden. Nicht aufs Land wie Ben, sondern nach London. Dort wird er die Regierung von Maggie Thatcher beraten, was sie mit der Kohleindustrie anstellen soll. Durchs Fenster sehe ich, wie meine Mutter Snowy einem Ehepaar übergibt, das in einem VW-Bus angekommen war. Ich gehe in den Keller und setze mich allein in unser Spukschloss.

In London beanspruche ich das Zimmer im obersten Stock für mich. Es ist eine Mansarde, die sich unter die Dachbalken duckt. Und es gibt ein Fenster, durch das ich hinausklettern kann, sobald meine Mutter mir eine Geschichte vorgelesen und das Licht gelöscht hat. Ich sitze fast jede Nacht draußen, zusammengekauert auf den Dachziegeln, die Füße unters Nachthemd gezogen. Von meinem Platz auf dem Dach kann ich sehen, wie Big Ben zehn Uhr abends schlägt. Die Uhr ist nur ein paar Blocks weg von uns. Ihr riesiges Gesicht hängt in der Nacht wie ein verlorener Mond über den Schornsteinen. Und ich schwebe hier oben mit ihr und fühle mich gleichzeitig klein und ungeheuer weit.

Ben kommt jeden Monat für ein Wochenende nach London, um uns zu besuchen. Wir traben rund um die Westminster Abbey und das Parlament. In der Abbey pausen wir mit Bleistift und Papier die Reliefs ab und denken uns Geschichten über die Dichter und Könige aus, deren Gräber an den Wänden aufgereiht sind wie gruselige kleine Apartments. Wenn wir nach Hause kommen, schläft Antonia meistens, und Mama hat uns ein Schild an die Tür gehängt, auf dem sie uns bittet, leise zu sein wie die Mäuschen. Wir stürmen hinein und tun unser Möglichstes, um laut quiekend die Nager zu imitieren, dann brechen wir zusammen vor Lachen.

Am Ende jedes Besuches umarmt Ben mich und wiegt mich in dem Glauben, es mache ihm nichts aus, wieder zurückzufahren. Doch zwischendrin erhasche ich Splitter seines Kummers. Was für gewöhnlich damit endet, dass er mich mit einem Blick bittet, nicht weiter zu bohren.

»Wie geht’s Chester?«

»Den gibt’s nicht mehr.«

»Was ist denn mit deinem Kopf passiert?«

»Ich bin gegen den Heizkörper gefallen.«

»Wer ist dein bester Freund?«

»Ich glaube, die Hausmutter.«

Ich wünschte mir, er würde das Codewort benutzen. Dann würde Mama ihn nach Hause holen, und er wäre bei uns, und alles wäre wieder so, wie es war. Aber er tut es nicht. Er wird nur immer stiller und größer. Bald fühlt er sich sehr fern an, selbst wenn er zu Hause ist.

Ich fange an der American School in St. John’s Wood an. Dort gehen coole Kinder hin. Ich gehöre nicht dazu. Ich schließe mich zwei anderen Ausgestoßenen an, Lisa und Laura. Als die coolen Mädchen einen Club gründen, den sie die »Pink Ladies« nennen und zu dem sie uns natürlich nicht einladen, gründen wir unseren eigenen Club und nennen uns die »Cool Cucumbers«. In den Pausen fegen wir den Hof, um dem Hausmeister zu helfen. Wenn es regnet, bauen wir aus ausrangierten Schachteln Roboter. Peter, der Postbote, ist unser Meisterstück. Ein Robo-Postler, so groß wie wir, der eine verschlossene Schachtel in seinen Eingeweiden trägt, in der man geheime Botschaften hinterlassen kann.

Lisa und ich werden zu einer Pyjamaparty der Pink Ladies eingeladen. Ein Mädchen namens Cassie hat Geburtstag. Weil wir uns dort so unwohl fühlen, versuchen wir, uns wie Erwachsene zu verhalten. Natürlich schlafen wir prompt ein. Wir werden mitten in der Nacht aufgeweckt und vor Gericht gestellt, weil wir Cassies Mutter Sorgen bereitet haben. Cassie sitzt auf einem Kissenstapel und ist die Richterin. Als das Tribunal zu Ende ist, verurteilt sie uns zu einer Nacht im Wandschrank ihres Schlafzimmers. Wir werden dort eingesperrt und schlafen zwischen Cassies Schuhen und glitzernden Paillettenkleidern, bis unsere Mütter uns am nächsten Morgen befreien.

Irgendwie schweißt uns diese Unverschämtheit zusammen, und wir halten zueinander wie Pech und Schwefel. Laura und ich verfassen ein Lexikon über unsere eigene Sprache und benutzen sie, um über die coolen Mädchen zu lästern. Lisa zeigt mir, wie ich mit Schnur ein Spinnennetz durch mein Zimmer ziehen kann. Wenn ich Glöckchen daran befestige, merken wir sofort, ob Geister unterwegs sind, wenn wir schlafen. Drei Monate lang sind wir glücklich. Am Tag nach Weihnachten nimmt meine Mutter mich beiseite und sagt mir, dass Laura tot ist. Sie starb, als sie mit ihrer ganzen Familie, von der Großmutter bis hin zu ihrem kleinen Bruder, nach Hause in die USA unterwegs war. Auf dem Pan-Am-Flug, der von libyschen Terroristen über Lockerbie in Schottland in die Luft gesprengt wurde. Ich bin acht Jahre alt.

Ich verfalle lange Zeit immer wieder in Schweigen. Mir ist, als wäre mein Kopf mit Watte vollgestopft. Ich fühle mich schläfrig und stumm und taub. Schließlich bringt mein Vater mir bei, die Londoner Times zu lesen. »Du musst verstehen, welche Macht Laura geholt hat. Du wirst dich weniger fürchten, wenn du es begreifst.« Ich denke an das gesichtslose Ungeheuer auf dem Spukhaus aus Pappe und weiß, dass er recht hat.

Langsam füllt sich meine Welt mit neuen Charakteren. Gaddafi und Thatcher und Reagan und Gorbatschow. Sie hören sich an wie Gestalten aus einem exotischen Märchen, Zauberer und Hexen und Jäger, die in einem fernen magischen Wald leben. Aber ihre Märchenkriege drängen sich in die wirkliche Welt, in meine Welt, und stehlen mir meine Freunde vom Himmel. Ich muss also aufpassen.

Im Juni fasziniert mich das Bild eines einsamen Studenten vor der Reihe chinesischer Panzer an einem Ort, der Tian’anmen-Platz heißt. Tian’anmen, so heißt es in den Artikeln, bedeute »Tor des himmlischen Friedens«. Dieses Bild sehe ich mir immer wieder an. Er wirkt so friedlich. Friedlich und so stark, dass die Soldaten aufgeben müssen.

Und es gibt andere, die die Macht dieses Mannes sehen. Im November passiert dasselbe in Berlin, nur reißen die Leute diesmal eine Mauer ein. In der Zeitung heißt es, mehr als hundert Menschen seien ums Leben gekommen, als sie versuchten, auf die andere Seite zu gelangen. Die Erste war eine Frau namens Ida, die aus dem Fenster in ihrer Wohnung sprang, weil sie zu ihrer Schwester wollte. Sie hatten immer gegenüber gewohnt. Und dann war über Nacht eine Mauer in der Straße in die Höhe gezogen worden, und sie durften diese Mauer nicht überqueren. Das erinnert mich ein bisschen an die Mauer, die nun zwischen mir und Laura besteht. Im Herzen bin ich bei den Protestierenden, die auf den Autodächern stehen und die Mauer Stück für Stück einreißen.

3

Wir verbringen den Sommer auf dem Land, im Haus meiner eng-

lischen Großeltern — einem weitläufigen alten Gutshaus ohne anständige Heizung und mit Mäusen in den Schränken. Mein Großvater wirkt wie ein kolonialbritisches Fossil, er arbeitet in der City und scheint nicht mal dann anwesend, wenn er zu Hause ist. Meine Großmutter hingegen ist eine ehemalige Sportlerin, die, seit sie fünfunddreißigjährig an Polio erkrankte, im Rollstuhl sitzt. Sie ist witzig und klug, so klug, dass sie alle Seminararbeiten meines Großvaters schrieb, als die beiden sich an der Universität Edinburgh kennenlernten, und es geht ihr unter die Haut, wenn seine hübschen jungen Sekretärinnen einen Blick auf ihre verkrümmten Beine werfen und über sie in der dritten Person sprechen, als wäre sie dement.

»Braucht sie eine Decke?«, fragen sie, wenn sie ins Haus kommen, um ein Diktat aufzunehmen.

»Nein, tut sie nicht«, antwortet meine Großmutter dann. »Aber einen Gin Tonic könnte sie vertragen.«

Meine Großeltern haben einen Adoptivsohn, Christian, der von den Philippinen stammt und ihnen Gesellschaft leisten soll, jetzt, da ihre anderen Kinder alle erwachsen sind. Christian und ich sind ungefähr gleich alt, und meine Großmutter hat als echte Sportlerin einen gewissen Ehrgeiz, uns in allen möglichen Wettbewerben gegeneinander antreten zu lassen. Die Post zu holen wird ein Wettlauf durch die Allee der Einfahrt. Kartenspiele werden zum Gedächtnis-Wettkampf, wenn sie uns plötzlich fragt, ob wir uns an die letzten zwanzig Karten erinnern können, rückwärts oder vorwärts oder nach Farben oder Sequenzen angeordnet. Bevor wir unsere Weihnachtsgeschenke aufmachen dürfen, müssen wir durch den zugefrorenen Pool schwimmen. Wir tauchen durch ein Loch der Eisschicht hinein, durch ein anderes atemlos und voller Panik wieder auf. Meine Großmutter drückt auf die Stoppuhr, während wir uns auf den kalten Beton ziehen und in der eiskalten Luft schwer atmen. Die Sommerferien werden von Tagesausflügen durchbrochen, bei denen die Erwachsenen im Auto fahren und Christian und ich nebenherlaufen, während der dieselgetriebene Kombi sich durch die Kurven Richtung Stadt windet.

So oft wir können, schleichen wir davon und sausen in die entlegensten Ecken des Gartens, wo die Gärtner das Buschwerk nicht entfernt haben und wir spielen können, ohne den wachsamen Blicken der Erwachsenen ausgesetzt zu sein. Wir bauen ganze Welten unter diesen Zweigen, in denen wir als gerechte Ritter auf Abenteuerfahrt gehen. Regnet es, dann suchen wir uns Verstecke im Haus, meist oben auf dem Speicher, wo wir die Schätze von Großvaters Reisen durchwühlen. Ganz besonders mögen wir das Mahjong-Spiel mit den Elfenbein-Spielsteinen, auf denen Drachen und andere fremdländische Gestalten abgebildet sind. Auf einem Tisch in der Ecke stehen eine Schreibmaschine und ein Funkgerät. Dort sind wir am liebsten. Das ist unser Allerheiligstes. Hier verbringen wir verregnete Sommertage und lauschen auf das Knistern des Funkgeräts wie eine Hexe, die ihre Teeblätter studiert, um in all den unverständlichen Signalen eine Botschaft auszumachen. Manchmal schnappen wir ein Wort auf. Manchmal sogar einen Satz. Dann versuchen wir eiligst, eine Antwort zusammenzukriegen, geradezu gierig danach, anderen über den Äther die Hand zu reichen.

»Hier ist England. Over.«

Gleichförmiges Rauschen.

»Hören Sie uns? Over.«

Meist noch stärkeres Rauschen. Hin und wieder aber kommt eine Stimme aus irgendeiner entfernten Ecke der Welt.

»England? Hallo, England! Hier ist Pretoria.« Oder São Paulo. Oder Mumbai.

Wir wechseln uns ab. Einer dreht am Gerät herum, der andere tippt Notizen. Die ziehen wir am Ende schwungvoll aus der Schreibmaschine und legen sie feierlich auf den Stapel der letzten Tage. Über jeden Ort, den wir per Funk kontaktieren, schneiden wir Zeitungsartikel aus und kleben sie auf das entsprechende Blatt. Zum ersten Mal begreife ich, dass ich mit den Orten aus Papas Zeitungen tatsächlich kommunizieren kann. Zum ersten Mal rücken die Akteure des Weltgeschehens in meine Reichweite. Es ist aufregend zu erkennen, dass wir von der Außenwelt nicht nur durchgeschüttelt werden, sondern aktiv auf sie einwirken können. Und es ist tröstlich zu wissen, dass wir nicht allein sind, vor allem, wenn die Erwachsenen uns nach unten rufen und wir wieder gegeneinander antreten müssen.

»Wer schafft die meisten Klimmzüge?«, schleudert uns meine Großmutter entgegen. »Wer kann die meisten Würstchen essen?« Christian hasst Würstchen. Er schiebt eines nach dem anderen in den offenen Kamin hinter uns, während wir so tun, als würden wir sie hinunterschlingen. Dann erspäht das großmütterliche Adlerauge seine Finte, und sie verlangt von uns, dass wir die entsorgten Würstchen doppelt so schnell essen, obwohl sie jetzt voller Holzsplitter und Asche sind.

Die einzige Atempause bekommen wir beim Nachmittagsspaziergang, wenn unsere Großmutter ihren normalen Rollstuhl gegen einen riesigen, orangefarbenen Motorrollstuhl tauscht, der liebevoll »Buggy« genannt wird. Er erinnert ein wenig an die Stühle, in denen Astronauten in den Filmen im Air and Space Museum durch den Weltraum fahren. Er hat einen Joystick, wie ein Pac-Man-Computer, der die kleinen Gummiräder mit hohem Profil steuert. Wie ein Moonrover. Jeden Tag nach den Mittagsdrinks und vor den abendlichen Cocktails versammeln sich die Erwachsenen vor dem Windfang des Hauses zum Nachmittagsspaziergang. Meine Großmutter führt die Schar an, die Zeremonienmeisterin unserer kleinen Parade auf ihrem orangefarbenen Gefährt. Mama geht neben ihr und füttert nebenbei die Enten am Fluss oder zupft Blüten von den Zweigen. Je nachdem, wer gerade zu Besuch ist, werden die beiden von Onkeln und Tanten begleitet. Wir Kinder folgen, Ben und Christian mit unseren unzähligen Cousins und Cousinen, umgeben von einer Meute Golden Retriever, die ich im Geist zu Löwen mache.

So schreiten wir über Wald und Flur, am Fluss entlang, wo wir Kaulquappen in Einmachgläser sammeln und sie meiner Großmutter überreichen, damit sie sie halten soll. Über den fernen Hügel zuckelt ein Zug, und wir winken ihm zu, während er seinen Weg nach London sucht. Manchmal treffen wir auf Trevor, den Hauswart, der Blätter für ein Herbstfeuer anzündet. Christian und ich stehen so nah am Feuer, dass wir die Hitze auf unseren Wangen fühlen und der Geruch nach holzigem Rauch in unserem Haar hängt, bis wir nach Hause kommen. Bei diesen Spaziergängen müssen wir nie laufen oder rezitieren oder andere Wettspiele ausführen. In der knackigen Landluft ist meine Großmutter glücklich. Und sie lässt auch uns glücklich sein.

*

Eines Tages sind Christian und ich auf dem Speicher und spielen mit dem Funkgerät, als wir merken, dass es unten vollkommen still ist. Stundenlang hat niemand nach uns gerufen. Die Versuchung ist groß, einfach dort oben zu bleiben, aber die Stille könnte möglicherweise auch bedeuten, dass wir Eiscreme aus dem verbotenen Gefrierschrank in der Küche stibitzen könnten. Wir schleichen die Hintertreppe hinunter und finden die Erwachsenen im Halbkreis um den Fernseher versammelt. Sie sehen eine Nachrichtensendung über das Weiße Haus. Nur dass es nicht das Weiße Haus in Washington ist. Es ist ein anderes. Es steht in Moskau. Und es ist von Panzern umgeben.

Langsam wird mir die Bedeutung dieses Films klar. Mein Vater ist gerade in Moskau. Deshalb stehen alle schweigend da. Deshalb lassen sie den Bildschirm nicht aus den Augen, als könnten sie ihn irgendwo in der Menge entdecken. Er hat in den letzten Monaten dort gearbeitet und versucht, auf eine Gesetzesänderung hinzuwirken, die den Leuten erlaubt hätte, ihre eigenen Läden auch wirklich zu besitzen.

»Will die Regierung ihre Läden zurück?«, frage ich die Erwachsenen. Sie scheuchen uns weg, aber wir verkrümeln uns in die Ecke und sehen vom Boden aus zu.

Wie alle guten Nachrichtensendungen kennt auch diese Helden und Schurken. Der Held Michail Gorbatschow ist in seinem Haus eingesperrt, während der Schurke Gennadi Janajew versucht, die Kontrolle zu übernehmen. Gorbatschow hat den Leuten Rechte gegeben, und Papa hilft ihm dabei. Janajew aber will alle diese Rechte wieder kassieren. Zusammen mit den Geschäften. Und dem Geld. Und dem Land.

Meine Mutter versucht, Papas Hotel anzurufen, aber es kommt keine Verbindung zustande.

Aus unserer Ecke sehen wir zu, wie Janajews Panzer die Hauptstadt einschließen. Einmal mehr bricht die Welt der Nachrichten in meine Wirklichkeit ein. Als dies das letzte Mal geschah, starb Laura. Ich will den Fernseher anschreien oder hinauflaufen, um eine Warnmeldung über Funk abzusetzen. Alles, um zu verhindern, was da gerade abläuft.

Dann plötzlich füllen sich die Straßen im Fernsehen mit Menschen. Sie schieben ihre Obstkarren nach draußen und bauen Barrikaden aus leeren Straßenbahnwagen. Sie blockieren den Weg von Janajews Panzern. Wie der Mann am Tian’anmen-Platz. Sie stehen untergehakt da — für Gorbatschow und ihre Geschäfte und ihre Rechte und meinen Vater. Sie halten stand. Und die Panzer müssen abziehen.

Als mein Vater nach Hause kommt, vergehe ich fast vor Neugier nach den Geschichten aus diesem heldenhaften Kampf um die Freiheit. Er lacht. »Die Menschen sind die Helden, Liebes. Ich bin nur in meinem Moskauer Hotelzimmer herumgesessen. Die einzige Härte, die ich zu erdulden hatte, war das sowjetische Toilettenpapier. Wir müssten den Markt dort unbedingt für unsere Drogeriemärkte öffnen.« Er grinst. »Aber wenn es dich so sehr interessiert, warum kommst du nicht einfach mal mit?«

Das ist eine Einladung in die Welt der Zeitungen. Mein Herz macht einen Sprung.

»Darf ich wirklich?«

»Warum eigentlich nicht?«, sagt er. Und ein Jahr später, als ich zwölf bin, sitzen Ben und ich als unbegleitete Minderjährige in einer Maschine der Aeroflot, der alten sowjetischen Airline, mit dem geflügelten Hammer-und-Sichel-Emblem auf der teppichbezogenen Trennwand zum Cockpit. Es ist lange her, dass wir zu zweit auf Abenteuerfahrt gingen.

Als wir in Moskau landen, ist es regnerisch und grau. Unser Vater holt uns vom Gate ab und führt uns durch die VIP-Abfertigung.

»Was muss man machen, um VIP zu werden?«, will ich wissen. Dad reibt die Spitzen von Daumen und Zeigefinger aneinander, das international bekannte Zeichen für Geld. Ben hat mir auf dem Flug die Grundlagen der Sowjetwirtschaft erklärt, und Bestechungsgelder scheinen mir nicht sehr hammer-und-sichel-mäßig, aber in der Schlange für die Normalbürger dauert die Abfertigung Stunden, und ich muss dringend aufs Klo, also frage ich nicht weiter.

Es stellt sich heraus, dass fast ganz Russland so funktioniert. Wenn wir etwas wollen, das nicht im Supermarkt in den Regalen steht, gehen wir in ein teures Hotelrestaurant. Wenn wir eine Kirche besuchen wollen, spucken wir eine fette Spende für die Kommunistische Partei aus. Und wenn wir nicht Schlange stehen wollen, um Lenins Grab zu sehen, zahlen wir für einen Privatführer. Lenin wirkt kleiner, als ich erwartet hatte, zierlich und zerbrechlich. Ganz anders als die riesigen Gebäude und massigen Sowjetstatuen. Er sieht schwach aus und menschlich und schön.

»Glaubst du, er wäre überrascht, wenn er wüsste, wie alles gekommen ist?«, frage ich Ben, als wir im Nieselwetter über den Roten Platz spazieren. Frauen eilen gruppenweise in die Straßen mit den Marktständen und schlagen ihre Kragen hoch, um sich vor der Nässe zu schützen. Sie sehen älter aus, als sie sind.

»Vielleicht ist das ja noch nicht das Ende«, meint Ben. Ich denke kurz darüber nach, dann nicke ich. »Du kannst ein Buch nicht beurteilen, wenn du nur die Hälfte gelesen hast«, sagt meine Mutter immer.

Wir lernen schnell, was in dieser neuen Welt vonnöten ist, Freibeuter, die wir sind. Nicht lange und wir sausen in Moskau und Sankt Petersburg herum wie in Washington und London. Wir spielen Fangen im GUM, dem alten Warenhaus der Sowjetunion, einem riesigen Skelett mit zersplitterten Türen und überglasten, leeren Galerien, in denen das Echo hallt. Wie Dinosaurierknochen im Wind. Wir basteln uns Spielzeugboote aus Zweigen und Schirmtuch, die wir auf den Brunnen im Sommerpalast segeln lassen. Wir jagen Straßenkatzen in den Gärten der Eremitage und haben schnell heraus, welche Schwarzmarkthändler die besten Kurse anbieten.

Hin und wieder kommt Papa mit auf unsere Ausflüge, aber meistens sehen wir ihn erst am Abend in seiner Wohnung. Er hat sie gemietet, als er es satthatte, im Hotel zu wohnen, aber sonderlich eingerichtet hat er sich nicht, nur dass jede Wand nun voller Bücherregale steht. An dem kleinen Campingtisch trinken wir Tee und berichten ihm von unseren Abenteuern, und er erzählt uns Geschichten über die Dinge oder Orte, die wir gesehen haben. Er hört sich anders an als zu Hause. Seine Worte haben nicht dieselbe Kraft. Wenn ich darüber rede, wie man den Menschen helfen könnte, frei zu sein, lenkt er das Gespräch schnell in eine andere Richtung. Als ich sage, ich wolle jenes Weiße Haus sehen, wo die Menschen die Panzer mit ihren Obstkarren aufgehalten hätten, fällt er mir sogleich ins Wort. Er blickt sich um. »Narnia«, sagt er. Und ich weiß, das ist ein Hinweis auf die Stelle, wo Tumnus befürchtet, dass die Spione der Weißen Hexe mithören könnten. »Selbst manche Bäume stehen auf ihrer Seite«, höre ich Tumnus’ Warnung mit der Lesestimme meiner Mutter. Ich sehe, wie die Blätter draußen gegen die Fenster meines Vaters streifen, und höre sofort auf zu fragen.

»Wer will Eiscreme?«, fragt er fröhlich. Und wir sausen los auf der Suche nach Süßem.