Losing it - Alles nicht so einfach - Cora Carmack - E-Book
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Losing it - Alles nicht so einfach E-Book

Cora Carmack

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Beschreibung

Bliss Edwards steht kurz vor dem Collegeabschluss und ist immer noch Jungfrau. Um dem abzuhelfen, beschließt sie, sich auf einen One-Night-Stand einzulassen. Im letzten Moment bekommt sie jedoch kalte Füße und lässt den attraktiven Fremden allein im Bett zurück - der sich kurz darauf als ihr neuer College-Dozent entpuppt ...

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Inhalt

Titel

Zu diesem Buch

Widmung

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Epilog

Danksagungen

Die Autorin

Die Romane von Cora Carmack bei LYX

Impressum

CORACARMACK

Losing It

Alles nicht so einfach

Roman

Ins Deutsche übertragen von

Sonja Häußler

Zu diesem Buch

Jungfrau. Bliss Edwards kann es nicht mehr hören. Sie ist zweiundzwanzig Jahre alt, steht kurz vor dem Collegeabschluss und ja, sie hatte noch nie Sex. Nicht weil sie es nicht wollte, sondern weil es einfach noch nicht passiert ist. Eigentlich kann sie sich nicht erklären, warum, denn ihre beste Freundin Kelsey hat ständig einen anderen Kerl im Bett. Bliss beschließt, das Problem zu beheben, und zwar so schnell und unkompliziert wie möglich – mit einem One-Night-Stand. Den passenden Mann dafür zu finden gestaltet sich allerdings schwieriger als gedacht, und so richtig interessiert sie in der kleinen Bar in ihrer Unistadt auch niemand – bis plötzlich Garrick vor ihr steht und ihr Herz mit einem einzigen Blick zum Rasen, ihre Welt mit einem einzigen Lächeln ins Wanken bringt. Doch als es soweit ist, wird Bliss von ihrer Nervosität vollkommen überrumpelt. Sie erfindet eine Ausrede, flüchtet aus ihrer eigenen Wohnung und lässt Garrick allein (und nackt) in ihrem Bett zurück. Am liebsten würde sie den gesamten Abend sofort aus ihrer Erinnerung streichen. Doch die zärtlichen Momente, die sie und Garrick zusammen verbracht haben, gehen ihr nicht mehr aus dem Kopf. Und dann kommt alles noch viel schlimmer: Denn kurz darauf stellt sich heraus, wer Garrick wirklich ist: Er ist Bliss’ neuer Dozent an der Uni …

Für Lindsay,

meine erste Leserin.

Danke, dass ich bei dir so viele Male meinen Gefühlen freien Lauf lassen konnte. Du hast dir alle peinlichen Geschichten angehört.

Du warst da, wenn es heikel wurde oder übermütig oder sogar lebensgefährlich.

Stone love.

1

Ich holte tief Luft.

Du bist fantastisch. Ich konnte es nicht so recht glauben, deshalb dachte ich es noch mal.

Fantastisch! Du bist so fantastisch. Wenn meine Mutter meine Gedanken hören könnte, würde sie mich ermahnen, bescheiden zu sein, aber Bescheidenheit hatte mich noch nirgendwohin gebracht.

Bliss Edwards, du bist eine verdammt gute Partie.

Wie kam es dann, dass ich zweiundzwanzig Jahre alt und der einzige Mensch auf der Welt war, der noch nie Sex gehabt hatte? Irgendwo zwischen Saved by the Bell und Gossip Girl war es für ein Mädchen undenkbar geworden, das College abzuschließen und noch immer Jungfrau zu sein. Und jetzt stand ich in meinem Zimmer und bereute, dass ich meinen ganzen Mut zusammengenommen hatte, um dies meiner Freundin Kelsey zu beichten. Sie sah mich an, als wäre mir soeben ein zweiter Kopf gewachsen. Und noch bevor ihr der Kiefer ganz herunterklappen konnte, wurde mir klar, dass es eine schlechte Idee gewesen war.

»Im Ernst? Wegen Jesus? Sparst du dich irgendwie für ihn auf oder was?« Für Kelsey schien Sex einfacher zu sein. Sie hatte den Körper einer Barbie und den sexuell aufgeladenen Verstand eines Jungen im Teenageralter.

»Nein, Kelsey«, erwiderte ich. »Es wäre ein wenig schwierig, mich für jemanden aufzusparen, der vor zweitausend Jahren gestorben ist.«

Kelsey riss sich das Oberteil vom Leib und warf es auf den Fußboden. Ich musste wohl ein komisches Gesicht gemacht haben, denn sie blickte mich an und lachte. »Entspann dich, Prinzessin Keuschheit, ich ziehe mich nur um.« Sie ging zu meinem Schrank und sah meine Klamotten durch.

»Warum?«

»Weil wir unbedingt dafür sorgen müssen, dass dich jemand flachlegt, Bliss.« Sie sagte das Wort »flachlegt« mit einem Zungenschlag, der mich an die nächtlichen Werbungen für Sexhotlines erinnerte.

»Großer Gott, Kelsey.«

Sie zog ein Oberteil heraus, das bei mir schon eng saß und an ihrer kurvenreichen Figur regelrecht skandalös aussehen würde. »Was ist? Ich dachte, um den geht es nicht.«

Ich widerstand dem Bedürfnis, mir mit der flachen Hand auf die Stirn zu schlagen. »Tut es auch nicht, ich glaube kaum … ich meine, ich gehe in die Kirche und alles, manchmal zumindest. Es ist nur … ich weiß es nicht. Ich hatte nie so großes Interesse daran.«

Sie hatte sich ihr neues T-Shirt gerade halb über den Kopf gezogen, als sie innehielt. »Kein großes Interesse? An Typen? Bist du lesbisch?«

Zufällig hatte ich mal mitbekommen, wie meine Mutter, die nicht verstehen kann, dass ich das College ohne einen Ring am Finger abschließen werde, meinem Vater genau diese Frage gestellt hatte. »Nein, Kelsey, ich bin nicht lesbisch, du kannst also dein Oberteil ruhig weiter anziehen. Keine Panik, ich gucke dir nichts weg.«

»Wenn du nicht lesbisch bist und Jesus nichts damit zu tun hat, dann geht es nur darum, den richtigen Kerl zu finden mit dem richtigen gewissen Etwas.«

Genervt verdrehte ich die Augen. »Ach nee! Das ist schon alles? Den richtigen Kerl finden? Warum hat mir das noch keiner gesagt?«

Sie fasste ihr blondes Haar zu einem hohen Pferdeschwanz zusammen, was ihre Brust sogar irgendwie noch mehr betonte. »Ich meine damit nicht den richtigen Kerl zum Heiraten. Ich meine den richtigen, um dein Blut in Wallung zu bringen. Einer, der es schafft, dass du deinen analytischen, voreingenommenen, hyperaktiven Kopf abschaltest und stattdessen mit dem Körper denkst.«

»Körper können nicht denken.«

»Siehst du!«, sagte sie. »Analytisch. Voreingenommen.«

»Schön! Schön. In welche Bar gehen wir also heute Abend?«

»Ins Stumble Inn natürlich.«

Ich stöhnte. »Sehr edel.«

»Was?« Kelsey sah mich an, als hätte ich eine vollkommen eindeutige Frage falsch beantwortet. »Das ist eine gute Bar. Was noch wichtiger ist – es ist eine Bar, die Männer mögen. Und da wir Männer mögen, ist es auch eine Bar, die uns gefällt.«

Es hätte schlimmer kommen können. Sie hätte mich auch in einen Club schleifen können. »Schön. Dann mal los.«

Ich stand auf und ging zu dem Vorhang, der mein Schlafzimmer vom übrigen Teil des Lofts abtrennte.

»Halt! Langsam.« Kelsey packte mich am Ellbogen und zog so heftig an mir, dass ich rückwärts auf mein Bett fiel. »So kannst du nicht gehen.«

Ich blickte auf mein Outfit hinunter – einen ausgestellten Rock mit Blumenmuster und ein schlichtes Tanktop, das ein vernünftiges Maß an Dekolleté zeigte. Ich sah süß darin aus. So könnte ich ohne Weiteres einen Kerl aufgabeln … vielleicht. »Ich weiß nicht, wo das Problem ist«, bemerkte ich.

Sie verdrehte die Augen, und ich kam mir wie ein Kind vor. Ich hasste es, wenn ich mir wie ein Kind vorkam, und das war so ziemlich immer so, wenn Sex zum Gesprächsthema wurde.

Kelsey sagte: »Schätzchen, im Moment siehst du aus wie die entzückende kleine Schwester von jemandem. Kein Kerl will mit seiner kleinen Schwester poppen. Und wenn doch, dann suchst du ohnehin besser das Weite.«

Jep, ich kam mir absolut wie ein Kind vor. »Schon kapiert.«

»Hmm … das hört sich ja glatt so an, als würdest du schon üben, deinen hyperaktiven Kopf abzuschalten. Gut so. Jetzt stell dich mal da hin und lass mich meinen Zauber wirken.«

Und mit Zauber meinte sie Folter.

Nachdem ich gegen drei Röcke mein Veto eingelegt hatte, in denen ich mir vorkam wie eine Prostituierte, sowie gegen einige Hosen, die eher Leggins waren, und einen Rock, der so kurz war, dass er schon bei schwachem Wind bestimmt der ganzen Welt alles gezeigt hätte, einigten wir uns auf eine enge, hüfthohe Caprijeans und ein schwarzes Spitzen-Tanktop, das einen Kontrast zu meiner blassen weißen Haut bildete.

»Beine rasiert?«

Ich nickte.

»Alles andere … auch?«

»So gut es je rasiert sein wird, ja, und jetzt weiter.« Genau hier zog ich die Grenzen in dieser Unterhaltung.

Sie grinste, widersprach jedoch nicht. »Schön. Schön. Kondome?«

»In meiner Handtasche.«

»Kopf?«

»Abgeschaltet. Oder na ja … jedenfalls runtergefahren.«

»Hervorragend. Ich glaube, wir sind bereit.«

Ich war nicht bereit. Ganz und gar nicht.

Es gab einen Grund, weshalb ich noch nie Sex hatte, und jetzt kannte ich ihn. Ich war ein Kontrollfreak. Deshalb war ich mein Leben lang so gut in der Schule gewesen. Das hatte mich zu einer guten Inspizientin gemacht – niemand konnte eine Theaterprobe so leiten wie ich. Und wenn ich dann schon mal all meinen Mut zusammennahm und selbst in eine Rolle schlüpfte, war ich immer besser vorbereitet als alle anderen Schauspieler der Truppe. Aber Sex … das war das Gegenteil von Kontrolle. Da waren Gefühle, Anziehungskraft und diese lästige andere Person, die darin verwickelt sein musste. Nicht gerade meine Vorstellung von Spaß.

»Du denkst zu viel«, meckerte Kelsey.

»Besser als zu wenig.«

»Aber nicht heute Abend«, bemerkte sie.

Sobald wir im Auto waren, drehte ich die Lautstärke an Kelseys iPod hoch, damit ich in Ruhe nachdenken konnte.

Ich würde das schon schaffen. Es war nichts weiter als ein Problem, das gelöst, ein Punkt auf meiner To-do-Liste, der abgehakt werden musste.

So einfach war das. Ganz simpel. Warum sollte man es sich auch unnötig kompliziert machen?

Ein paar Minuten später hielten wir vor der Bar, und der Abend fühlte sich alles andere als unkompliziert an. Meine Hose kam mir zu eng vor, mein Oberteil zu tief ausgeschnitten und ich selbst zu verwirrt. Am liebsten hätte ich mich übergeben.

Eigentlich wollte ich keine Jungfrau sein. So viel war mal klar. Ich wollte mir nicht wie die unreife Prüde vorkommen, die nichts über Sex wusste. Und ich hasste es, wenn ich nicht Bescheid wusste. Das Problem war nur … ich wollte zwar keine Jungfrau mehr sein, aber ich wollte auch keinen Sex haben.

Das Problem aller Probleme. Warum konnte dies nicht eins von diesen Ein-Quadrat-ist-ein-Viereck-aber-nicht-jedes-Viereck-ist-ein-Quadrat-Problemen sein?

Kelsey stand vor meiner Wagentür, ihre hohen Absätze klapperten im gleichen Takt, wie sie mit den Fingern schnippte, um mich zum Aussteigen zu bewegen. Ich drückte die Schultern nach hinten, warf (halbherzig) mein Haar zurück und folgte Kelsey in die Bar.

Schnurstracks ging ich zum Tresen, schwang mich auf einen der Hocker und winkte dem Barmann zu.

Er stellte einen möglichen Kandidaten dar. Blonde Haare, durchschnittlich gebaut, nettes Gesicht. Nichts Besonderes, aber er kam durchaus infrage. Er könnte gut sein, wenn man es unkompliziert wollte.

»Was wollt ihr trinken, Ladys?«

Südstaatenakzent. Definitiv einer von hier.

»Für den Anfang zwei Tequila bitte«, sagte Kelsey.

»Sagen wir vier«, krächzte ich.

Er stieß einen Pfiff aus und sein Blick traf meinen. »Diese Art von Abend also.«

Noch war ich nicht bereit, in Worte zu fassen, was für eine Art Abend das werden würde. Deshalb sagte ich nur: »Ich muss mir Mut antrinken.«

»Und dabei bin ich gern behilflich.« Er zwinkerte mir zu und war kaum außer Hörweite, als Kelsey auf ihrem Hocker auf und ab hüpfte und rief: »Das ist er! Das ist der Richtige!«

Ihre Worte gaben mir das Gefühl, in einer Achterbahn zu sitzen – als wäre die Welt gerade abgesackt und alle meine Organe würden versuchen, ihr zu folgen. Ich brauchte einfach mehr Zeit, um mich auf das alles einzustellen. Das war es. Ich packte Kelsey an der Schulter und zwang sie still zu sitzen. »Mach dich mal locker, Kels. Du führst dich ja auf wie ein verdammter Chihuahua.«

»Wieso denn? Er ist eine gute Wahl. Süß. Nett. Und ich habe gesehen, wie er dir so was von in den Ausschnitt gelinst hat – und zwar zweimal.«

Sie hatte recht. Aber ich war trotzdem nicht besonders erpicht darauf, mit dem Typen zu schlafen, was ihn wohl nicht automatisch ausschloss, aber das Ganze wäre wahrscheinlich deutlich einfacher, wenn ich wirklich Interesse an dem Kerl hätte. Also wandte ich ein: »Ich bin mir nicht sicher. Da ist kein richtiger Funke übergesprungen.« Ich ahnte schon, dass sie gleich die Augen verdrehen würde, deshalb fügte ich rasch »Noch nicht!« hinzu.

Als der Barkeeper mit unseren Getränken zurückkam, bezahlte Kelsey, und ich trank meine beiden Tequilas, noch bevor sie ihm ihre Karte gereicht hatte. Er blieb einen Moment stehen und lächelte mich an, dann ging er weiter zu einem anderen Gast. Ich klaute eines von Kelseys Gläsern.

»Du hast Glück, dass das ein großer Abend für dich ist, Bliss. Normalerweise lasse ich niemanden zwischen mich und meinen Tequila kommen.«

»Nun, und ich lasse niemanden zwischen diese Beine da kommen, bevor ich nicht so richtig betrunken bin, deshalb musst du mir den letzten auch noch geben«, konterte ich.

Kelsey schüttelte den Kopf, aber sie lächelte. Nach ein paar Sekunden gab sie nach, und mit vier Tequilas im Blut kam mir die Aussicht auf Sex schon ein bisschen weniger beängstigend vor.

Noch ein Barkeeper kam herein, dieses Mal weiblich, und ich bestellte einen Jacky Cola, an dem ich nippen konnte, während ich mir dieses ganze Chaos noch mal durch den Kopf gehen ließ.

Da war der Barkeeper wieder, aber der würde erst weit nach zwei Uhr morgens von hier wegkommen, und ich war jetzt schon ein nervliches Wrack. Wenn sich das also noch bis in die frühen Morgenstunden hinzöge, würde ich bis dahin bestimmt total psychotisch sein. Ich konnte es mir bildlich vorstellen: wegen Sex in der Zwangsjacke abgeführt.

Neben mir stand ein Typ, der mit jedem Schluck Alkohol, den ich zu mir nahm, ein paar Zentimeter näher zu rücken schien, aber er war mindestens schon vierzig. Nein danke.

Wieder nahm ich einen Schluck von meinem Drink – zum Glück hatte der Barkeeper nicht am Jack Daniels gespart – und ließ meinen Blick durch die Bar schweifen.

»Wie wäre es mit dem da?«, fragte Kelsey und zeigte auf einen Kerl an einem Tisch in der Nähe.

»Zu geleckt.«

»Und der dort?«

»Zu sehr Hipster.«

»Und der da drüben?«

»Würg. Zu haarig.«

Die Liste ging noch weiter, bis ich mir irgendwann ziemlich sicher war, dass der Abend ein Reinfall werden würde. Kelsey schlug vor, in eine andere Bar zu gehen, aber das war das Letzte, was ich wollte. Ich gab vor, auf die Toilette zu müssen, in der Hoffnung, dass sie in der Zwischenzeit ein Auge auf jemanden werfen würde, sodass ich ungeschoren davonkäme. Die Toiletten waren hinten, hinter den Billardtischen und Dartscheiben und einem Bereich mit kleinen, runden Tischen.

Und da entdeckte ich ihn.

Na ja, eigentlich bemerkte ich zuerst sein Buch. Und da konnte ich einfach nicht den Mund halten. »Wenn das eine Methode sein soll, um Mädchen aufzureißen, dann würde ich vorschlagen, dass du dich an einen Tisch setzt, an dem ein bisschen mehr los ist.«

Er blickte von seiner Lektüre auf, und ich hatte plötzlich Schwierigkeiten zu schlucken. Er war mit Abstand der attraktivste Typ, den ich heute Abend gesehen hatte – blondes Haar, das ihm über die kristallblauen Augen fiel, Bartstoppeln auf dem Kiefer, die ihm ein maskulines Aussehen verliehen, ohne dass er zu haarig wirkte, insgesamt ein Gesicht, das die Engel zum Singen bringen würde. Mich brachte es nicht zum Singen. Nur zum Gaffen. Warum war ich stehen geblieben? Warum musste ich mich dauernd zum Idioten machen?

»Wie bitte?«

Mein Gehirn verarbeitete noch immer sein perfektes Haar und die hellblauen Augen, deshalb dauerte es einen Augenblick, bis ich erwiderte: »Shakespeare. Kein Mensch liest Shakespeare in einer Bar, es sei denn als Masche, um Frauen aufzugabeln. Alles, was ich sagen wollte, ist, dass du vorne vielleicht mehr Glück hast.«

Für einen langen Augenblick sagte er nichts, doch dann verzog sich sein Mund zu einem Grinsen, das – was sagt man dazu! – seine perfekten Zähne zeigte.

»Es ist keine Masche, aber wenn es eine wäre, dann habe ich, wie es aussieht, direkt hier großes Glück.«

Ein Akzent. Er hat einen britischen Akzent. Gott, ich sterbe.

Atme. Ich musste atmen. Flipp jetzt nicht aus, Bliss.

Er legte sein Buch aus der Hand, aber erst nachdem er die Stelle, an der er zuletzt war, mit einem Lesezeichen markiert hatte. Mein Gott, er las wirklich Shakespeare in einer Bar!

»Du versuchst nicht, ein Mädchen aufzureißen?«

»Eigentlich hatte ich es nicht vor.«

Meinem analytischen Gehirn entging die Vergangenheitsform nicht. Es klang wie … eigentlich hatte er nicht vorgehabt, jemanden zu verführen, aber vielleicht hatte er es ja jetzt vor.

Wieder warf ich ihm einen Blick zu. Er grinste – weiße Zähne und Drei-Tage-Bart, was ihn wirklich zum Anbeißen aussehen ließ. Jep, ich war definitiv verführbar. Und allein dieser Gedanke versetzte mir einen Schock.

»Wie heißt du, Liebste?«

Liebste? Liebste!Ich sterbe wirklich gleich. »Bliss.«

»Ist das aus einem Gedicht?«

Ich wurde puterrot. »Nein, das ist mein Name.«

»Hübscher Name für ein hübsches Mädchen.« Das Timbre seiner Stimme bewegte sich jetzt in solche Tiefen, dass sich meine Innereien um sich selbst kringelten – es war, als würde meine Gebärmutter einen Freudentanz auf dem Rest meiner Organe vollführen. Himmel, ich starb den längsten, qualvollsten und erregendsten Tod in der Geschichte der Menschheit. Fühlte es sich immer so an, wenn man total angeturnt war? Kein Wunder, dass Sex die Menschen dazu brachte, die verrücktesten Dinge zu tun.

»Nun, Bliss, ich bin erst vor Kurzem hierhergezogen und habe mich bereits aus meiner Wohnung ausgesperrt. Eigentlich warte ich hier auf den Schlüsseldienst und wollte die freie Zeit sinnvoll nutzen.«

»Indem du deinen Shakespeare auffrischst?«

»Das versuche ich zumindest. Ehrlich. Ich mochte den Kerl nie so besonders, aber das bleibt jetzt unter uns, okay?«

Mit Sicherheit waren meine Wangen noch immer knallrot, der Hitze nach zu urteilen, die sie verströmten. Tatsächlich fühlte sich mein ganzer Körper an, als hätte er Feuer gefangen. Ich weiß nicht, ob das an meiner Verlegenheit lag oder an seinem Akzent – jedenfalls stand ich kurz vor einer Selbstentzündung.

»Du siehst enttäuscht aus, Bliss. Bist du ein Shakespeare-Fan?«

Ich nickte, weil sich sonst vielleicht meine Kehle zusammengezogen hätte.

Daraufhin kräuselte er die Nase, und meine Finger sehnten sich danach, der Linie von der Nase bis hinunter zu seinen Lippen zu folgen.

Ich war dabei, verrückt zu werden. Genau genommen, nachweislich geisteskrank.

»Sag mir jetzt nicht, dass du ein Fan von Romeo und Julia bist?«

Und jetzt das. Das war etwas, worüber man mit mir diskutieren konnte. »Nein, von Othello. Das ist mein Lieblingsstück.«

»Ah, die schöne Desdemona. Treu und jungfräulich.«

Mein Herz machte einen Satz bei dem Wort »jungfräulich«. »Ich, ähm …« Ich bemühte mich, meine Gedanken zu sortieren. »Mir gefällt die Gegenüberstellung von Vernunft und Leidenschaft.«

»Ich selbst bin ein Anhänger der Leidenschaft.« Er ließ den Blick von oben nach unten über meinen Körper schweifen. Mein Rückgrat prickelte, und ich hatte das Gefühl, gleich aus der Haut zu fahren.

»Du hast mich nicht nach meinem Namen gefragt«, bemerkte er.

Verlegen räusperte ich mich. Daraus ließ sich nichts Reizvolles machen. Leider war ich ungefähr so redegewandt wie ein Höhlenmensch. »Wie heißt du?«, brachte ich hervor.

Er neigte den Kopf, und sein Haar bedeckte fast seine Augen. »Setz dich zu mir, dann sage ich es dir.«

In dem Moment dachte ich an nichts anderes als an die Tatsache, dass sich meine Beine wie Wackelpudding anfühlten. Wenn ich mich jetzt hinsetzte, würde mich das davon abhalten, etwas Peinliches zu tun, zum Beispiel ohnmächtig zu werden von den Hormonen, die aus meinem Gehirn gerade eine gesetzesfreie Zone machten. Ich ließ mich auf den Stuhl sinken, doch anstatt lockerer zu werden, legte die Spannung noch eine ganze Ecke zu.

Als er anfing zu sprechen, heftete sich mein Blick auf seine Lippen. »Ich heiße Garrick.«

Wer hätte gedacht, dass auch Namen heiß sein können? »Schön, dich kennenzulernen, Garrick.«

Er beugte sich vor und stützte sich auf die Ellbogen. Dabei bemerkte ich seine breiten Schultern und die Art und Weise, wie sich seine Muskeln unter dem Stoff seines T-Shirts bewegten. Dann trafen sich unsere Blicke, und die Bar um uns herum versank von Dämmerlicht in Dunkelheit, als mich diese babyblauen Augen umgarnten.

»Ich hole dir etwas zu trinken.« Das war keine Frage. Als er mich ansah, hatte er nichts Fragendes an sich, vielmehr strahlte er pures Selbstbewusstsein aus. »Dann können wir ein wenig weiterplaudern – über Vernunft und … Leidenschaft.«

2

Ich war mir nicht sicher, ob das brennende Gefühl in meiner Brust etwas mit dem verschleierten Blick zu tun hatte, den Garrick mir zuwarf, oder ob es die Wirkung meines ersten Jacky Colas war, den ich hinuntergestürzt hatte, als wäre er Wasser.

Auf Garricks Winken hin kam ein Kellner an unseren Tisch, und ich redete mir einen Augenblick selbst gut zu, während er sich etwas zu trinken bestellte.

»Bliss?«, sagte Garrick.

Seine Stimme ließ mich erschauern.

Ich sah ihn an, danach den Kellner, der zufälligerweise der Barkeeper von vorhin war. Ich klappte den Mund auf, um mir noch einen Jacky Cola zu bestellen, doch der Barkeeper brachte mich zum Schweigen, indem er mir die Hand auf die Schulter legte. »Ich weiß es noch – Jacky Cola, nicht wahr?«

Als ich darauf nickte, zwinkerte er mir lächelnd zu. Ich schwieg und fragte mich kurz, woher er wusste, was ich vorhin bestellt hatte. Denn ich war mir ziemlich sicher, dass das Mädchen mich zuletzt bedient hatte. Er lächelte mich noch immer an, deshalb zwang ich mich dazu, etwas zu sagen. »Danke, ähm …«

»Brandon«, half er aus.

»Danke, Brandon.«

Er warf einen Blick auf Garrick, dann konzentrierte er sich wieder auf mich. »Soll ich deiner Freundin da vorne ausrichten, dass du gleich wiederkommst?«

»Oh, ähm, klar, ich glaube schon.«

Als Erwiderung lächelte er, blieb noch ein paar Sekunden lang stehen und sah mich an, bevor er sich umdrehte und wieder in Richtung Bar ging. Ich wusste, dass ich Garrick jetzt wieder anschauen musste, aber ich hatte Angst, zu einer Pfütze aus Erregung und Verlegenheit dahinzuschmelzen, sobald ich wieder in seine umwerfenden Augen blicken musste.

»Weißt du, manchmal frage ich mich, ob Desdemona wirklich so unschuldig war, wie sie vorgab. Vielleicht wusste sie ja, was für eine Wirkung sie auf Männer hatte, und es bereitete ihr Vergnügen, sie eifersüchtig zu machen.«

Unruhig sah ich ihn an; mit schmalen Augen musterte er mich. Tapfer schluckte ich meine Nervosität hinunter und musterte ihn ebenfalls. »Oder sie war einfach von Othellos Ausstrahlung eingeschüchtert und wusste nicht, wie sie mit ihm reden sollte. Kommunikation ist immerhin das A und O.«

»Kommunikation, was?«

»Dadurch hätten sich viele ihrer Probleme sicher gelöst.«

»Wenn das so ist, werde ich mich bemühen, mich so klar wie möglich auszudrücken.« Er hob seinen Stuhl und stellte ihn nur Zentimeter von meinem entfernt wieder ab. Dann schwang er sich neben mich und sagte: »Es wäre mir lieber, wenn du nicht zurück zu deiner Freundin gehen würdest. Bleib hier bei mir.«

Schlucken, Bliss, sagte ich zu mir selbst. Du musst schlucken, sonst fängst du an zu sabbern.

»Nun ja, meine Freundin wartet auf mich. Was werden wir tun, wenn ich hierbleibe?«

Daraufhin streckte er die Hand aus und strich mir das Haar über die Schulter nach hinten. Dabei streifte seine Hand meinen Hals und verweilte kurz an meiner Halsschlagader, die bestimmt wie verrückt pulsierte.

»Wir können über Shakespeare diskutieren. Wir können über alles sprechen, was du willst. Aber ich kann nicht garantieren, dass ich mich dabei nicht von deinem hübschen Hals ablenken lasse.« Seine Finger wanderten meinen Kiefer entlang, bis sie mein Kinn erreichten, das er mit einem Druck seines Zeigefingers leicht nach vorne zog. »Oder von deinen Lippen. Oder deinen Augen. Ich könnte dich mit Geschichten aus meinem Leben umgarnen, so wie Othello es mit Desdemona macht.«

Ich war schon umgarnt genug. Meine Antwort klang irritierend rauchig. »Ich würde es vorziehen, wenn wir unseren gemeinsamen Abend nicht mit einem Pärchen in Verbindung bringen würden, das in Mord und Selbstmord endete.«

Er grinste und ließ seinen Finger von meinem Kinn fallen. Meine Haut brannte, wo er mich berührt hatte, und ich musste mich beherrschen, mich nicht vorzubeugen, um seiner Hand zu folgen.

»Touché. Mir soll es recht sein, solange du nur hierbleibst.«

»Okay.« Ich war enorm stolz auf mich, weil ich eine so ruhige Antwort zustande gebracht hatte, anstatt des Oh, mein Gott, ja, ich werde alles tun, was du von mir verlangst, das mir die ganze Zeit im Kopf herumspukte.

»Vielleicht sollte ich mich öfter aus meiner Wohnung ausschließen.«

Ich würde es eigentlich vorziehen, wenn wir uns darin einschlössen.

Meine Tasche vibrierte, und ich beeilte mich, an mein Handy zu gehen, bevor mein peinlicher Boy-Band-Klingelton ertönte. »Ja?«

»Bist du ins Klo gefallen oder was?«

Es war Kelsey.

»Nein, Kelsey. Hör mal, warum machst du dich nicht einfach ohne mich auf den Nachhauseweg?«

Garricks Augen verdunkelten sich, und mir stockte der Atem, als sich sein Blick auf meine Lippen senkte.

»So leicht kommst du nicht davon, Bliss. Du wirst heute Abend flachgelegt, und wenn ich das selbst in die Hand nehmen muss.«

Gott, noch lauter geht’s wohl nicht, was? Garrick musste es gehört haben, doch sein Blick blieb auf meine Lippen geheftet.

»Das wird nicht notwendig sein, Kels.«

Ich wollte ihr gerade auf eine kryptische Art und Weise mitteilen, dass ich meinen Kerl schon gefunden hätte, als ich hörte, wie scharf Luft geholt wurde, gefolgt von einem »Oh. Mein. Gott.«

Gerade noch rechtzeitig blickte ich über Garricks Schulter, um zu sehen, wie Kelsey breit grinste und eine vulgäre Handbewegung machte.

»Ja, okay, dann sprechen wir uns also später, Kels?«

»Aber ganz bestimmt. Du rufst mich an und erzählst mir jedes einzelne überwältigend tolle Detail.«

»Mal sehen.«

»Zu sehen bekommst du heute Nacht bestimmt eine ganze Menge, Schätzchen. Ich erwarte, dass dir die Augen voll und ganz aufgehen nach diesem Rendezvous heute Abend.«

Ohne etwas zu erwidern legte ich auf.

»Deine Freundin?«, fragte er.

Ich nickte nur, denn sein Blick brachte mein Blut zum Kochen. Noch nie in meinem Leben hatte mich jemand so angeturnt, und das ohne mich überhaupt zu berühren. Der Mann strahlte puren Sex aus, und ich war überrascht, wie erpicht ich darauf war, mich davon überwältigen zu lassen.

»Du bleibst?«

Wieder nickte ich, jeder Muskel meines Körpers war angespannt. Wenn er mich nicht bald küsste, würde ich explodieren. Gerade als ich dachte, es wäre jetzt so weit, tauchte der Barkeeper mit unseren Drinks auf. Sein strahlendes Gesicht verfinsterte sich, als er entdeckte, wie nah Garrick und ich uns waren.

»Tut mir leid, dass es so lange gedauert hat, aber da vorne ist die Hölle los.«

Dankbar klammerte ich mich an diese Ablenkung. »Kein Problem, Brandon.«

»Gut. Braucht ihr sonst noch was?«

»Nein, alles in Ordnung.«

Brandons Blick huschte zu Garrick, und dann beugte er sich ein wenig näher zu mir.

»Bist du sicher?«

»Ganz sicher«, erwiderte Garrick knapp, dann reichte er ihm ein paar Scheine. »Der Rest ist für dich.«

Brandon kümmerte sich noch um ein anderes Pärchen, das ein paar Tische weiter saß, dann ging er wieder nach vorne zur Bar. Als er außer Hörweite war, wandte ich mich wieder Garrick zu. Mir fiel auf, dass sein Arm um meinen Stuhl herumgewandert war.

»Wirst du schnell eifersüchtig, Garrick?«

»Eigentlich nicht.«

Ich zog eine Augenbraue nach oben, und er lächelte unverfroren.

»Vielleicht hat mich diese Diskussion über Othello ein wenig nervös gemacht«, bemerkte er.

»Dann lass uns von etwas anderem reden. Wann wollte der Schlüsseldienst noch mal zu deiner Wohnung kommen?«

Während er kurz auf die Uhr schaute, ergriff ich die Gelegenheit, seine unglaublich gut gebauten Arme in Augenschein zu nehmen.

»Er sollte bald da sein.«

»Müsstest du nicht hingehen und auf ihn warten?« Es war schwierig, genau festzulegen, was ich in diesem Moment wollte. Garrick gefiel mir definitiv, und ich wollte ihn auf jeden Fall küssen, aber ich war so gewöhnt daran, jegliche Annäherung zu sabotieren, dass es nie sehr weit ging. Ich suchte immer nach einer Hintertür, einem Fluchtweg.

»Versuchst du gerade, mich loszuwerden?«

Ich holte Luft. Kein Rückzieher. Keine Hintertür, nicht dieses Mal. Entschlossen biss ich mir auf die Lippen und sah ihn an. Ich hoffte, dass er die Angst hinter meiner selbstbewussten Fassade nicht entdeckte. »Wir könnten gehen und auf ihn warten.«

Wieder blickte er auf meine Lippen. Sehnsucht … ich sehnte mich danach, dass er mich küsste.

»Schon viel besser.« Er stand auf und bot mir seinen Arm an. »Milady?«

»Wolltest du nicht noch austrinken?«

Garrick nahm meine Hand und drückte seine Lippen auf die Innenseite meines Handgelenks. »Ich bin bereits berauscht.«

Ich musste lachen, weil der Spruch einfach lächerlich war und weil ich nicht zugeben wollte, dass er trotzdem bei mir wirkte.

Er grinste. »Geht das zu weit? Was soll ich sagen … der Barde verleiht mir einen Hauch von Drama.«

»Lass es uns stattdessen mit ein wenig Realismus versuchen.«

»Ich glaube, das schaffe ich.«

Kaum hatte ich seine Worte verarbeitet, als er mich vom Stuhl hochzog und meinen Mund mit seinem bedeckte. Sein Duft überwältigte mich – Zitrus und Leder und etwas anderes, was mir das Wasser im Mund zusammenlaufen ließ. Fast war ich zu geschockt, um zu reagieren. Mir war die Tatsache, dass er mich mitten in einer Bar küsste, äußerst bewusst – bis er anfing, an meiner Unterlippe zu knabbern. Da vergaß ich alles außer ihn. Mein ganzer Körper erschauderte, und mein Herz fiel in Richtung Magen, als hätte sich die Schwerkraft plötzlich verdoppelt. Mir wurde ganz schwindlig, doch das war mir egal. Als ich den Mund öffnete, drang sofort seine Zunge in mich ein und übernahm die Führung. Meine Hände klammerten sich an seinem Rücken fest, und als Antwort darauf zog er mich enger an sich. Er küsste mich langsam, dann schnell, zuerst zart, dann wild. Wir waren so eng aneinandergepresst, dass ich jeden Teil seines Körpers spüren konnte, und dennoch wollte ich noch näher zu ihm. Seine Hand fuhr hinten unter mein Oberteil – heiße Finger, die sich in mein bereits überhitztes Fleisch gruben. Ein Stöhnen entwich meinem Mund bei dieser intimen Berührung. Sofort bereute ich es, denn das Geräusch schien ihn wieder zur Besinnung zu bringen, und er wich zurück.

Unwillkürlich versuchte ich ihn mit den Lippen wieder zu berühren, aber er blieb außer Reichweite meines Kusses. Stattdessen stöhnte er, zog den Kopf ein und drückte mir einen heißen Kuss auf den Hals.

Mein Gehirn hatte definitiv einen Gang zurückgeschaltet. In diesem Moment war ich nur Körper und, mein Gott, es fühlte sich gut an. Ich bestand ausschließlich aus der Summe meiner Nervenenden, die gerade verrücktspielten. Er atmete schwer aus und versengte damit schier meine Haut. Seine Stimme war rau, als er sagte: »Sorry. Ich habe mich hinreißen lassen.«

Das waren genau die richtigen Worte. Hingerissen. Noch nie hatte mich ein Mensch so in seinen Bann gezogen. Noch nie war ich so … außer Kontrolle gewesen. Das war aufregend und erschreckend zugleich.

Sein Gesicht tauchte vor mir auf, und ich versuchte, eine neutrale Miene zu machen. Als seine Hand aus meinem Oberteil glitt, schauderte ich und beklagte innerlich den Verlust der Berührung.

Er trat einen Schritt zurück. »Na gut. Vielleicht ist jetzt die Zeit für ein wenig mehr Vernunft und ein bisschen weniger Leidenschaft.«

Ich lachte, aber innerlich zeigte ich der Vernunft den Mittelfinger. Sie hatte mich lange genug regiert.

3

»Du machst Witze, oder?«

Ich starrte ihn an und fragte mich, ob mein innerer Kontrollfreak damit würde umgehen können.

Beruhigend strich er mir mit der Hand über die Wange. »Ich werde langsam machen, versprochen.«

Doch ich schüttelte den Kopf, woraufhin er seine Hand sinken ließ. »Ich glaube, ich kann das nicht.«

»Halt dich einfach an mir fest. Ich verspreche dir, es wird dir gefallen.«

»Garrick …«

»Bliss, vertrau mir einfach.«

Ich holte tief Luft. Ich konnte das. Ich musste nur mein Gehirn runterfahren, wie Kelsey gesagt hatte. »Okay, aber beeil dich, bevor ich es mir anders überlege.«

Ein Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus, und er küsste mich rasch auf die Schläfe. »Braves Mädchen.«

Dann stülpte er mir vorsichtig den Helm über das Haar, schwang ein Bein über sein Motorrad und hielt mir die Hand hin. Ich schob meine Bedenken beiseite und legte meine Hand in seine. Der Sitz war geschwungen, sodass ich nach vorne rutschte, bis sich mein Körper gegen seinen presste, obwohl ich versucht hatte, mich ein paar Zentimeter weiter nach hinten zu setzen.

Er legte seine Hand auf mein Knie, die Finger krümmten sich, bis sie den empfindlichen Bereich in der Kniekehle berührten.

»Halt dich an mir fest.«

Ich gehorchte und hätte fast einen Schlag bekommen, als ich spürte, wie sich seine Bauchmuskeln unter dem T-Shirt abzeichneten. Plötzlich wurde ich mir der kleinen Wampe, die sich über den Bund meiner Jeans wölbte, schmerzlich bewusst. Nach einem einzigen Blick auf meinen Körper würde er wissen, dass ich nicht gut genug für ihn war. Himmel, wahrscheinlich spürte er meinen Bauch gerade an seinem Rücken und bedauerte das alles jetzt schon. Dann zog er mich mit seiner Hand rasch noch näher an ihn, auch wenn ich das nicht für möglich gehalten hatte.

Jetzt war ich nicht nur an ihn gepresst – ich klebte förmlich an ihm.

Mein Becken drückte sich so fest an ihn, dass ich beinahe einen Schwindelanfall bekam. Und in dem Moment fuhren wir los. Instinktiv grub ich meine Hände in seinen Bauch, und er fuhr zusammen, wobei das ganze Motorrad zur Seite schwankte.

Panisch schrie ich auf. Na ja, eigentlich kreischte ich eher. Direkt in sein Ohr.

Er brachte uns wieder ins Gleichgewicht und kam dann vor einem Stoppschild zum Stehen.

»Alles okay?«

Mein Gesicht an seiner Schulter vergraben, schaffte ich es, ein »Ja« zu quieken.

»Sorry, Kleines, aber ich bin ein winziges bisschen kitzelig, das ist alles.«

»Oh.« Verlegen lockerte ich meinen festen Griff um seinen Bauch. Gott sei Dank konnte er in diesem Moment nicht mein Gesicht sehen. Rot stand mir nicht.

Er nahm meine Hände und zog daran, sodass meine Unterarme an seinem Bauch lagen und meine Arme nun ganz um ihn herum geschlungen waren.

»So ist es besser. Lass es uns noch mal versuchen.«

Diese Mal kreischte ich nicht, als wir losfuhren. Garrick beschleunigte langsam, und ich legte mit geschlossenen Augen meine Wange an seinen Rücken.

Seit unserem Gespräch geisterte mir Shakespeare im Kopf herum, deshalb murmelte ich im Geist alle Texte vor mich hin, um mein Gehirn zu beschäftigen und vom Fahren abzulenken. Mit Hamlets Monolog fing ich an. Dann ging ich zur Crispins-Tag-Rede aus Heinrich V. über. Ich war gerade mit Macbeths Monolog »Morgen, und morgen, und dann wieder morgen« fertig, als Garrick mich unterbrach.

»Du liebst den Barden wohl wirklich.«

Verlegenheit schien gerade mein ständiger Begleiter zu sein. Ich hatte das alles wohl nicht nur in meinem Kopf rezitiert, wie ich gedacht hatte. »Oh, ähm, ich lerne wirklich schnell auswendig.«

Meine Wange ruhte noch immer an seinem Rücken, während ich versuchte, mein rasendes Herz zu beruhigen. Jetzt wo sich das Motorrad nicht mehr bewegte, hatte mein Gehirn Zeit, sich vor der anderen Sache zu fürchten, über die ich ganz bewusst nicht nachgedacht hatte.

Sex.

Ich würde Sex haben. Mit einem Typen. Einem atemberaubenden Typen.

Einem atemberaubenden britischen Typen.

Vielleicht würde ich mich aber auch übergeben. Was, wenn ich mich auf den atemberaubenden britischen Typen übergab?

Was, wenn ich mich während des Sexes auf den atemberaubenden britischen Typen übergab?

»Bliss?«

Entsetzt zuckte ich zusammen und fragte mich, ob ich meine Gedanken aus Versehen wieder laut ausgesprochen hatte. »Ja?«

»Wir können jetzt jederzeit vom Motorrad absteigen.«

»Oh.« Ich zog so rasch meine Arme zurück, dass ich fast das Gleichgewicht verloren hätte und vom Motorrad gefallen wäre. Glücklicherweise schaffte ich es mit nur einem kleinen Quieken, mich wieder zu fangen und langsam vom Motorrad zu gleiten.

Dann streifte meine Wade ein Rohr an der Seite des Motorrads und ich kreischte wieder.

Es war heiß. So verdammt heiß. Und jetzt brannte meine Haut.

»Bliss?«

Ich war schon ein Stückchen vom Motorrad weg gehumpelt, als Garrick mich einholte. Obwohl ich die Hände zu Fäusten geballt hatte und mir auf die Lippe biss, um mir den Schmerz zu verbeißen, füllten sich meine Augen mit Tränen.

Er legte mir zuerst die Hände um das Gesicht, dann warf er einen Blick auf mein Bein, wo etwa drei Zentimeter unter dem Saum meiner Caprihose ein roter Striemen schimmerte.

»Oh, verdammt.«

Ich presste die Lippen zusammen, weil ich nicht wusste, ob ich den Mund aufmachen konnte, ohne gleich zu heulen.

Garrick schlang mir den Arm um die Taille, und ich legte meinen Arm um seine Schulter. »Komm, Liebes. Hoffen wir mal, dass der Schlüsseldienst schon da ist.«

Zum ersten Mal sah ich mich um und merkte, wo wir waren. Wir waren in meinem Apartmentkomplex.

Wir wohnten im selben Apartmentkomplex!

Ich rang mit mir, ob ich es ihm sagen sollte, während er mich in Richtung seiner Wohnung führte. Fast hätte ich es auch erwähnt, als wir an meinem Auto vorbeikamen, doch dann rief ich mir wieder ins Gedächtnis, dass das ein One-Night-Stand werden sollte. Er wohnte ein Gebäude weiter. Gott sei Dank. Was, wenn ich direkt neben ihm wohnen würde, sodass ich ihn jeden Tag sehen müsste – nach dem zweifellos furchtbaren Sex, den ich gleich mit ihm haben würde?

Wir gelangten zu seiner Wohnungstür.

Kein Schlüsseldienst.

Die Haut an meiner Wade fühlte sich so heiß an, als würde ich direkt neben einem offenen Feuer stehen.

Garrick warf mir einen besorgten Blick zu und zog dann sein Handy heraus. Zweimal drückte er auf die Ruftaste, um die letzte Nummer, die er angerufen hatte, erneut zu wählen.

Er entfernte sich ein paar Schritte von mir, um zu telefonieren, und ich lehnte mich schwer gegen die Wand neben seiner Tür. Es war eindeutig nicht für mich vorherbestimmt, Sex zu haben. Hiermit wollte Gott mir ausrichten, dass ich Nonne werden sollte. Geh in ein Kloster und so weiter.

Ich war so daneben, dass ich Gott schon mit Shakespeare verwechselte.

Garrick kam zurück, er sah selbst dann noch toll aus, wenn er ein finsteres Gesicht machte. »Schlechte Nachrichten. Der Schlüsseldienst wurde aufgehalten und wird erst in einer Stunde da sein.«

Ich versuchte, nicht zusammenzuzucken. Ich hatte versagt.

Er ging in die Knie. Dann strich er mit den Fingern über mein Schienbein und hielt wenige Zentimeter rechts von meiner Verbrennung inne. Gott sei Dank hatte ich mich rasiert. Er holte tief Luft und atmete langsam wieder durch die Nase aus. Er schloss einen Moment die Augen und nickte dann. »Gut. Wenn das so ist, sollte ich dich vielleicht in die Notaufnahme bringen.«

»Was? Nein!«

Was würde Kelsey sagen? Ich war mit dem Ziel ausgegangen, Sex zu haben, und lande stattdessen in der Notaufnahme. Schöne Sch…

»Bliss, die Verbrennung ist nicht besonders schlimm, aber wenn du nicht bald etwas dagegen tust, wird es höllisch wehtun.«

Ich ließ meinen Kopf nach hinten an die Wand sinken und pustete mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht. »Ich wohne nicht weit weg. Wir können einfach zu mir gehen.«

»Oh. Okay.«

Sein Grinsen kehrte wieder zurück, und einen kurzen Moment lang wurde ich so von anderen Gefühlen überwältigt, dass ich die Schmerzen ganz vergaß. Er fuhr fort: »Wir müssen aufpassen, wenn du dich wieder aufs Motorrad setzt. Ich will nicht, dass du dich noch ein zweites Mal verbrennst.«

Ich biss mir auf die Unterlippe. »Wir brauchen gar nicht mit dem Motorrad zu fahren.«

Anmutig zog er eine Augenbraue nach oben.

»Mit ›nicht weit weg‹ meine ich, dass ich im Gebäude direkt nebenan wohne.«

Jetzt schossen beide Augenbrauen nach oben. Seine Überraschung währte nur einen Moment, dann breitete sich ein anderer Ausdruck auf seinem Gesicht aus – einer, der schwerer einzuordnen war und der die Schmetterlinge in meinem Bauch heftig flattern ließ.

»Dann auf in deine Wohnung … Nachbarin.«

Meine Knie wurden weich, und das nicht nur von den Schmerzen.

Ich schluckte, obwohl sich mein Mund trocken anfühlte. Er legte nicht wieder den Arm um mich, doch seine Finger berührten leicht meinen Rücken und verweilten dort, während wir zu meiner Wohnung gingen, die wir in weniger als einer Minute erreichten. Seine Hand rutschte ein Stück herunter, während ich nach meinem Schlüssel kramte, und einen kurzen Augenblick lang vergaß ich, was ich suchte.

Schlüssel. Zu meiner Wohnung.

Die er gleich betreten würde.

Mit mir. Allein. Um Sex zu haben.

Sex.

Sex.

Sex.

Meine Finger fühlten sich steif und ungelenk an, als ich versuchte, den Schlüssel ins Schloss zu stecken, und es nicht schaffte. Er sagte kein Wort. Noch nahm er mir die Schlüssel aus der Hand – was gut war, denn das hätte mich total genervt. Ich mochte vielleicht ein geistiges, emotionales und körperliches Wrack sein, aber um einen Schlüssel im Schloss zu drehen, brauchte ich keinen Kerl. Seine Hand blieb ruhig, zärtlich und geduldig auf meinem Rücken, bis ich es geschafft hatte, die Tür aufzumachen.

Als ich in den dunklen Flur trat, zog er seine Hand zurück. Ich blickte mich zu ihm um – er stand auf der Schwelle, die Hände lässig in den Hosentaschen. Sein Lächeln war schief, liebenswert und absolut atemberaubend. Aber er sah nicht so aus, als wollte er hereinkommen. Das war’s dann wohl. Er hatte seine Meinung geändert. Weil ich eine absolute Katastrophe war. Wie sollte er da nicht seine Meinung ändern?

Ich holte tief Luft und rief mir ins Gedächtnis, dass ich toll war. Ich war nicht unsicher oder schüchtern. Sondern nur Jungfrau. Keine große Sache. Und wenn ich endlich keine Jungfrau mehr sein wollte, dann würde ich Sex haben müssen. Zeit, meinen Mann, ähm, meine Frau zu stehen.