Love & Sacrifice - Die Geheimnisse von Asgard Band 4 - S.T. Bende - E-Book

Love & Sacrifice - Die Geheimnisse von Asgard Band 4 E-Book

S.T. Bende

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Beschreibung

Das große Finale der fesselnden Urban-Fantasy-Reihe rund um die nordische Mythologie


Die Liebesgöttin Freya kann die Dunkelheit nicht abschütteln, die ihr seit ihrer Gefangenschaft in Helheim anhaftet. Eine unerlaubte romantische Verbindung mit einem Sterblichen ist das Einzige, was sie im Licht hält, aber Freyas Gelübde gegenüber den Nornen hindert sie daran, sich ganz und gar darauf einzulassen. Als Hel zurückkehrt, um zu beenden, was sie begonnen hat, muss Freya entscheiden, wie viel sie zu opfern bereit ist, um die Familie zu retten, die sie liebt - und ob sie bereit ist, alles für die Welten aufzugeben, die zu schützen sie geschworen hat.

Da sich die Mächte der Finsternis zusammentun, um die Reiche zu zerstören, ist klar, dass mehr als nur die Liebe auf dem Spiel steht. Ragnarök ist da ...



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Seitenzahl: 378

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Inhalt

Cover

Weitere Titel der Autorin

Titel

Eins

Zwei

Drei

Vier

Fünf

Sechs

Sieben

Acht

Neun

Zehn

Elf

Zwölf

Dreizehn

Vierzehn

Fünfzehn

Sechzehn

Siebzehn

Danksagungen

Impressum

Weitere Titel der Autorin

Fate & Darkness – Die Geheimnisse von Asgard 1

Storm & Desire – Die Geheimnisse von Asgard 2

Light & Justice – Die Geheimnisse von Asgard 3

S.T. Bende

Übersetzung aus dem amerikanischen Englischvon Stephanie Pannen

Für meine Familie und meine Freundesfamilie – wir passen absolut, unumstößlich, bedingungslos und perfekt zusammen.

Und für alle, die Liebe und ære in unsere Welt bringen.

Tusen takk.

»Ich liebe dich mit so viel von meinem Herzen, dass nichts mehr übrig bleibt, es dir zu beteuern.« -

Beatrice, Viel Lärm um nichts von William Shakespeare

Eins

Brynn

»Wirf es an, sötnos. Wenn unsere Schätzungen stimmen, sollte das Löten von Rot-Eins an Blau-Drei das Teil ans Laufen bringen.« Henrik klickte auf eine Taste seines Laptops, bevor er die Männerhöhle durchquerte, die uns als Labor diente. Er stellte sich hinter mich und beugte sich über meine Schulter, um mit der Spitze seines Bleistifts auf die Drähte zu tippen. »Diese beiden.«

Anstatt mich auf das Objekt seiner Anweisung zu konzentrieren, richtete sich meine Aufmerksamkeit auf die stoppelige Wange, die leicht an meinem Kinn kratzte. Und auf den Duft von Sonnenschein, der meine Nase füllte. Und auf das Heer von Schmetterlingen, die olympische Sprints durch meinen Bauch absolvierten. Bei allen Göttern, Henrik Andersson war so attraktiv. Und durch die Gnade von Freya, der Göttin der Liebe, gehörte er ganz mir.

Endlich.

»Hier?« Ich richtete den Lötkolben absichtlich einen Zentimeter zu hoch aus – ausgeschaltet, versteht sich.

»Nicht ganz.« Henriks muskulöse Brust drückte gegen meinen Rücken. Ja.

»Und wie ist es hier?« Ich korrigierte mich zu stark und erntete ein Lachen von meinem langjährigen Laborpartner. »Sötnos, wenn ich es dir zeigen soll, frag einfach.« Henrik legte seine Hand auf meine und führte den Lötkolben an die richtige Position. »Hier.«

Sein kühler Atem kitzelte mein Ohrläppchen, jagte mir einen Schauer über den Rücken und eine Hitzewelle durch meinen Körper. Ein leichter Druck auf meine Fingerspitze ließ eine Flamme aus dem Lötkolben schießen, gerade als Henrik seine Handfläche über meinen Bauch gleiten ließ. Doppeltes Ja.

Ich musste mich sehr konzentrieren, um nicht das gesamte Innere des Schließers zu verschmelzen, aber nach einem endlosen Moment verschmolzen die roten und blauen Drähte. Mein Freund feierte das, indem er mit seinem Daumen über meinen Bauch fuhr und ein anerkennendes »Gut gemacht« murmelte.

Es dauerte keine zwei Sekunden, bis ich das Werkzeug ausgeschaltet, es auf die glatte Oberfläche der Arbeitsplatte gelegt und mich in Henriks Armen herumgedreht hatte. Er ließ seine Hand nach unten gleiten, um meinen Hintern zu streicheln, und steigerte so die Hitze in meinem Bauch zu einem regelrechten Inferno, das mit der Flamme des Lötkolbens konkurrierte.

»Stufe zwei ist abgeschlossen.« Ich griff nach oben und fuhr mit den Fingerspitzen durch Henriks lockiges Haar. »Und da wir den ganzen Morgen dafür gebraucht haben, haben wir uns wahrscheinlich eine Pause verdient.«

»Wahrscheinlich.« Henrik senkte den Kopf, ließ seine Lippen über meine Kieferpartie gleiten und jagte mir damit eine neue Welle von Schauern über den Rücken.

»Definitiv«, stimmte ich zu. Mein Kopf neigte sich nach hinten, und Henrik lenkte seine Lippen hinter mein Ohr – an genau die Stelle, die mich völlig und total verrückt machte und mich dazu brachte, meine Arme um ihn zu schlingen und ihn anzuflehen, mich den Flur entlangzuschleppen und ...

»Oh. Da bist du ja.« Die ausdruckslose Stimme der Liebesgöttin löschte meine Hormone wie ein Feuerwehrschlauch. Skit. Erwischt. Ich ließ meine Hände auf Henriks Brust sinken und schob ihn weg, um Abstand zwischen uns zu bringen. Doch er schlang einen muskulösen Arm um meinen Rücken und hielt mich fest.

»Sie hat unser Zusammensein vor über einem Jahr abgesegnet«, murmelte er. »Wir haben nichts zu verbergen.«

»Stimmt.« Ich atmete erleichtert aus. »Hab's vergessen. Mal wieder.«

Henrik lachte heiser auf und drückte mir einen weiteren Kuss auf den Hals, bevor er mich so drehte, dass wir meiner Chefin gegenüberstanden. »Hei, Freya. Was gibt's?«

Die Göttin der Liebe – und Oberhaupt von Odins hohem Orden der Kampfgöttinnen, den Walküren – stand in der Tür. Ihr hüftlanges, erdbeerblondes Haar hing untypisch unordentlich über ihre herabhängenden Schultern, und ihre sonst so warmen Augen trugen nun den verräterischen Ausdruck glasiger Verwirrung. »Ich bin ... äh ...«

»Freya«, sagte ich. Meine Freundin rang mit den Händen. »Wie geht es dir?«

»Gut.« Freya hob ihr Kinn und zog die Schultern zurück. »Mir geht es einfach gut.«

»Okay.« Meine Stimme war sanft. Henrik drückte meine Schulter, und ich schaute zu ihm auf. Als er Richtung Flur nickte, verstand ich.

Sorge dafür, dass sich Freya ein bisschen entspannt. Sie ist nicht sie selbst. Schon wieder.

Das war eine Nachricht, die wir täglich austauschten. Manchmal auch zweimal.

»Wir sind hier gerade fertig geworden und wollten gerade eine Teepause einlegen.« Ich schenkte ihr ein übertriebenes Lächeln. »Willst du mitkommen? Ich glaube, Mias Meemaw hat ihr gestern noch mehr Kekse geschickt. Red Velvet.«

»Warum seid ihr nur alle so besessen von Red Velvet?«, murmelte Henrik. Ich stieß ihn mit dem Ellbogen an.

»Freya mag Red Velvet«, zischte ich.

»Meine Snickerdoodles sind besser. Ich meine ja nur.«

»Also, was meinst du?« Ich sprach über meinen Freund hinweg. »Trinkst du einen Tee mit uns?«

»Oh. Ich nehme an ...« Freyas Blick schweifte durch den Raum. Sie verweilte über dem Schließer, der immer noch leicht rauchend auf der Arbeitsplatte lag. »Was ist das?«

Henrik warf mir einen besorgten Blick zu. »Das ist das Gerät zum Verschließen von Portalen, an dem wir den ganzen Monat gearbeitet haben. Wir haben beim Frühstück darüber gesprochen. Weißt du noch?«

Freyas Mundwinkel zogen sich nach unten. »Nein. Ich erinnere mich nicht.« Mir stockte der Atem in der Brust, als Freyas Unterlippe leicht zitterte. »Ich kann mich nicht mehr an besonders viel erinnern.«

Bei allen Göttern. Wenn schon die härteste flicka, die ich kannte, zu weinen begann, dann ging es mit diesem Tag definitiv bergab. »Hey, ist ja gut.« Ich durchquerte den Raum mit eiligen Schritten und nahm Freyas Hände in meine.

»Du machst das toll. Lass uns einfach eine Tasse Tee trinken. Vielleicht kann Elsa vorbeikommen und etwas Zeit mit uns verbringen. Einen Film schauen und mal nach dir sehen ...«

Freya riss sich los. »Ich will keine weitere Heilung.« Ihre Augen schossen stumme Dolche. »Ich will einfach nur mein Leben zurück.«

»Das wollen wir alle für dich.« Henrik trat vor und legte eine Hand auf meinen unteren Rücken. »Und wir sind alle hier, um dir zu helfen. Vor allem Brynn. Das weißt du doch.«

Der Zorn in Freyas Augen wurde ein wenig schwächer, bevor er erlosch. An seine Stelle trat Kummer. »Tut mir leid«, flüsterte sie.

»Schon in Ordnung.« Was hätte ich sonst auch sagen sollen? Seit wir sie vor mehr als einem Jahr aus Helheim gerettet hatten, war Freya ... seltsam. Sie sprach nie offen darüber, was sie während ihrer Zeit als Gefangene von Hel durchgemacht hatte, aber es war schmerzhaft offensichtlich, dass es bestenfalls erschütternd gewesen war.

Ich kaute auf meiner Unterlippe herum und warf Henrik einen Blick zu. Hilfe.

»Okay, meine Damen, folgt mir in die Küche. Abgesehen von Meemaws Keksen hat mir Mia als Dank für meine Hilfe als Mathetutor ein paar Cupcakes gebacken. Sie sollten jetzt fertig sein.« Er stupste Freya spielerisch mit dem Ellbogen an, und sie ging in den Flur.

Henrik legte seine große Hand um meine und zog mich sanft aus dem Labor. Ich folgte ihm die Treppe hinunter, wobei ich Freyas niedergeschlagenes Schlurfen auf irgendeinen Hinweis auf ihren einst so selbstbewussten Gang hin untersuchte.

Nichts.

»Henrik«, murmelte ich, als wir am Fuß der Treppe ankamen. »Es geht ihr nicht besser. Wir wussten, dass es schwer werden würde, nachdem sie aus Helheim zurückgekommen war, aber ich dachte, wenn sie sich das Frühjahr frei nimmt, um sich auf die Heilung zu konzentrieren, und sich langsam wieder an ihre Pflichten herantastet, dass sie vielleicht ...«

»Sie braucht einfach Zeit.«

»Es ist über ein Jahr her, und es beginnt, mehr als nur Asgard zu betreffen. Du hast den Anstieg der Hassverbrechen auf Midgard gesehen – und die Reihe von Bürgeraufständen auf Vanaheim. Die Angst beherrscht die Reiche. Und da Angst die Abwesenheit von Liebe ist, ist es ziemlich klar, dass Freyas Energie nicht ihr Zielpublikum erreicht.«

Oder sonst jemanden.

Henrik strich mit seinem Daumen über meinen Handrücken. »Deshalb hat Odin ja auch Nanna zur vorläufigen Liebesgöttin ernannt und Freya hier einziehen lassen – um ihr Zeit zu geben.«

Nanna war unsere Göttin der Wärme und die Mutter unseres Freundes Forse. Ihr Herz war so voller Liebe und Güte, dass sie die logische Wahl war, um die Reiche zu verwalten, während Freya außer Gefecht war. Aber nachdem sie monatelang bei uns gelebt hatte und zweimal täglich von Elsa geheilt wurde, war Freya immer noch nicht ganz sie selbst. Elsa konnte sich nicht einmal auf eine Diagnose festlegen. Was auch immer unsere Freundin plagte, es war in der Geschichte Asgards noch nie behandelt worden.

Und gelegentlich, so wie heute, wurde Freya rückfällig. Und zwar gewaltig.

»Was ist, wenn die Zeit nicht ausreicht? Was, wenn ...« Ich senkte meine Stimme zu einem Flüstern. »Was, wenn sie nie wieder gesund wird?«

Henriks ängstliche Augen verrieten seine Besorgnis, aber er zog mich an seine Brust und legte seine Hand auf meinen Kopf. »Wir werden das schon schaffen, sötnos. Das tun wir immer.«

Es war nicht arrogant gemeint. In den Jahren als Leibwächter für unseren Freund Tyr hatte es kein Problem gegeben, das wir nicht durch Einfallsreichtum oder Kampfkünste hatten lösen können. Henrik und ich waren sowohl als Krieger als auch als Laborpartner so gut aufeinander eingespielt, dass uns einfach nichts aufhalten konnte. Wir waren die perfekte Problemlösungstruppe und fest entschlossen, alles und jeden, den wir liebten, zu schützen.

Scheitern war nie Teil unseres Vokabulars gewesen. Und Freya im Stich zu lassen, kam definitiv nicht infrage. Die Reiche brauchten Liebe, um zu überleben. Und unsere unkonventionelle Familie brauchte Liebe, Punkt.

Ohne sie waren wir nicht vollständig. Allein aus diesem Grund würden wir einen Weg finden, Freya zurückzubringen, sowohl in die Reiche als auch in unsere Familie.

Auch wenn wir keine Ahnung hatten, wie.

**

»Sag es, Mia.« Henriks tiefe Stimme schallte durch die Küche. »Es zählt nicht, wenn du es nicht sagst.«

»Ernsthaft? Sind die Cupcakes nicht genug?« Unsere bezaubernde Sterbliche fuhr sich mit schlanken Fingern durch ihre glänzenden braunen Locken.

»Nein.« Henrik lehnte sich grinsend zurück. »Ich warte.«

»Meinetwegen.« Mia stieß einen langgezogenen Seufzer aus, bevor sie den Zettel vorlas, den ihr Henrik über den Tisch hin zuschob. »Henrik Andersson, du bist der beste Mathetutor aller Zeiten. Ich habe so ein Glück, dass ich mit deiner Weisheit, deinem Genie und ... Das ist doch ein Witz, oder?«

»Sag es, Ahlström«, erwiderte Henrik. »Oder du bist nächstes Semester auf dich allein gestellt. Und der nächste Kurs wird außerordentlich schwierig ... habe ich jedenfalls gehört.«

»Ugh. Okay.« Mia hob den Zettel auf. »Ich habe so ein Glück, dass ich mit deiner Weisheit, deinem Genie und ... deiner unglaublichen Attraktivität beehrt wurde. So. Jetzt zufrieden?«

Henrik biss in einen Cupcake mit jeder Menge Frosting. »Sehr«, antwortete er mit vollem Mund.

Ich musste lachen. »Henrik! Du bist so gemein!«

»Nein, bin ich nicht. Ich sorge nur dafür, dass meine Großartigkeit gebührend gewürdigt wird.« Er vernichtete den Cupcake mit einem zweiten Bissen und schenkte mir ein Grinsen voller Zuckerguss. Elsa und Forse kicherten, als sie sich auf ihren Stühlen niederließen, und sogar Freya schenkte ihm ein kleines Lächeln.

Tyr verdrehte die Augen und holte den Teekessel vom Herd. Er goss das heiße Wasser in die bereitstehenden Tassen, stellte den Kessel auf einen Untersetzer und ließ sich mit seinen fast zwei Metern Körpergröße auf den Stuhl neben Mia sinken. »Du wirst noch großartiger sein, wenn du den Schließer fertig hast. Wie läuft's?«

»Es geht voran. Wir sind noch ein paar Tage entfernt, ihn zu testen, aber sobald wir die Betaphase erreicht haben, sollte es ziemlich glatt laufen.« Henrik schnappte sich einen weiteren Cupcake von der Platte in der Mitte des Tisches, während ich Honig in meinen Tee gab.

»Ich weiß nicht, warum wir zu unseren Cupcakes keinen Kaffee trinken können.« Ich warf Elsa einen spitzen Blick zu. »Deshalb, Brynn.« Ihre himmelblauen Augen funkelten belustigt, als sie ihre Tasse anhob. »Wir arbeiten alle daran, unsere Körper zu reinigen.«

»Warum essen wir dann Cupcakes?«, forderte ich sie heraus.

»Whoa!« Henrik hob die Hände. »Nur weil dir Elsa deinen Glücksstoff genommen hat, nimmst du mir nicht meinen.«

»Ich hab ihn ihr nicht genommen.« Elsa schüttelte den Kopf und ließ ihre goldenen Locken über eine Schulter fallen. »Ich habe lediglich vorgeschlagen, dass Brynn morgens einen Kaffee genießt – oder drei – und danach auf Tee umsteigt.«

Ich gab noch einen Schuss Honig in den Lavendeltee, der so gar nicht nach dem doppelten Espresso schmeckte, den mir Henrik vorhin ins Labor geschmuggelt hatte, und nahm einen Cupcake vom Stapel. »Nimm mir nur nicht den Morgenkaffee weg, dann kommen wir schon durch.«

Irgendwie.

Elsas sanftes Lachen erfüllte die Küche. Sie streckte die Hand aus und ließ ihre Finger über die von Forse gleiten, wobei ihr Verlobungsring im Licht funkelte. »Morgenkaffee ist jetzt und für immer erlaubt.«

»Gott sei Dank«, murmelte Tyr.

Ich tauschte einen schmerzerfüllten Blick mit dem Kriegsgott. Die Sache mit dem Kaffee war Teil einer umfassenden Reinigung. In ihrem ständigen Bestreben, Freya zu heilen, hatte Elsa beschlossen, die Verfügbarkeit von angstauslösenden Stimulanzien wie Koffein in unserer Hütte in Arcata zu reduzieren und Beruhigungsmittel einzuführen, auf die einige von uns gut hätten verzichten können. Seit Freya bei uns war, hatten wir uns einer Aromatherapie unterzogen (grüne Mandarine machte Henrik wahnsinnig hyperaktiv, aber doppelt so produktiv), einer glutenfreien Ernährung, die bei mir und Tyr Keks-Entzugserscheinungen der Stufe sieben und Gereiztheitsanfälle der Stufe zehn auslöste, der veganen Diät, die an dem Tag endete, an dem Henrik damit drohte, für immer nach Asgard zurückzukehren, und Blütenessenzen (Mias erhöhte Einnahme von Ulme kurz vor den Prüfungen machte unser aller Leben leichter). Nichts hatte Freyas Zustand geheilt, aber wir würden es so lange versuchen, bis etwas wirkte.

Und wenn wir dabei alle verrückt wurden, dann war das eben der Preis, den wir zahlen mussten. Der Kosmos brauchte Freya. Unbedingt.

»Wie waren deine Prüfungen, Mia?« Forse legte die Hand, mit der er Elsas nicht hielt, um seine Tasse und betrachtete unsere Sterbliche von der anderen Seite des Tisches. »Nichts allzu Schwieriges für dich, nehme ich an?«

»Meine Mathetests waren in Ordnung, aber Kreatives Schreiben war ein Albtraum.« Mia erschauerte. »Gott sei Dank war das mein letzter Nicht-Kernkurs.«

»Du hast einen unglaublich kreativen Geist, Mia«, sagte Elsa sanft. »Warum war das so schwierig für dich?«

»Es war nicht schwierig für Mia«, sagte ich. »Sie hat es mit Bravour bestanden. Sie ist nur der Meinung, dass es sich nicht auf ihren Notendurchschnitt auswirken sollte.«

»Die Meinung eines Professors sollte keinen Einfluss auf die Note haben. Mathe ist entweder richtig oder falsch.

Schreiben ist ... na ja, es ist zu subjektiv, um messbar zu sein.« Mia schaute stirnrunzelnd auf ihren Cupcake.

»Hör doch auf. Professor Carter hat deinen Aufsatz geliebt.« Ich verdrehte die Augen. Mia hatte für jede Arbeit, die sie eingereicht hatte, eine Eins bekommen.

»Jedenfalls sind wir jetzt endlich mit den Prüfungen fertig und können die Sommerferien genießen.« Mia nahm einen kleinen Bissen von ihrem Cupcake.

»Obwohl du mit ›Sommerferien genießen‹ anscheinend meinst, sechs Stunden am Tag mit meiner Schwester Vereinigen zu lernen und weitere vier mit Brynn und Henrik am Schließer zu arbeiten.« Tyr schüttelte den Kopf. »Du weißt, dass du dir auch mal eine Pause gönnen kannst, prinsessa?«

»Kannst du dir denn mal eine Pause gönnen?«, konterte Mia.

»Kommt darauf an, welche Art von Pause dir vorschwebt.« Tyr flüsterte Mia etwas ins Ohr, und sie wurde knallrot.

»Hör auf.« Sie kicherte.

»Du kannst keine sechs Stunden am Tag mit Elsa verbringen. Sie und Forse stecken mitten in den Hochzeitsvorbereitungen.« Ich versuchte zu ignorieren, wie sich Tyrs Hand besitzergreifend hinter Mias Stuhl bewegte. Er hatte eine große Schwäche für den Hintern seiner Freundin. Stattdessen richtete ich meine Aufmerksamkeit auf Elsa. »Apropos, der große Tag ist nur noch zwei Monate entfernt, und du hast mir immer noch nichts zu tun gegeben. Komm schon, du musst doch irgendwas für mich haben.«

»Wir halten es ganz einfach«, wiederholte Elsa zum x-ten Mal. »Nur eine ruhige Zeremonie mit der engsten Familie und euch. Kein Prunk. Kein Schnickschnack.«

»Mit anderen Worten: kein Spaß.« Mias Mundwinkel zogen sich nach unten. Sie war mit Forses und Elsas schlichter Feier genauso wenig einverstanden wie ich. »Um irgendwas können wir uns doch bestimmt kümmern. Die Blumen? Deko? Lasst mich bitte, bitte einen Kuchen backen.«

»Hey, den Kuchen habe ich mir reserviert.« Henrik warf Mia einen bösen Blick zu.

»Siehst du? Genau deshalb halten wir es einfach.« Forse schmunzelte. »Wir wollen heiraten. Alles andere sind nur Details.«

»Aber die Details sind doch das Beste!« Mia warf die Hände in die Luft. »Mom würde ausrasten, wenn sie wüsste, dass ihr nicht mal einen Polterabend wollt.«

»Ich weiß. Und ich weiß es ja auch zu schätzen, dass ihr uns unterstützen wollt. Aber wie Forse schon sagte, wir wollen einfach nur heiraten.« Elsa klang wehmütig, und ich warf einen kurzen Blick zu Freya, um zu sehen, ob sie den Unterton mitbekommen hatte. Da die Liebesgöttin ausdruckslos aus dem Küchenfenster starrte, war wohl alles in Ordnung.

Als Forse Elsa einen Heiratsantrag gemacht hatte, hatten sie gehofft, sofort heiraten zu können. Aber Freyas Krankheit, Forses Mutter, die Freyas Rolle übernommen hatte, und eine Reihe unvorhersehbarer Stürme, die eine verblüffende Ähnlichkeit mit den prophezeiten Zeichen von Ragnarök – dem nordischen Ende aller Tage – aufwiesen, hatten die Dinge ausgebremst. Nach einiger Zeit beschlossen Elsa und Forse, auf den traditionellen asgardischen Prunk zu verzichten und stattdessen eine stille Zeremonie hier auf Midgard abzuhalten. Ihr aufrichtiger Wunsch, ihr gemeinsames Leben zu beginnen, war mehr als süß.

Ihre Weigerung, daraus eine große Sache zu machen, war jedoch so was von uncool.

»Wir werden irgendetwas Lustiges hineinschmuggeln«, schwor ich. Lautlos bildete ich das Wort Junggesellinnenabschied, und Mia nickte begeistert.

»Ja«, sagte sie lautlos zurück.

»Nein«, sagte Elsa lautlos neben mir, und ich musste lachen.

Henrik ignorierte uns alle. »Wann kommt dein Bruder, Mia? Am Samstag?« Er und Jason hatten sich gut verstanden, als sie gemerkt hatten, dass sie gemeinsam Tyr beim Billard schlagen konnten. Seitdem freute sich mein Freund auf Jasons sommerlichen Besuch mit einer Begeisterung auf Grüne-Mandarine-Niveau. Sie würden den Großteil seines Besuchs im Freizeitzimmer im Keller verbringen.

»Ja.« Mia strahlte. »Damit bleiben mir noch zwei Tage Zeit, um all seine Lieblingskekse zu backen. Willst du helfen?«

»Natürlich, prinsessa.« Tyr lehnte sich in seinem Stuhl zurück. »Füttere ihn mit Zucker, damit ich ihn leichter beim Billard vernichten kann.«

Ich blinzelte unschuldig. »Ist er nicht der beste Billardspieler seiner Studentenverbindung?« Die Ader in Tyrs Kiefer begann sich zu wölben. Es war so einfach, ihn zu ärgern.

Elsa lachte auf. Tyrs Ader pulsierte, und seine Schwester unterdrückte schnell ihr Grinsen. »Ich habe gehört, dass Jason gerade eine besondere Auszeichnung erhalten hat. Als größter Billardmeister aller Zeiten.«

»Billardmeister?«, fragte Henrik neben mir, und ich stieß ihm schnell mit dem Ellbogen in die Rippen. »Äh, richtig! Ja, er ist der offizielle Billardmeister. Mia hat mir die E-Mail gezeigt.«

Mia verdrehte die Augen. »Ihr spinnt.«

»Das werden wir ja sehen«, knurrte Tyr. »Dieses Wochenende. Das Turnier der Champions. Ich. Jason. Wer auch immer von euch glaubt, mithalten zu können.«

»Aber kein Schummeln«, warnte Forse Tyr. »Ich weiß noch, was letztes Mal passiert ist.«

»Ich schummle nie.« Tyr zog die Schultern zurück.

»Das warst also nicht du, den ich letzten Sommer um den Tisch herumschwirren sah? Du weißt schon, kurz bevor du die letzte Kugel versenkt hast?« Der Gott der Gerechtigkeit zog eine Augenbraue hoch.

»Oh. Das. Na ja, Elsa war gestolpert. Und sie war immer noch gebrechlich, weil sie mit Runa gefangen war, also ...«

»Ich war nie gebrechlich«, widersprach Elsa.

»Elsa.« Ich runzelte die Stirn. Wir wussten alle, dass das eine Lüge war.

»Ich war erschöpft, ja. Habe gehumpelt. Aber ich war nie gebrechlich.« Sie hob trotzig ihr Kinn.

Tyr starrte seine Schwester an. Zweifellos war er mit dieser seltsamen Kopfkommunikation beschäftigt, die Odin ihnen mitgegeben hatte. Nach einem intensiven Moment der Stille und höchstwahrscheinlich einer stummen Entschuldigung zuckte Elsa mit den Schultern. »Meinetwegen. Ich vergebe dir.«

»Gut. Hey, apropos Runa, vergiss nicht, dass Jason immer noch nichts von alldem hier weiß.« Mia deutete auf die sechs nordischen Götter, die um den Tisch herumsaßen. »Er glaubt, ihr seid schwedische Austauschschüler, und ich verbringe nur ein paar Wochenenden hier, also denkt daran, dass Brynn und ich in der Stadt wohnen, und dass keiner von euch ein unsterblicher Gott des Krieges oder der Gerechtigkeit ist oder eine Liebesgöttin ...« Endlich sah Freya auf, was ihr ein Lächeln von Mia einbrachte. »Oder eine Walküre oder sonst irgendwas davon, okay? Ich will eure Tarnung nicht auffliegen lassen. Und ich will ihn nicht verschrecken.«

»Dein Bruder wird nichts mitbekommen.« Zum ersten Mal, seit wir uns am Tisch versammelt hatten, sprach Freya. »Wir haben dieses Geheimnis schon sehr lange für uns behalten.«

Mia lächelte dankbar. »Ich bin so froh, dass du ihn endlich kennenlernen wirst, Freya.« Ihre Augen leuchteten mit ihrer üblichen Begeisterung, wann immer sie von ihrer Familie sprach. »Er ist klug, freundlich und witzig, und er freut sich sehr darauf, zwei Wochen mit uns zu verbringen. Die Abschlussprüfungen haben ihn sehr mitgenommen, und er muss unbedingt etwas Dampf ablassen.«

»Und niemand lässt so viel Dampf ab wie ein Haus voller Asen, von denen einige dieses Semester Midgards Version von Folter durchmachen mussten – eine Sterbliche zu bewachen, die organische Chemie als Pflichtfach für ihr zweites Semester gewählt hat.« Ich beendete meinen Cupcake mit einem entschlossenen Bissen.

»Und darauf zu warten, dass ihre Freundin aufhört, sich wegen der Prüfungen zu stressen, damit sie sich endlich entspannen kann.« Tyr warf Mia einen sehnsuchtsvollen Blick zu. Wieder wurde sie rot.

»Und die endlich nur noch ein paar Wochen davon entfernt sind, die Liebe ihres Lebens zu heiraten.« Elsa funkelte ihren Verlobten mit ihren kristallblauen Augen an.

»Endlich.« Forse gab Elsa einen Kuss auf den Kopf. Mit einem zufriedenen Seufzer schmiegte sie sich an seine Brust.

»Also abgemacht. Alle bleiben in ihrer Rolle.« Mia gestikulierte wieder um den Tisch herum. »Wir werden uns einfach ausruhen und entspannen und den besten Sommer überhaupt haben. Ich kann es kaum erwarten, dass mein Bruder kommt.« Mia drehte sich zu Freya um und schenkte ihr ein strahlendes Lächeln. »Er ist der Beste. Oh, Freya. Du wirst ihn lieben!«

Zwei

Freya

Liebe war nicht das, was ich für Mias Bruder empfand. Verachtung. Abscheu. Intensive Abneigung. Aber definitiv keine Liebe.

Als es zwischen Tyr und unserer Sterblichen ernst wurde, verlangte meine Pflicht als Göttin der Liebe, dass ich ihre Familie gründlich überprüfte. Die meisten Mitglieder hatten einen beispielhaften moralischen Charakter und ein angemessenes Maß an Respekt bewiesen. Jason hingegen hatte versucht, die Walküre zu verführen, die ich zur Beurteilung seines Charakters geschickt hatte. Rayn Vindahl war eine meiner besten Spioninnen – klug genug, um nicht gegen das Protokoll zu verstoßen, indem sie etwas mit einer Zielperson anfing. Und nachdem sie Jasons Annäherungsversuche zurückgewiesen hatte, fand sie sich um Mitternacht allein in einer Bar wieder. Als Mitglied meines Elitekampfteams hatte sie die aggressiven Annäherungsversuche betrunkener Männer gekonnt abgewehrt. Aber wäre sie die Sterbliche gewesen, die sie vorgab zu sein, wäre sie auf schreckliche Weise gefährdet gewesen ... und das alles nur, weil Jason Ahlström bei Weitem nicht der Engel war, für den seine Schwester ihn hielt.

Die Reiche würden Mia genug verdunkeln. Ich würde ihr nie die Wahrheit sagen.

Mein Kopf schmiegte sich tiefer in die Kissen, während ich den Hagel betrachtete, der gegen mein Schlafzimmerfenster prasselte. Gerade war ein neuer Sturm aufgezogen, die letzte der etlichen ungewöhnlichen Wetterlagen, die in der kalifornischen Küstenstadt Verwüstung anrichteten. Die extremen Schneefälle des Winters waren ein deutlicher Hinweis auf Ragnarök – das nicht ganz so mythologische Ende der Tage. Den asgardischen Prophezeiungen zufolge würde eine Reihe von Wintern in Verbindung mit kosmosweiten Unruhen im Tod von Forses Vater – Asgards Gott des Lichts – gipfeln und Ragnarök auslösen. Die Tatsache, dass Balders Frau Nanna ihre Position als Göttin der Wärme aufgegeben hatte, um meinen Job zu übernehmen, machte mich krank. Nannas ganze Aufmerksamkeit hätte sich darauf konzentrieren sollen, ihren Mann mit Liebe, Mitgefühl und Hoffnung zu umgeben – all die positiven Energien, die Angst, Hass und Wut ablenkten, die dem Lichtgott zum Verhängnis werden würden. Aber Balder war gefährdeter denn je.

Und das alles nur meinetwegen.

Ich hätte alles dafür gegeben, um die Kontrolle über meinen eigenen Geist wiederzuerlangen, so wie ich meine Legion von Walküren seit dem Tag, an dem mir diese Ehre zuteilgeworden war, befehligt hatte. Aber ich konnte mich nicht aus der Dunkelheit befreien, die Hel in mir erschaffen hatte. Die tiefe, schmerzende Leere, die mir die Freude aus dem Herzen raubte und meinen Kopf in einen fast ständigen Nebel hüllte, ließ sich nicht durch Kristalle, Blütenessenzen, Meditation, Gebete oder durch den Verzicht auf Koffein beseitigen. Ich hatte das Elsa erklärt – und Henrik im Stillen geraten, Brynn in der Zwischenzeit heimlich Espresso zu bringen –, aber unsere Hohe Heilerin konnte einfach nicht akzeptieren, was war.

Ich war krank. Vielleicht sogar unheilbar. Und nichts, was wir versuchten, half.

Ein leises Klopfen riss mich aus meinen düsteren Gedanken. Mein Blick wanderte vom Fenster zur Tür.

»Freya?« Brynns zaghafte Stimme von der anderen Seite brach mir fast das Herz. Ihre Angst erinnerte mich daran, wie schwach ich war. Wie sollte ich mich zusammenreißen, wenn alle so taten, als wäre ich schon halb tot?

»Freya?«, fragte Brynn sanft. »Bist du da?«

»Ja. Komm rein.«

Ich versuchte, mir nichts anmerken zu lassen, als ich sah, wie vorsichtig Brynn die Tür öffnete und in mein Zimmer sch‍lich, als wäre schon eine einzige falsche Bewegung zu viel für mich. Die willensstarke Brynn war eine meiner Lieblingsschützlinge gewesen, seit sie voller Optimismus bei den Walküren angekommen war. Ich hatte den Glanz ihres Sterns schon vorausgesehen, als wir noch zur Schule gingen, aber als sie sich dem Orden anschloss, wusste ich, dass Brynn eines Tages die Reiche regieren würde. Möglicherweise an meiner Stelle.

»Wie fühlst du dich?«, hakte sie nach.

»Mir geht's gut. Die Cupcakes waren lecker.« Ich legte so viel Fröhlichkeit in die Worte, wie ich konnte, aber sie klangen trotzdem flach. Mein kühler Tonfall war mir fremd, selbst nach all diesen Monaten. Wann hatte ich aufgehört, warm und mitfühlend und ... liebevoll zu sein? Die Mauer zwischen mir und meinen Freunden wurde von Tag zu Tag höher.

Ich hasste das.

»Ja ...« Brynn kaute auf ihrer Unterlippe herum. Das war mehr als nur Nervosität – irgendetwas stimmte nicht.

»Was ist denn los?«

»Ich will dich wirklich nicht beunruhigen, aber ...« Brynn rang mit ihren Fingern.

»Spuck es aus, Walküre.«

Brynn holte tief Luft. »Frigga hat gerade angerufen, und sie ist total ausgeflippt. Sie hat alle Wesen in den Reichen dazu gebracht, einen Schwur abzulegen, Balder nicht zu verletzen, weil sie das für eine zusätzliche Sicherheitsvorkehrung hielt. Aber als die Nachricht die Runde machte, hob der Rat seinen Schutz auf, die Wachen, die Odin zum Schutz Balders abgestellt hatte, traten zurück, und jetzt amüsiert sich jeder in Asgard damit, auf Balder zu schießen.«

Ich sprang so schnell aus meinem Bett auf, dass sich die graublauen Wände zu drehen begannen. Brynn eilte an meine Seite und hielt mich mit ruhigen Händen aufrecht. »Wir müssen sie aufhalten. Ein Schwur wird Balder nicht am Leben erhalten. Und er wird Ragnarök nicht aufhalten.«

»Ich weiß.« Brynns Finger legten sich fester um meine Schultern. »Tyr nimmt gerade den Bifröst. Allein. Er hat Elsa gebeten, Forse für ein paar Stunden auf eine Wanderung mitzunehmen – um ihn abzulenken, während sie ihre Vereinigungsenergie nach Asgard schickt. Er hat Angst davor, was Forse tun könnte, wenn er sieht, was ... nun ja, was hier los ist. Henrik bleibt hier und kümmert sich um die Kommunikation. Ich dachte, du würdest es wissen wollen.«

»Wissen?« Ich schnappte mir meine Jacke aus dem Schrank und zog sie über, während ich den Flur entlangstürmte. »Ich gehe mit ihm.«

»Das ist keine gute Idee.« Schritte polterten hinter mir auf der Treppe. »Du musst dich ausruhen.«

»Ich tue nichts anderes, als mich auszuruhen.« Ich stieß die Haustür auf. Winzige Eiskugeln prasselten mir ins Gesicht, als ich auf die Lichtung zwischen Tyrs und Elsas Hütten stürmte. »Bleib hier, und pass auf Mia auf. Sag Elsa, wo ich bin, wenn du Kontakt mit ihr aufnimmst. Und wenn Forse es erfährt ... Sag ihm, dass ich alles in meiner Macht Stehende tue, um seinem Vater zu helfen.«

»Freya! Bitte!«, flehte Brynn.

Ich ignorierte sie und rannte unter Demonstration asgardischer Geschwindigkeit zu der üblichen Stelle für den Bifröst.

Tyr runzelte die Stirn, als er mein plötzliches Erscheinen registrierte. »Freya?«

»Ich komme mit dir.« Mein Ton ließ keinen Raum für Widerworte.

»Aber ...«

»Kein Aber, Krieg. Heimdall!« Ich hob meinen Kopf in den Himmel. »Bifröst!«

Der sofortige Windstoß und der Lichtblitz erwischten mich unvorbereitet. Tyr streckte die Hand aus, als ich stolperte, und zog mich an seine Brust. Ich erlangte mein Gleichgewicht wieder und trat einen Schritt zurück.

»Du solltest dich ausruhen«, sagte er. »Das zusammen zu machen, ist keine gute Idee.«

»Dann bleib du hier.« Ich zog mich aus dem Hagelsturm zurück und trat mit verschränkten Armen in den Regenbogen. Ich war entsetzt über die Kälte in meiner Stimme, aber ich machte mir nicht die Mühe, die Göttin zu beklagen, die ich nach Helheim geworden war. Das brachte mich nicht weiter.

Und es würde uns auch ganz sicher nicht helfen, Balder zu retten.

»Na schön.« Tyr seufzte. »Brynn, pass auf mein Mädchen auf. Sag ihr, ich werde ihr beim Backen helfen, wenn ich nach Hause komme.«

»Ich weiß nicht, ob das wirklich etwas ist, worauf sie sich freuen kann.« Brynn rieb sich die Arme gegen die Kälte. »Beschützt einfach Balder – beendet diesen Wahnsinn, setzt die Wachen wieder ein, bringt ihn hierher –, wir werden uns um ihn kümmern. Tut, was ihr tun müsst, damit er in Sicherheit ist.«

Tyr und ich tauschten einen aufgeladenen Blick aus. Uns war klar, was auf dem Spiel stand. Der Gott des Lichts war nicht nur das Letzte, was zwischen uns und Ragnarök stand; er war auch Forses Vater. Sollte Balder sterben, wäre Forse am Boden zerstört. Nanna wäre untröstlich. Ihre Seelen wären unrettbar zerstört, und das Gefüge unserer unkonventionellen kleinen Familie wäre für immer verändert.

Das konnten wir nicht zulassen.

Tyr ergriff meine Hand und blickte in den Himmel. »Nach Asgard«, befahl er.

Dann wurden wir in den Himmel gesaugt, durch die Atmosphäre Midgards geschleudert und in Richtung des Reiches der Götter katapultiert.

Ich hoffe, wir sind nicht zu spät.

**

»Tyr, den Göttern sei Dank, du bist angekommen. Odin ist unterwegs, um einen Konflikt mit den Feuerriesen zu lösen, und ich wusste nicht, an wen ich mich wenden sollte.« Frigga, Odins Gemahlin und Königin von Asgard, fiel meinem Freund in die kräftigen Arme. Ihre zierliche Gestalt zitterte, und ihr Gesicht war traurig und besorgt, während wir vor der unberührten Kulisse von Asgards zentralem See und der Silberweide standen. Friggas Zofe Yande stand etwas abseits.

»Ich bin sofort gekommen, als ich es gehört habe.« Tyr tätschelte Friggas zitternde Schultern. Mia hatte eine weichere Seite beim Kriegsgott zum Vorschein gebracht, aber sein steifer Rücken und die großen Augen machten deutlich, dass er sich immer noch nicht ganz wohlfühlte in der Nähe weiblicher Tränen.

»Oh, Tyr. Ich habe alles getan, was ich konnte, um ihnen das auszureden, aber sie wollten nicht auf mich hören. Sie sind auf der Wiese, die an den Dunkelwald grenzt, und haben sich in Rage geredet. Sie müssen wie verzaubert sein, wenn sie ein Spiel spielen wollen, das nur in ... in ... einer Katastrophe enden kann.« Friggas Stimme brach, und sie begann erneut zu weinen. Sie warf den Kopf zurück und schluchzte in die schweren grauen Wolken hinein. »Nanna wird mir das nie verzeihen!«

»Wo ist Nanna?«, fragte ich.

Frigga hob ihren Kopf von Tyrs Brust. Auf seinem cremefarbenen Henley waren zwei feuchte Flecken zu sehen. Oh, Frigga.

»Freya.« Frigga wischte sich die Tränen aus den Augen. »Du solltest nicht hier sein. Du musst dich schonen, deine Kräfte wiedererlangen.«

Frigga auch? »Es geht mir gut.« Meine Worte klangen wie Eis. »Weiß Nanna, was los ist?«

»Nein«, schluchzte Frigga. »Bevor er ging, machte Odin klar, dass sie nicht gestört werden sollte.«

»Während eine Gruppe verrückter Götter versucht, ihren Mann zu töten?« Es kostete mich all meine Selbstbeherrschung, um nicht mit dem Fuß aufzustampfen. »Ist Odin wahnsinnig?«

»Freya«, rügte mich Frigga. »So darfst du nicht über unseren Herrscher reden.«

Das hatte ich schon oft getan. Ich hatte Odin jedes Mal zur Rede gestellt, wenn eine seiner Entscheidungen meine Walküren in unangemessene Gefahr gebracht hatte. Balder unterstand zwar nicht meinem Kommando, aber er war der Vater meines Freundes und Asgards Ragnarök-Auslöser. Wenn jemand harte Worte aussprechen musste, um unser Reich zu retten, hatte ich kein Problem damit, die Verräterin zu sein.

»Nanna muss informiert werden«, wiederholte ich. »Unverzüglich.«

»Freya hat recht.« Tyr nickte aus Solidarität. Und auch aus Vernunft. »Nanna muss wissen, was vor sich geht. Ganz Asgard ist sich der Konsequenzen bewusst, die es mit sich bringt, Balder in Gefahr zu bringen. Wenn sie sein Leben wissentlich gefährden, können sie nicht aus eigenem Antrieb handeln – es muss dunkle Magie im Spiel sein. Und die stärkste verfügbare Gegenmaßnahme zur Dunkelheit ist unsere Göttin der Wärme. Nanna muss sofort kontaktiert werden.«

»Das ist nicht möglich.« Frigga schüttelte den Kopf. »Sie befindet sich in Odins persönlicher Meditationskammer und versucht, eine dringende Angelegenheit zu klären.«

»Was? Was könnte sie Wichtigeres tun, als das förbaskat Leben ihres Mannes zu retten?«, knurrte Tyr.

Friggas Augen huschten zu mir, dann wieder zu Tyr. »Eine Situation in Jotunheim erfordert die Aufmerksamkeit der amtierenden Göttin der Liebe.«

Stille senkte sich über uns drei, Friggas unausgesprochene Worte waren ein Dolch in meinem Bauch. Nanna machte meine Arbeit, als ihr Reich – und ihr Mann – sie brauchte. Was auch immer mit Balder geschah, es war meine Schuld.

Skit.

Ich zog die Schultern zurück und zwang meinen Magen, sich zu beruhigen. Ich rief eine Kraft ab, die ich schon lange nicht mehr gespürt hatte, kniff die Augen zusammen und befahl: »Geh zu Nanna und sag ihr, dass sich die Jotun um sich selbst kümmern sollen. Tyr, wir beide werden diesem Unsinn ein Ende setzen. Und zwar auf der Stelle.«

»Freya, ich habe bereits versucht ...«

»Ich sagte auf der Stelle, Frigga.« Und weil sie meine Königin und keine mir unterstellte Walküre war, fügte ich hinzu: »Tut mir leid. Bitte.«

»Yande, sag Nanna, dass sie sich sofort bei mir melden soll«, befahl Frigga. Mit einem scharfen Nicken huschte die Zofe zurück zur Burg. Als sie gegangen war, wandte Frigga ihre Aufmerksamkeit wieder mir zu. »Ich werde mit dir zur Versammlung zurückkehren. Vielleicht werden wir drei mehr Macht haben als ich allein.«

Ich wartete nicht, bis sie zu Ende gesprochen hatte, sondern drehte mich auf dem Absatz um und stürmte über die Wiese.

Als ich keine Schritte hinter mir hörte, rief ich über meine Schulter: »Tyr! Beweg dich!«

Tyr tauchte sofort neben mir auf. Frigga musste irgendwo hinter ihm sein. Wir ließen den See hinter uns und steuerten auf die dichte Ansammlung von Nadelbäumen zu, die wir als Dunkelwald bezeichneten. Dort passierte nie etwas Gutes – es war der einzige Teil Asgards, in dem es unseren Feinden gelang, Portale zu öffnen, und er war der Ort, an dem mehr Asen ums Leben kamen als an jedem anderen des Reiches. Der Boden wurde matschig. Ich senkte den Kopf und erhöhte das Tempo. Wie hatte Odin das Reich verlassen können, ohne zu wissen, dass dunkle Magie im Spiel war? Selbst wenn ganz As‍gard mit einem Bann belegt worden wäre, hätten unser Anführer und jene, die unter seinem unmittelbaren Kommando standen, unempfindlich sein müssen. Odins Wachen waren aufmerksamer als alle anderen in der Truppe, und er hatte einen Energiemeister, der speziell dafür zuständig war, dunkle Zaubersprüche abzuwehren. Wenn Michalio nicht kompromittiert worden war, gab es keine Möglichkeit, dass jemand an ihm vorbeikam.

»Halt«, sagte Tyr. Er kauerte sich auf die moosbewachsene Erde hinter einer Kiefer. Frigga huschte an uns vorbei, offenbar zu sehr damit beschäftigt, Balder zu erreichen, um Tyrs Anweisung zu befolgen.

Ich kniete mich neben ihn. »Was ist los?«

»Die Versammlung ist bei mir auf zehn Uhr, aber schau mal fünfzig Meter in den Wald hinein, bei dir auf ein Uhr.

Was siehst du?«

Ich kniff die Augen zusammen und schaltete mein asgardisches Sehvermögen ein. Und tatsächlich, genau an der von Tyr beschriebenen Stelle stand eine geheimnisvolle Gestalt, die sich eine Kapuze über den Kopf gezogen hatte. Sie stand mit dem Rücken zu mir und verschwand zu schnell zwischen den Bäumen, als dass ich ihr Gesicht hätte erkennen können, aber ihre verschlagenen Bewegungen und schwere Energie rochen nach Dunkelheit. Was immer sie auch vorhatte, es war nichts Gutes.

Aber wir hatten größere Probleme zu bewältigen als einen unheimlichen Beobachter. Unsere Leute daran zu hindern, Forses Vater zu töten, hatte oberste Priorität.

Vor allem, da Thors Frau Sif im Begriff war, einen riesigen Stein auf den Gott zu schleudern, dessen Tod unser aller Ende bedeuten könnte.

»Sif!« Ich hob die Hand an meinen Mund. »Was macht sie da?«

Tyr wandte seinen Blick dorthin, wo eine Gruppe von Asen den Gott des Lichts umkreiste. Balders Arme waren ausgestreckt, und seine warme Stimme drang über die Wiese.

»Komm schon, Sif«, sagte Balder freundlich. »Du weißt, was meine Mutter gesagt hat. Sie ließ jedes Wesen im Reich einen Schwur ablegen, mich zu beschützen. Selbst die Nornen können das nicht anfechten.«

Ich schnappte entsetzt nach Luft, als Balder Sif ein Zeichen gab, fortzufahren. Sie warf den Stein, der auf Balder zuraste und in letzter Sekunde vom Kurs abkam. Sifs goldenes Haar fiel ihr über die Schulter, und sie warf lachend den Kopf zurück. Der freudige Klang hallte von den Stämmen der Tannen zu uns zurück.

»Was zum Teufel ist nur los mit ihnen?« Tyr kniff die Augen zusammen. »Los, Freya. Wir müssen das beenden, bevor jemand ...«

»Skit«, fluchte ich. Balders Bruder Hod trat mit Pfeil und Bogen in den Händen vor und machte sich bereit zu schießen.

»Förbaskat«, stimmte Tyr mit ein. Einen Moment lang starrten wir uns entsetzt an, dann stürmten wir los. Das Blut pulsierte so stark in meinen Ohren, dass ich Hods Erklärung kaum verstehen konnte, als er seinen Bogen zurückzog.

»Es ist nur ein Mistelzweig.«

Die Welt veränderte sich in Zeitlupe. Frigga stürzte vorwärts, und ihre Haare stoben auseinander, während sie versuchte, den Pfeil aufzuhalten. »Nein!«, rief sie. »Warte! Nicht schießen!«

Ihre Stimme war schrill, aber das ohrenbetäubende Klopfen meines Herzens dämpfte ihr Entsetzen. Angst strömte durch meine Adern, das Rauschen des Adrenalins erfüllte meine Ohren, sodass die Schreie der Schaulustigen fast völlig verstummten, als der Pfeil Hods Bogen verließ, auf Balder zuflog und sein linkes Handgelenk durchbohrte. Bei allen Göttern, nein! Hods freudiges Grinsen verwandelte sich in eine Maske des Entsetzens, während sein Bruder sich verwirrt den Arm hielt.

»Aber Mutter sagte ...« Mit zitternden Händen zog Balder den Pfeil heraus, und rote Flüssigkeit tropfte auf seine Handfläche.

Bei diesem Anblick geriet ich ins Stolpern und fiel mit dem Gesicht voran in ein Bett aus moosiger Erde. Der Geschmack von Kupfer erfüllte meinen Mund, aber ich hatte keine Zeit, meine eigenen Verletzungen zu begutachten. Ich spuckte und zwang mich auf die Knie. Tyr war bereits wieder an meiner Seite, sein Gesichtsausdruck unleserlich.

»Bist du okay?« Er zog mich auf die Beine.

»Schnell. Vielleicht ist es noch nicht zu spät, um ihn zu retten ...«

»Doch, ist es.« Seine Stimme wurde brüchig. »Balder ist gefallen.«

Tränen füllten meine Augen, und ich blinzelte heftig, als Balder zu Boden sank. Frigga ging mit ihm auf die Knie. Ein dicker, roter Film bedeckte sie beide, tropfte von ihren Körpern und bedeckte den grünen Teppich der Wiese zu ihren Füßen.

Wir waren zu spät.

Mein Herz krampfte sich zusammen, und ich griff nach Tyrs Unterarmen. Er stützte mich, während Hods Stimme durch die Luft schallte. »Ich hatte keine Ahnung«, stammelte er. »Da war dieser Mann, und er hat mir den Pfeil gegeben ...«

Der unheimliche Fremde.

Als es mir endlich gelang, den Kopf zu heben, zeigte Hod auf die Stelle im Wald, an der die vermummte Gestalt gestanden hatte. Jetzt war sie verschwunden; keine Spur war mehr zu sehen.

Frigga wimmerte. Meine Aufmerksamkeit richtete sich wieder auf den Kreis der Götter, von denen einige auf die Knie gesunken waren. »Nein!«

Die Farbe verblasste aus Balders einst so fröhlichem Gesicht. Während sein Körper in Friggas Armen dahinwelkte, tat er seinen letzten Atemzug. Die Götter weinten.

»Findet den Fremden«, rief ich. Handeln war das Einzige, was mich vor dem Zusammenbruch bewahren konnte. Ich rannte in den Dunkelwald und suchte die Bäume nach dem Monster ab, das dies verursacht hatte. Es sollte mit seinem Leben bezahlen.

»Freya, warte.« Furcht färbte Tyrs Stimme. »Ich darf dich nicht schon wieder verlieren!«

Aber ich konnte nicht anhalten. Ich schoss von Baum zu Baum und suchte den Wald nach dem vermummten Dämon ab, der Balder ermordet hatte – der das Todesurteil für uns alle unterschrieben hatte.

Er war nirgends zu sehen. Er musste aus dem Wald geflohen sein, gleich nachdem ... nachdem ... bei allen Göttern.

»Freya.« Tyr holte mich endlich ein. Er zog mich so fest in seine starken Arme, dass ich kaum noch Luft bekam.

»Zu fest«, keuchte ich. Tyrs Griff lockerte sich, und als ich nach Luft schnappte, zog er meinen Kopf sanft an seine Brust.

»Es wird alles gut«, flüsterte er. Aber ich wusste, dass diese Worte eine Lüge waren. Wir waren nicht schnell genug gewesen. Wir hatten das Schlimmste nicht verhindern können.

Und es war alles meine Schuld.

Forses Vater war tot. Und wenn Friggas Zofe nicht die Schnelligkeit einer koffeinierten älva hatte, wusste Nanna nichts von alldem. Sie steckte in irgendeinem Meditationsraum und sprang für mich ein, weil ich mich gerade außerstande sah, meinen eigenen Job zu machen. Meinetwegen war ihr Mann – der Vater meines Freunds – tot. Wegen mir würde Ragnarök über uns kommen. Wir würden alle sterben, und zwar meinetwegen.

Eine Dunkelheit füllte meinen Kopf, überwältigender als alles, was ich bisher gekannt hatte. Die psychische Last war unerträglich, und zum ersten Mal seit meiner Rückkehr aus Helheim gab ich mich den überwältigenden Gefühlen von Einsamkeit und Verzweiflung hin. Sie übernahmen mein Bewusstsein und verdrängten das Licht, während ich in Tyrs Armen zusammensackte.

»Tut mir leid.«

Ich schloss die Augen und ergab mich der Dunkelheit.

Drei

Brynn

Ich wurde geschickt, um Nanna die Nachricht zu überbringen. Freya konnte es nicht – seit ihrer Rückkehr aus Asgard war sie immer wieder in etwas gefallen, was Elsa ein »Selbsterhaltungskoma« nannte. Ihr Geist schaltete ihren Körper immer wieder ab, um ihn vor einer Überlastung durch den Kummer zu bewahren.

Forse konnte das natürlich nicht tun – er war auf die Knie gesunken, als Tyr die Nachricht überbrachte, und hatte sich mit einer Verzweiflung an Elsas Brust ausgeweint, die ich bei dem sonst so ausgeglichenen Gerechtigkeitsgott noch nie gesehen hatte. Elsa hatte ihn gehalten, bis seine Tränen versiegt waren, bevor sie ihm auf die Beine geholfen und ihn sanft aus dem Haus geführt hatte. Er hatte sich in Elsas Hütte zurückgezogen, um zu trauern, und sich seitdem geweigert, jemanden zu empfangen.

Tyr war nach Asgard zurückgekehrt, wo er sich mit dem Rest von Odins Rat im Kabinettsraum eingeschlossen und begonnen hatte, Strategien für die nun bevorstehende Entfesselung von Ragnarök zu entwickeln. Mia konnte als Sterbliche das Reich immer noch nicht legal betreten, also war sie damit beschäftigt, Essen zu kochen, das Elsa Forse bringen sollte.

So hatten Henrik und ich Stein-Schere-Papier gespielt, um zu entscheiden, wer diese furchtbare Aufgabe übernehmen musste.

»Papier wickelt Stein ein.« Henrik legte seine offene Hand sanft auf meine Faust. »Tut mir leid, Brynnie.«

Ich fluchte lautstark. Wie hatte ich vergessen können, dass Henrik immer Papier wählte? Es muss an den Millionen von anderen Dingen gelegen haben, die mir durch den Kopf gingen ... wie die komatöse Freya, den trauernden Forse und Tyr, der buchstäblich auf dem Kriegspfad war, während wir sprachen.

Großartig.

»Wenn du nicht willst, kann ich auch gehen«, bot Henrik an. »Du kannst hierbleiben und Mia beschützen.«

»Nein, ich mach das.« Ich seufzte. »Mia braucht jetzt einen Anschein von Normalität, und ihr könnt zusammen kochen. Ich wäre keine Hilfe, denn ich bin so kurz davor durchzudrehen.«

Henrik nahm meine Hand in seine und zog mich zu sich. »Das weiß ich, sötnos. Wie kann ich dir helfen?«

»Keine Ahnung.« Ich schloss die Augen und atmete den Duft von Sonnenschein ein, der von Henriks Brust ausging. »Wenn Tyr zurückkommt, wird er ungefähr wissen, was unsere Feinde vorhaben. Wenn Ragnarök nicht unmittelbar bevorsteht, können wir vielleicht auf ein letztes Date gehen, bevor die Hölle losbricht.«

Mein Magen kribbelte, und ich verbannte den Gedanken sofort in den Papierkorb.