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Eigentlich wollten Privatdetektivin Kirsten Stein und KHK Martin Bender auf Rügen nur Urlaub machen. Doch dann findet Ki im Wald einen Menschenknochen und kurz darauf die seltsam drapierte Leiche einer jungen Frau. Treibt auf der beschaulichen Ferieninsel ein Serienmörder mit einem Faible für bizarre Begräbnisriten sein Unwesen?
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Cornelia Lotter
Luftgrab
Ki und der Gott der Fliegen
2. digitale Auflage 2016
© 2014 Cornelia Lotter
Wiebelstraße 6, 04315 Leipzig
www.autorin-cornelia-lotter.de
E-Book Erstellung: mybookMakeUp.com
Covergestaltung: Tanja Prokop
unter Verwendung eines Fotos vonpixabay.com
Alle Rechte vorbehalten!
Nachdruck, auch auszugsweise,
nur mit schriftlicher Genehmigung der Autorin.
Inhaltsverzeichnis
Das Buch
Über die Autorin
1. Kapitel
2. Kapitel
3. Kapitel
4. Kapitel
5. Kapitel
6. Kapitel
7. Kapitel
8. Kapitel
9. Kapitel
10. Kapitel
11. Kapitel
12. Kapitel
13. Kapitel
14. Kapitel
15. Kapitel
16. Kapitel
17. Kapitel
18. Kapitel
19. Kapitel
20. Kapitel
21. Kapitel
22. Kapitel
23. Kapitel
24. Kapitel
25. Kapitel
26. Kapitel
27. Kapitel
28. Kapitel
29. Kapitel
30. Kapitel
Danksagung
Eigentlich wollten Privatdetektivin Kirsten Stein und KHK Martin Bender auf Rügen nur Urlaub machen. Doch dann findet Ki im Wald einen Menschenknochen und kurz darauf die seltsam drapierte Leiche einer jungen Frau.
Treibt auf der beschaulichen Ferieninsel ein Serienmörder mit einem Faible für bizarre Begräbnisriten sein Unwesen?
Lesermeinung: „Die Autorin setzt den Spannungslevel von Anfang an sehr hoch an und lässt ihn die ganze Zeit über nicht abflachen, bis es am Ende zum großen Knall kommt.“
Cornelia Lotter wurde in Weimar geboren, wuchs in der Nähe auf und studierte in Meiningen Lehramt. Nach zwei Jahren im Schuldienst entschloss sie sich, einen Ausreiseantrag zu stellen und wechselte deshalb als Pflegerin in ein christliches Alterspflegeheim. 1984 durfte sie nach Tübingen übersiedeln, wo sie eine Umschulung zur Industriekauffrau absolvierte. Bis 2014 arbeitete sie als Sekretärin. Seit 2015 ist sie als Freie Autorin tätig.
"Luftgrab" ist der 4. Fall für die Leipziger Ermittler Kirsten Stein und Martin Bender.
Cornelia Lotter veröffentlicht unter insgesamt 5 Pseudonymen sowohl in Verlagen als auch als Self-Publisherin.
Sie ist Mitglied im Verband deutscher Schriftsteller, im Syndikat und im Selfpublisher-Verband.
Sie standen auf der Aussichtsplattform des alten Peilturms und blickten auf das Meer und die weizengelben Felder. Unter sich die Reste der slawischen Jaromarsburg, links der Leuchtturm von Kap Arkona und daneben der kleinere Schinkelturm. Der starke Wind zerrte an ihren Haaren und riss ihnen die Worte vom Mund. Martin legte den Arm um Ki, und so standen sie minutenlang und genossen ihre Vertrautheit und den Blick auf das endlose Schimmern der Ostsee.
Dann gingen sie wieder hinein unter die runde Kuppel des Ausstellungsraums, in dem sich der Künstler Nils Peters einen kleinen Arbeitsplatz eingerichtet hatte. Heute war er nicht selbst da, sondern eine Angestellte, die mit kleinen Zangen gerade die Schrauben an einem Schmuckstück festdrehte. Während sie die 111 Stufen zur Glaskuppel emporgestiegen waren, hatten sie auf den einzelnen Etagen Schmuck und Objekte aus Bernstein, Metallen, Holz und anderen Naturmaterialien bewundern können. Sogar Gehörknöchelchen vom Dorsch und Donnerkeile waren in den Pretiosen eingearbeitet. Die Kreationen waren wirklich etwas Besonderes. Martin flüsterte Ki ins Ohr, dass er ihr etwas schenken wolle. „Bitte such dir was aus. Ganz egal, was es ist. Ohrringe, einen Ring, was immer du willst und tragen wirst.“
Ki trug neben der Goldkette mit dem Anch-Symbol, die ihr Magdis Onkel in Ägypten geschenkt hatte, keinen Schmuck. Doch sie musste zugeben, dass das, was hier ausgestellt war, ihr außerordentlich gut gefiel. Nur das Entscheiden, das war noch nie ihre Stärke gewesen. Schließlich fiel ihre Wahl auf eine Brosche, die mit Gold, Bernstein und Holz gearbeitet war. Mit der würden selbst einfache Pullover zu einem Blickfang werden. Martin war ebenfalls begeistert und zahlte ohne zu murren den stolzen Preis.
Sie warfen noch einen letzten Blick auf die Mobiles, in denen sich die Sonne spiegelte und Lichtreflexe auf die Glaskuppel zauberte, und Ki dachte daran, wie schön diese bewegten Kostbarkeiten in einem Kinderzimmer wirken würden. Doch sie beeilte sich, diesen Gedanken genauso schnell zu verdrängen wie er aufgeblitzt war.
Sie war glücklich, dass Martin sich entschlossen hatte, endlich wieder mit ihr in den Urlaub zu fahren. Der letzte längere Urlaub lag mittlerweile mehr als drei Jahre zurück. Es war damals in Ägypten gewesen, als er so überraschend dort aufgetaucht war, um sie wieder einmal aus einer mehr als prekären Situation zu retten. Seitdem hatten sie nur einige Kurzurlaube über ein verlängertes Wochenende gemacht. Vor ein paar Wochen hatte sie ihm die sprichwörtliche Pistole auf die Brust gesetzt: Mit dir oder allein!, hatte ihre deutliche Ansage gelautet. Schließlich war er mit zwei Wochen Rügenurlaub einverstanden gewesen.
Ki kannte, obwohl in der DDR aufgewachsen, die Ostsee noch nicht. Deshalb war ihre Wahl auf dieses Urlaubsziel gefallen. Und bis jetzt hatten sie es noch nicht bereut. Der Sommer war einfach traumhaft! Zwar wehte immer ein ziemlich stürmischer Wind, was sich auch in erheblichem Wellengang und gefährlichen Unterströmungen bemerkbar machte, doch Ki war vorsichtig und schwamm nie zu weit hinaus. Sie wusste, dass die Ostsee tückisch sein konnte, und die roten Grablichter am Strand bei Binz zeugten von den diesjährigen Toten.
Als sie unten wieder vor dem Peilturm standen, schaute Martin auf seine Uhr. „Wann, sagtest du, ist der Treffpunkt mit unserem Wanderführer?“ Ki zog ihr Moleskine aus dem Rucksack. „Halb drei von Hagen aus.“
„Dann sollten wir langsam nach Putgarten zurück laufen“, schlug Martin vor. Sie gingen den schmalen Weg zu den beiden anderen Leuchttürmen und genehmigten sich dort noch eine Thüringer Bratwurst vom Rost, bevor sie das Glück hatten, in die Kap-Arkona-Bahn einsteigen und bis zum Parkplatz zurückfahren zu können. Zum Hotel waren es von dort aus nur wenige Minuten und sie saßen kurz darauf in ihrem Auto.
Die Fahrt durch die engen Alleen begeisterte Ki immer wieder. Für den Autofahrer waren sie zwar der Horror, vor allem, wenn entgegenkommende Fahrzeuge zu weit in der Mitte fuhren, was vor allem in Kurven sehr oft der Fall war, doch das Licht- und Schattenspiel auf dem Fahrbahnbelag, die wunderbar alten Baumstämme der Buchen, Eichen oder Linden, rechts und links die gelben Weizenfelder, es war ein Fest fürs Auge.
Sie kamen rechtzeitig zum Treffpunkt auf dem Parkplatz, wo schon einige Männer und Frauen warteten. Die Wanderführerin war eine Frau, die sich als Archäologin zu erkennen gab. Während sie durch den kleinen Ort in den Wald gingen, erzählte die Frau Allgemeines über den Nationalpark Jasmund, dessen Buchenwald seit drei Jahren zum UNESCO-Weltkulturerbe gehörte. Sie sprach über die Größe und die Besonderheiten des Nationalparks. So werde dafür gesorgt, dass sich die Flora und Fauna weitgehend ohne Eingriffe des Menschen entwickeln könne, erfuhr Ki.
Die Gruppe ging über weiche Waldwege und blieb hin und wieder an einem besonderen Ort stehen. Ein alter Baum, auf den die Archäologin hinwies, oder die Reste der Herthaburg aus der Zeit der slawischen Besiedlung. Auch mit Sagen zu Herthaburg und Herthasee unterhielt die Frau ihre Zuhörer.
Schließlich kamen sie zu einem jungsteinzeitlichen Großsteingrab. Das, was die Archäologin zu den Begräbnisriten 5000 Jahre zuvor erzählte, interessierte Ki.
„Es handelt sich bei der als Pfenniggrab bezeichneten Steinsetzung um einen Großdolmen, wie sie hier auf Rügen mehrfach vorkommen. Der Bau eines solchen Grabes mit seinen mehrere Tonnen schweren Steinen ist eine technische Meisterleistung. Mit Hilfe von Hebeln und schiefen Ebenen wurden diese Steine hierher geschafft und entsprechend aufgestellt.
In diesen Gräbern wurden Knochen gefunden, die jedoch nicht nur zu einem Menschen gehörten und die auch nicht vollständig waren. Es ist deshalb davon auszugehen, dass die Gräber für die in der Steinzeit üblichen Zweitbestattungen verwendet wurden.“ Die Archäologin machte eine Pause, bevor sie fortfuhr. „Die Menschen damals begruben ihre Toten nicht, sondern setzten sie an der Luft der Verwesung und dem Fraß durch Wildtiere, Vögel und Insekten aus.“
Ki schüttelte sich. Welch unangenehme Vorstellung! Die Archäologin erklärte weiter: „Diesen Vorgang der Entfleischung bezeichnet man auch als Dekarnation. Er wurde in der Zeit der Jäger und Sammler und in der Jungsteinzeit angewendet. Sie findet sich aber noch heute bei einigen Völkern in Papua-Neuguinea, wo es oft in diesem Zusammenhang auch zum Verzehr des Fleisches der Toten kommt. Auch bei den Parsen und Tibetern ist dieser Brauch als Teil des Zoroastrismus heute noch üblich. Hier werden die Leichen in sogenannten Türmen des Schweigens oder Türmen der Stille ausgesetzt, wo sie von Geiern entfleischt werden. Oder sie werden zerteilt und dann den Tieren zum Fraß überlassen.“
Ki erinnerte sich an einen Spiegel-Artikel, den sie vor Jahren gelesen hatte, und in dem genau über diese Türme geschrieben wurde. Gebaut worden waren sie weit außerhalb von Städten wie Mumbay, dem früheren Bombay, doch mittlerweile waren die Städte immer näher an sie herangerückt, und so kam es immer öfter vor, dass auf den Balkonen der Leute Leichenteile landeten, die die Geier verloren hatten. Lecker, dachte Ki mit Schaudern.
„Wenn der Leichnam entfleischt war, wurden die übrig gebliebenen Knochen aller in der letzten Zeit gestorbenen Leute gesammelt und in solchen Großgräbern im Rahmen einer feierlichen Zeremonie zweitbestattet.“
Martin schaute Ki mit einem Gesichtsausdruck an, in dem sich seine Gefühle deutlich abzeichneten. Obwohl er durch seinen Job häufiger als ihm lieb war, mit Toten zu tun hatte, schien ihm nicht viel an der Vertiefung dieses Themas zu liegen. Die Archäologin wandte sich nun ab und begab sich wieder auf den Weg zur nächsten Station. Als Ki unterhalb des Grabes an einem der großen Steine vorüberging, sah sie etwas hell im Vorjahreslaub schimmern. Sie bückte sich und hob einen länglichen Gegenstand auf. Erst, als sie ihn in der Hand hielt, wurde ihr klar, was es war: Ein menschlicher Knochen, etwa sechs bis sieben Zentimeter lang. Oder doch bloß der eines Tieres? Die Oberfläche des Knochens war nicht glatt. Wenn sie mit dem Finger darüber strich, spürte sie die Einkerbungen und Absplitterungen deutlicher, als wenn sie sich den Knochen im Dämmerlicht des Waldes betrachtete. Hatte sie es hier mit Bissspuren von Tieren zu tun? Oder wurden ihre Sinne von der Erzählung ihrer Führerin genarrt?
Sie ließ das Gebilde schnell in ihrer Jackentasche verschwinden und schloss zur Gruppe auf, die bereits einige Meter weitergegangen war. Kurz spielte sie mit dem Gedanken, ihren Fund der Archäologin zu zeigen, doch dann beschloss sie, es nicht zu tun. Vermutlich machte sie sich nur lächerlich, wenn es sich um einen Tierknochen handelte. Auch Martin hatte nichts bemerkt. Während der ganzen Führung grübelte Ki darüber nach, wie sie Sicherheit über die Herkunft des Knochens erlangen konnte.
Als sie wieder im Hotel angekommen waren, fuhr Ki sofort ihren Laptop hoch und rief eine Seite auf, auf der alle menschlichen Knochen aufgeführt waren. Der Knochen, den sie gefunden hatte, gehörte, ihrer Vermutung nach, am ehesten zu einer Hand. Nachdem sie die Bilder studiert hatte, war sie sich ziemlich sicher, dass es sich hierbei um einen Mittelhandknochen handelte. Doch endgültige Sicherheit würde hier nur ein Arzt oder Rechtsmediziner schaffen können. Vielleicht hatten ja auch bestimmte Tiere ähnliche Knochen.
Martin kam aus dem Bad und blickte Ki über die Schulter. „Was machst du denn da? Hat dich der Vortrag der Frau Doktor so inspiriert?“ Ki zeigte ihm ihren Fund und Martin erstarrte. „Um Gottes willen! Wo hast du das denn her?“ Ki erzählte es ihm.
Martins Stirn zeigte die typische Denkerfalte. „Und wenn es sich nun tatsächlich um einen Menschenknochen handelt? Also einen aus jüngerer Zeit?“
Ki unterstrich seine Vermutung. „Kann schon sein, der sieht nicht so aus, als habe er fünftausend Jahre in der Erde gelegen.“
„Du hättest wenigstens die Fundstelle fotografieren müssen!“ Ki beruhigte ihn. „Ich habe ein gutes Gedächtnis. Ich weiß genau, wo er lag.“
Sie sah Martins Gesicht an, dass er grübelte. Ki hatte eine Idee. „Was hältst du davon: Ich fotografiere ihn neben einem Lineal von allen Seiten und schick die Fotos per Mail an Franziska. Die kann uns dann vielleicht schon sagen, ob es sich überhaupt um einen Menschenknochen handelt. Wenn ja, überlegen wir weiter. So lange können wir uns ja nochmal dort in der Umgebung ein wenig umsehen. Vielleicht finden wir ja noch mehr davon.“
Martin sah sie zweifelnd an. „Das halte ich nicht für eine so gute Idee. Wenn es tatsächlich ein Tatort ist, könnten wir Spuren zerstören.“
„Welche Spuren sollen da jetzt nach einer so langen Zeit noch sein? Der oder die Tote ist doch bereits vollkommen verwest. Dekarniert oder wie das heißt. Wir helfen den Ermittlern schon mal ein wenig und außerdem dokumentieren wir alles ganz genau. Dafür brauchen wir eine gute Wanderkarte in großem Maßstab, und meine Kamera nehme ich auch mit. Die macht ausreichend gute Fotos.“
Martin sträubte sich. „Wir sind doch im Urlaub. Warum willst du schon wieder Detektivin spielen?“
Kis Stimme bebte. „Ich bin Detektivin!“
Martin legte ihr beruhigend seine Hand auf die Schulter. „Ist ja gut. Wenn du meinst. Dann gehen wir halt auf Schnitzel – äh – Knochenjagd.“
Sie arbeiteten sich kreisförmig vom Pfenniggrab ausgehend in den Wald vor. Mit einem Stock stocherten sie zwischen altem Laub und totem Holz. „Eigentlich dürfen wir hier im Nationalpark nicht von den Wegen abweichen, das weißt du hoffentlich“, hatte Martin zu bedenken gegeben.
„Das ist doch für einen Mörder, der eine Leiche verschwinden lassen will, ideal.