8,99 €
Landeten am 20. Juli 1969 wirklich zum ersten Mal Menschen auf dem Mond, oder waren die Mondlandungen nur eine mediale Superblase aus Hollywoods Seifendose? Anlässlich des 50. Jahrestages der ersten bemannten Landung auf dem Erdtrabanten treibt diese Frage zahlreiche Menschen um.
Für seine neue DVD 50 Jahre Apollo 11: 11 Gründe, warum wir nie auf dem Mond waren hat Enthüllungsspezialist Gerhard Wisnewski tief in den NASA-Archiven gestöbert und dabei noch nie von einer breiten Öffentlichkeit gesehene Aufnahmen zutage gefördert. Begeben Sie sich mit ihm noch einmal auf die Reise zu dem Erdtrabanten: Vom Start auf der Erde über die Landung auf dem Mond bis hin zur Rückkehr zum Heimatplaneten beleuchtet Wisnewski in elf Etappen den Flug von Apollo 11 und die wichtigsten Stationen der angeblichen Mondlandung. Anhand von authentischen Bildern, Satellitenfotos und seltenen Filmdokumenten zeigt Wisnewski die Unmöglichkeit der Reise zum Mond auf, angefangen bei der gefährlichen Strahlung über seltsame »Balken im Weltall«, eine geheimnisvolle Sonne auf dem Mond und eine ramponierte Pappmachee-Landefähre bis hin zu den Unmöglichkeiten bei der Rückkehr zur Erde.
Zusammen mit der Neuauflage seines Buches Lügen im Weltraum zeigt Wisnewski, dass die angeblich bemannten Mondlandungen von 1969 bis 1972 weit mehr waren als ein Stück amerikanischer Herrschaftsfolklore. Viele Jahre vor den Anschlägen des 11. September 2001 zeigten die USA damit Macht und Möglichkeiten ihrer globalen Inszenierungen auf, um den Planeten politisch und psychologisch zu beherrschen.
Danach waren die USA jedenfalls »das coolste Land des Planeten«: technisch und militärisch scheinbar unbesiegbar. Noch heute gehören die angeblichen Mondlandungen zum kulturellen Kern der Vereinigten Staaten und zum Narrativ von der angeblich unschlagbaren Supermacht.
Versäumen Sie daher nicht diese DVD zu kaufen am besten zusammen mit dem dazugehörigen Buch, in dem alles noch einmal ausführlich schriftlich dargelegt wird. Damit Sie mitreden können, wenn es am 20. Juli wieder einmal heißt: »Ein kleiner Schritt für einen Menschen, aber ein großer Schritt für die Menschheit .«
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Veröffentlichungsjahr: 2022
ÜBER DEN AUTOR:
Gerhard Wisnewski, geboren 1959, studierte Politikwissenschaften. Seit 1986 arbeitet er als freier Autor, Schriftsteller und Dokumentarfilmen Bekanntheit erlangte er durch seine Bestseller Das RAF-Phantom, Operation 9/11 und Mythos 9/11. Im Jahr 2000 gewann der auf dem Buch Das RAF-Phantom basierende Fernsehfilm Das Phantom den Grimmepreis.
Mein Flug am 12. April 1961 war der erste bemannte Raumflug in der Geschichte.
Juri Gagarin
Dies ist ein kleiner Schritt für einen Menschen, aber ein großer Sprung für die Menschheit.
Neil Armstrong
Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen.
Immanuel Kant
Washington, Dezember 2004. Auf den Fluren des Kapitols herrscht helle Aufregung, fast so, als schwebten wieder ein paar Airliner von Osama Bin Laden über den Köpfen der Senatoren. Kein Zweifel, die nationale Sicherheit ist bedroht. Aber die Bedrohung geht nicht von Osama Bin Laden oder irgendwelchen wildgewordenen Islamisten aus, sondern von der eigenen Regierung und den sie unterstützenden Kreisen. Die wollen nämlich ein neues, hochgeheimes Satellitensystem im Weltraum stationieren, das so teuer ist, dass nun selbst einige Senatoren kalte Füße bekommen. So viel nur sickerte durch: Es geht um 9,5 Milliarden Dollar. Eine enorme Summe für ein Einzelprojekt. »Experten argwöhnen, dass es sich dabei um bewaffnete Satelliten handelt.«1
Die Aufregung um die neuesten, geheimen Machenschaften der USA im Weltraum wirft ein Schlaglicht auf das, was nach 45 Jahren »ziviler Raumfahrt« über unseren Köpfen vorgeht. Nach gut vier Jahrzehnten bemannter und unbemannter Raumfahrt weiß niemand so genau, was die USA im Weltraum eigentlich wirklich treiben – nicht einmal das eigene Parlament darf darüber öffentlich reden. Das war eigentlich nicht geplant, als die Welt erstmals von den Abenteuern »ziviler« Astronauten in Atem gehalten wurde – oder vielleicht doch? War schon damals alles darauf abgestellt, die Welt vom All aus zu beherrschen?
Dies ist nur eine der Fragen, denen ich in dem vorliegenden Buch nachgehen werde. Die Hauptfrage lautet, ob die Geschichte der Raumfahrt, so wie sie uns erzählt wird, eigentlich stimmt. Und wenn nicht, was sich dann wirklich dahinter verbirgt. Die Ereignisse des 11. September 2001 waren in dieser Hinsicht ein Schlüsselerlebnis für mich. Bei meinen Recherchen für die Bücher Operation 9/11 und Mythos 9/11 stieß ich auf zahlreiche Unstimmigkeiten. Nicht nur bei mir begann sich der Blick auf die amerikanische Vergangenheit allmählich zu verändern. Immer mehr Menschen fragten sich, was eigentlich mit den anderen Geschichten war, die die Vereinigten Staaten der Welt über sich selbst erzählt hatten. Viele davon sind heute als Schwindel entlarvt, zum Beispiel die Geschichte vom Untergang der Maine 1898, der angeblich überraschende Angriff der Japaner auf Pearl Harbor 1941 oder die offizielle Version des Tongking-Zwischenfalls Anfang August 1964. Alle diese Vorkommnisse dienten als Vorwand zum Eintritt in einen Krieg und mündeten in eine enorme nationale Anstrengung. Alle diese Vorkommnisse hatten sich so, wie von den USA dargestellt, nicht abgespielt.
Je intensiver man sich mit der amerikanischen Geschichte beschäftigt, um so undurchdringlicher wird das Gestrüpp von Widersprüchen, Halbwahrheiten, Verdrehungen und Lügen. Diese falschen Darstellungen sind auch der Grund für die weltweit zunehmende Skepsis gegenüber vielen Behauptungen der US-Regierung: »Einer der Gründe für diese Verschwörungstheorien ist, dass die US-Regierung so viel lügt«, erzählte der amerikanische Geheimdienstexperte und Bestsellerautor James Bamford meinem Kollegen Willy Brunner und mir 2003 bei Dreharbeiten in den USA: »Die amerikanische Regierung lügt permanent – über viele Dinge. Sie lügt im Hinblick auf Atombomben im Irak. Erst kürzlich schickte sie gefälschte Dokumente an die Vereinten Nationen. Sie hat im Falle Vietnams gelogen, sie hat bei Watergate gelogen – über eine Menge Dinge. Ganz offensichtlich gibt es eine Menge Misstrauen, ob die US-Regierung die Wahrheit sagt.« Man könnte fast auf die Idee kommen, dass die Macht der Vereinigten Staaten von Amerika nicht auf ihrer Militärmaschinerie, ihren Atombomben oder ihrer Finanz- und Wirtschaftskraft beruht, sondern auf ihren Lügen. Die größte Erfolgsgeschichte aber, die die USA der Welt seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs von sich erzählt haben, ist das Epos über die Mondlandung. Es handelt davon, wie einmal zwei Dutzend amerikanischer Helden aufbrachen, um für die ganze Menschheit den Mond zu erobern. Die Mondlandung verschaffte den Vereinigten Staaten einen überwältigenden politischen, publizistischen und propagandistischen Sieg über ihren damaligen Widersacher, die Sowjetunion. Aber nicht nur über die Sowjetunion. Vielmehr zeigten die USA mit dieser Leistung der ganzen Welt ein für alle Mal, wer auf dem Globus das Sagen hat. Die Mondlandung verschaffte den USA einen Prestigegewinn, von dem sie heute noch zehren. Aber ging denn nun wenigstens dabei alles mit rechten Dingen zu? Schon seit längerem kursieren die unterschiedlichsten Verdachtsmomente, dass und warum hier vieles nicht stimmen kann. Für mich ein Grund, nach dem »Mythos 9/11« nun dieser mächtigen amerikanischen Saga nachzugehen: Was ist dran an der Mondlandung? Was verbirgt sich wirklich hinter der zivilen Raumfahrt? Geht es wirklich um die Eroberung des Weltalls oder vielleicht doch um die Eroberung der Erde? Am Ende des Buches hoffe ich einer Antwort auf alle diese Fragen näher gekommen zu sein.
München, im August 2005
Gerhard Wisnewski
21. Juli 1969, etwa 3.40 Uhr mitteleuropäischer Zeit. Auf einem weit entfernten Himmelskörper öffnet sich an einem seltsamen, spinnenbeinigen Gefährt eine Luke. Wie ein fremdartiger Käfer schiebt sich bäuchlings ein Mensch heraus, der in seinem klobigen Raumanzug entfernt an das berühmte Michelinmännchen erinnert. Langsam hangelt er sich die Leiter hinunter, dann steht er auf einem der großen Landefüße des Vehikels. Schließlich springt er von dort herunter und sagt: »Dies ist ein kleiner Schritt für mich, aber ein großer Sprung für die Menschheit.« Damit war die Sensation perfekt: Die Amerikaner landeten noch vor den Sowjets als erste auf dem Mond. Dem Team von Neil Armstrong und Buzz Aldrin folgten noch fünf weitere Besatzungen auf den Erdtrabanten. Alle sechs Crews stellten wissenschaftliche Experimente an, brachten insgesamt 382 Kilo Mondgestein zurück zur Erde und lebten glücklich und zufrieden – wenn nicht auf dem Mond, so doch auf der Erde. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann … Aber: Hat sich wirklich alles so abgespielt? Landeten wirklich zwölf amerikanische Helden auf dem Mond, um sicher wieder zurückzukehren, wie es Präsident Kennedy 1961 gefordert hatte? Oder war das alles nur eine strategische Lüge, wie immer mehr Skeptiker behaupten? Eine Lüge, um ein für alle Mal die ideologische und politische Vorherrschaft auf dem Globus zu erringen?
Wir werden sehen. Bei meiner Suche nach der Wahrheit möchte ich früher als im Sommer 1969 anfangen. Denn selbstverständlich beginnt die Geschichte der Mondlandung nicht 1969. Sie beginnt auch nicht 1965 oder 1963. Vielmehr nimmt sie bereits 1961 ihren Anfang, als der Russe Juri Gagarin zum ersten bemannten Flug ins All startete. Wie kein anderes Ereignis hat der Flug Gagarins den Wettlauf zum Mond erst so richtig in Fahrt gebracht, indem er den USA die endgültige Rechtfertigung für das Multimilliardenprogramm lieferte. Gewissermaßen zum Aufwärmen will ich mich daher kurz mit den Anfängen der bemannten Raumfahrt in der UdSSR befassen. Wie man sehen wird, haben sich die beiden Großmächte dabei nicht nur gegenseitig bekämpft. Vielmehr haben sich ihre Raumfahrtprogramme auch ergänzt. Sosehr man im gegenseitigen Verhältnis gegensätzliche Interessen verfolgt haben mag, sosehr ging es im Verhältnis zur Öffentlichkeit um die Interessen des gemeinsamen »Show-Business«: Die Raumabenteuer der Kosmonauten und Astronauten hielten die Menschen in beiden Blöcken und in der ganzen Welt jahrzehntelang in Atem. Sie scharten die Bevölkerung um ihre Helden und um ihre politische Führung, ließen sie dem nächsten Showdown im All entgegenzittern und die Probleme des Alltags vergessen – und natürlich die Milliarden und Abermilliarden, die im militärisch-industriellen Komplex des jeweiligen Landes versickerten. Beim Anblick der strahlenden Helden fragten nur wenige nach dem Verbleib der Unsummen von Steuergeldern; das hätte man als kleinkariert und unpatriotisch empfunden.
Längst haben die Heldentaten Eingang in Schul- und Geschichtsbücher gefunden und gehören zum kulturellen Erbe der Menschheit. In den USA, aber auch in Russland, gründet sich ein wahrer Kult auf die Abenteuer der Raumfahrer. Vor allem in den Vereinigten Staaten werden die Schulkinder systematisch auf die identitätsbildenden Heldentaten der Astronauten eingeschworen. Die Abenteuer der Astronauten und Kosmonauten sind keineswegs vergessen und vorbei, sondern unverzichtbarer Unterrichtsstoff und für den Zusammenhalt der Nation wichtig.
Was also hat es mit dem psychologischen und propagandistischen Fundament des amerikanischen Mondprogramms auf sich – dem Flug Juri Gagarins? Nachdem wir diesen, wie ich finde, spannenden Ausflug in die Anfänge der bemannten sowjetischen Raumfahrt hinter uns haben, werde ich im zweiten Teil des Buches versuchen, sämtliche Steine umzudrehen, und zwar auf dem Mond – und dabei nahezu allen bekannten und nicht bekannten Hinweisen auf eine Fälschung der Mondlandung nachgehen. Ich möchte sowohl einige unberechtigte Zweifel ausräumen als auch neue und bisher nicht untersuchte Ungereimtheiten aufdecken. Die Leitfrage dabei soll nicht sein, ob die USA die Mondlandungen simuliert haben, sondern ob sie sie nur simuliert haben. Denn geprobt wurden die Expeditionen zum Mond selbstverständlich, die Frage ist nur, ob sie dann auch tatsächlich stattgefunden haben. Eine seltsame Frage, möchte man meinen.
Haben nicht sogar die ehemaligen Feinde im Kalten Krieg die Weltraumleistungen des jeweils anderen neidlos anerkannt? Wurden nicht sämtliche Raumflüge tausendfach fotografiert und dokumentiert? Wurden die Helden nicht anschließend weltweit zu Vorträgen und Interviews herumgereicht?
Gewiss – aber dennoch mehren sich die Zweifel. Überall, so wächst der Verdacht, wurde gelogen und geschoben, geflunkert und gefälscht. Im dritten Teil schließlich möchte ich aufzeigen, wie unter dem Deckmantel der zivilen Raumfahrt die Herrschaft über den Globus errungen wird und womit wir künftig aus dem Weltraum zu rechnen haben. Das Buch wird die Frage stellen, was außer oder statt der angeblichen »Eroberung des Weltraums« für die Eroberung der Erde getan wurde: Wie die Weltraummächte, allen voran die USA, den Orbit unter dem Deckmantel der zivilen Raumfahrt zum Schlachtfeld der Zukunft ausbauten, mit dem Ziel, den Globus endgültig in Fesseln zu legen.
Es gibt eine Menge Gründe, die Geschichtsschreibung in Sachen Raumfahrt mit äußerster Vorsicht zu genießen. Einen davon habe ich bereits genannt, nämlich den zwanglosen Umgang der Vereinigten Staaten mit der Wahrheit. Ein weiterer Grund ist, dass unsere Informationen über die Raumfahrt praktisch ausschließlich von den sowjetischen und amerikanischen Propagandaapparaten stammen. »Informationen drangen bestenfalls gefiltert an die Öffentlichkeit, nicht selten propagandistisch gefälscht«, heißt es zum Beispiel im Klappentext zu Harro Zimmers Buch Der rote Orbit.
Propaganda und Fälschung sind ein wesentlicher Bestandteil von militärischen Operationen, wie sie die Raumfahrtaktivitäten der Supermächte darstellten. Bei jeder Operation wird genau überlegt, was man der Öffentlichkeit erzählt und was nicht. Denn was sie weiß, weiß automatisch auch der Feind, weshalb Öffentlichkeit und Feind im Prinzip ein und dasselbe sind.
Selbstverständlich war und ist auch das Raumfahrtprogramm der Vereinigten Staaten in erster Linie ein militärisches Programm. Die NASA ging aus dem National Advisory Committee for Aeronautics (NACA) hervor, einer Behörde, die sich der militärischen Luftfahrtforschung widmete. Die Männer, die auf dem Mond landeten, waren Offiziere und den Mechanismen von Befehl und Gehorsam unterworfen. Die Raketen, die von beiden Blöcken für die ersten »zivilen« Missionen benutzt wurden, waren modifizierte Interkontinentalraketen.
Die beste Geschichte über eine militärische Operation ist aber die, dass es sich gar nicht um eine militärische Operation handelt. So entstand das Konzept einer »zivilen« bemannten Raumfahrt.
Der Grund, warum wir der amerikanischen Raumfahrt intuitiv mehr glauben als der sowjetischen, liegt darin, dass die USA eine gänzlich andere »Informationspolitik« praktizierten. Während die Sowjetunion Informationen nur äußerst sparsam herausgab, verfolgten die Amerikaner die genau gegenteilige Strategie: Sie waren geradezu geschwätzig. Vor allem bei den Mondlandungsprojekten bombardierten sie die Journalisten mit dicken Pressemappen, von den Raumschiffen veröffentlichten sie detaillierte Zeichnungen. Im Vergleich zur Informationspolitik der Sowjetunion wurde das Publikum der amerikanischen Raumfahrt mit Informationen regelrecht zugeschüttet. Anscheinend fand alles geradewegs vor den Augen der Öffentlichkeit statt. Während die Sowjets mit ihrer Heimlichtuerei und ihren Widersprüchen ein Glaubwürdigkeitsloch nach dem anderen aufrissen, schütteten die Amerikaner solche Schlaglöcher mit Unmengen von Informationen zu – ob diese nun richtig waren oder falsch, war zunächst mal zweitrangig. Bei soviel Beredsamkeit schien es jedenfalls keine Geheimnisse zu geben. Und schon gar keine dunklen Geheimnisse. Die Frage ist aber: Wie handhabte die amerikanische Seite bei all dieser scheinbaren oder auch wirklichen Offenheit ihr Krisenmanagement? Denn während die Geheimhaltung der Sowjetunion dazu diente, unangenehme Zwischenfälle und Missgeschicke totzuschweigen, lieferten sich die Amerikaner anscheinend der Gefahr aus, vor den Augen der Weltöffentlichkeit und des ideologischen Feindes grandios zu scheitern. Wenn die sowjetische Öffentlichkeitsarbeit der Krisen- und Wirklichkeitskontrolle diente, wie haben dann die Amerikaner diese Krisen- und Wirklichkeitskontrolle bewerkstelligt? Denn dass darin die wichtigste Aufgabe auch ihrer Propagandaspezialisten bestand, liegt wohl auf der Hand.
Wie sind die Vereinigten Staaten mit den enormen Gefahren der Mondmissionen umgegangen? Welche Vorkehrungen zur Wirklichkeitskontrolle hatten sie getroffen? Sind sie das Risiko, vor den Augen der gesamten Welt spektakulär zu scheitern, wirklich eingegangen? Haben sie ihre über Jahre hinweg als Nationalhelden aufgebauten Astronauten tatsächlich unter Echtzeitbeobachtung durch die gesamte Menschheit zum Mond geschickt – und zwar ergebnisoffen? Eine ergebnisoffene militärische Operation also, bei der man sich quasi einer Art »Gottesurteil« über Sieg oder Niederlage stellte? Sollen wir das wirklich glauben? Oder gab es irgendwo eine Hintertür, sozusagen eine »Win-Win-Situation«, von der wir bis heute nichts wissen? Jedenfalls nichts Genaues?
Beide Seiten konnten »nichts weniger gebrauchen als tote Astronauten oder Kosmonauten. Überlegenheit war nur mit Überlebenden zu demonstrieren«, meint Matthias Gründer ganz richtig in seinem Buch in SOS im All.2
Und schließlich gibt es noch einen weiteren Grund für Skepsis, nämlich den, dass es sich beim Weltraum um einen Schauplatz handelt, wie es ihn in der Geschichte der Menschheit noch nie gegeben hat. Außer den Weltraummächten kann niemand dort hin, um mal nach dem Rechten zu sehen beziehungsweise danach, ob die ganzen Geschichten über die heldenhaften Raummissionen auch stimmen. Der Weltraum ist deshalb für eine Lüge wie geschaffen. Die dort bestandenen Abenteuer werden bis auf den heutigen Tag praktisch ausschließlich von jenen geschildert, die sie selbst erlebt haben wollen, ein typisches Merkmal dessen, was man auf Erden Seemannsgarn nennt. Für die Wahrheit lässt das nichts Gutes ahnen.
San Maurizio Canavese bei Turin, 2. Februar 1961. In einem Raum der väterlichen Villa Bertalazona haben sich die beiden italienischen Brüder Achille und Gian-Battista Judica-Cordiglia eine Amateurfunk-Station zum Abhören sowjetischer Satelliten eingerichtet. Nach dem Namen der Villa nannten sie die Station Torre Bert. Torre steht für einen Turm der Villa, Bert für Bertalazona. Seit Monaten sind sie auf der Jagd nach dem Gepiepse sowjetischer »Sputniks«. Doch was sie an diesem Tag hören, lässt ihnen den Atem stocken. Ganz deutlich vernehmen sie eine Art Stöhnen oder Seufzen aus dem Orbit. Außerdem dringt der Herzschlag eines Menschen aus den Lautsprechern ihrer kleinen Abhörstation zu ihnen. Die beiden sind wie elektrisiert: Die Sowjets haben einen Menschen ins All geschickt! Damit – und nicht mit dem Flug von Juri Gagarin – beginnt das Zeitalter der bemannten Raumfahrt, wenn man den Schilderungen von Gian-Battista und Achille Judica-Cordiglia glaubt, heute Mitte sechzig beziehungsweise Anfang siebzig. Noch immer kämpfen sie um ihre Version der Geschichte der bemannten Raumfahrt. Wer den beiden Italienern zuhört, glaubt seinen Ohren nicht zu trauen. Nach ihren Berichten war Juri Gagarin gar nicht der erste Mann im Weltraum. Vielmehr begannen die Sowjets schon lange vor seinem Flug am 12. April 1961 Menschen ins All zu schießen. Immer hautnah dabei: die Judica-Cordiglias, zwei Arztsöhne aus San Maurizio Canavese.
Das Sowjetreich konnte sich abschotten, wie es wollte, sobald seine Raumschiffe im Orbit waren und Funksignale sendeten, bestand im Prinzip für jedermann die Möglichkeit, diese Funksignale aufzufangen. Wer von Mitteleuropa aus einmal mit einem Schafzüchter in Australien, einem Professor in San Francisco oder einem Wissenschaftler am Südpol gesprochen hatte, den ließ die Leidenschaft der Amateurfunkerei nicht mehr los. Die Aussicht gar, einen im All fliegenden Satelliten zu belauschen, war damals geradezu unerhört.
Einen solchen Trabanten abzuhören, ist aber nicht so schwierig, wie es klingt. Seine Flughöhe von wenigen hundert Kilometern ist gar nichts im Vergleich zu den Entfernungen, die der Amateurfunk normalerweise überwindet.
Die Judica-Cordiglia-Brüder in ihrer Abhörstation (links) und heute (rechts)
© aus: www.lostcosmonauts.com
Man schreibt den 23. Mai 1961, als Gian-Battista und Achille schon wieder etwas auffangen, was es offiziell gar nicht gibt – die Stimme einer Frau aus dem All. Bis dahin sollen aber lediglich der Russe Juri Gagarin (12. April 1961) und der Amerikaner Alan Shepard (5. Mai 1961) im Weltraum gewesen sein. Und dennoch bleiben die Judica-Cordiglias bei ihrer Darstellung, am 23. Mai 1961 hätten sie stark verrauscht und verhallt die verzweifelte Stimme einer Frau aus dem Weltraum gehört:
»Hören Sie! Hören Sie!
Kommen! Kommen! Kommen!
Hören Sie! Hören Sie! Kommen!
Kommen! Kommen! Sprechen Sie mit mir!
Sprechen Sie mit mir! Mir ist heiß! Mir ist heiß!
Was …? Fünfundvierzig? Was …?
Fünfundvierzig? Fünfzig?
Ja … Ja … Ja … Ich atme …
Ich atme … Sauerstoff …
Sauerstoff … Mir ist heiß …
Ist das nicht gefährlich? … Es ist alles …
Ist das nicht gefährlich? … Es ist alles …
Ja … Ja … Ja … Wie ist das?
Was? Sprechen Sie mit mir!
Wie sollte ich übertragen? Ja … Ja … Ja …
Was? Unsere Übertragung beginnt jetzt …
Einundvierzig … so … unsere Übertragung beginnt jetzt …
Einundvierzig … ja … mir ist heiß …
Mir ist heiß … es ist alles … mir ist heiß …
Mir ist heiß … mir ist heiß … mir ist heiß …
Ich sehe eine Flamme! … Was?
Ich sehe eine Flamme! … Ich sehe eine Flamme! …
Mir ist heiß … mir ist heiß …
Zweiunddreißig … zweiunddreißig … einundvierzig … einundvierzig
Werde ich abstürzen? Ja … ja … mir ist heiß!
Mir ist heiß! … Wiedereintritt! Wiedereintritt!
Ich höre! … Mir ist heiß!«3
Damals wurden die Aufzeichnungen der beiden Arztsöhne aus dem Piemont durchaus ernst genommen. Noch war die Geschichte der Raumfahrt jung und nicht zu einer zähen Masse geronnen, die Schulbücher und Lexika verklebte. Internationale Medien gingen bei den Brüdern ein und aus. Wenn überhaupt, dann hofften sie hier die neuesten Nachrichten über die Satelliten der »Roten« zu bekommen. Die Brüder erschienen manchem vertrauenswürdiger als die undurchsichtigen und interessengesteuerten PR-Apparate der Sowjets und der Amerikaner. Die Judica-Cordiglias galten als unabhängige Quelle – nur wissen wir heute nichts mehr davon. In den sechziger Jahren war das anders. Eine große Reportage über die beiden im Reader’s Digest ist nur ein Beispiel für zahllose Medienberichte. Unter dem Titel »Italiens erstaunliche Raumbeobachter« heißt es dort: »Mit hausgemachter Elektronik belauschen zwei junge Italiener russische Satelliten und machen dabei aufsehenerregende Entdeckungen.«4 Schon »am 17. Mai 1961 wurden die verzweifelten Stimmen von zwei Männern und einer Frau aufgefangen«, berichtet der Reader’s Digest: »›Die Bedingungen verschlechtern sich.‹ – ›Warum antworten Sie nicht?‹ – ›Wir werden langsamem – ›Die Welt wird nie etwas von uns erfahren.‹ Dann Stille. Dieselben Worte wurden in Alaska und Schweden aufgefangen. Was sie bedeuten? Das wird niemand wissen, bis sich die Russen zum Reden entschließen.«
Das Problem: Die Sowjets besaßen um diese Zeit nach allem, was bekannt ist, noch kein Dreipersonenraumschiff. Die wahrscheinlich bewegendste Botschaft sei eine ohne Worte vom Februar 1961: »Tonbänder, die ich selbst auf Torre Bert gehört habe«, fährt der Digest-Reporter fort, »enthielten das rasende Schlagen eines überstrapazierten Herzens (die Herzen aller Kosmonauten wurden automatisch überwacht) und das Geräusch von angestrengtem Atmen. Die Judica-Cordiglia-Brüder brachten die Aufnahmen zu dem renommierten Herzchirurgen Dr. A. M. Dogliotti. Sein Urteil: ›Dies ist das Herz eines sterbenden Menschen.‹ Die Brüder sind fest davon überzeugt, dass die Russen mit menschlichem Leben sehr großzügig umgegangen sind, um ihre Raumfahrt-Erfolge zu erreichen. Die gesammelten Indizien sprechen dafür, dass es mindestens zehn Tote gab.«5
Die Enthüllungen der Brüder waren für die Sowjets so bedrohlich, dass die beiden jungen Amateurfunker vom Propagandaapparat der Supermacht Sowjetunion ins Visier genommen wurden: »Im März dieses Jahres veröffentlichte die Mailänder Tageszeitung Corriere della Sera einen Artikel über sowjetische Kosmonauten, die im Weltraum umkamen‹«, schimpfte am 7. April 1965 Radio Moskau. »Der Artikel beruht auf Aussagen der Judica-Cordiglia-Brüder, die angeblich Signale und Konversationen von einer Reihe von sowjetischen Kosmonauten aufgefangen haben, die nicht von ihren Flügen zurückkamen … Vor zwei Jahren stand derselbe Unsinn auf den Seiten der Washington Post zu lesen … Ein paar Organe der bürgerlichen Presse veröffentlichen Daten von den amerikanischen Geheimdiensten, um ihren kosmischen Lügen den Anschein der Glaubwürdigkeit zu geben. ( …) Wie auch immer: solche Daten spiegeln nicht die Wirklichkeit wider. Und damit könnten wir es auch bewenden lassen, aber wir wollen noch ein paar Worte über die Judica-Cordiglia-Brüder hinzufügen. Dies ist nicht das erste Mal, dass sie sich mit dem Empfang dieser Signale beschäftigen … Niemand kann die Sicherheit unserer Raumfahrzeuge in Zweifel ziehen.«6
Der Propagandaapparat der Sowjetunion war also gehörig sauer auf die beiden jungen Italiener. Kein Wunder, denn sie benahmen sich wie ein ungebetener Theaterkritiker, der dauernd von den missglückten Proben für ein neues Stück berichtet. Die Sowjets aber wollten perfekte Geschichten erzählen: Schöne Geschichten von sauberen Helden, die im All reibungslos ihre Pflicht erfüllen und anschließend von der Parteiführung mit einem roten Teppich empfangen werden, wie zum Beispiel Juri Gagarin.
In jedem Schulbuch kann man heute lesen: Juri Gagarin war der erste Mensch im Weltall. Punkt. Vorausgesetzt, ihre Berichte stimmen, dann sieht die Geschichtsschreibung der Raumfahrt nach den Judica-Cordiglias und anderen Quellen jedoch etwas anders aus. Danach begann die bemannte Raumfahrt der Sowjets bereits 1957 mit suborbitalen Flügen. Dabei werden Kapseln mehr oder weniger senkrecht nach oben geschossen, um kurz darauf wieder zurückzufallen. 1960 dann begannen die sowjetischen Versuche mit orbitalen Flügen, bei denen bemannte Raumkapseln die Erde umkreisen. Als 1961 angeblich die Flüge von Juri Gagarin und German Titow stattfanden, hatten die Sowjets nach den Aufzeichnungen und Recherchen der Cordiglia-Brüder bereits eine ganze Reihe menschlicher Versuchskaninchen bei Raumflügen »verheizt«.
Kann das wirklich wahr sein? Kann es sein, dass die Sowjetunion die Welt derart an der Nase herumgeführt hat? Im Prinzip schon, denn diese Praxis durchzog ja die gesamte sowjetische Raumfahrt, nicht nur die bemannte. Bekannt gegeben wurde nur das, was klappte oder aber inszeniert wurde. Bei den sowjetischen Zond- und Luna-Missionen lief das zum Beispiel so ab: »Bei einem erfolgreichen Einschuss in eine Flugbahn erhielt die Sonde den Namen Luna und eine fortlaufende Nummer. Wurde die Rakete bereits beim Start oder kurz darauf zerstört, blieb sie ohne offiziellen Namen. Im Falle eines zwar erfolgreichen Starts, aber fehlgeschlagenen Erdflucht-Manövers wurde die Sonde offiziell als Satellit in die Reihe unzähliger Sputnik- bzw. Kosmos-Starts eingegliedert. Auf diese Weise blieb der Westen lange Zeit über die wahre Zahl der Fehlschläge im unklaren«, heißt es in Mission Mond, einem bekannten Mondlexikon.7 Im Klartext heißt das: Misslungene Missionen ließen die Sowjets ganz einfach unter den Tisch fallen. Und warum hätten sie diese Praxis nicht auch auf die wesentlich brisanteren bemannten Missionen anwenden sollen? Fehlschläge waren hier schließlich noch peinlicher und schädlicher für das nationale Prestige als in der unbemannten Raumfahrt.
Besonders unheimlich ist eine Aufzeichnung, die die Judica-Cordiglias schon am 28. November 1960 gemacht haben wollen, also viereinhalb Monate bevor das Zeitalter der bemannten Raumfahrt mit dem Flug Gagarins offiziell begann. Angeblich handelte es sich um eine Morsebotschaft mit folgendem Inhalt: »SOS an die gesamte Welt.« Außergewöhnlich daran sei der sogenannte Doppler-Effekt gewesen, berichten die Brüder. Der Doppler-Effekt ist eine Verzerrung der Funkfrequenz, aus der man Rückschlüsse auf Geschwindigkeit und Richtung eines Raumschiffes ziehen kann. Und der Doppler-Effekt dieses Funkspruches habe ergeben, dass er nicht aus einer Umlaufbahn um die Erde stammte, sondern von einem Raumschiff, das sich von der Erde entfernte. »Wir stellten den Doppler-Effekt in einem ähnlichen Ausmaß fest wie später bei den Signalen von Mondsonden wie den Luniks«, so Gian-Battista Judica-Cordiglia. »Das Signal kam eindeutig nicht von einem umlaufenden Satelliten, sondern eher von etwas, das sich von der Erde entfernte. Das Signal war sehr schwach.« Und dann entwirft Gian-Battista Judica-Cordiglia ein Szenario, das einen frösteln lässt: Um aus einer Umlaufbahn wieder in die Erdatmosphäre einzutreten, mussten sich die sowjetischen Raumschiffe so drehen, dass ihre Bremsraketen nach vorne in Flugrichtung zeigten. Erst dann durften sie gezündet werden. »Wir nahmen an, dass die Kapsel bei der Zündung der Bremsraketen ihre Lageänderung möglicherweise noch nicht vollzogen hatte, so dass die Raketen die Kapsel beschleunigten, statt sie zu bremsen. Ab einer Geschwindigkeit von acht Kilometern pro Sekunde hätte das Raumschiff auf einen höheren Orbit steigen oder sogar die Erdanziehung verlassen können. Wenn ich mich recht erinnere, ist die Fluchtgeschwindigkeit, die man zum Mond benötigt, 11,2 Kilometer pro Sekunde. Die Morse-Botschaft wurde in Englisch ausgestrahlt. Wir glaubten, es handele sich um einen verzweifelten Hilferuf. Nach einer Weile hörten die Signale auf. Ich erinnere mich, dass die sowjetischen Behörden am 2. Dezember 1960 [also vier Tage später, G. W.] den Start von Sputnik VI bekannt gaben und fast zeitgleich erklärten, dass er verloren sei.«8
Sputnik VI firmierte noch unter einem anderen Namen: Wostok, der Name der bemannten Sowjetraumschiffe. Nach offiziellen Angaben der Sowjets hatte die Kapsel zwei Hunde, Insekten und Pflanzen an Bord. Wirft man einen Blick auf die Wostok-Planung, erlebt man allerdings eine unangenehme Überraschung. Denn dort waren Flüge mit Versuchstieren gar nicht vorgesehen. Im April 1960 sah die Wostok-Planung vor,
einen Prototypen Wostok 1 (1K) für die Erprobung beim Start und im Orbit zu bauen, danach würde er verglühen. Er besaß weder einen Hitzeschild noch Lebenserhaltungssysteme;
die Plattform Wostok 1 sowohl zu einem Spionagesatelliten mit der Bezeichnung Wostok 2 (alias »Zenith«) auszubauen als auch zu einem bemannten Raumschiff (Wostok 3) mit Lebenserhaltungssystemen, Sitz und Hitzeschild.
Demnach sah der Wostok-Stammbaum so aus:
Wostok-Stammbaum
© Gerhard Wisnewski
Von Tieren ist hier nicht die Rede. Laut Wostok-Planung sollten von September 1960 bis Dezember 1960 drei Wostok-3-Raumschiffe für bemannte Flüge fertiggestellt werden. Bemannte Flüge sollten vom 11. Oktober 1960 bis in den Dezember hinein durchgeführt werden.9
Und genau am 11. Oktober 1960 traf es laut den Judica-Cordiglias einen gewissen Piotr Dolgoff, im Dezember 1960 einen Alexis Gracioff und im Februar 1961 einen Gennady Mikhailoff. Interessanterweise sieht es so aus, als hätte sogar der sowjetische Chefkonstrukteur Sergej Koroljow den Start von bemannten Raumschiffen lange vor dem Gagarin-Flug am 12. April 1961 bestätigt. Am 30. März 1961 schrieb er einen Brief an das Zentralkomitee der KPdSU, worin er von »zwei Starts von Objekten ›Wostok 3A‹« berichtet10 – also offenbar des bemannten Typs. Seltsamerweise erklärt Koroljow im selben Brief aber, man sei nun bereit, den ersten Flug eines Menschen in den kosmischen Raum durchzuführen. Ein Widerspruch? Oder meinte Koroljow einfach den ersten offiziellen bemannten Flug? Oder spielte er einfach damit, dass die Funktionäre des ZK der KPdSU den Unterschied zwischen Wostok 1 und 3 sowieso nicht kennen würden? Gut möglich. Möglich ist aber auch, dass der Koroljow-Brief erst nach dem Flug Gagarins geschrieben wurde – als offizielles Dokument der Geschichtsschreibung. Schließlich fällt das perfekte Timing auf: Am 30. März erklärte Koroljow dem ZK die Bereitschaft für einen bemannten Flug, und schon dreizehn Tage später flog Gagarin. Diese Frist scheint knapp bemessen zu sein. Am 3. April 1961, also neun Tage vor dem offiziellen Flug Gagarins, erklärte Koroljow dem ZK der KPdSU, die Kosmonauten seien ausgezeichnet vorbereitet, sie würden das Raumschiff und die Flugbedingungen besser kennen als er. Die Flugbedingungen? Weshalb die Flugbedingungen? »Auch er glaube an einen Erfolg, sagte Koroljow weiter. Seine Zuversicht gründe sich auf die Technik, die Menschen, die fliegen werden, und ein ›gewisses Wissen‹ um die Flugbedingungen.«11 Gewisses Wissen? Was für ein »gewisses Wissen«?
Wenn also Koroljow am 30. März 1961 erklärt, es seien fünf Wostok 1 und zwei Wostok 3 gestartet worden, dann kann das heißen, dass
mindestens zwei bemannte Flüge durchgeführt worden waren;
am 28. November 1960, als die Cordiglia-Brüder den Notruf empfingen, kein Raumschiff mit Hunden, sondern mit Menschen an Bord aufgestiegen war.
Die Wostok-Planung kennt, wie gesagt, nur Flüge von unbemannten Prototypen (Wostok 1), Spionagesatelliten (Wostok 2) und bemannte Flüge (Wostok 3). Zwar haben die Sowjets auch Tiere in den Raum geschickt – zum Beispiel die Hündin Laika. Sie flog allerdings an Bord einer Kapsel vom Typ Sputnik II, und zwar schon am 3. November 1957. Also drei Jahre früher. Und es ist auch überhaupt nicht anzunehmen, dass die Sowjets Hunde in wertvollen Kapseln für menschliche Passagiere auf die Reise geschickt hätten.
Eine weitere Version behauptet, dass bei den ersten Flügen des Wostok-3-Typs nur menschliche Puppen an Bord gewesen seien, und zwar zusammen mit einem ganzen Zoo von Versuchstieren, darunter auch Hunde. Beim Abstieg durch die Erdatmosphäre sollen die Dummies herauskatapultiert, die Tiere aber in der Kapsel geblieben und wohlbehalten gelandet sein. Das Problem ist nur, dass bei der Auslösung des Schleudersitzes schubstarke Raketen gezündet wurden. Dadurch kam es in der Kapsel zu einem enormen Temperatur- und Druckanstieg. Wie haben die in der Kapsel verbliebenen Versuchstiere das überlebt? Und wenn sie es überlebt haben, waren dann solche Einflussfaktoren bei der anschließenden Untersuchung der Versuchstiere wünschenswert?
Der Wostok-»Feuerstuhl« im Museum (links) und im Einsatz (rechts)
links: © Chris Woodul, rechts unbekannt
Auch ein Schweizer Amateurfunker namens Walter Kunz aus Münchenstein soll lange vor dem Flug Gagarins russische Stimmen aus dem All aufgefangen haben: zum Beispiel am 17. Januar 1961. In Deutschland berichtete die Oberrheinische Zeitung am 25. Januar 1961: »Zuverlässige Informationen, die aus Moskau und Helsinki eintrafen, bestätigen, was die Sowjets als Staatsgeheimnis ängstlich hüten, westliche Zeitungen aber bereits vor einigen Tagen meldeten: Zwei Russen kehrten von Weltraumflügen nicht zurück.«12 Pünktlich zum vierzigjährigen Jubiläum von Gagarins Raumflug im April 2001 ließ sogar die russische Prawda die Katze aus dem Sack:
»Gagarin war nicht der erste Mann im All … Drei sowjetische Piloten starben vor Gagarins berühmtem Raumflug bei dem Versuch der Eroberung des Weltraums, teilte Michail Rudenko mit, Senior-Forschungsingenieur bei dem Experimental Design Büro 456 aus Khimki in der Nähe von Moskau. Laut Rudenko wurden 1957, 1958 und 1959 vom Raumbahnhof Kapustin Jar aus Raumschiffe mit den Piloten Ledowski, Schaborin und Mitkow am Steuer gestartet.«
Also sogar noch vor der Produktion des Raumschiffes Wostok. Womit diese Kosmonauten flogen, ist unklar.
»›Alle drei Piloten starben während des Fluges, und ihre Namen wurden niemals offiziell bekannt gegeben‹, so Rudenko. Er sagte, all diese Piloten hätten an sogenannten suborbitalen Flügen teilgenommen, das heißt, ihr Ziel bestand nicht darin, die Erde zu umkreisen, wie später Gagarin, sondern einen Parabelflug zu absolvieren. ›Am Scheitelpunkt der Flugbahn sollten die Kosmonauten den Weltraum erreichen und anschließend zur Erde zurückkehren.‹ Laut Rudenko waren Ledowski, Schaborin und Mitkow normale Testpiloten ohne spezielle Ausbildung, teilte Interfax mit. Nach einer solchen Folge von tragischen Starts beschlossen die Verantwortlichen offensichtlich eine radikale Änderung des Programms und nahmen das Kosmonautentraining in der Absicht, eine eigene Kosmonautenabteilung zu schaffen, sehr viel ernsthafter auf.«13
Vielleicht fiel auch erst aufgrund dieser Katastrophen die Entscheidung zum Bau eines »ordentlichen« Passagierraumschiffes – der Wostok. Jedenfalls wäre damit eine weitere, faustdicke »Lüge im Weltraum« entlarvt: »Mein Flug am 12. April 1961 war der erste bemannte Raumflug in der Geschichte.« So Juri Gagarin. Außerdem ist es auch unwahrscheinlich, dass zwischen diesen ersten, bestätigten Raumflügen und dem Flug Gagarins einfach Ruhe an der Weltraumfront herrschte. Es verdichten sich vielmehr die Hinweise, dass hinter den Kulissen der strahlenden sowjetischen Raumfahrt verzweifelt um die Führung im All gekämpft wurde – und zwar auf Leben und Tod. Personen wie Juri Gagarin wirken wie plötzlich an den vorderen Bühnenrand vorgeschoben, um das Gemetzel im Hintergrund zu verbergen. Die beiden Weltraummächte versuchten um jeden Preis, endlich einen Mann ins All zu bekommen. Oder besser gesagt: Endlich einen vorzeigbaren bemannten Raumflug zu präsentieren. Anfang 1961, kurz vor Gagarins offiziellem Raumflug, verschärfte sich der Wettkampf. Am 31. Januar schossen die Vereinigten Staaten einen Schimpansen in den Weltraum. Der erste bemannte Raumflug mit dem Amerikaner Alan Shepard wurde für den 24. März 1961 anberaumt. Die Sowjets gerieten in Panik.
Irgendwann in diesen Tagen, Ende März/Anfang April 1961, wird ein Mann in das Moskauer Botkin-Krankenhaus eingeliefert. Der diensthabende Arzt, Dr. Wladimir Goljakowski, staunt: Die Haut des Patienten ist vollkommen verbrannt, lediglich an den Füßen ist noch so viel vorhanden, dass der Arzt Schmerzmittel injizieren kann. Der Mann, so sagen seine Begleiter, heiße Sergejew und sei Leutnant bei der Luftwaffe. Die erste Lüge, denn in Wirklichkeit hieß der Mann gar nicht Sergejew, sondern Walentin – Walentin Bondarenko. Und in Wirklichkeit war er auch nicht nur Luftwaffenleutnant, sondern Kosmonaut. Fragt sich, was ihm zugestoßen war und wie es kommen konnte, dass er »jeglicher Haut entkleidet« war, wie sich Dr. Goljakowski erinnert. Fast sah es so aus, als habe Bondarenko in einer Art Backofen gesteckt. Doch was könnte das für ein Backofen gewesen sein? Fünfundzwanzig Jahre lang war das ein Staatsgeheimnis. Dann schoben die Sowjets folgende Geschichte nach: Mit Bondarenko sei ein Langzeittest in einer Kammer mit einer reinen Sauerstoffatmosphäre durchgeführt worden. Nach mehreren Tagen habe Bondarenko die Reste eines medizinischen Sensors mit Hilfe eines alkoholgetränkten Lappens oder Wattebausches von seiner Haut entfernt. Anschließend habe er den Lappen/Wattebausch aus Versehen auf einen heißen Kocher geworfen, der zur Zubereitung von Nahrung diente. Daraufhin habe der Wollanzug Bondarenkos sofort in Flammen gestanden.
Allerdings würde kein Wissenschaftler, der noch halbwegs bei Sinnen ist, einen Menschen in einem Wollanzug zusammen mit einem Kocher und brennbaren Flüssigkeiten in eine reine Sauerstoffatmosphäre stecken. Um so weniger, als sowjetische Raumschiffe gar nicht mit einer reinen Sauerstoffatmosphäre, sondern mit einem Gemisch aus Sauerstoff und Stickstoff flogen – unter anderem wegen der ansonsten enorm hohen Brandgefahr (ich werde auf dieses Thema im Abschnitt über den Brand von Apollo 1 zurückkommen). Seltsam ist auch, dass man Bondarenko bei diesem gefährlichen Laborversuch noch nicht einmal einen Feuerlöscher mitgegeben hatte. Von dessen Einsatz wird in der Schilderung des Vorfalls jedenfalls nichts berichtet. Erwähnt wird dagegen, dass man einfach nicht an Bondarenko herankam. Über eine halbe Stunde habe es gedauert, bevor die Kammer geöffnet werden konnte.14 Gesucht wird also eine Kammer,
in der es so heiß werden kann, dass die Haut eines Menschen fast am ganzen Leibe verbrennt,
in der ausgerechnet die Fußsohlen unversehrt bleiben,
in der kein Zugriff auf einen Feuerlöscher möglich ist,
in der man selbst bei einem Notfall nicht so leicht an den Insassen herankommt.
Da die Geschichte mit der Sauerstoffkammer nicht plausibel ist, kann es sich bei der geheimnisvollen Kammer natürlich auch um etwas ganz anderes gehandelt haben – zum Beispiel um eine Raumkapsel, die beim Wiedereintritt in die Erdatmosphäre zu glühen begann. Tatsächlich soll Bondarenko in der »Sauerstoffkammer« zu seinem Wollanzug ja auch ausgerechnet Fliegerstiefel getragen haben.15 Das könnte vielleicht erklären, warum die Fußsohlen unversehrt blieben.
Während die sowjetische Propaganda wenig später den ersten bemannten Raumflug von Juri Gagarin als die Tat eines einzigen, strahlenden Helden darstellte, schien es hinter den Kulissen im Weltraum vor Kosmonauten nur so zu wimmeln. In seinem Buch Gagarin – eine kosmische Lüge? nennt der ungarische Schriftsteller Istvan Nemere zwei Kandidaten für einen missglückten Raumflug Anfang April 1961: Einer davon ist tatsächlich Walentin Bondarenko. Der andere heißt Wladimir Iljuschin.16 Iljuschin war möglicherweise ein passenderer Kandidat für den ersten Raumflug als Juri Gagarin. Denn Wladmiir Iljuschin war kein Geringerer als der Sohn des bekannten Flugzeugkonstrukteurs Iljuschin und außerdem der berühmteste Testpilot der Sowjetunion. Die fliegerischen Verdienste, die man bei Gagarin vergeblich sucht, hatte Wladimir Iljuschin erworben. »Zugriff auf kürzlich freigegebene Dokumente aus den Archiven des Kreml bestätigen zusammen mit neuen Augenzeugen, dass Juri Gagarin, das Symbol und die heldenhafte Ikone der Sowjetunion, nicht der erste Mensch im All war. Diese Ehre gebührt Wladimir Iljuschin«, behauptet die US-amerikanische Fernsehdokumentation The Cosmonaut Coverup.17
Der Produzent Dr. Elliot Haimoff stöberte Iljuschin in Moskau auf. »Obwohl heute in den Siebzigern, arbeitet der pensionierte Luftwaffen-General Wladimir Iljuschin immer noch als einer der Konstrukteure des Sukoj Design Büros, ein Hersteller von Kampfflugzeugen in Moskau.« Zwar habe Iljuschin von einem bereits zugesagten Interview vor der Kamera wieder Abstand genommen, aber:
»Er enthüllte viele bisher unbekannte Fakten aus seinem Leben, die eindeutig auf seine Teilnahme am sowjetischen Raumfahrtprogramm hinweisen. ( …) Um diese Zeit war Leutnant Wladimir Iljuschin ohne Frage der berühmteste und erfahrenste Testpilot der Sowjetunion. Er hielt Dutzende von Geschwindigkeits- und Höhenrekorden, einschließlich des Welthöhenrekords von fast dreißig Kilometern, den er 1959 mit einem Sukoj-9-Abfangjäger erreichte. Ende 1960 wurde Iljuschin für seinen Weltrekord zum Helden der Sowjetunion ernannt.«
Wladimir Iljuschin – damals (links) und ca. 1999 (rechts)
© Global Science Productions
Zwar taucht Wladimir Iljuschin auf keiner offiziellen Liste der sowjetischen Kosmonauten auf – doch laut The Cosmonaut Coverup war Iljuschin ein Quereinsteiger in das Kosmonautenkorps, der mit Hilfe des politischen Einflusses seines Vaters aufgenommen wurde: »Während seines Trainings war er sehr konzentriert, detailbewusst und akribisch. Er erfüllte alle Aufgaben mit Perfektion, und die Resultate waren die besten von allen Kosmonauten im Training«, zitiert die TV-Dokumentation Colonel Juri Lislow von den sowjetischen strategischen Raketenstreitkräften.
Doch warum kennen wir heute auch Walentin Bondarenko oder Wladimir Iljuschin nicht als die ersten Menschen im Weltall, sondern einen gewissen Juri Gagarin? Aus der Präsentation des Weltraumhelden Wladimir Iljuschin sei nichts geworden, so die TV-Dokumentation. Während des dritten Orbits habe es eine Fehlfunktion des elektrischen Systems gegeben, woraufhin die Steuerelektronik und der Funk ausgefallen seien. Kurz vor dem Wiedereintritt habe Iljuschin das Bewusstsein verloren und sei nicht in der Lage gewesen, sich während des Abstiegs durch die Atmosphäre aus der Kapsel zu katapultieren, wie das sonst üblich gewesen sei. Statt dessen habe er eine harte Landung hingelegt – dummerweise nicht in der Sowjetunion, sondern in China, wo er lange Zeit im Krankenhaus behandelt worden sei.
Um die lange Abwesenheit Iljuschins zu erklären, habe die Sowjetpropaganda mit einer abenteuerlichen Geschichte aufgewartet: Iljuschin sei nach einem Autounfall in eine Rehabilitationsklinik in China geschickt worden. Ein militärischer Top-Testpilot, Sohn des Kampfjetkonstrukteurs Sergej Iljuschin, zur Erholung im Feindesland? »Ich habe noch nie von jemandem gehört, der zur Genesung von der Sowjetunion in ein chinesisches Hospital geschickt worden wäre«, sagt der damalige Moskau-Korrespondent der britischen Arbeiterzeitung Daily Worker, Dennis Ogden, in dem Film. »In der Sowjetunion gab es schließlich jede denkbare medizinische Einrichtung, wahrscheinlich bessere als in China.« Die Beziehungen zwischen der Sowjetunion und China seien damals nicht die besten gewesen, und er finde es »schwierig zu verstehen«, warum die Sowjetunion jemanden wie Iljuschin zur Genesung nach China hätte schicken sollen. Und schon sind wir wieder mittendrin im Thema Propaganda und Kommunikation:
»Die wirren Geschichten über Iljuschin belegen das, was ich schon immer gesagt habe: Dass nämlich die Sowjetunion selbst ihr schlimmster Feind war. Was immer über die sowjetische Propaganda gesagt wurde, dass sie effizient und effektiv gewesen sei, ist purer Nonsens. Ich glaube nicht, ich habe noch nie geglaubt, dass die Sowjetunion gut in Propaganda war – sie war es nicht.«
Eben. Die Sowjetunion hat einfach gelogen, was das Zeug hielt – ohne Rücksicht auf Verluste. Das Problem ist nur, dass diese Lügen auch heute noch in unseren Schul- und Geschichtsbüchern stehen.
Den angeblichen Weltraumhelden Gagarin straften die Chinesen mit vielsagender Nichtachtung. Im Unterschied zu den meisten Ländern der Erde hätten die Chinesen nach Gagarins Flug keine Glückwünsche nach Moskau geschickt, so Ogden – ganz anders als bei den folgenden Raummissionen. Und auch als Gagarin bei einem Besuch in Neu-Delhi ein großer Bahnhof bereitet wurde, ließ sich kein einziger chinesischer Diplomat blicken: »Obwohl die indische Regierung die Botschaft der Volksrepublik China zu allen Gagarin-Veranstaltungen eingeladen hatte, sind ihnen die chinesischen Diplomaten ohne Angabe von Gründen ferngeblieben«, berichtete die Frankfurter Allgemeine Zeitung am 4. Dezember 1961.
Kann das alles wirklich wahr sein? Haben die Sowjets wirklich reihenweise Kosmonauten geopfert, bevor sie endlich einen angeblich geglückten bemannten Raumflug verkünden konnten? Natürlich kann das wahr sein, denn immerhin sprechen wir hier von einer Armee. Hundert Leute ins Feuer zu schicken, damit zehn durchkommen, ist militärischer Alltag in einem Krieg. Warum sollte das plötzlich anders sein? Die Kosmonauten waren ebenso Soldaten wie ihre Vorgesetzten. Ob sie nun gegen einen menschlichen Feind marschierten oder eine neue Front im All erobern sollten, war im Grunde ein und dasselbe: Opfer mussten, konnten und durften gebracht werden. Speziell die Sowjetunion hatte im Gegensatz zu den Vereinigten Staaten im letzten Krieg Millionen Tote zu beklagen gehabt. Warum also Skrupel? Ganz im Gegenteil: Diesmal konnte mit einer Handvoll Soldaten sogar ein grandioser Sieg errungen werden.
Und so bestand tatsächlich »die schauerliche Möglichkeit«, wie der Reader’s Digest 1965 schrieb, »dass heute ein vor langer Zeit verstorbener russischer Astronaut mit mehreren tausend Meilen pro Stunde still durch den Weltraum treibt – das Opfer eines missglückten sowjetischen Raumfluges«. Gemeint ist jener Flug, der möglicherweise den Erdorbit verlassen hat, um anschließend ein SOS-Signal zu senden. »Mit einem durch die extreme Kälte perfekt konservierten Körper« könnte der Kosmonaut »auf Jahrhunderte hinaus ein einsamer Wanderer im Weltraum sein.«
So könnte fragmentarisch die wirkliche Geschichte der frühen bemannten Raumfahrt aussehen. Die offiziellen Raumflüge sind fett gedruckt.
1957
Verlust von Alexej Ledowski (Quelle: Prawda)
1958
Verlust von Serenti Schaborin (Quelle: Prawda)
1959
Verlust von Andrej Mitkow (Quelle: Prawda)
ab September 1960
Baubeginn von drei bemannbaren Wostok-Raumschiffen
27. September 1960
Verlust von Iwan Katschur (Quelle: Judica-Cordiglia)
11. Oktober 1960
Beginn bemannter Raumflüge laut Wostok-Planung
11. Oktober 1960
Verlust von Piotr Dolgoff (Quelle: Judica-Cordiglia)
28. November 1960
»SOS an die gesamte Welt«, Morsebotschaft, Erdflucht? (Quelle: Judica-Cordiglia)
02. Dezember 1960
Sowjets geben den Verlust von Sputnik VI bekannt
Dezember 1960
Verlust von Alexis Grassiow (Quelle: Judica-Cordiglia)
17. Januar 1961
»Stimmen aus dem All« (Quelle: Walter Kunz)
02. Februar 1961
Herztöne und Atemgeräusche aus dem All, evtl. Gennadij Michailow (Quelle: Judica-Cordiglia)
Anfang April 1961
Einlieferung von Walentin Bondarenko
07. April 1961
Raumflug von Wladimir Iljuschin (Quelle: The Cosmonaut Coverup u. a.)
12. April 1961
Juri Gagarin, Wostok 1, erster Sowjet im All, orbital (Quelle: offiziell)
05. Mai 1961
Alan Shepard, erster Amerikaner im All, suborbital (Quelle: offiziell)
17. Mai 1961
Zwei Männer- und eine Frauenstimme aus dem All (Quelle: Judica-Cordiglia)
23. Mai 1961
Weibliche Hilferufe aus dem All (Quelle: Judica-Cordiglia)
21. Juli 1961
Virgil Grissom, zweiter Amerikaner im All, suborbital (Quelle: offiziell)
06. August 1961
German Titow, Wostok 2, zweiter Sowjet im All, orbital (Quelle: offiziell)
21. Februar 1962
John Glenn, erster Amerikaner im Orbit (Quelle: offiziell)
15. Mai 1962
Verlust von Alexis Belokoniow (Quelle: Judica-Cordiglia)
Moskau, 8. April 1961. Die Führung der Sowjetunion befindet sich in einer verzweifelten Lage. Der triumphale Vorsprung der unbemannten sowjetischen Raumfahrt droht verlorenzugehen. Die imperialistischen USA schließen immer mehr auf. Um ein Haar wäre am 24. März 1961 bereits der Amerikaner Alan Shepard ins All gestartet. Fast jeden Monat scheitern ein, zwei Kosmonauten an der unsichtbaren Front im Weltraum. Die beiden letzten waren Bondarenko und Iljuschin. Ersterer verbrannte beim Wiedereintritt, letzterer stürzte in China ab. Dennoch muss der Klassenfeind gestoppt werden, und zwar sofort. Und um jeden Preis. Da kommt es – einen Tag nach dem mutmaßlichen Absturz Iljuschins – zu einer denkwürdigen Sitzung. Ein unbekannter Mann wird vorgestellt. Neuer Held, neues Glück. Er soll den Feind stoppen, wenn schon nicht im Weltraum, so doch an der Propagandafront. Es ist der Fliegerleutnant Juri Gagarin. Er würde nur eines zu tun haben: an einem bestimmten Tag am Fallschirm aus einem Flugzeug abzuspringen, um kurz darauf als Kosmonaut auf der Erde zu landen – und in den Annalen der Weltgeschichte. Um alles Weitere würde sich die sowjetische Propaganda kümmern.
In etwa so sehen Skeptiker wie beispielsweise der ungarische Autor István Nemere (Buchtitel: Gagarin – eine kosmische Lüge?) die wahre Karriere Juri Gagarins, des angeblich ersten Menschen im All.
Laut Propaganda startete Juri Gagarin mit seinem Raumschiff Wostok 1 am 12. April 1961 um 9:07 Moskauer Zeit von einer Startrampe nahe dem kleinen Örtchen Tjuratam (später: Baikonur) aus. (In der Zählweise der Sowjets wurde der erste erfolgreiche Flug des bemannten Typs Wostok 3 als Wostok 1 bezeichnet. Von den Flügen der Wostok-Prototypen und – Spionagesatelliten wusste die Öffentlichkeit ja nichts.) Er habe eine Erdumlaufbahn mit einem erdnächsten Punkt von 181 Kilometern und einem erdfernsten Punkt von 327 Kilometern (Apogäum) absolviert und sei eine Stunde und 48 Minuten nach dem Start im Gebiet von Saratow wieder gelandet.18 Diese Propaganda-Geschichte von Gagarins Raumflug klingt etwas zu schön, um wahr zu. Danach hat es überhaupt keine Fehlversuche gegeben und auch keine suborbitalen Flüge. Der Fliegermajor Gagarin soll an Bord des Raumschiffs Wostok 1 statt dessen gleich zu einer Erdumrundung aufgebrochen sein, und zwar mit vollem Erfolg. Nach genau einem Orbit soll er wohlbehalten in der Sowjetunion gelandet sein. In Wirklichkeit, so ergibt sich aus den bisherigen Recherchen, hatte die Sowjetunion die bemannte Raumfahrt aber noch gar nicht im Griff. Vielmehr sieht es so aus, als wäre Gagarin im sowjetischen Raumfahrtprogramm erschienen, wie der berühmte Phönix aus der Asche. Die Frage ist nur: Ist der Mann auch wirklich geflogen? Oder war es etwa so, dass die wirklichen Raumflüge nicht veröffentlicht wurden, während die veröffentlichten Raumflüge nicht wirklich stattfanden?
Wer war Juri Gagarin? War er zum Beispiel aus ebensolchem Holz geschnitzt wie der Testpilot und preisgekrönte Flieger Wladimir Iljuschin? An Gagarins Vita fällt die enorme Fahrt auf, die sein Leben ab einem bestimmten Punkt aufnahm. Mit siebzehn soll er eine Lehre als Gießer abgeschlossen haben. Bis zu seinem 21. Lebensjahr soll er eine Art Facharbeiter im Gebiet von Saratow gewesen sein. 1954, mit zwanzig, trat er einem Fliegerklub bei, zehn Monate später absolvierte er den ersten selbstständigen Flug in einem einmotorigen, zweisitzigen Schulungsflugzeug vom Typ Jak 18. Fünfeinhalb Jahre vor seinem Raumflug war Gagarin somit ein blutiger Anfänger im Cockpit einer einmotorigen Holpermaschine. In den nächsten vier Jahren allerdings soll er beim Fliegerregiment der Nordmeerflotte gedient haben. Unglücklicherweise ist die Karriere Juri Gagarins fotografisch schlecht dokumentiert. Aus seiner Zeit als Gießer ist mir nur ein einziges Bild bekannt – ein Gemälde. Fragt sich nur, welcher Gießerlehrling in der Sowjetunion während seiner Ausbildung porträtiert wurde. Ein Bild aus seiner Zeit im Fliegerklub zeigt ihn nicht im Cockpit, sondern beim Putzen desselben.
Ein Gruppenbild, das Gagarin als Flieger zeigt, ist eine Fälschung. Fliegerkombis und Gürtelschnallen sind aufgemalt, Gagarins linker Arm wirkt deformiert, sein Kopf sitzt schräg auf seinem Fliegeranzug.
Juri Gagarin als Gießer (links) und beim Reinigen des Cockpits (rechts)
© aus: Dichtjar, S. 27 und S. 38
Gruppenbild mit Gagarin und aufgemalten Fliegerkombis, Details
© aus: Dichtjar, S. 44
Im Flugzeugcockpit sieht man Gagarin nur dreimal, davon einmal als körperliches und seelisches Wrack. Ich komme später noch auf dieses Foto zu sprechen.
Am Ende seines Militärdienstes bei der Nordmeerflotte, am 9. Dezember 1959, bewarb sich Gagarin um die Aufnahme in das Kosmonautenkorps der Sowjetunion. Und nun ging wirklich alles sehr schnell. Nur drei Monate nach dieser Bewerbung nahm er das Kosmonautentraining auf. Weitere drei Monate später trat Juri Gagarin in die KPdSU ein. Ein Jahr nach Aufnahme des Kosmonautentrainings, am 3. März 1961, legte Juri Gagarin die Kosmonautenprüfung ab. Gerade noch rechtzeitig, denn schon fünf Wochen später war er als erster Mensch im All.
Die Frage ist, was Gagarin zu dieser steilen Karriere motivierte und befähigte. Vielleicht, dass er ein »begeisterter Pilot« gewesen sei, wie es hieß?19 Das kann es jedoch nicht gewesen sein, denn noch bei seinem Tode im März 1968, also sieben Jahre nach seinem angeblichen Raumflug, verfügte Juri Gagarin gerade einmal über 340 Flugstunden, davon 75 als Jetpilot.20 Offenbar hatte man ihn also auch beim Fliegerregiment der Nordmeerflotte nicht besonders oft ins Cockpit gelassen – und nach seinem Raumflug auch nicht. Damit war Gagarin nicht nur ein Fremdkörper im Kosmonautenkorps der Sowjetunion, sondern unter allen Raumfliegern dieser Zeit. Seine Kosmonautenkameraden verfügten im Durchschnitt über 1500 Jetflugstunden,21 die ersten amerikanischen Astronauten über durchschnittlich 5000 Gesamtflugstunden. Alan Shepard und John Glenn brachten es bei ihrer Nominierung zum Astronauten sogar auf 5500 Flugstunden.22 Gagarin dagegen hat den größten Teil seiner wenigen Jetflugstunden wahrscheinlich erst nach seinem Raumflug absolviert. Auch beim Fallschirmspringen war er ein blutiger Anfänger. In den Jahren vor seinem Kosmonautentraining hatte er nur fünf Sprünge absolviert.23 Zum Vergleich: Um heute hierzulande die Fallschirmspringerprüfung abzulegen, benötigt man an die 30 Absprünge.
Was beförderte ausgerechnet diesen Mann an die Spitze aller Kosmonauten und Astronauten? Besaß er vielleicht andere herausragende Fähigkeiten? »Seine Ausnahmeerscheinung kam weniger darin zum Ausdruck, dass er in einzelnen Fächern besonders glänzte«, schreibt aber Gagarin-Biograph Gerhard Kowalski. Gagarin sei ein kosmischer Mehrkämpfer gewesen, der Weltmeister wurde, »obwohl er in keiner Einzeldisziplin den ersten Platz belegte«.24 Das klingt sehr diplomatisch und nicht so, als hätten irgendwelche überragenden Fähigkeiten Gagarin zum Kosmonauten befördert. Laut German Titow, nach Gagarin im August 1961 an Bord von Wostok 2 angeblich der zweite Sowjetbürger im Weltraum, scheint es eher um »etwas Symbolisches beim Lebensweg und in der Biografie Gagarins« gegangen zu sein: »Sohn eines Bauern, der die schrecklichen Tage der faschistischen Okkupation überlebt hat. Schüler einer Handwerksschule. Arbeiter. Student. Kursant in einem Fliegerklub. Flieger. Diesen Weg sind Tausende und Abertausende Altersgenossen Juris gegangen.«25
War Gagarin in Wahrheit nur ein Durchschnittsmensch mit einem symbolischen Lebenslauf? Ist die Fliegerei mit Hilfe von ein paar Flugstunden nur ein wenig Verzierung? Und wurde auf diese Weise der perfekte kommunistische Kosmo-Frankenstein geschaffen: Bauernsohn, Faschismus-Opfer, Handwerker, Arbeiter, Student und etwas Kühnes, sagen wir: Flieger? Wenn man das so betrachtet, konnte die halbe sowjetische Gesellschaft gar nicht anders, als sich mit Gagarin zu identifizieren.
Auch die Sache mit seiner einjährigen Kosmonautenausbildung klingt unglaubwürdig. Wenn das wahr wäre, warum hat man ihm dann erst zwei Tage vor dem Flug erläutert, »welche Sicherheitsmaßnahmen für welchen Notfall getroffen worden waren«?26 War dies etwa nicht Gegenstand der Ausbildung gewesen? Und warum hat man ihm erst im letzten Moment über Funk erläutert, dass vom Kommando »Startschlüssel betätigen« bis zum Zünden der Triebwerke noch fünf Minuten vergehen würden? Gehörte auch das nicht zum Unterrichtsstoff? Das alles passt nicht zu jemandem, der angeblich ein Jahr lang als Kosmonaut ausgebildet wurde. Schon eher würde es zu jemandem passen, den man wie ein Karnickel am Genick gepackt und in eine Kapsel gesetzt hat – vielleicht nicht einmal, um dann auch wirklich abzuheben.
Denn warum wurde die Luke des Raumschiffes eigentlich nochmals geöffnet, nachdem Gagarin bereits drinsaß? Die offiziell geschilderte Panne kann nicht der Grund gewesen sein, denn diese Panne war überhaupt keine. Angeblich hatte um 7.58 Uhr eine Signallampe angezeigt, dass die Luke des Raumschiffes undicht sei, woraufhin man sie wieder geöffnet habe. Allerdings fand sich nicht der geringste Anlass für den Alarm, woraufhin die Luke wieder verschlossen wurde. Und merkwürdigerweise wurde die Luke erst jetzt für den Raumflug vorbereitet und auf ihre Dichtigkeit geprüft:
»Dazu wird ein sogenannter Sauger angelegt, eine Art feste runde Schüssel, die über die Luke gestülpt wird. Dann pumpt man in ihr die Luft ab, so dass sie fest an die Kabinenwand gepresst wird. Eine eventuelle Druckveränderung würde bedeuten, dass die Luke nicht richtig schließt. Doch das ist nicht der Fall.«27
Aber warum hat man diesen Test nicht schon nach dem ersten Verschließen der Luke durchgeführt? Denn schließlich konnte man von der bevorstehenden Panne da ja noch nichts wissen. Oder doch? War der Start da noch gar nicht ernsthaft vorgesehen?
Wer sich anschickt, die Wahrheit über den Flug Gagarins herauszufinden, droht in einem Wust von widersprüchlichen Informationen, Darstellungen und Versionen zu ertrinken. Je näher man dem Gegenstand kommt, um so mehr verflüchtigt er sich. Man stellt fest, dass eines der spektakulärsten Ereignisse der Menschheitsgeschichte in einer Grauzone von Information und Desinformation verschwindet. Mitten in dieser Grauzone verliert sich auch Gerhard Kowalskis bereits zitierte Gagarin-Biographie Die Gagarin-Story. Trotz zahlreicher Ungereimtheiten und Beweise für Fälschungen weigert sich Kowalski zur Kenntnis zu nehmen, dass ihm der Flug Gagarins im Grunde unter den Fingern zerrinnt. Trotz eines, wie er selbst schreibt, Gestrüpps »von bewussten Falschinformationen, Halbwahrheiten und Lügen, in dem sich die Sowjetpropaganda schließlich selber verfing«, hält Kowalski unerschütterlich an der Geschichtlichkeit des Fluges fest.28 Daher werde ich so frei sein, unter anderem mit Hilfe der von ihm gelieferten Informationen ein etwas anderes Bild des ersten bemannten Raumfluges der Menschheitsgeschichte zu zeichnen. Setzen wir uns also auf die Spur von Juri Gagarins Flug.
Welche Beweise gibt es eigentlich dafür, dass Juri Gagarin am 12. April 1961 zum ersten Raumflug der Menschheitsgeschichte abhob? »Eigentlich«, bemerkt Kowalski ganz richtig, »hätte man annehmen müssen, dass die Sowjets in höchstem Maße interessiert gewesen seien, der Weltöffentlichkeit den grandiosen Start in das kosmische Zeitalter umfassend in Wort, Bild und Ton nahezubringen. Doch weit gefehlt.«29 Das meiste schriftliche Material sei erst nach dem Flug Gagarins zusammengestellt worden, bei den Bildern habe man sich zum Teil sogar mehrere Jahre Zeit gelassen. Kaum zu glauben. Erbrachte die Sowjetunion die größte technische Leistung seit dem ersten Motorflug, ohne Fotoapparate und Filmkameras bereitzuhalten? Eigentlich sollte man doch daran interessiert sein, diese Leistung hinterher auch zu beweisen: Um Beweise aber scherte sich die Sowjetunion überhaupt nicht.
Werfen wir einmal einen Blick auf Gagarins triumphale Begrüßung in Moskau am 14. April 1961, zwei Tage nach seinem Flug. Wie es im Kommunismus üblich war, hielten die Menschen dabei riesengroße Fotos hoch, auch solche von Gagarin. Doch merkwürdigerweise war der »Kosmonaut« Gagarin darauf gar nicht zu sehen. Vielmehr gab es nur zwei Bilder. Das eine zeigte Gagarin in seiner nagelneuen Majors-Uniform. Das zweite zeigte Gagarin ebenfalls nicht als Kosmonaut, sondern als Fallschirmspringer während seiner Zeit im Saratower Aeroclub.30 Irgendwie waren offenbar keine Kosmonautenfotos von Gagarin zur Hand. Dasselbe gilt für die Pressekonferenz nach dem Flug am 15. April 1961, zu der sich die Medien der Welt versammelt hatten. Aber nicht einmal da konnten die Sowjets mit Bildmaterial aufwarten. Gagarin selbst wies die verblüffte Presse darauf hin, dass es »keine einzige Fotokamera und keine fotografische Anlage« an Bord der Raumkapsel gegeben habe. Es seien keine Aufnahmen gemacht worden, »und darum gibt es nichts, was zu veröffentlichen wäre«.31 Da plant man ein globales Spektakel und macht kein einziges Foto – nicht mal ein ganz kleines? Man gibt die ganzen Millionen und Milliarden für Raketen und Raumschiffe aus und hat dann keine einzige »fotografische Anlage« an Bord? An diesem Punkt hätten die Kamerateams eigentlich die Lichter löschen und die Korrespondenten ihre Blöcke zuklappen müssen: Kinder, das war’s, die Story ist gar keine.
Aber merkwürdigerweise hinderte diese skurrile Pressekonferenz die Welt nicht daran, Gagarins Flug anzuerkennen und in ihre Lexika und Schulbücher aufzunehmen. Ja, die Welt war überaus entgegenkommend. Sogar der ideologische Feind. Nicht einmal die USA zogen angesichts der lausigen Dokumentation von Gagarins Flug die Notbremse und stellten ihn in Frage. Denn die Vereinigten Staaten hatten ganz andere Pläne. Am 25. Mai 1961, eineinhalb Monate nach Gagarins Flug, rief Präsident John F. Kennedy den Kongress auf, ein milliardenschweres Programm zur Landung eines Menschen auf dem Mond zu beschließen. Und an der Authentizität dieser Landung hatten später bekanntlich die Sowjets nichts auszusetzen.
Aber heute kennen wir doch Bilder von Gagarin bei seinem Raumflug! »Juri Gagarin – der erste Mensch im All – an Bord des Wostok-1-Raumschiffes am 12. April 1961«, schreibt beispielsweise der britische Guardian zu dem Foto links unten. Doch auf einem Foto, das offenbar dieselbe Situation zeigt, sieht man deutlich die Hosenbeine eines Menschen im Hintergrund, der in der Kapsel natürlich gar keinen Platz gehabt hätte. In dieser Situation probierte Gagarin lediglich den Schleudersitz der Wostok-Kapsel aus, heißt es: »Hierbei entstanden offensichtlich auch viele der Fotos, die Gagarin angeblich beim Start in der Raumkapsel zeigen«, schreibt sein Biograf Kowalski.32 Oder sollten wir sagen: »beim angeblichen Start«? Denn schließlich gibt es da noch ein Problem: Der Schriftzug CCCP auf Gagarins Helm, die kyrillische Form der Abkürzung »UdSSR«.
Diese Buchstaben sind zwar auch auf einem Foto von der angeblichen Busfahrt zum Startplatz zu sehen, nicht aber beim Einsteigen in den Rampenaufzug. Dabei trägt Gagarin (oder wer auch immer) einen Helm ohne CCCP-Aufschrift (rechts). Tatsächlich sieht es so aus, als sei Juri Gagarin nicht an Bord einer Rakete, sondern auf den Schreibtischen der Foto-Retuscheure in den Weltraum befördert worden. Die folgenden Bilder sind allesamt Abkömmlinge der Busfotos.
Hier war Gagarin nicht im All, sondern erprobte nur den Schleudersitz außerhalb der Kapsel, wie die Hosenbeine im Hintergrund zeigen (rechts)
links © aus: http://www.guardian.co.uk/arts/gallery/image/0,8543,-1050469161,00.html; rechts: © aus Russian State Archive of Scientific and Technical Documents
Gagarin im Bus zur Startrampe, an der Startrampe
links © aus: http://www.vesmirweb.net/galerie/slavni/gagarin.jpg; rechts © aus RKK Energija/vesolje.net
Mal wird die Busbesatzung im Hintergrund nur halb wegretuschiert, mal wird sie gar komplett entfernt, als wäre Gagarin an Bord seiner Raumkapsel. Rechts wurde die Szene offenbar gezeichnet und der Hintergrund durch Zeitungsausschnitte ersetzt. So entsteht der Eindruck einer Vielzahl von Bildern, die Gagarin als Kosmonauten zeigen. Auch das nächste Bild zeigt den Kosmonauten Juri Gagarin in seinem Raumanzug – nur wann? Wenn man genau hinsieht, fällt Juri Gagarins entstellte linke Augenbraue auf. Diese Entstellung entstand mindestens ein halbes Jahr nach seinem angeblichen Raumflug, wahrscheinlich bei einem Unfall am 3. Oktober 1961.
Beförderung vom Buspassagier zum Kosmonauten
links © aus: http://nowscape.com/star_city/star_city1.html; mitte: © aus: http://www.smh.com.au/ffxImage/urlpicture_id_1048962649284_2003/03/30/wld_gagarin3103.jpg; rechts: © aus: http://www.wio.ru/cosmos/gagarin.jpg
Der «Kosmonaut« Gagarin (links), und erst nach seinem Raumflug entstandene Entstellung (rechts)
links © aus: http://www2.arnes.si/~tponik/gagarin.jpg; rechts © aus: Russian State Archive of Scientific and Technical Documents
Dass Gagarin in einem Bus fuhr, scheint also hinreichend bewiesen. Aber flog er auch mit einer Raumkapsel? Als Beweis werden immer wieder grobzeilige TV-Bilder des Kosmonauten gezeigt, die von Bord der Kapsel stammen sollen. Doch Zweifel sind erlaubt. Und zwar nicht nur deshalb, weil Gagarin erklärt hatte, dass es an Bord »keine einzige Fotokamera und keine fotografische Anlage« gegeben habe. Denn streng genommen sind Live-Fernsehkameras keine »fotografischen Anlagen«, die Bilder auf einen Film aufzeichnen.
Die Probleme entstehen vielmehr wegen der Standorte und Perspektiven der Kameras. Angeblich gab es genau zwei Kameras an Bord. Die eine nahm Gagarin frontal von unten auf (aus Kniehöhe), die andere von rechts.33 Wie man sieht, gibt es jedoch nicht weniger als drei Fernsehperspektiven von Gagarin – also eine zuviel. Des weiteren müssten alle abgedruckten TV-Aufnahmen auch schon deshalb falsch sein, weil sie Gagarin frontal von oben oder von links zeigen, statt von rechts und von vorne aus Kniehöhe. Auch die angeblich von einer amerikanischen Station aufgefangene Sequenz wäre demnach zweifelhaft, denn auch sie zeigt den Kosmonauten von links statt von rechts. Davon, dass man Gagarin auf ihr gar nicht erkennen kann, einmal ganz abgesehen. Die Aufnahme aus Kniehöhe gibt es nur in einer Form, in der es sie gar nicht geben dürfte, nämlich als Filmaufnahme:
Angebliche TV-Bilder von Gagarin im Orbit: Eines dieser kursierenden TV-Bilder von Gagarin muss falsch sein, denn da es an Bord nur zwei Kameras gab, dürfte es auch nur zwei Perspektiven geben. Oder sind alle falsch? Denn statt von rechts oder aus Kniehöhe, wo die Kameras angebracht waren, zeigen die TV-Bilder Gagarin von links oder frontal.
oben: TV-Aufnahmen, © unbekannt; unten © aus: Henry G. Plaster, »Snooping on Space Pictures«, Fall 1964 issues of Studies in Intelligence, found in RG 263, Entry 400, »Articles From Studies in Intelligence, 1955–1992«, National Archives and Records Administration
Eine Filmkamera wäre schon eher als »fotografische Anlage« zu werten als eine Live-TV-Kamera. Fotografische Anlagen gab es aber nicht an Bord von Wostok 1, so Gagarin. Und auch Kowalski schreibt: »Aus völlig unerklärlichen Gründen haben die Sowjets offenbar darauf verzichtet, eine Filmkamera an Bord zu installieren und einfach mitlaufen zu lassen.«34 In der Tat: Völlig unerklärlich. Mindestens so unerklärlich wie der wirkliche Ursprung der gezeigten Aufnahmen aus Wostok 1.
Filmaufnahme von Gagarin, angeblich aus Wostok 1
© aus: http://www.quido.cz/fyzika/1fyzika.htm
Anlässlich eines Besuches von Zarin Katharina der Großen 1787 auf der Krim machte der russische Reichsfürst Grigorij Aleksandrowitsch Potemkin eine bahnbrechende Erfindung: Um die Kaiserin von der Fortschrittlichkeit und vom Wohlstand der Region zu überzeugen, ließ er ganze Dorfattrappen aus dem Boden stampfen und kreierte so das später nach ihm benannte »Potemkinsche Dorf« – eine Innovation, für die sich in der Folge vor allem das Militär erwärmte: Im 20. Jahrhundert hatte sich daraus eine stattliche Familie aus Papp-Panzern, Papp-Flugzeugen, Papp-Raketen und natürlich auch den sprichwörtlichen Papp-Kameraden entwickelt. Und zwar nicht nur in Russland oder der Sowjetunion. Vielmehr leuchtete Herrn Potemkins Erfindung den Streitkräften aller Herren Ländern ein. Denn die Lüge ist immer noch die schnellste, billigste und oft auch eindrucksvollste Waffe. Oft wirkt sie bereits, indem man sie ausspricht. Die Erscheinungsformen des Potemkinschen Dorfes reichen von der bloßen Behauptung bis hin zum Modellbau und zur ausgefuchsten Inszenierung. Warum echte Panzer bauen, wenn es auch welche aus Pappe tun? Warum Flugzeuge produzieren, wenn man die Flugplätze auch mit Modellen pflastern kann? Und warum in den Orbit fliegen, wenn es auch ein paar einfache Lügen tun?
Von Gagarins Rakete waren verdächtigerweise nicht weniger als drei Versionen in Umlauf, wie die folgenden Bilder zeigen.