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Shadar musste schwere Rückschläge hinnehmen. Elloa ist tot, seine rechte Hand Luister und fünfundzwanzig weitere Dunkle wurden in ein Gefängnis in Mombassa geschafft. Er braucht aber deren Fähigkeiten, um gegen die neue Truppe des Feindes, die Dark Force, bestehen zu können.
Das wissen auch Matt und Pilâtre de Rozier. Und sie stellen Shadar eine Falle. Bald geht das Gerücht um, dass Luister hingerichtet werden soll. Dem Anführer der Dunklen bleibt wenig Zeit, will er dies verhindern...
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Seitenzahl: 152
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Was bisher geschah...
Im Schatten des Schafotts
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Impressum
Am 8. Februar 2012 trifft der Komet »Christopher-Floyd« – in Wahrheit eine Arche Außerirdischer – die Erde. Ein Leichentuch aus Staub legt sich für Jahrhunderte um den Planeten. Nach der Eiszeit bevölkern Mutationen die Länder und die degenerierte Menschheit befindet sich im Krieg mit den Daa'muren, die als Gestaltwandler ein leichtes Spiel haben. In dieses Szenario verschlägt es den Piloten Matthew Drax, »Maddrax« genannt, dessen Staffel durch einen Zeitstrahl vom Mars ins Jahr 2516 versetzt wird. Zusammen mit der telepathisch begabten Kriegerin Aruula erkundet er diese ihm fremde Erde, und es gelingt ihm, die lebende Arche, den »Wandler«, gegen dessen kosmischen Feind zu verteidigen, woraufhin sich der Wandler mit den Daa'muren ins All zurückzieht...
Während es Matt und Aruula in ein anderes Sonnensystem verschlägt, hat der Kampf gegen den Streiter dramatische Folgen: Der Mond nähert sich der Erde! Als Matt und Aruula endlich einen Weg in die Heimat finden, gelingt es mit außerirdischer Hilfe, den Mond in seine Umlaufbahn zurückzuversetzen, doch dies verursacht eine Schwächung des Raum-Zeit-Kontinuums, das in der Folge an besonderen Punkten aufbricht – dort wo die Nachfahren der Menschheit, die Archivare, in der Zeit zurückgereist sind, um Artefakte der Vergangenheit zu sammeln. Nun tauchen an den Bruchstellen Areale verschiedener Parallelwelten auf.
Zusammen mit dem Pflanzenwesen GRÜN gelingt es unseren Helden, mittels eines Tachyon-Prionen-Organismus die Risse zu versiegeln – bis eine Bruchstelle kollabiert, die nicht auf die Archivare zurückgeht und ein gewaltiges Areal um den Victoriasee in die Gegenwart versetzt. Kaiser Pilâtre de Rozier, der dort regiert, hat den Austausch beobachtet. Das Luftschiff seines Sohnes Victorius verschwand darin, während der See durch eine gewaltige Stadt ersetzt wurde. Matt und Aruula stellen fest, dass die Menschen aus dem Areal einen »bösen Keim« verbreiten; dieselbe Kraft, mit der sich auch Aruula über den Kontakt mit GRÜN infiziert hat. Als der Anführer der Dunklen, Shadar, ihr die telepathischen Kräfte rauben will, befreit er sie ungewollt von dem Keim.
Nun wollen Matt und Aruula den Tachyonen-Organismus einsetzen, um das Portal zu öffnen, doch das Wesen ist aus der Stasiskugel verschwunden! Sie vermuten Colonel Kormak dahinter, doch der kann die Schuld auf seine Assistentin Vasraa abwälzen und sie anschließend »entsorgen»... so denkt er jedenfalls. In Wahrheit überlebt sie aber und sinnt auf Rache.
Inzwischen wird die Wolkenstadt Château-à-l'Hauteur von den Dunklen angegriffen; nur Pilâtre entkommt mit einer Roziere. Da treffen die befreundeten Daa'muren Grao und Ira ein, die durch das Portal den Todesschrei eines Wandlers empfangen haben. Durch sie erlangen die Gefährten ein erstes Heilmittel: Die Splitter von Daa'muren-Kristallen können den Dunklen Keim aus den Infizierten herausholen! Pilâtre will nun schnellstens in die Parallelwelt, doch er muss sich gedulden; erst gilt es, mehr Kristalle zu bergen. Matt, Aruula und die Daa'muren fliegen zum Kratersee und kehren mit etlichen Kristallen sie zum Victoriasee zurück, wo de Rozier zwischenzeitlich versuchte, seinen Sohn zurückzuholen, aber scheiterte.
Nun ist es Zeit zu handeln! Mit der Wolkenstadt Orleáns-à-l'Hauteur erobern sie Château zurück. Nur Shadar kann sich mit seiner Gefährtin Elloa absetzen. 25 Dunkle werden gefangen genommen, die infizierten Bewohner geheilt. Doch Matt braucht weitere Hilfe – und wendet sich an Colonel Korak, der eine Eingreiftruppe gründet, die Dark Force. Kurz zuvor kommt Besuch vom Mars: Das Geistbild Chandras materialisiert und sammelt Informationen für Wang'kul, den Herrscher des Mars, der eine Bedrohung näher kommen spürt...
Im Schatten des Schafotts
von Oliver Müller
»... ist es uns gelungen, auf die Hilferufe aus den umliegenden Dörfern schneller zu reagieren. Durch die Signalfeuer besteht eine weitreichende Möglichkeit, in einem erheblich vergrößerten Gebiet als bisher frühzeitig einzugreifen. Darauf aufbauend wurden die Routen der eingesetzten Patrouillen optimiert. Gleichzeitig werden bei einem Angriff durch das Entzünden der Feuer und die Nutzung der bereitgestellten Raketen auch die umliegenden Dörfer direkt in Alarmbereitschaft versetzt, wodurch ...«
Matthew Drax bemühte sich krampfhaft, ein Gähnen zu unterdrücken. Diese Besprechung zog sich unglaublich in die Länge.
Was vor allem daran lag, dass der Berater des Kaisers – wie war noch gleich sein Name? Corentin? – ausschweifend und in blumigen Worten darüber berichtete, was ihnen im Kampf gegen die Dunklen alles schon gelungen war.
Wenn man ihm so zuhörte, dann klang das alles durchaus passabel. Wusste man jedoch über die wahre Lage Bescheid und nahm dementsprechend die Beschönigungen und die Übertreibungen heraus, sagte er im Grunde nichts anderes als: Die Dörfer werden weiter überrannt, wir sind nur etwas schneller vor Ort, um danach aufzuräumen! Und die Nachbardörfer wissen etwas eher, was ihnen blüht!
Corentin fuhr fort und Matt schaltete ab. Bisher hatte er nichts Neues über die Lage, über die er sicher besser Bescheid wusste als dieser Theoretiker, erfahren. Daher konnte er es sich erlauben, die Gesichter der übrigen Teilnehmer der Besprechung unauffällig zu mustern.
Direkt neben ihm saß seine Gefährtin Aruula. Im Gegensatz zu ihm gab sie sich nicht mal Mühe, ihr Desinteresse an Corentins Bericht nicht zu offensichtlich werden zu lassen. Ihre Augen waren halb geschlossen, der Blick ging irgendwo ins Nichts. Matt konnte es ihr nicht verdenken.
Es war nicht so, dass Aruula die Thematik nicht interessierte, aber sie war eben doch mehr eine Frau der Tat als stundenlanger Besprechungen.
Neben Aruula saßen die beiden Daa'muren Grao'sil'aana und Gal'hal'ira. Ihren Mienen konnte Matt nicht entnehmen, was sie gerade dachten. Bis heute blieb ihm die Mimik der Echsenwesen weitgehend ein Buch mit sieben Siegeln.
Zu seiner Rechten saß Pilâtre jr., genannt Pilou. Der Enkel des Kaisers hatte den Oberbefehl über die Rozieren, die den überfallenen Dörfern zu Hilfe eilten. Er saß aufrecht und machte einen interessierten Eindruck. Etwas anderes blieb ihm auch kaum übrig, denn es ging ja um seine Arbeit. Ihm war auch kein Vorwurf zu machen. Mit den vorhandenen Mitteln holte er das Beste heraus. Aber es reichte halt nicht.
Einen Platz weiter wiederum saß seine Majestät Kaiser Jean-François Pilâtre de Rozier. Erstaunt stellte Matt fest, dass dessen Augen förmlich funkelten. Sein Blick war hart, das Kinn trotzig vorgereckt, was die spitze Nase noch mehr betonte.
Der Anblick des finster dreinschauenden Freundes riss Matt aus seiner Lethargie. Unauffällig beugte er sich noch etwas vor, damit er Pilâtre besser sehen konnte. Bei seinem Anblick spürte er instinktiv, dass der Kaiser kurz vor einem Wutausbruch stand.
Nur einen Augenblick später war es auch schon so weit. Mit der flachen Hand schlug Rozier auf den Tisch. Neben Matt schrak Aruula zusammen und wäre sogar aufgesprungen, hätte Matt ihr nicht unter dem Tisch eine Hand auf den Oberschenkel gelegt. Als sie ihn ansah, schüttelte er kurz den Kopf und nickte hinüber zum Kaiser, dem er danach wieder seine Aufmerksamkeit widmete.
»Ça suffit!«, rief Pilâtre aus und stand auf.
Für diesen knappen Ausruf hätte es nicht des Translators bedurft. Auch so verstand Matt, dass der Kaiser nichts mehr von seinem Berater hören wollte.
Pilâtre de Rozier schob den Stuhl zurück. Sofort eilte ein Diener herbei, der das Möbelstück fortrückte, um ihm Platz zu schaffen. Der Kaiser begann im Besprechungsraum des Kaiserpalastes in Château-á-l'Hauteur auf und ab zu laufen.
Dass sie überhaupt hier saßen und sich zur Lagebesprechung trafen, war dem Erfolg eines tollkühnen Plans zu verdanken, mit dem sie die bereits in die Hände der Dunklen gefallene Wolkenstadt zurückerobert hatten.
Durch den Einsatz von Isofluran, einem Narkosegas, hatten sie Château-á-l'Hauteur, die Hauptstadt des Kaiserreichs, befreien können.* Dank der daa'murischen Kristallsplitter war ihnen darüber hinaus auch die Heilung der Infizierten gelungen.
»Majestät?«, wagte der Berater einen schwachen Einwurf.
Der Kaiser unterbrach seinen Marsch und blieb stehen. Die Hände hinter dem Rücken verschränkt, starrte er Corentin düster an. Dann deutete er mit der Linken auf die Karte, die der Redner zur Unterstreichung seines Vortrags genutzt hatte.
»Fünf Dörfer«, sagte Pilâtre scharf. »In einer Woche! Wie kann er da von Erfolgen sprechen, mon dieu?«
Matt verstand seinen Freund sehr gut. Was immer in seinem Reich geschah, fiel schlussendlich auf den Kaiser zurück. Er stand in der Verantwortung für sein Volk.
Für kein Geld der Welt hätte Matt mit ihm tauschen wollen. Er stand zwar selbst im Kampf gegen die Dunklen in vorderer Front, befand sich aber trotzdem nicht so unter Beobachtung wie Pilâtre de Rozier.
»Grand-père«, meldete sich Pilou zu Wort.
Der Kaiser wandte sich ihm zu, was den Mann an der Karte aus der Schusslinie des kaiserlichen Zorns brachte und ihm ein Aufatmen entlockte, wie Matt registrierte.
»Oui, Pilou?«, fragte er. »Hast du etwas beizutragen, was Corentin bei seinem Vortrag außer Acht gelassen hat?«
Matt hörte den beißenden Spott aus der Stimme des Kaisers, was ihn einigermaßen verwunderte, denn normalerweise hielt Pilâtre viel von seinem Enkel. Vor allem, seit sein Sohn Victorius in der Parallelwelt zurückgeblieben war. Er hatte Pilou ja sogar schon als seinen Nachfolger auserkoren und seinen Rücktritt nur bis zum Ende der Krise verschoben. Umso mehr irritierte Matt die Härte in seiner Stimme. Er musste sehr gefrustet sein.
Der junge Mann mit der hellbraunen Haut und der blonden Perücke auf dem Kopf erhob sich ebenfalls, bevor er seinem Großvater antwortete.
»Wir geben wirklich unser Bestes, doch es ist leider unmöglich, alle Dörfer zu schützen. Die Dunklen schlagen im Schutz der Nacht zu. Wir wissen nie, was ihr nächstes Angriffsziel sein wird. Sie können quasi überall sein. Jede noch so kleine Ansiedlung kann ihnen zum Opfer fallen.«
Der Führer des kaiserlichen Heeres legte eine kurze Pause ein und atmete schwer. Tatsächlich war es Pilou gewesen, der gedacht hatte, ein Muster bei den Angriffen erkannt zu haben. Daher hatten sie in der Nähe des Dorfes Naruk die Truppen verstärkt.
Doch es war ein Trick Shadars gewesen, der so den wahren Angriffsort, Naroob, verschleiert hatte. Die abgezogenen Männer und Rozieren fehlten natürlich dann am eigentlichen Angriffsziel, was es den Dunklen einfacher gemacht hatte.
»Uns fehlt es an Rozieren; dazu kommt, dass diese nicht schnell genug sind. Wenn wir eintreffen, sind die Angreifer schon wieder abgetaucht.« Pilou zuckte in einer Geste der Hilflosigkeit mit den Schultern. »Wir können nur stets hoffen, bereits in der Nähe zu sein und mit den Kristallen möglichst viele Infizierte zu retten. Aber, Grand-père, wir tun unser Möglichstes. Das garantiere ich dir.«
Der Kaiser hatte schweigend den Ausführungen seines Enkels gelauscht, nun nickte er. »Das ist mir bewusst. Aber es ist eben nicht genug.« Er klang milder als zuvor, aber auch resigniert, fand Matt.
Nun war es an dem Commander, sich zu Wort zu melden. »Du darfst nicht vergessen, dass ja mittlerweile auch die Dark Force patrouilliert. Mit ihr haben wir eine schlagkräftige Truppe, der die Dunklen zum Glück wenig anhaben können. Und ihre Transporter sind wesentlich schneller als die Rozieren, sodass der Schaden, den sie bei ihren Angriffen anrichten, deutlich minimiert wird. Dank ihnen konnten wir den Angriff auf Nairobi zurückschlagen.«
Die beiden Männer aus der Vergangenheit blickten sich in die Augen. Schließlich nickte der Kaiser. »Auch das wissen wir. Aber es sind nur zehn Transporter im Einsatz. Diese müssen neben den Dörfern auch die Wolkenstädte schützen. Und dafür reicht ihre Zahl nicht aus.«
Matt musste seinem Freund recht geben. »Es sind erst zehn Transporter, Pilâtre«, präzisierte er. »Du weißt ebenso wie ich, dass die Dark Force sich noch im Aufbau befindet. Weitere Transporter werden folgen. Mit ihrer steigenden Zahl wird es Shadar immer schwerer fallen, seine Angriffe auszuführen. Für die Kürze der Zeit ist schon einiges erreicht worden. Wir müssen nur Geduld haben.«
Damit war Matt beim Kaiser an den Falschen geraten. Geduld war nicht unbedingt dessen Stärke. Mit einer harten Handbewegung wischte er Matts Ratschlag zur Seite.
»No! Das ist nicht ausreichend, mon ami. Wir reagieren nur auf die Gefahr, sind immer mindestens einen Schritt zu spät. Das geht so nicht weiter und muss sich ändern.« Der Aristokrat stellte sich neben seinen Berater, sodass alle Anwesenden ihn gut sehen konnten. »Und das wird sich auch ändern. Es wird Zeit, das Heft des Handelns wieder in die Hand zu nehmen.«
Matt stellten sich die feinen Nackenhärchen auf. Er kannte Jean-Francois Pilâtre de Rozier lange genug, um zu wissen, dass der sich einen Plan zurechtgelegt hatte. Ohne vorher mit irgendwem darüber zu reden.
Das war natürlich sein gutes Recht, aber Matt war sich nicht sicher, ob ihm Pilâtres Plan gefallen würde. Manchmal neigte sein Freund zu Entscheidungen, die ihm nicht behagten. Sein Ausflug in die Parallelwelt, um seinen Sohn Victorius von dort zu retten, war so ein Schnellschuss gewesen.* Dies war im Übrigen eine Charaktereigenschaft, die sich auch auf seinen Enkel Pilou vererbt hatte.
Auf jeden Fall war Pilâtre mit seiner Rettungsaktion gescheitert, hatte einen ganzen Sack Kristallsplitter verloren und konnte froh sein, mit heiler Haut zurückgekehrt zu sein. Immerhin hatte er durch das Aufeinandertreffen mit seinem Sohn einiges über die Vergangenheit der Dunklen erfahren.
»Was hast du vor?«, fragte Matt, denn anscheinend wartete sein Freund genau darauf.
»Wir werden ein Exempel statuieren«, antwortete der Kaiser. »Der inhaftierte Luister, Shadars rechte Hand, wird hingerichtet!«
Auf die Worte des Kaisers folgte eine Stille, die schwer über allen Teilnehmern der Besprechung lag. Matt hoffte, dass er sich verhört hatte, doch ein Blick in das Gesicht seines Freundes verriet ihm, dass das nicht stimmte. Unwillkürlich schüttelte Matt den Kopf.
Er stammte ja selbst aus einer anderen Zeit, über fünfhundert Jahre aus der Vergangenheit. Aber bei Pilâtre de Rozier waren es eben mehr als siebenhundert Jahre! Damals herrschten noch andere Sitten, was den Umgang mit Gefangenen anging.
Klar, auch zu seiner Zeit hatte es in Amerika und in vielen weiteren Ländern noch die Todesstrafe gegeben. Aber auch da war es üblich, dass vor einem Urteil ein Prozess stand. Ob der immer fair ablief, war fraglich, aber immerhin bemühte man sich um Rechtsstaatlichkeit. Der Kaiser allerdings schien dem Gefangenen dieses Recht nicht zugestehen zu wollen. Zur Sicherheit fragte Matt ihn danach.
»Prozess? Wozu diese Zeitverschwendung. Er ist doch eindeutig schuldig!«, wies Pilâtre ihn zurecht. Sein Tonfall verriet, dass er die Frage nicht nachvollziehen konnte.
Matt presste die Lippen fest aufeinander, dass sie einen schmalen Strich in seinem Gesicht bildeten. Gab es eine Möglichkeit, den Kaiser umzustimmen? Hilfesuchend sah Matt sich um, doch keiner der Anwesenden sagte bisher etwas zur Idee des Herrschers über die Wolkenstädte.
»Einer weniger«, meinte Grao schließlich lapidar.
Dass er in dem Daa'muren keinen Unterstützer finden würde, war Matt klar gewesen. Grao'sil'aana dachte stets rational, dabei immer auf den eigenen Vorteil bedacht. Bei Ira hatte er zwar Hoffnung, doch auch die schwieg. Und das, obwohl sie unnötige Gewalt rundheraus ablehnte. Sogar im Kampf vermied sie es, ihre Gegner zu töten, wenn es nicht absolut notwendig war. Damit war sie keine typische Daa'murin und ähnelte manchmal schon eher einem Menschen.
In Aruulas Gesicht las er zumindest etwas Mitgefühl, doch das galt wohl eher ihm selbst als dem Dunklen, denn seine Gefährtin sah und spürte natürlich, dass ihm der Vorschlag ganz und gar nicht gefiel. Dazu brauchte sie gar nicht ihre Fähigkeit des Lauschens bemühen. Doch einen Einwand brachte auch sie nicht hervor. Matt seufzte innerlich auf.
Ein kurzer Blick in Pilous Gesicht verriet ihm, dass er auch hier nicht auf Beistand hoffen durfte. Das hätte ihn auch gewundert. Pilou selbst war mit dem Dunklen Keim infiziert gewesen; seine Ablehnung diesem Volk gegenüber war entsprechend groß.
Es lag also an Matt allein, den Kaiser noch irgendwie umzustimmen. Nur wie? Ihm fiel gerade wenig ein, was als Argument helfen mochte.
»Hast du dir das gut überlegt?«, fragte er daher nur eindringlich.
Der Aristokrat nickte. »Selbstverständlich. Der Gefangene ist die rechte Hand des Rädelsführers. Sein Tod wird Shadar eine Lehre sein und jeden anderen abschrecken, sich mit dem Halunken einzulassen.«
Davon war Matt keineswegs überzeugt. Die Dunklen waren Überzeugungstäter, einem Glauben folgend, der ihr Leben und Denken beherrschte. Aber er wusste, dass er Pilâtre mit diesem Argument nicht zu kommen brauchte. Nein, es musste etwas anderes geben, womit er ihn überzeugen konnte. Aber was? Fieberhaft überlegte er.
Und dann kam ihm eine Idee. Sie war irre, sie war riskant... aber vielleicht auch einfach nur gut.
»Auf ein Wort, mein Freund«, sagte er und erhob sich. Während in seinem Kopf ein Puzzleteil nach dem anderen an den richtigen Platz fiel, ging er um den Tisch herum und zu Pilâtre.
»Du kannst mich nicht davon abbringen, Matt. Ich habe es mir reiflich überlegt. Luister wird den Kopf verlieren.«
»Hör mir dennoch zu. Ich bitte dich. Als Freund.«
Schließlich nickte de Rozier. Matt fasste den Kaiser am Ellbogen und führte ihn ein Stück fort. Vorerst sollte nur der Kaiser hören, was ihm eingefallen war.
Eindringlich redete Matt auf Pilâtre ein. Er bemühte sich, möglichst überzeugend zu klingen. Der Gesichtsausdruck des Kaisers blieb skeptisch, aber mehr und mehr konnte Matt ihn für seine Idee gewinnen. Schließlich nickte der Kaiser und gab seinen Widerstand auf.
»Also gut, mon ami. Machen wir es auf deine Weise.«
Matt atmete auf. Ihm fiel ein Stein vom Herzen. Er blickte hinüber zu Aruula. Ihr Gesicht zeigte ein großes Fragezeichen: Was hast du dir wieder einfallen lassen, Maddrax?
Der Kaiser klatschte in die Hände. »Dann ist es beschlossen. Die Hinrichtung findet in einer Woche statt!«
Das Fragezeichen über Aruula wurde noch größer und legte sich auch auf die Gesichter der übrigen Anwesenden. Fast hätte Matt gegrinst.
»In einer Woche in Mombassa«, fuhr der Kaiser fort. »Vor dem Shim'la-Teewa-Gefängnis wird das Schafott errichtet. Ihr alle werdet der Hinrichtung beiwohnen.«
Ira räusperte sich. »Wäre es nicht besser, wenn jemand zum Schutz von Château-á-l'Hauteur zurückbliebe? Ich würde mich dazu bereit erklären.«
Matt überlegte, ob nur dies der wahre Grund war oder noch etwas anderes dahinter steckte. Er wusste um die Einstellung der Daa'murin. Vielleicht wollte sie der Barbarei nicht beiwohnen.
»Ich stimme dem zu«, sagte der Kaiser. Damit war es beschlossene Sache.
Hoffentlich geht das alles gut, dachte Matt.
Shadar spürte die Wut in sich. Sie nährte das Feuer, das in ihm loderte. Sein Antrieb. Der heilige Zorn, der ihn weiter trieb.
Er hörte die Schreie, die durch die Nacht gellten. Frauen, Kinder und auch Männer, die ihre Angst hinaus brüllten. Diese Narren!
Warum sahen sie nicht ein, dass er ihnen ein Geschenk brachte? Wieso wollten sie nicht akzeptieren, dass sie sich seinem Gott zu unterwerfen hatten? Es war doch nur zu ihrem Guten.
Aber nein, sie bekämpften ihn. Mit allen Mitteln, die sie hatten. Warum? Weil sie verblendet waren und es nicht besser wussten. Weil sie lieber vor dem Kaiser buckelten, als ihren wahren Herrn zu akzeptieren!
»Lasst keinen entkommen! Seht in jedem Winkel nach, durchstöbert jede Hütte!«, schrie Shadar seine Befehle.