Lust auf Frische! - Marie Cochard - E-Book

Lust auf Frische! E-Book

Marie Cochard

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Beschreibung

Au revoir Kühlschrank – Ein Experiment

Knackig frisches Obst, ein saftiges Steak, Essen, das schmeckt, wie es schmecken soll, und nicht an Reiz verliert, kaum ist es ein paar Tage alt. Auf der Suche nach gesunder, schmackhafter Ernährung, hat Marie Cochard ein Problem unserer Kochkultur ausgemacht: Wir verderben unser Essen durch falsche Lagerung. Mit viel Sinn für Genuss inspiriert sie dazu, liebevoll mit unserem Essen umzugehen. Geniale Tipps aus traditionellem und neuem Küchen-Wissen machen Lust auf Veränderung – für mehr Nachhaltigkeit, mehr Aroma, mehr Frische.

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Seitenzahl: 173

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Marie Cochard sieht die Kunst, ökologisch zu leben, als Chance, ihre Intuition und ihr kreatives Potential auszuleben. In ihren Büchern teilt sie ihr Wissen aus zehn Jahren Journalismus für ökologische Themen und ihre Leidenschaft für eine nachhaltige und gesunde Lebensführung

Buch

Knackig frisches Obst, ein saftiges Steak, Essen, das schmeckt, wie es schmecken soll, und nicht an Reiz verliert, kaum ist es ein paar Tage alt. Auf der Suche nach gesunder, schmackhafter Ernährung, hat Marie Cochard ein Problem unserer Kochkultur ausgemacht: Wir verderben unser Essen durch falsche Lagerung. Mit viel Sinn für Genuss inspiriert sie dazu, liebevoll mit unserem Essen umzugehen. Geniale Tipps aus traditionellem und neuem Küchen-Wissen machen Lust auf Veränderung – für mehr Nachhaltigkeit, mehr Aroma, mehr Frische.

MARIE COCHARD

 Lust auf Frische! 

Lecker, knackig, nachhaltig – Tipps für die smarte Küche (fast) ohne Kühlung

Übersetzt aus dem Französischen

von Bettina Seifried

WILHELM HEYNE VERLAG

MÜNCHEN

Die Originalausgabe erschien 2017 unter dem Titel »Notre aventure sans frigo … ou presque« bei Éditions Eyrolles.

Sollte diese Publikation Links auf Webseiten Dritter enthalten, so übernehmen wir für deren Inhalte keine Haftung, da wir uns diese nicht zu eigen machen, sondern lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung verweisen.

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

Deutsche Erstausgabe 10/2018

© 2017 Groupe Eyrolles, Paris, France

© der deutschsprachigen Ausgabe 2018 by Wilhelm Heyne Verlag, München,

in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,

Neumarkter Straße 28, 81673 München

Redaktion: Dr. Thomas Tilcher

Umschlaggestaltung: Hauptmann & Kompanie Werbeagentur, Zürich,

unter Verwendung eines Fotos von © Olivier Cochard

Satz und E-Book Produktion: Satzwerk Huber, Germering

ISBN: 978-3-641-23193-4V003

www.heyne.de

Brumm zum Abschied leise Servus!

Als ich der Familie und den Freunden erzählte, dass ich den Kühlschrank abschalten und ein Buch darüber schreiben wollte, war die Reaktion nahezu einhellig: Nach einem kurzen Moment der Verblüffung schauten mich alle mit entsetztem Blick an und fragten: »Dann wollt ihr also in Zukunft verschimmelte Lebensmittel und gammeliges Gemüse essen?«

Okay, ich übertreibe … aber nur ein bisschen. Alle wähnten mich auf direktem Weg zurück in die Steinzeit und orakelten, die ganze Familie würde demnächst an Fleischvergiftung, Listerien, Salmonellen und noch viel Schlimmerem erkranken.

Meine Eltern versuchten mich zur Vernunft zu bringen, indem sie die zarte Saite des Mutterinstinkts aufzogen: »Was ist mit den Kindern? Du wirst ihnen das doch nicht antun! Sie werden doch einem fiesen Cocktail aus Bazillen und krank machenden Keimen ausgesetzt, wenn alles ungekühlt rumsteht!« Und eben jene Gören wollten sofort wissen, ob es ohne Kühlschrank womöglich weniger zu essen gebe …

Was meinen Liebsten betrifft – was soll ich Ihnen sagen? Seine größte Sorge galt seinen geliebten Schweinsrippchen und dem gekühlten Bier. Es folgten schwierige Verhandlungen …

Wer wollte es ihnen verdenken? 99,6 Prozent aller Europäer besitzen einen Kühlschrank. Und selbst wenn sich viele vorstellen könnten, den Fernseher abzuschaffen oder aufs Mobiltelefon und meinethalben auch Zucker zeitweilig zu verzichten, mutet die Idee, ohne Kühlschrank zu leben, den meisten Menschen absolut außerirdisch an. Es scheint das Maß dessen, was den Gemeinsterblichen in der abendländischen Welt zumutbar ist, zu übersteigen.

Die Ökos unter meinen Bekannten nahmen – neuen Wegen stets aufgeschlossen – die Ankündigung hingegen mit großem Interesse auf und verfolgten meine Erfahrungen gespannt und bisweilen amüsiert.

Mein letztes Buch drehte sich um die Wiederverwertbarkeit von Abfallschalen in der Küche, und nun wollte ich herausfinden, wie sich Lebensmittel auch ohne das allgegenwärtige Kühlgerät lagern und konservieren ließen, und zwar ohne (im harmlosesten Fall schlicht unappetitliche) Keime heranzuzüchten und ohne mir wie ein Eremit im Wald oder in grauer Vorzeit vorzukommen.

Neben der journalistischen Recherche wollte ich die neu gewonnenen Erkenntnisse auch gleich in die Tat umsetzen, wohl wissend, dass dies in der Praxis oft ein ganz anderes Paar Schuhe war und sicher nicht wenige Stolpersteine bereithielt (und weit entfernt vom TV-Serienalltag von Unsere kleine Farm war).

Um all das in einem Buch unterzukriegen, wollte ich selbst Hand anlegen, meine Vorratskammer durchleuchten, mich den Herausforderungen in der Praxis stellen, auf altbewährtes Wissen und Tricks zurückgreifen und gleichzeitig keine Lebensmittel verschwenden und nebenbei noch die private Energiebilanz verbessern.

Wenn Sie, wie ich, ohnehin bereits großen Wert auf »gesunde Ernährung« legen, Supermärkte und Discounter weitgehend meiden und stattdessen kurze Wege und regionale Erzeuger bevorzugen, wenn Sie ohnehin mehr auf Frische statt auf industrielle Fertigprodukte mit Zusatzstoffen (die angeblich die Haltbarkeit erhöhen – fragt sich nur wie!) setzen und Sie Ihren Fleischkonsum (dem Tierwohl, dem Umweltschutz, der Klimaerwärmung und der eigenen Gesundheit zuliebe) und den Verzehr von Fisch (wegen Überfischung der Meere und Vergiftungsgefahr) bereits eingeschränkt oder ganz eingestellt haben, wenn Sie Milchprodukte (wegen Laktoseintoleranz, Milcheiweißallergie, zu viel ungesättigten Fettsäuren …) und Gluten (das in allen Fertigprodukten und vor allem in Backwaren steckt) meiden, dann haben Sie sicher auch schon bemerkt, dass der Inhalt Ihres Kühlschranks weniger wurde.

Außerdem brauchen viele Lebensmittel gar keine Kühlung – oder vertragen sie schlecht: Obst und Gemüse, Hartkäse, Honig, Eier, Kaffee, Knoblauch, Zwiebeln, Sirup, Mineralwasser in Flaschen, Marmelade im Glas, Sardinen in der Büchse … All das können Sie getrost aus dem Kühlschrank räumen, und Sie werden staunen, wie wenig übrig bleibt: vielleicht ein paar Reste vom selbst gemachten Kuchen oder vom Gemüseauflauf, die Sie ohne Weiteres einfrieren und ein andermal, wenn Sie rasch etwas essen oder einen Snack ins Büro mitnehmen wollen, in null Komma nichts wieder auftauen können (im Gefrierschrank hält sich das meiste zwischen 3 und 6 Monate lang, im Kühlschrank hingegen nur einige Tage). Einfrieren ist und bleibt die beste Lösung, um Angebrochenes und Übriggebliebenes aufzubewahren und um zu verhindern, dass tagelang dasselbe auf den Tisch kommt!

Natürlich geht es nicht darum (wie die Apostel der Kühlkette und andere Schwarzmaler unterstellen), dass man »bald gar nichts mehr essen darf«. Es geht darum, frischem Obst und Gemüse den Vorzug vor Fertigprodukten zu geben und mehr Hülsenfrüchte, Milch pflanzlicher Herkunft, alte Getreidesorten, Körner und Sprossen, frische Kräuter, Gewürze, Honig und nicht raffinierten Rohzucker zu essen – all das tut unserer Gesundheit und der des Planeten nur gut!

Im Zentrum stehen also Gesundheit (raumtemperierte Lebensmittel entlasten den Organismus, denn der muss viel Aufwand betreiben, um Speisen aus dem Kühlschrank vor dem Verdauen auf Körpertemperatur zu bringen), Einspareffekte, Abfallvermeidung, Einfachheit, Freude am Selbermachen und vor allem der kulinarische Genuss! Ich hätte dieses Buch aber nie geschrieben, wenn mein Speiseplan vorwiegend aus Fertiggerichten bestünde, denn, darauf sei an dieser Stelle unbedingt hingewiesen: Fertigprodukte müssen unter allen Umständen im Kühlschrank gelagert werden!

Was Sie nun in der Hand halten, versteht sich also eher als Einladung denn als Anleitung. Ich möchte Sie mitnehmen auf eine kleine Pilgerreise zu alten und neuen Verfahren des Selbermachens und Konservierens von Lebensmitteln, die weder viel Technik noch Strom benötigen. Und en passant will ich einfache Tipps vermitteln, die helfen, Abfälle und Lebensmittelverschwendung zu vermeiden.

Und da ich Ihnen nun munter von meinen Erfahrungen berichten werde, habe ich das Abenteuer ohne Kühlschrank wohl ziemlich gut überstanden!

Marie Cochard

Inhalt

Viel Tamtam um den Kühlschrank

Meine zehn Gebote zum (Über-)Leben ohne Kühlschrank

Gute alte Speisekammer

Alte Pötte

Vom Flohmarkt oder Trödelladen

Vorbereitendes

Lagerung

… den Knoblauch ins Töpfchen

Zwiebeln chic bestrumpft

Äpfel in Horden

Käse unter der Haube

Maschas Frischkäse

Kartoffeln froh im Haferstroh

Ab ins Wasser!

Durchlaucht eingetaucht

Salindrahs grüner Nachwuchs

Butter in der Glocke

Radis guck-in-die-Luft

Angèle – in Sprossen verschossen

Trocknen und Dörren

Kakis hissen – ahoi!

Pilze in der Schwebe

Tomaten, die in der Sonne schmurgeln

Die fabelhaften Trockenfrüchte der Amélie

Eingraben/Einschlagen/Umhüllen

Ab in den Sandkasten, ihr Möhren!

Nukazuke à la Yoko

Kürbis im Barrique gereift

Wüstenkühlschrank

Brot – das Ding ist im Sack!

Pfirsiche im Seidenkleid

Clementinen? Knallbonbons!

Birnen mit Wachstüpfeln

Gut verpackte Reste

Charles’ Folien aus Bienenwachs

Alle Eier auf einer Karte

Käse – Verjüngungskur im Ölbad

Keimkiller

Entenbrust im Sarkophag

Geräuchertes nach Art von John C.

Essig mit Erdbeeren!

Kirschen mit Schwips

Radhikas Milchkonfekt

Fermentation und Gärung

Der Kefir lebt!

Milchsauer macht lustig

Salzzitronen

Salzzitronen à la Pascale

Kimchi & Ko(hl)

Kimchi nach Marie-Lee

Einkochen und Sterilisieren

Hitzige Bohnen

Kiwi – und wie!

Linas Fruchtmus

Ende gut …

Reste ohne Kühlung aufbewahren

Lagerung von Grundnahrungsmitteln

Alternative Kühlung

Register

Danksagung

Geleitworte

Ich habe mich sofort auf Dein »Abenteuer ohne Kühlschrank« gestürzt, Marie! Und das bei 36 Grad im Schatten …

Und nachdem ich das Buch nun gelesen habe, muss ich sagen, dass mein »urbaner« Kühlschrank, den manche auch als »Kühlschrank für Arme« belächeln, dem von Dir skizzierten Ideal, abgesehen von ein paar Bechern Joghurt und den gekühlten Getränken, schon recht nahekommt. Ich muss nur das Gerät noch gegen ein kleineres eintauschen, um der unersättlichen Gier nach Strom ein Ende zu bereiten.

Richtige Lagerung und Konservierung beginnt schon beim Einkauf – wie wahr! Mehr saisonale Produkte und kurze Wege – genau! Denn Gemüse, das keine langen Lieferwege im Kühltransporter hinter sich hat, lässt sich gut bei Zimmertemperatur lagern; es muss nur lichtgeschützt sein. Auch den Appell für den kleinen Einkauf kann ich nur unterstützen! Unsere Schränke müssen nicht vollgestopft sein wie die Regale im Supermarkt, vor denen wir uns ratlos fragen, was heute auf den Tisch kommen soll – und hinterher die Hälfte wegwerfen! Gezielt einkaufen, was für die nächste Mahlzeit nötig ist, mag zunächst als Einschränkung der Wahlfreiheit erscheinen. Doch bald merkt man, dass es den Alltag eigentlich erleichtert. Kochen wird einfacher, geht schneller und macht viel mehr Spaß. Denn je größer die Auswahl, desto komplizierter wird es!

Seit meinen ersten Reiseabenteuern im eigenen Campingbus habe ich das Motto »Weniger ist mehr« auch für die Küche übernommen: weniger Lebensmittel, weniger Kühlung – seinerzeit wegen eines notorisch unzuverlässigen Camping-Kühlschranks, der uns, weil er ständig ausfiel, zwang, alles entweder ganz schnell aufzuessen oder ganz schnell wegzuwerfen. Seitdem steht bei mir außer frischem Saft, der, wenn’s schiefgeht, eben zu Früchte- oder Kräutertee verarbeitet wird, ein paar Bechern Joghurt und gelegentlich ein bisschen Wurst nichts mehr im Kühlschrank. Das meiste bewahre ich ungekühlt, aber eingewickelt in Pergamentpapier oder braunen Papiertüten, in Tüchern oder in einem Weidenkorb auf. Lebensmittel verändern sich mit fortschreitendem Reifezustand, das ist völlig normal und auch sehr beruhigend, denn künstliche Konservierungsstoffe tun uns nicht gut. Man muss dann eben die Verwendungsweise neu definieren. Aus hartem Brot werden Semmelbrösel, die, über ein Nudelgericht gestreut, köstlich sind. Eine Ziegenrolle schmeckt eingetrocknet genauso gut wie in frischem Zustand, ein hartes Stück Emmentaler lässt sich noch reiben, der welke Salat wird blanchiert und schrumpeliges Gemüse zu Ratatouille verarbeitet …

Marie, wir beide sind Philosophinnen des Alltags mit einem Blick für die kleinen Dinge, die das Leben schön und lebenswert machen, und wir suchen sie auch dort, wo man es nicht unbedingt erwartet oder gleich bemerkt. Dein Abenteuer ohne Kühlschrank ist ein neues, ungewöhnliches Feld, das Du bespielst.«

Martine Camilleri ist Bildhauerin und Autorin, ihre großen Themen sind Umwelt, biologisch abbaubare Materialien und Müllvermeidung.

Als mir Marie von ihrem Plan, ohne Kühlschrank zu leben, erzählte, musste ich zuerst lachen.

Doch dann schlich sich mir ein Bild in Erinnerung: das kleine Haus meiner Großeltern in Lothringen, wo ich als Kind die großen Ferien verbrachte. Ich war klein, und der Sommer schien endlos. Wir pflückten Heidelbeeren und kleine Erdbeeren im Wald, sammelten Wildkräuter, Nüsse und Pilze. Im Weiler gab es keinen Laden, nur ab und zu kamen Bäcker oder Metzger mit einem Verkaufswagen vorbei, oder es hielt ein Eisverkäufer an der einzigen Straße des Orts. Für alles andere mussten wir zu den umliegenden Höfen laufen, manchmal ging’s auf den Markt in der nächstgelegenen Stadt. Es wurde viel selbst gemacht und wenig zugekauft. Mein Großvater war ein leidenschaftlicher Gärtner und sein Gemüse legendär. In die Speisekammer kam alles, was lagerfähig war: Eier, Käse, Pökelfleisch, Kartoffeln, Kürbisse, getrocknete Wildkräuter, Kuchen in Blechdosen und Sauermilch in Krügen. Ob es einen Kühlschrank gab, weiß ich nicht mehr, aber ich erinnere mich, dass ich mich in dieser Kammer voller Köstlichkeiten immer sehr wohlgefühlt habe. Und plötzlich dachte ich auch an den kleinen Verschlag in meiner Küche in Paris, direkt unter dem Fenster. Den wollte ich mir immer einmal als Vorratsraum herrichten, doch seit ein paar Jahren nisten dort Tauben. Wir hören sie jedes Frühjahr hinter der Sperrholzwand gurren. Ich habe beschlossen, sie in Ruhe brüten zu lassen und weiter mit meinem alten Kühlschrank vorliebzunehmen.

Aber ich bewundere Marie und beneide sie für den Mut, sich in dieses Abenteuer zu stürzen! Ihre Experimente im Alltag stellen ja nicht nur eine Herausforderung dar, sie bescheren ihr auch viele kleine Glücksmomente. Und Marie setzt ein Zeichen, indem sie sich von einem Gerät trennt, das – so raumgreifend und stromfressend es auch ist – fest in unserem Leben verankert ist, uns ständig zu mehr Konsum veranlasst und uns verleitet, viel mehr zu kaufen, als wir wirklich brauchen. Marie beschreitet neue Wege und sucht nach einfacheren, sparsameren Alternativen. Das schließt die Bereitschaft ein, seinen Lebensstil zu verändern, und bedeutet, mehr im Einklang mit der Natur zu stehen, alte Methoden der Vorratshaltung, aber auch modernes Wissen aufzugreifen. Es bedeutet nicht zuletzt, das Kochen neu zu erfinden und sich auf den Moment einzulassen. Marie gehört zu den Menschen, die aus fast nichts etwas Wunderbares zaubern. Altes wiederverwerten, Neues kreieren, andere Zwecke ersinnen – das alles sind kreative, spielerische Prozesse, die viel spannender sind als das bloße Konsumieren und Anhäufen von Dingen. Nicht im Kaufen, sondern darin, wie »aus weniger das Beste« herauszuholen ist, liegt für Marie der Reiz.

In dieser jungen Frau muss eine sehr alte Seele stecken, sonst wäre sie nicht so weise. In jedem Fall lässt sie sich vom Wissen unserer Altvorderen beflügeln. Ohne Kühlschrank leben – eine abwegige Vorstellung? Nicht für Marie, für sie ist es ein weiterer Schritt zu mehr Leichtigkeit, Lebensfreude und Genuss.

Camille Labro ist Journalistin, Buchautorin und Dokumentarfilmerin im Bereich Gastronomie. Sie schreibt regelmäßig für Le Monde und wurde auf der internationalen Kochbuchmesse in Périgueux mit dem renommierten Preis Les Savoureuses geehrt.

Viel Tamtam um den Kühlschrank

Es ist noch gar nicht so lang her, dass jeder Haushalt über einen Kühlschrank verfügt, und trotzdem hat das von Carl von Linde 1876 erfundene Gerät unsere Konsumgewohnheiten innerhalb weniger Generationen radikal verändert. Einem Totem gleich thront der »Bauch« der Familie heutzutage in jeder Küche, beklebt mit Fotos, Kinderzeichnungen, wichtigen Telefonnummern und Stundenplänen … Schon das zeigt, dass es kein leichtes Unterfangen wird, sich vom Kühlschrank zu trennen.

»Mehr Druck, Madame … mit etwas Druck geht’s schon. Natürlich schaffen Sie das! Voilà … Und auch für Sie, Monsieur, ist der Moment gekommen, um sich abzunabeln!«

Mein schöner Kühlschrank!

Eisspender und Crushed Ice, frisch gefiltertes Wasser auf Knopfdruck, inklusive Smart-Option, die anzeigt, wann die Haltbarkeit eines Produkts überschritten ist – im Wettbewerb um unsere Gunst lassen sich Kühlschrank-Hersteller allerhand einfallen, um uns an unser liebstes Haushaltsgerät zu binden. Mehr oder weniger leistungsstark und imposant steht es für Aufstieg und Erfolg.

Manche erheben den Kühlschrank gar zum Kunstwerk, davon zeugen die Designermodelle von Smeg und Dolce & Gabbana, die, mit mittelalterlichen Szenen und sizilianischen Motiven des klassischen Altertums in Handarbeit ornamentiert, zum bescheidenen (absurden!) Preis von 37 000 Euro feilgeboten werden. Ein solches Gerät wird wohl kaum noch mit Fotos und Zetteln beklebt.

Mit etwas Fantasie können wir unserem Kühlschrank natürlich auch selbst Charakter und Persönlichkeit verleihen. Rasch ein Foto mit einer Kiste frischem Obst oder Gemüse angebracht, fertig ist die schöne Illusion, alles käme frisch vom Wochenmarkt!

Wussten Sie, dass die amerikanischen Modelle doppelt so viel Strom verbrauchen wie die herkömmlichen? Und dass die umweltschonendsten Kühlschränke für die sogenannten Entwicklungsländer hergestellt werden?

Preise im Vergleich:

Ein normaler Kühlschrank kostet zwischen 300 € und 400 € und verbraucht durchschnittlich 250 kW im Jahr.Ein amerikanisches Modell kostet zwischen 500 € und 1000 € und verbraucht durchschnittlich 530 kW im JahrEin »Wüstenkühlschrank« kostet keine 50 € und verbraucht null Energie.

Ziemlich irre

Heutzutage ist es der Kühlschrank, der die Lagerung von Lebensmitteln regelt, meist unter dem Deckmantel der Hygiene. Das ist nicht verwunderlich, denn wenn es um Leib und Magen geht, verlassen wir uns blind auf ihn. Die Fertigprodukte, die sich in ihm stapeln, sparen Zeit, heißt es, und Zeit ist bekanntlich … na, Sie wissen schon!

Aber was ist trostloser, als im Supermarkt Dosen und Packungen wie im Flug abzugreifen, den gesamten Inhalt des Einkaufswagens (weil der leider nicht fliegen kann) aufs Kassenband zu stapeln, dann alles wieder zurück in den Einkaufswagen zu packen, um das Ganze schließlich im mehr oder weniger geräumigen Kofferraum eines Autos zu verstauen und hinterher, dem Blick entzogen, in einem riesigen Kühlschrank zu bunkern?

Produktionsweisen und Konsumgewohnheiten haben sich zwar in den letzten Jahrzehnten deutlich gewandelt und werden zunehmend hinterfragt (Stichworte: ökologische Landwirtschaft, Nachhaltigkeit und Permakultur, Regionalität, Eigenanbau usw.). Doch wie verhält es sich mit unseren Gewohnheiten, wenn es ums Aufbewahren und Konservieren von Lebensmitteln geht?

Wenn man’s genau nimmt, halten wir permanent einen Riesenkasten am Laufen, nur um ein paar Kubikzentimeter Raum zu kühlen – und zwar mitten in unserer Wohnung, die wir im Winter beheizen, weil die Temperaturen draußen denen im Inneren des besagten Kastens ziemlich nahekommen … mal ganz abgesehen von der Frage, ob es sinnvoll ist, alle Lebensmittel gleich zu behandeln, obwohl sie völlig verschieden sind!

Stillschweigend haben wir uns dem Diktat der sich ständig beschleunigenden Konsumspirale gebeugt, einem bedenklichen Kreislauf von »Beschaffen – Wegwerfen – Wiederbeschaffen« unterworfen und uns zu Sklaven des MHD gemacht – des berüchtigten Mindesthaltbarkeitsdatums, das im Übrigen von der Lebensmittelindustrie erfunden wurde. Doch langsam beginnen wir, die negativen Konsequenzen für Umwelt und Gesundheit zu spüren. Die Folgen? Der Kühlschrank macht uns faul und passiv. Die im Winterschlaf liegenden Produkte aus seinem Innern werden später einfach hinuntergeschlungen und nicht genossen. Der Geschmackssinn verkümmert, Aromen verläppern, alles wird zum Einheitsbrei. Und das Wesentliche bleibt auf der Strecke: der Genuss am Essen und die Freude am Selbermachen.

Vielleicht werden wir ja ohne Kühlschrank wieder zu »Machern« (um ein Modewort des Neoliberalismus zu bemühen)? Und vielleicht verschafft uns das Selbermachen nicht nur ein Gefühl der Zufriedenheit, sondern auch mehr Spielraum, um über unsere Ernährung und unser Wohlergehen wieder selbst zu bestimmen?

Und was ist mit der berühmten Zeit, der wir ständig hinterherlaufen? Gewinnen wir nicht viel dadurch, dass wir wieder mehr Zeit verlieren? Zum Beispiel darauf, »besser« einzukaufen – regional, ökologisch, frisch, saisonal –, mit den Erzeugern unserer Lebensmittel Kontakt aufzunehmen oder selbst wieder Erzeuger zu werden, öfter zu kochen und uns mehr Zeit zu nehmen, das Selbstgemachte in gemeinsamer Tafelrunde zu genießen? Das muss jeder für sich entscheiden …

Übrigens: Wussten Sie, dass am 14. Oktober 2016 ganze 197 Staaten übereinkamen, Zug um Zug auf die Verwendung von Fluorkohlenwasserstoffen zu verzichten, die als Gas in unseren Kühlschränken und Klimaanlagen vorkommen und nicht unerheblich (genau genommen 14 000-mal mehr als CO2) zum globalen Treibhauseffekt beitragen? Laut einer Studie des französischen Instituts für nachhaltige Politik und Entwicklung (IGSD) könnte die Klimaerwärmung so um 0,5°C bis zum Jahr 2100 reduziert werden, das ist ein Viertel des im Pariser Klimaabkommen vereinbarten Ziels. Die meisten europäischen Staaten ziehen mit. Auch Schwellenländer wie China, in denen das Umweltbewusstsein steigt, wollen die Produktion solcher Kühlschränke bis 2024 einfrieren. Nur bei Donald Trump herrscht Funkstille zu diesem Thema!

Minikühlschrank

Es gibt bereits Initiativen, die hinterfragen, ob tatsächlich jeder Einzelhaushalt über einen Kühlschrank verfügen muss, und zur Installation von Gemeinschaftskühlschränken, Etikettierung, großen Papiersäcken zur Lagerung von Gemüse und zum Aushängen von Tipps und Konservierungshinweisen raten. In Mehrfamilienhäusern, Büros, Vereinen, Schulen, Lebensmittelläden könnte dies also in Zukunft Wirklichkeit werden … und es würden echte Orte der Begegnung und des Austauschs entstehen! Auch Foodsharing-Initiativen (z.B. www.lebensmittelretten.de; www.foodsharing.de) empfehlen, leicht verderbliche Waren privat über Apps und Online-Plattformen zu teilen oder »Kühlschrank-Partys« zu veranstalten – alles wunderbare Möglichkeiten, die Verschwendung von Lebensmitteln und den eigenen Stromverbrauch zu reduzieren.

Wussten Sie …?

… dass die ersten Eisschränke auf dem Land stets Gemeinschaftsgüter waren? Im elsässischen Herbitzheim stellte die landwirtschaftliche Genossenschaft in den 1960er-Jahren eine gemeinschaftlich nutzbare Tiefkühlanlage in einem Nebengebäude auf. Die wie Schließfächer angeordneten Tiefkühlbereiche wurden einzeln an Mitglieder vermietet. Das Fassungsvermögen war zwar begrenzt, aber immerhin konnte man seinen Schweinebraten, ein Kaninchen oder Gemüse darin einfrieren.

Vielleicht haben Sie auch schon von den öffentlichen Fairteiler-Kühlschränken in Darmstadt, Osnabrück oder Berlin gehört? Oder von der sagenhaften Initiative der Inderin Minu Pauline aus Kochi, ihres Zeichens Chefin des Restaurants Pappadavada, die einen großen Kühlschrank vor ihr Lokal stellte, in den die nicht verbrauchten Tagesreste kommen und der im Volksmund als »Baum der Barmherzigkeit« bezeichnet wird. Die dort eingestellten Lebensmittel sind Tag und Nacht für jeden zugänglich.

Und wussten Sie, dass es solarbetriebene Kühl-Gefrierkombinationen gibt, die zum Kühlen Wärme benötigen? Diese Ufos unterscheiden sich von ihren Artgenossen darin, dass sie weniger Abwärme produzieren, geräuschärmer sind, die Haltbarkeit der Lebensmittel im Vergleich zu den energiesparendsten Modellen dreimal so lang ist und die Geräte mehr als doppelt so lang funktionieren wie konventionelle Kühlschränke. Der Haken? Ihr Preis. Für ein Gerät mit 200 Litern Fassungsvermögen müssen Sie 1400 Euro berappen, für eines mit 280 Litern fast 2000 Euro. Aber die Idee ist bestechend, wenn man bedenkt, dass wir vor allem während der heißen Jahreszeit ein kühles Örtchen brauchen …

Übrigens: