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Einige Bewohner des Wesertales um die Stadt Hessisch Oldendorf herum haben sich zusammengefunden, um Erinnerungen und Erzählungen in der Form von Anekdoten, Gedichten und Essays zu veröffentlichen. Teils beschreiben die Erzählungen soziale und wirtschaftliche Zustände und Veränderungen in den letzten 75 Jahren, teils sind sie philosophische Betrachtungen über Gott und die Welt. Oft lässt der Schreibstil die Besonderheiten der Sprache dieser Landschaft durchscheinen. Aus der Vielfalt der plattdeutschen Dialekte, die meist im Nachbardorf bereits verschiedene Wortlaute haben, ist auch ein Gedicht dabei, das zum besseren Verständnis parallel in die Umgangssprache übersetzt ist.
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Seitenzahl: 137
Veröffentlichungsjahr: 2015
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Im Jahr 2013 wurde von der Stadt Hessisch Oldendorf erstmals ein Schreibprojekt „Senioren schreiben Geschichten“ realisiert. Nach einem zufriedenstellenden Erfolg beschloss man im letzten Jahr ein neues Schreibprojekt 2015; eine Fortsetzung, jedoch mit geändertem Konzept.
In diesem Jahr fand sich nun eine Redaktion aus dem Kreis der Autoren. Davon war ein Mitglied letztlich auch bereit, als Herausgeber für das neue Buch die Mühe und Verantwortung auf sich zu nehmen.
Leider fanden wir keine Lektoren. Deshalb übernahm der Herausgeber diese ungewohnte, zeitaufwendige Tätigkeit selbst: Eine neue, sehr interessante Arbeit, die ebenso spannend ist, wie ein fertiges Buch zu lesen oder ein Foto-Motiv in ein aussagekräftiges Bild umzuwandeln.
An dieser Stelle sei Frau Stephanie Wagener herzlich gedankt für ihre redaktionelle Beratung und Begleitung, trotz der hauptberuflichen Auslastung an ihrem Arbeitsplatz in dieser unruhigen Zeit der Flüchtlinge und Asylsuchenden aus südlichen Ländern.
HerausgeberBuchprojekt 2015
Ferdinand Alms
Gestaltung und Fotos
Ferdinand Alms (©)
Cover-Foto Titelseite:
Weserbogen mit Hohenstein
Cover-Foto Rückseite:
Ibornbach mit Sinterterrasse
Vorwort des Bürgermeisters
Harald Krüger
Die Geschichte zu den Geschichten
(Anstelle einer Kurzfassung)
Jörg Künne
Klein Berlin
(2 Versionen)
Jörg Künne
Eins zu null
Wie man beim Fußballspiel gewinnen kann, ohne dass man etwas davon versteht.
Edith Mohr
Der Teddybär
Über die Versuche, einen Teddybären günstig zu erwerben.
Edith Mohr
Stromsperrstunde
Eine erfreuliche Überraschung am Kriegsende als Beginn einer Völkerverständigung.
Bernd Stegemann
Ein Dorf im Wandel der Zeit
Eine Auflistung. Das einfache Arbeiten und Leben damals hatte eine Vielzahl von Berufen und Tätigkeiten zur Grundlage, die Menschen nahmen jedwede Arbeit an. Später ließ das Wirtschaftswunder Korbmacher und Zichorienbrenner aussterben.
Wilhelm Diekmann
Bierbrauen in Oldendorf
Es gab mal eine Zeitspanne, da braute man in Hessisch Oldendorf ein hervorragendes Weißbier, lange bevor im Weserbergland bayerische Weißbiere auf den Tisch kamen.
Bernd Stegemann
Bahn frei
[…] Die Bobbahn, ist aus Eis gebaut, das bringt Geschwindigkeit. Man fährt auf ihr, wenn man sich traut, zu Viert und auch zu Zweit. […]
Ein Gedicht darüber, wie man auf eine Bahn kommen kann.
Rudi Küssner
Die Erfindung des Automobils
Aus einer Festrede des Oberforstmeisters Karl Lehmann zum 300-jährigen Jubiläum der Handwerkerfamilie Amelung in Hessisch Oldendorf im Jahre 1948.
Sammlung Stegemann
Der Sport-Zweisitzer
Automobile waren früher nicht sehr zuverlässig und erforderten gehörige Fähigkeiten, um weiter zu kommen.
Edith Mohr
Der Quiz-Preis
Eine Geschichte über die Angst vorm Fliegen.
Edith Mohr
Erlebnisse am Weserufer
Als man in der Weser noch viele Aale angeln konnte und dabei die Ruhe unterbrochen wurde.
Manfred Radke
So könnte es gewesen sein
Wie es zu den Hemeringer Schützen kam. Eine dramatische, frei erfundene Geschichte, basierend auf dem napoleonischen Befreiungskrieg am Anfang des 19. Jahrhunderts.
Jörg Künne
Das Eichenblatt
… Das Eichenblatt, man glaubt es nicht, träumt noch von Ruhm und Ehre. Ein Mensch mit gleicher Absicht spricht – in dem Fall von Karriere…
Das Gedicht schildert in acht Versen die finale Verwendungsmöglichkeit eines Eichenblattes.
Rudi Küssner
Kuhlmann sin Brotherr
Vertrauen ist gut; Kontrolle kann wehtun.
Bernd Stegemann
Sprachlos
Von der Leidenszeit eines Mannes, der seiner Frau nicht die ganze Wahrheit hat sagen können.
Gustav Denzer
Eisgang auf der Weser 1947
Extrem niedrige Temperaturen lassen die Weser völlig zufrieren; es droht eine Katastrophe im gesamten Wesertal.
Bernd Stegemann
Sommerferien auf dem Lande
Eine romantische Schilderung über das jugendliche Landleben.
Dieter Sommerfeld
Der Wattwurm Felix
[…]
Man sieht ihn dann den Sand verschlingen und auch ein Türmchen bauen; dabei sucht er vor allen Dingen die schönen Wattwurm-Frauen
[…]. Eine fabelhafte, lyrische Schilderung über das Leben eines Wattwurms.
Rudi Küssner
So war es!
Erwin seine Vorfahren lebten anfangs in einer geordneten Welt. Als Erwin geboren wurde, befand sie sich aber in einem großen Umbruch, der sein kleines Leben sehr durchschütteln sollte. Eine sprachlich reizende Geschichte von besonderer Eigenart.
Manfred Radke
Wölfe im Wesertal
Heute diskutiert man über die Einwanderung des ehemals hier heimischen Wolfes. Vor dem 18. Jahrhundert fürchtete man ihn im Wesertal, die Bauernhöfe entrichteten sogar ein Wolfsfanggeld an den Grafen von Schaumburg.
Bernd Stegemann
Die Hintere Straße
Warum in Hessisch Oldendorf eine Straße ihren Namen wechselte.
Bernd Stegemann
Aus dem Leben eines Berufskraftfahrers
Ein berufsmäßiger Kraftfahrer musste damals, als das Fahren noch halbwegs Spaß machte, auch Sanitäter sein. In dieser Funktion kam auch schon mal Übelkeit auf.
Manfred Radke
Martinsabend
Herbstliche Vergnügungen der Kinder: Tradition und Brauchtum im Verlauf des wachsenden Wohlstandes. Nach dem 2. Golfkrieg erreichte Deutschland dann die Halloween-Welle.
Ferdinand Alms
Schnipp, schnapp – da waren sie ab
Das erste Opfer unter Tränen im Leben einer jungen Katholikin.
Irene Wietbrock
Skotobend un Hinnerhand
Denn ik weid nich, sit ik mol in Hinnerhand, is oft genoog de Düwel mang.
Ein plattdeutsches Gedicht über eines Kartenspielers Leidenschaft und deren Auswirkung auf die Seelenruhe.
Manfred Radke
Der Schock
Ob und wie man mit Nomaden des Gartens Frieden schließen kann.
Jörg Künne
Was ich glaube
Irgendwann im Leben sollte man in seinem Glauben ganz ohne Zweifel sein. Der Autor betrieb ein akribisches Quellenstudium, um auf ganz sicherem Fundament zu stehen.
Gustav Denzer
Liebe
Solang die Welt steht, wird man danach suchen…
Ein Gedicht, das aus der Tiefe kommt.
Anonymus
Die Vorgeschichte zum Traktat
Eine vielleicht hilfreiche Einführung über die späte Auslösung einer Recherche zum ersten Mordfall in der monotheistischen Welt.
Ferdinand Alms
Tatort am Rande des Paradieses
Eine uralte Geschichte über erlaubte und unerlaubte Essensgewohnheiten – und der Versuch einer eindeutigen Klärung.
Ferdinand Alms
Nachwort des Herausgebers
Ferdinand Alms
Einige Bewohner aus dem Stadtgebiet Hessisch Oldendorf haben Gedanken niedergeschrieben, die sich im Laufe ihrer freien Zeit, an Abenden oder in Nächten, zu prosaischer oder lyrischer Literatur verdichtet hatten. Auf Initiative unserer Stadt wurde ihnen an dieser Stelle nun erneut eine Möglichkeit gegeben, diese Texte auf einfache Weise in einer Sammlung zu veröffentlichen, damit die Leser sich mehr oder minder darin widerspiegeln oder unterhalten können.
Die Autoren wollen sich nicht mit erfolgreichen Dichtern und Schriftstellern messen, aber alle etwas erzählen: aus ihrem Wissen, ihrer Erinnerung und Lebenserfahrung heraus, in Form einer Anekdote, eines Gedichts oder Essays.
Die Geschichten handeln von Erlebnissen oder beobachteten Ereignissen aus dem sehr weitläufig umfassten Gebiet des Wesertales; handeln aber auch von Eindrücken, die Autoren zu den nachdenklichen Menschen gemacht haben, die sie nun heute sind.
Lassen Sie sich überraschen, liebe Leser!
Harald Krüger
Einem Berliner Gast, der um 1850 mit seiner Familie nach Hemeringen gekommen ist um die frische Luft, das gesunde Essen und die Natur im Weserbergland zu genießen, hat es hier angesichts der Freundlichkeit der Bewohner, der stattlichen Anzahl von Bauernhöfen und Mühlen, und nicht zuletzt wegen der Gasthöfe so gut gefallen, dass er Hemeringen kurzerhand in „Klein Berlin“ umbenannt hat.
Die zweite Version der Namengebung wurde mir von einem Haverbecker übermittelt. Seinen Recherchen zur Folge waren die Hemeringer bereits vor der Annexion des Königreichs Hannover durch das Königreich Preußen im Jahre 1866 pro preußisch eingestellt. Die umliegenden Bergdörfer hatten wohl nicht den politischen Weitblick wie die Hemeringer oder lebten politisch „hinterm Berge“. Sie trauerten dem Königreich Hannover noch bis ins 20. Jahrhundert nach. Weil Hemeringen bereits so früh mit den Preußen sympathisierte nannten sie es spöttisch und boshaft „Klein Berlin“.
Nach der Veröffentlichung meiner kleinen Geschichten wurde mir von älteren Hemeringer Einwohnern die erste Version als wahrscheinlich bestätigt. Tatsächlich waren im 19. Jahrhundert nachweislich und sogar namentlich bekannt, wiederholt Feriengäste aus Berlin in Hemeringen. Diese wohnten immer im Dorfkrug, heute Hemeringer Straße 54.
Weil dieses sehr außergewöhnlich für die damalige Zeit war, gaben die Hemeringer voll Stolz ihrem Ort den Namen Klein Berlin. Dieser Name hat sich dann sehr schnell, auch in den umliegenden Ortschaften, als zweiter Ortsname für Hemeringen eingebürgert. Ganz gleich, welche Version die richtige ist – die heute hier lebenden Hemeringer sind stolz auf ihr Klein Berlin.
Beide Geschichten sind frei erfunden und eventuelle Ähnlichkeiten von Namen und Personen nicht beabsichtigt.
Jörg Künne
Dem Hutfabrikanten Bangemann aus Berlin Friedrichshain war es immer wieder ein Graus, zusammen mit seiner Familie die Verwandten seiner Frau im welfischen Hameln zu besuchen. Er hasste diese einmal im Jahr anstehende, beschwerliche Reise. Volle Abteile in der Eisenbahn, umsteigen in Magdeburg und Braunschweig und dann die schlechten Wege ab Hannover in der Postkutsche. Dazu die Aussicht auf die provinzielle Verwandtschaft, die als welfentreue Leute immer wieder mit ihm über die preußische Politik diskutieren wollte, ließen ihn alljährlich nach Ausreden suchen, um die Reise nach Hameln nicht mit antreten zu müssen.
Aber alle Ausreden nützten nichts. Seine Frau bestand darauf, dass er sie und die Kindern begleitete. Angesichts der Tatsache, dass sein Schwiegervater ihm vor 15 Jahren das Geld gegeben hatte um in Berlin eine Hutfabrik zu gründen, blieb ihm letztendlich nichts anderes übrig, als die jährliche Tortur über sich ergehen zu lassen.
Man war jetzt im Jahre 1854. Wirtschaftlich ging es bergauf, vor allem seit er den Titel „Königlicher Hutmacher“ verwenden durfte. Die Löhne für die Arbeiter und Frauen waren gering und der Titel „Königlicher Hutmacher“ tat ein Übriges, um seine Geschäfte voran zu bringen.
Nun aber saß er hier in Hameln und musste das übliche Gerede über Wirtschaft, Politik und Bürgertum im Königreich Hannover über sich ergehen lassen. Es gab aber einen Lichtblick. Für den kommenden Sonntag war ein Ausflug in das benachbarte Hemeringen geplant. Dort würde dem Vernehmen nach ein Fest stattfinden, welches die Niederlage der napoleonischen Truppen vor den Toren von Leipzig darstellen sollte. In Erwartung dieses Spektakels war er höchst gespannt, was ihn dort erwartete.
Bei schönem, warmem Wetter ging es am Sonntagmorgen mit der ganzen Familie per Kutsche über die Weser nach Westen. Die Straße war zwar grausig, aber der Blick auf die Weser und das Wesergebirge mit dem Hohenstein entschädigte dafür, so durchgeschüttelt zu werden.
Als Hemeringen erreicht war und die Kutsche durch das Dorf fuhr, sah er, dass der Ort reich an Mühlen war und etliche schöne große Bauernhöfe und zwei Schenken das Dorfbild dominierten. Auch einige große Bürgerhäuser waren bereits vorhanden. In diesen wohnten Kaufleute und Handwerker.
Anlässlich des Festes war der Ort mit Girlanden und Tannengrün geschmückt. Die Straße war mit Mergel aus den nahen Mergelkuhlen versehen worden und alles war sauber und ordentlich. Irgendwie erinnerte das Dorf den Hutfabrikanten an die schönen Ortschaften rund um seine Berliner Heimat.
Man ließ sich einen Platz zuweisen, von dem aus man das Geschehen aus der Kutsche heraus verfolgen konnte. Das Fest begann mit einem Umzug durch das Dorf. Er wurde angeführt vom Dorfgendarm. Ihm folgten einige Männer mit schwarzen Tschakkos, Bärten und Äxten. Offensichtlich sollten diese Männer französische Sappeure sein. Hinter der folgenden Musikkapelle befanden sich hoch zu Ross der Schützenkönig und sein Stab. Dahinter marschierte ein Trupp Männer mit weißen Hosen und weißen Mützen. Sie sollten wohl eine Bürgerwehr darstellen. Den Abschluss bildete ein großer Trupp grässlich anzusehender Männer mit schwarz-grünen Federhüten und langen Bärten. Ihre Kleidung unterschied sich kaum von Lumpen. Preußische oder königliche Truppen stellten sie gewiss nicht dar. Alle mit Ausnahme der Sappeure waren mit Musketen und Säbeln bewaffnet.
Es wurde Richtung Waldrand marschiert. Am Fuß des Hemeringer Berges entwickelte sich ein regelrechter Kampf zwischen den Parteien, der damit endete, dass die Bürgerwehr die Oberhand behielt. Ein Haufen Reisig wurde entzündet, der die Feste Königstein verkörpern sollte. Anschließend marschierte dann der ganze Trupp versöhnt in die Gasthäuser.
Hungrig und durstig folgten der Hutfabrikant Bangemann und seine Familie der Truppe. Man beschloss, an einem der Gasthäuser auszuspannen um zu essen und zu trinken und mit den Einheimischen ein wenig zu plaudern. Es dauerte nicht lange bis die Hemeringer bemerkten, dass sie einen preußischen Gast in ihren Reihen hatten. Sie ließen es sich nicht nehmen, ihn und seine Familie zum Mitfeiern einzuladen. Die feinen Leute wollten ablehnen, doch der Hutfabrikant, glücklich den familiären Unannehmlichkeiten, wenn auch nur kurzfristig, entrinnen zu können, willigte sofort ein, und man setzte sich zu dem Schützenkönig und seinem Gefolge.
Bei Vesper, Bier und Schnaps kam man sich schnell näher. Das Kampfgeschehen vom Nachmittag wurde lebhaft diskutiert und auch die Diskussion über die politischen Verhältnisse kam nicht zu kurz.
Bei Einbruch der Dämmerung versuchte seine Frau vergeblich, den bierseligen Hutfabrikanten zum Aufbruch zu bewegen. Ärgerlich ließ man anspannen und fuhr ohne ihn nach Hameln zurück. Immerhin sollte der Kutscher später zurückgeschickt werden, um ihn dann abzuholen.
Als am Abend die Kapelle zum Tanz aufspielte war der Gast aus Berlin immer noch in Hemeringen. Jetzt zeigte sich, dass er lebenslustig war und sich zu der Musik der Tanzkapelle zu bewegen wusste.
Als die Musiker am frühen am Morgen zu spielen aufhörten, wurde er von seinen Mitstreitern in die wartende Kutsche gesetzt. Dankbar für die wunderbare Feier verabschiedete er sich beim Schützenkönig Ludewig Stahlhut und den Hemeringern mit den Worten „Zum nächsten Schützenfest komme ich wieder. Es hat mir in Hemeringen so gut gefallen, dass ich fast meine, ich bin zu Hause. Dieses Dorf ist „Klein Berlin“.
Ob er Wort gehalten hat? Das nächste Schützenfest war erst 13 Jahre später, Anno 1867.
Wie es ihm nach seiner Rückkehr in Hameln erging, ist leider nicht überliefert.
„Klein Berliner Rotten, twüschen twee Hecken, twüschen twee Muern, deit de Preuße up dek luern“ riefen die Kinder aus den Bergdörfern rund um Hemeringen, wenn ein Hemeringer in ihr Dorf kam.
Obwohl seit der Annexion des Königreiches Hannover durch die Preußen in Folge des Deutschen Krieges von Anno 1866 etliche Jahre vergangen waren, trauerten die Einwohner der Bergdörfer immer noch den Welfen nach. Hier oben, abseits der großen Politik, war die absolutistische Herrschaft von Georg V. kaum zu spüren gewesen. Fast alle Einwohner der Bergdörfer waren Bauern und hatten ein gutes Auskommen unter der Herrschaft der Welfen, was nicht zuletzt daran lag, dass ihr Tun kaum zu kontrollieren war. Gelegentliches Wildern, das Stehlen von Holz und der illegale Vieheintrieb in die Wälder der Forstgenossenschaft Lachem waren an der Tagesordnung und man verlor darüber keine Worte. So hatte man sich arrangiert und es ging allen leidlich gut, auch in schlechten Zeiten.
Jetzt aber, unter der preußischen Oberhoheit, war es anders. Kontrolleure erfassten nahezu jedes Stück Vieh und die Abgaben und Steuern mussten pünktlich entrichtet werden. In den Wäldern patrouillierten Förster, und auch Staatsbeamte kamen regelmäßig, um die Bewirtschaftung der Forsten zu regeln. Mit dem ganz und gar ungezwungenen Leben war es vorbei, seit man nur noch die Provinz Hannover war. Man war nicht mehr unter sich.
Ganz anders war das in Hemeringen. Bereits vor 1866 waren sie dort pro preußisch eingestellt. Das lag vor allem an einem Einwohner:
„Ich sage euch, preußisch müssen wir werden“ sagte Heinrich Bunge zu den drei Bauern, mit denen er Anno 1865 in Hemeringen im Dorfkrug zusammen saß.
Bunge hatte einige Jahre im Königreich Preußen gelebt und dort als angesehener Lehrer bereits 40 Taler im Jahr verdient. Ganz anders war es im Königreich Hannover. Lehrer galten nicht viel. Ausgedienten, im Krieg verwundeten Soldaten im Unteroffiziersrang, wurden oftmals Lehrerposten angeboten. Sie bekamen ein Haus, in dem sich auch die Schule befand, etwas Land, um Gemüse anzubauen und einiges Vieh zu halten. Die Vergütung war sehr gering.