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Als FBI-Agent Sean Reilly einen anonymen Anruf erhält, scheint er dem Rätsel um den angeblichen Selbstmord seines Vaters endlich einen Schritt näher: Ein Wissenschaftler, der seit vielen Jahren mit dem CIA zusammenarbeitet und auch Reillys Vater kannte, verspricht ihm Informationen, für die viele zu töten bereit seien. Und tatsächlich: Der Informant stirbt, noch bevor es zum verabredeten Treffen kommt, und damit ist auch Reillys Leben in Gefahr. Doch er ist entschlossen, die Wahrheit ans Licht zu bringen – koste es, was es wolle. Aber noch weiß er nicht, mit wem er sich angelegt hat …
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Übersetzung aus dem Amerikanischen von Sigrun Zühlke
ISBN 978-3-492-97332-8 April 2016 © Raymond Khoury 2016 Die amerikanische Originalausgabe erschien 2016 unter dem Titel »The End Game« bei Orion, USA. Deutschsprachige Ausgabe: © Piper Verlag GmbH, München/Berlin 2016 Vermittelt durch Paul & Peter Fritz AG Covergestaltung: Favoritbüro, München Covermotiv: James Wragg / Trevillion Images Datenkonvertierung: CPI books GmbH, Leck
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Prolog
Kyle Rossetti spürte, wie die Nadel seine Haut durchdrang und tief in seinen unteren Rücken hineinglitt.
Nicht zum ersten Mal.
Der Schmerz war ohnegleichen. Ein Krampf wie von einem elektrischen Schlag raste durch seine Beine, doch das Klebeband fesselte ihn an den Stahltisch, sodass der Blitz in seine Knochen fuhr, davon abprallte und sich dann auf der Hautoberfläche verteilte – so fühlte es sich zumindest an.
Irgendwann wurde der Schmerz zum Glück etwas schwächer.
»Wie sehr hängen Sie an der Vorstellung … sagen wir mal … gehen zu können?«
Die Stimme kam von dem Mann, der direkt hinter ihm stand. Dass es ein Mann war, war alles, was Rossetti über seinen Entführer wusste. Da es ihm noch nicht gelungen war, einen Blick auf ihn zu werfen, hatte er keine Ahnung, wie der Mann aussah. Seine Stimme klang neutral, ruhig, aber entschlossen. Sein Akzent verriet nichts, außer dass er Amerikaner war oder zumindest den größten Teil seines Lebens in Amerika verbracht hatte. Rossetti schüttelte den Kopf – oder hätte ihn geschüttelt, wenn ihn das Klebeband nicht daran gehindert hätte – und verfluchte sich im Stillen. Natürlich konnte der Kerl von überall her sein. Von überall.
»Ich kann Ihnen versichern, dass nur selten ein permanenter Nervenschaden zurückbleibt – zumindest, wenn die Nadel von einem Arzt eingeführt wird. Was ich bedauerlicherweise nicht bin. Die Taubheit, das Kribbeln oder der Schmerz – das könnten vollkommen unbedenkliche Begleiterscheinungen sein von dem, was ich hier tue. Andererseits könnten es natürlich auch die ersten Anzeichen einer irreversiblen, bleibenden Schädigung sein. Kann man vorher nicht wissen. Es sei denn, das wäre die Absicht.«
Rossetti durchschaute die perverse Logik bereits, die dieser spezifischen Art von Folter zugrunde lag. Ein Opfer ist immer geneigt, sich zu wehren, instinktiv versucht es, alles zu tun, um der Quelle des Schmerzes auszuweichen. Mit einer knapp acht Zentimeter langen Nadel in der Wirbelsäule jedoch wird es alles daransetzen, sich möglichst überhaupt nicht zu bewegen, was bedeutet, dass es eben nicht kämpft und nicht einmal daran denkt, sich zu befreien, sogar dann nicht, wenn das möglich wäre.
Vorausgesetzt, es gelang einem, sich nicht zu bewegen und nicht auf den unerträglichen Schmerz zu reagieren, der durch einen hindurchraste.
Der Schweiß, der sich unter Rossettis Körper gesammelt hatte, fühlte sich kalt und klamm an. Als wäre die Angst selbst durch seine Poren gesickert.
»Ich frage Sie jetzt noch einmal, und wenn Sie mir keine umfassende und detaillierte Antwort geben, werde ich die Augen schließen und die Nadel da drin herumbewegen. Dann sind wir beide in der Hand jener Macht, die das zufällige Chaos des Universums kontrolliert, welche auch immer das sein mag.«
Rossetti holte tief Luft.
Er konnte viel aushalten, in jeder Hinsicht. Er hatte aus verschiedenen Kriegen berichtet, hatte fünf Monate als embedded Journalist bei der 82nd Airborne Division in Afghanistan verbracht. Er war dem Tod öfter knapp entkommen, als er zählen konnte – oder als es ihm überhaupt bewusst war. Er war von Anwälten bedroht und schikaniert worden, von Handlangern großer Unternehmen und Regierungsorganisationen. Er hatte vor einem Sonderausschuss des Kongresses ausgesagt und sich immer wieder geweigert, seine Quellen preiszugeben, selbst als ihm eine Klage wegen Hochverrats gedroht hatte. Das hatte ihm damals vier Monate Gefängnis eingebracht, bis seine Verurteilung im Berufungsverfahren aufgehoben worden war. Was er später darüber geschrieben hatte – wie er es kaum geschafft hatte, den Drogen, der Gewalt und der Erniedrigung aus dem Weg zu gehen, die in den Strafvollzugsanstalten scheinbar an der Tagesordnung waren, in jenen Einrichtungen, in denen wohl vergessen worden war, dass und wie sie die Insassen eigentlich bessern sollten –, hatte ihm einen George-Polk-Award eingebracht, zusätzlich zu seinem Pulitzer-Preis. Für besonders tapfer hatte er sich aber noch nie gehalten. Auch wenn seine Kollegen und jene Teile der Öffentlichkeit, die noch an die Pressefreiheit glaubten und die Regierung für deren Garantie in die Verantwortung nahmen, ihn oft so beschrieben hatten.
Jetzt brauchte er alle Tapferkeit, die er aufbringen konnte, auch wenn er bereits wusste, dass das wahrscheinlich nicht ausreichen würde.
Als er mitten in der Nacht vor seinem Apartment in Tribeca, einem Stadtteil von Manhattan, abgefangen, gefesselt und in einen Lieferwagen geworfen worden war, war ihm sofort klar gewesen, dass das etwas mit dem Anruf zu tun hatte, den er vor Kurzem bekommen hatte. Mit sinkendem Mut und Übelkeit erregender Klarheit erkannte er, dass die Warnung seiner Quelle, mit niemandem darüber zu sprechen und auch keine weiteren Nachforschungen dazu anzustellen – weder mündlich noch digital –, nicht nur gut gemeint gewesen war, sondern Rossettis Leben hatte schützen sollen. Nicht etwa aus irgendeinem Gefühl für Anstand, sondern ausschließlich, damit er der Öffentlichkeit mitteilen konnte, was die Quelle hatte loswerden wollen. Aber derselbe investigative Drang, der ihn als Journalisten für diesen exklusiven Knüller besonders geeignet hatte erscheinen lassen, war es auch, der ihn in seine jetzige Lage gebracht hatte. Und ebendieser Drang, so wurde ihm klar, würde mit großer Wahrscheinlichkeit auch zu seinem Tod führen. Man foltert jemanden nicht so intensiv, es sei denn, man plant bereits, ihn am Ende zu töten.
Die Stimme sagte: »Ich frage Sie noch ein letztes Mal. Wer hat Sie kontaktiert? Was haben die Ihnen gegeben? Mit wem haben Sie die Informationen geteilt?«
»Mit niemandem. Ich schwöre. Ich habe Ihnen alles gesagt, was ich weiß. Wie sollte ich schweigen bei … all dem hier?«
»Das reicht aber noch nicht, Kyle.«
Der Mann hinter ihm drückte die Nadel tiefer.
Eine Supernova aus Schmerz entflammte entlang Rossettis Wirbelsäule. Die Nadel hatte buchstäblich einen Nerv getroffen.
Der Journalist heulte auf, Tränen verschleierten seinen Blick. Er befand sich am Rand der Bewusstlosigkeit. Der Schmerz war das Allerschlimmste, was er in den achtunddreißig Jahren seines Lebens erlebt hatte, und jagte ihm entsetzliche Angst vor einer Rückenmarksverletzung ein, die bleibende Lähmungen zur Folge haben würde.
Was genau gelähmt sein würde, war allerdings eine Frage des Zufalls.
Er spürte einen Luftzug auf der nackten Haut, als der Mann sich bewegte. »Sie werden sich vermutlich eine neue Wohnung suchen müssen. Im Rollstuhl kommen Sie diese Treppe nie hoch.«
Sein Folterer drückte die Nadel noch ein wenig tiefer.
Die Qual war unerträglich und ließ erst etwas nach, als die Nadel ein wenig zurückgezogen und der Nerv entlastet wurde. Danach war Rossetti sich nicht mehr sicher, ob er seine Füße noch spürte.
Dennoch stöhnte er erleichtert. »Bitte. Sagen Sie einfach einen Namen. Irgendeinen, welchen Sie wollen. Ich bestätige, dass er es war. Nur … hören Sie auf. Bitte.«
Der Mann seufzte, dann zog er die Nadel heraus. Mit einem leisen Klirren fiel sie auf den Stahltisch. Dann zog er seine Latexhandschuhe aus und ließ sie auf den Boden fallen.
Er stand reglos da, sein Atem war ruhig und gleichmäßig.
Rossetti hatte das Gefühl, eine Falltür habe sich unter ihm geöffnet, doch er würde erst noch in den Abgrund stürzen. Er kannte dieses Gefühl, dass gleich etwas wirklich Schlimmes geschehen wird, etwas, das man auf keinen Fall aufhalten kann. Er wusste, dass ihm nur noch wenig Zeit blieb. Er wusste, dass das, was er als Nächstes sagte, wahrscheinlich darüber entschied, ob er lebte oder starb.
»Ich sage Ihnen die Wahrheit. Ich weiß nicht, wer er ist. Falls es überhaupt ein Er ist.«
»Die verzerrte Stimme?«
»Ja. Er hat mir gesagt, dass er mir alles sagen würde, wenn wir uns treffen. Dann ist er nicht aufgetaucht. Mehr weiß ich nicht – ich schwöre es.«
»Aber das ist nicht alles, oder?«
Rossettis Mund war so trocken wie das Tal in Afghanistan, in dem er zugesehen hatte, wie ein Soldat verblutet war, und trotz der warmen Luft in diesem anscheinend fensterlosen Raum fühlte sich sein Körper plötzlich eiskalt an.
»Das ist alles, ich schwör’s. Nur das – und das, was er am Telefon gesagt hat über die Putzkolonne und die Blinden. Aber das ist Unsinn, absoluter Unsinn. Ich habe keinerlei Hinweise bekommen, die irgendeinen Sinn ergeben hätten.«
Jetzt war da das Geräusch einer Spritze, in die Flüssigkeit aus einer Ampulle aufgezogen wurde. Dann zwei kleine, leichte Spritzer, als ein paar Tropfen auf den Stahltisch fielen. Der Mann wollte offensichtlich nicht riskieren, Luft in die Blutbahnen seines Opfers zu injizieren.
Rossettis Gedanken rasten panisch, stolperten übereinander, widersprachen sich, klammerten sich verzweifelt an alles, das irgendeine Art von Trost versprach. Er fragte sich, ob der Mann eine Art Wahrheitsserum an ihm ausprobieren würde, aber das hätte er doch sicher als Erstes versucht? Er hatte das Gesicht des Mannes nie gesehen. Hieß das nicht, dass man ihn nicht töten würde? Aber warum wollte er ihm dann eine Spritze geben? Er war doch schon vollkommen bewegungsunfähig. Es sei denn, sie wollten ihn noch irgendwo anders hinbringen. Aber warum sollten sie ihn irgendwohin bringen, es sei denn zurück nach Hause? Ja. Das musste es sein. Sie würden ihn wieder nach Hause zurückbringen, als sei nichts geschehen.
Er würde die ganze Geschichte vergessen. Vielleicht sogar komplett den Job aufgeben. Vielleicht war es Zeit für eine Veränderung. Vielleicht könnten Samantha und er endlich die Kinder bekommen, nach denen sie sich sehnte, seit sie geheiratet hatten.
Seine randalierenden Gedanken wurden durch die Nadel jäh unterbrochen, die in seinen Hals gerammt wurde und den Inhalt der Spritze direkt in seine Vene injizierte. Kurz darauf spürte er eine seltsame Wärme durch seinen Körper fluten und hörte, während ihm schon die Sinne schwanden, wie der Mann die Spritze auf den Stahltisch fallen ließ und dann darum herum ging.
Der Journalist blickte in das Gesicht des Mannes. Es war nichts Außergewöhnliches daran, nichts, das sich auch nur vage einprägen würde. Es war, als starrte er in das Gesicht einer Schaufensterpuppe, in ein ausdrucksloses Musterbeispiel eines männlichen Gesichts.
Der Mann schüttelte den Kopf. »Einen Treffer hatten Sie. Allerdings ohne danach gesucht zu haben.«
Rossettis Augen schlossen sich vor dem kalten, toten Starren des Mannes, und er glitt in die Bewusstlosigkeit.
Wenn er sie das nächste Mal aufschlug, sollte sein ganzer Körper in Flammen stehen.
DIENSTAG
Allentown, New Jersey
Ich wollte wirklich nicht hier sein. Aber wer wollte das schon?
Es war drei Uhr morgens. Mein Partner Nick Aparo und ich saßen in unserem zivilen SUV am Rand einer dunklen Straße mitten im Nirgendwo, froren uns die Eier ab, schauten, warteten auf das Signal zum Zugriff und stellten sicher, dass unsere Zielperson sich nicht in Luft auflöste, bevor wir sie hopsnahmen.
Verstehen Sie mich nicht falsch. Das ist mein Job. Ich habe mir das so ausgesucht. Ich mache ihn, weil ich an ihn glaube, weil ich das, was wir als Special Agents des FBI tun, für wichtig halte. Und der Typ, den wir in dieser speziellen Nacht im Fadenkreuz hatten, verdiente unsere ungeteilte Aufmerksamkeit, keine Frage.
Nur dass ich eigentlich hinter größeren Fischen her war. Hinter Weißen Walen, um genau zu sein, von denen das Bureau nichts wissen durfte. Über die ich nicht mal mit Nick offen geredet hatte. Ich war mir sicher, er merkte, dass irgendetwas immer noch an mir nagte. Das garantieren dir für gewöhnlich zehn Jahre gemeinsamer Dienst an vorderster Front. Wenn nicht, dann ist man wahrscheinlich im falschen Job. Aber er wusste, dass es besser war, nicht nachzufragen. Er wusste, dass, wenn ich ihm nicht alles sagte, dies wahrscheinlich zu seinem eigenen Besten geschah. Dass ich ihm die Möglichkeit gab, alles abzustreiten, seinen Job zu behalten und der Strafverfolgung zu entgehen. Denn wenn ich in dem Haibecken, in dem ich vor ein paar Monaten zum ersten Mal versunken war, bis auf den Grund tauchen wollte, dann würde ich wahrscheinlich das eine oder andere Gesetz brechen müssen.
Nick verstand das – aber er war nicht glücklich darüber.
Also verbrachten wir Stunde um Stunde in angespanntem Schweigen, während wir versuchten, die Wale im Raum – oder besser gesagt, in unserem Ford Expedition – nicht anzusprechen und durch die beschlagene Windschutzscheibe auf die Schneeflocken starrten, die vor dem einstöckigen Gebäude auf der anderen Straßenseite herabfielen, dem Haus mit der hypnotisch blinkenden, nervtötenden Weihnachtsbeleuchtung an der Dachkante.
Was immer unsere Zielperson in dem Haus machte, er machte es in einer deutlich wärmeren Umgebung als die armen Kerle, die geschworen hatten, ihn der Justiz auszuliefern. Wir saßen in einem Hunderttausend-Dollar-Spezial-Fahrzeug des FBI, und trotzdem schaffte es die Sitzheizung, immer wieder auszufallen und uns zittern zu lassen, als würden wir mit Stromschlägen traktiert. Den Motor anzumachen, während die ganze Straße in tiefem Schlaf lag, war keine Option. Jedenfalls nicht, wenn wir unsere Zielperson nicht laut und deutlich vorwarnen wollten.
Das Positive an der Situation war, dass uns wenigstens niemand sehen konnte. Unauffälliger als aus einem schneebedeckten Auto heraus, das in einer Reihe mit vielen anderen schneebedeckten Autos parkt, kann man kaum jemanden beschatten.
Der Schneesturm hatte vor einer Stunde aufgehört, er hatte eine viel beträchtlichere Schicht zu dem Wenigen hinzugefügt, das sich vorher geweigert hatte, wegzutauen. Jetzt fing es wieder an zu schneien. Diese Kaltfront würde definitiv meteorologische Rekorde brechen. Ich muss zugeben: Es war anstrengend. Der Körper verbrennt Energie, um sich warm zu halten, und um drei Uhr morgens, nach einigen solchen Nächten, ging mir allmählich der Saft aus.
Ich beobachtete, wie mein Atem vor meinen Augen Wolken bildete, und zog meinen FBI-Parka noch höher, bis der kalte Reißverschluss seinen Endpunkt unter meiner Nase erreichte. Noch ein Tropfen Kaffee, und ich würde auf keinen Fall mehr Schlaf finden, wenn ich es endlich nach Hause geschafft hätte – gerade noch rechtzeitig, um die Sonne aufgehen zu sehen, während ich mich an die tief schlafende Tess schmiegen und eindämmern würde.
Nick hingegen machte sich solche Sorgen nicht und goss sich noch einen Becher Kaffee aus der Fünf-Liter-Thermoskanne ein, dann schlürfte er die dampfende, bittere Flüssigkeit, als sei sie von seinem Lieblings-Barista gebraut worden. Unter seiner riesigen Pelzmütze im Russenstil, deren Ohrenklappen ihm fast bis unters Kinn reichten, sah er lächerlich aus, aber nichts, was ich hätte sagen können, hätte ihn je dazu gebracht, sie abzusetzen. Wenigstens beobachtete er mit mir zusammen das Gebäude und sah nicht auf seinem Smartphone einen endlosen Strom an weiblichen Tinder-Angeboten durch, den er auch noch unaufhörlich kommentierte, während er die Bilder nach links oder rechts wischte – was bei vorangegangenen Beschattungen sein Modus Operandi gewesen war. Besser als nichts, schätzte ich.
Das Subjekt unseres spontanen Iglu-Abenteuers hieß Jake Daland. Daland war der Gründer und Oberboss von Maxiplenty, das die Geschäfte von Silk Road übernommen hatte, kurz nachdem wir diesen Online-Marktplatz dichtgemacht hatten.
Daland war schon ein paar Jahre auf unserem Radar, seit er verschiedene Torrent-Portale ins Netz gestellt hatte. Als Washington und Hollywood begonnen hatten, schärfer gegen jene vorzugehen, die ihre Filme und Serien ohne Werbung und frei von epileptisch anmutenden Ladevorgängen sehen wollten – welche die meisten legalen Bezahlangebote noch plagten, sofern man keine direkte Glasfaserverbindung zu einem der Haupt-POP-Server hatte –, hatte er die Seiten einigen seiner Untergebenen übertragen, war untergetaucht und hatte etwas wesentlich Tückischeres auf die Beine gestellt: eine anonyme Tauschplattform, die jeden Kommunen-Bewohner zum Erröten gebracht hätte. So ähnlich hatte es uns jedenfalls der Ober-Geek des New Yorker Field-Office, der kaum zwei Sätze herausbrachte, ohne Community zu zitieren, erklärt. Als Namen dafür hatte Daland eine ironische Abwandlung eines Neusprech-Ausdrucks aus Orwells 1984 gewählt. Und um zu verhindern, dass sie dasselbe Schicksal ereilte wie Silk Road, hatte er jegliche finanziellen Transaktionen auf der Plattform verboten – kein Bargeld, keine Schecks, keine Kreditkarten, keine Bitcoins. Maxiplenty war eine Tauschseite im Darknet, ein Online-Marktplatz, auf dem man alles tun konnte, was man wollte – Drogen, Waffen und Sprengstoff bekommen, Geld waschen oder jemanden ermorden lassen –, vorausgesetzt, man verfügte über etwas, das man dafür eintauschen konnte.
Daland verdiente kein Geld an diesen Transaktionen. Es ging ihm nur darum, der Regierung einen kranken, kompromisslosen, quasi-libertären Stinkefinger zu zeigen. Teilnehmen konnte man bei Maxiplenty nur auf Einladung. Wenn man seinen ersten Tausch erfolgreich abgeschlossen hatte, wurde man eingeladen, sich kostenpflichtig auf dem Online-Marktplatz anzumelden, und das war der Punkt, wo die menschliche Gier gegen den idealistischen Nonkonformismus siegte. Das Netzwerk war zu einem Drehkreuz der Verderbtheit geworden – es ging weit über das hinaus, was Daland ursprünglich im Sinn gehabt hatte –, und die Dollars aus den Abonnements begannen zu fließen. Die Seite verursachte kaum nennenswerte Betriebskosten. Während Maxiplenty wuchs, blieb Daland in seinem gemieteten Haus wohnen, gab so gut wie nichts aus, und sein einziges sündiges Vergnügen bestand in spätnächtlichen Pizzabestellungen. Offensichtlich hatte er bei all den Filmen gut aufgepasst, in denen das Erfolgsrezept der Kriminellen, die nicht ins Gefängnis wanderten, darin bestand, einen möglichst unauffälligen Lebensstil zu pflegen und auf außergewöhnliche Anschaffungen zu verzichten.
Als zwei User erfolgreich Morde tauschten – ein Wirklichkeit gewordener Filmplot, nur ohne die schönen Bilder, die Hollywood so hervorragend in Szene zu setzen versteht –, beschloss das US Attorney’s Office, dass Daland zumindest Beihilfe geleistet und schlimmstenfalls sogar beide Verbrechen vermittelt hatte. Einige Abteilungen des FBI arbeiteten jetzt gemeinsam daran, Maxiplenty zu schließen und Daland einzubuchten. Dank der beiden Jungs, die sich hier gerade den Arsch abfroren, hatten wir bereits unterzeichnete Geständnisse der beiden Mörder. Daland selbst zu erwischen, war jedoch nicht einmal annähernd so einfach. Maxiplenty lief auf einem ausgeklügelten Netzwerk aus Servern, die überall auf der Welt standen, und nutzte dazu eine anscheinend unendliche Kette von IP-Verschlüsselungen, um sowohl die Seite selbst als auch diejenigen zu tarnen, die sich darauf tummelten. Es hatte die Techniker der Cyber-Abteilung in Quantico Wochen gekostet, genug Beweise für einen Haftbefehl zusammenzutragen. Beweise, die wir jetzt endlich hatten, seit vier Stunden. Weshalb wir nun hier saßen und auf die Information warteten, dass Dalands Haus vom Stromnetz genommen worden war, damit wir stürmen konnten.
Wir waren nicht allein. Ein ganzes Team, ein paar Spezialisten von der Cyber Division eingeschlossen, wartete in der Nähe, ausgerüstet mit Nachtsichtgeräten und mit etwas Glück auch weniger durchgefroren als wir. Das Ziel bestand darin, das gesamte Computer-Equipment – inklusive etwaiger Sicherheitssysteme – von der Stromversorgung abzuschneiden, bevor wir den Strom wieder einschalten und mit dem Eintüten und Beschriften anfangen würden. Daland sollte nicht das kleinste Zeitfenster bekommen, um irgendeinen roten Knopf zu drücken und all seine Festplatten zu löschen.
Also saßen wir hier in den Startlöchern und warteten darauf, dass die Ingenieure von Jersey Central Power & Light uns mitteilten, dass sie bereit waren, den Schalter umzulegen. Sie waren durchaus daran gewöhnt, um diese Jahreszeit zu solch unchristlichen Zeiten herausgerufen zu werden. Wegen des schlechten Wetters und der Überlastung des Stromnetzes durch die Weihnachtsdekorationen allerorten mussten sie sowieso rund um die Uhr in Bereitschaft sein. Dennoch, es dauerte länger, als ich erwartet hatte.
»Aufgepasst, Reilly«, ertönte eine Stimme in meinem Ohrhörer, »sieht aus, als wäre schon wieder Fütterung im Zoo.«
»Verstanden.«
Ich schaute angestrengt durch das Fenster in das Weiß hinaus und sah das inzwischen vertraute Auto des Pizzalieferanten mit der anderthalb Meter hohen Plastikpeperoni auf dem Dach vorbeigleiten.
»Noch mehr Pizza?«, grummelte Nick. »Wie in Gottes Namen kann der so viel Pizza essen und dabei so dünn bleiben? Scheißkerl.«
Ich drehte mich zu ihm um, ein schwaches Grinsen im Gesicht. »Vielleicht spült er sie nicht mit einem Teller Lasagne runter.«
Mein Partner war ziemlich legendär für seine Gelüste, besonders was italienisches Essen und üppig gebaute Blondinen anging. Ersteres hatte ihm eine gewisse Ablenkung verschafft, als Letzteres ihn seine Ehe gekostet und ihm die Scheidung eingebracht hatte. Heutzutage gab er sich beidem mit Vergnügen hin, nachdem er sich damit abgefunden hatte, seinen elf Jahre alten Sohn nur noch jedes zweite Wochenende zu sehen wie vom Richter zugestanden. Aber er war auch bei den Spinning-Kursen geblieben. Diese Wette hatte ich verloren, zusammen mit den meisten im Federal Plaza 26.
»Was ist denn an Pizza als Vorspeise so verkehrt? So isst man das in Italien, du Banause.«
Ich lächelte. »Vielleicht hat er ein Fitnessstudio da drin.«
Er verzog das Gesicht. »Zu Hause? Allein? Wo ist denn da der Sinn?«
»Du gehst nur zum Training, um Weiber aufzureißen, was?«
»Hmpf. Aber hey, wenn ich ein paar Jahre länger lebe, ist das doch auch in Ordnung.«
Ich schüttelte traurig den Kopf. Es war ein inzwischen gewohnter Wortwechsel, den wir beide genossen, eben weil er so vertraut war. Wenn es immer heißt, Partner wären wie alte Ehepaare, dann stimmte das in Aparos Fall nur halb. Bei der Polizei hat man eigentlich immer jeweils nur einen Partner.
Der Pizzabote ließ den Motor laufen, während er zur Tür eilte und klingelte.
Die Schneeflocken wurden dicker.
Ich veränderte die Bildschirmhelligkeit des Laptops in meinem Schoß. In vier Fenstern sah ich die Aufnahmen der Kameras, die wir auf unser Zielobjekt gerichtet hatten. Ich konzentrierte mich auf die Aufnahmen der Kamera, die gegenüber der Haustür hinter einem Zeitungsautomaten versteckt war.
Jake Daland – elegant wie stets in einem kurzen Seidenkimono über einem weißen T-Shirt mit tiefem V-Ausschnitt, aus dem eine Matte schwarzer Brusthaare herauslugte – öffnete die Tür mit derselben ruhigen Nonchalance wie immer. Kein halber Schritt zur Tür hinaus, keine furchtsamen Blicke nach rechts und links. Null Interesse an dem, was sich vor seinem Haus abspielte. Entweder wusste er, dass wir hier draußen warteten, oder – und das war zwar möglich, wenn auch inzwischen ziemlich unwahrscheinlich – er hatte nicht die geringste Ahnung davon, dass er seit Wochen unter Beobachtung stand.
Daland nahm die Pizzaschachtel und gab dem Boten Geld. Der Pizzabote machte einen etwas verwirrten Eindruck. Sie wechselten ein paar Worte, während der Bote mit seinem übergroßen Daunenmantel kämpfte und seine Taschen absuchte, dann schüttelte er den Kopf, das Wechselgeld in der ausgestreckten Hand.
»Was macht er da?«, fragte Nick.
»Daland muss ihm einen großen Schein gegeben haben, und der Junge hat nicht genug Geld zum Wechseln.«
Nick zuckte die Achseln. »Mann, wir stehen echt auf der falschen Seite des Gesetzes.«
Sie redeten noch ein bisschen, dann winkte Daland den Fahrer herein. Der Junge trat ein, und die Tür schloss sich hinter ihm.
Kurz darauf erschien der Pizzabote wieder. Er hielt eine Schachtel in der Hand, die wie ein Geschenk von seinem treuesten, mitternächtlichen Kunden aussah.
Nick sagte: »Und jetzt gibt er dem Typen auch noch ein Weihnachtsgeschenk?« Er schüttelte den Kopf. »Ich sag’s dir, Sean, wir haben uns wirklich für den falschen Job entschieden.«
Der Pizzabote stieg wieder in seinen Wagen und fuhr davon.
Genau in dem Augenblick erwachte mein Ohrhörer lautstark zum Leben. »Wir haben das Go. Alle Teams in Position.«
Nick und ich kletterten aus dem Wagen. Wir trugen Kevlar unter unseren FBI-Parkas, auch wenn ich es für höchst unwahrscheinlich hielt, dass wir auf bewaffneten Widerstand stoßen würden. Vier Mitglieder des Sondereinsatzkommandos schlichen bereits geduckt zur Vordertür des Hauses, während zwei andere Agenten, Annie Deutsch und Nat »Len« Lendowski, aus einem weiteren zivilen Fahrzeug stiegen und sich aus der entgegengesetzten Richtung näherten. Weitere FBI-Leute deckten die Rückseite. Die Techniker würden warten, bis das Haus gesichert war.
Wir reihten uns hinter den SEK-Typen ein. »Eins in Position«, sagte ich in das Mikrofon an meinem Ärmel.
»Zwei in Position«, kam die Bestätigung von der Rückseite des Hauses.
»Position beibehalten«, sagte die Stimme in meinem Ohr. Ein kurzer Moment, dann meldete sie sich wieder: »In fünf. Vier. Drei.« Zwei Sekunden später wurde der Strom abgestellt und die Weihnachtsbeleuchtung auf Dalands Dach ging aus.
Wir schoben unsere Nachtsichtgeräte über die Augen und zogen die Waffen, während der Leiter des SEKs mit der Ramme die Tür einbrach, doch als wir hinter ihm her wollten, schrillte in meinem Kopf eine Sirene, mit der mein Hirn mich auf etwas aufmerksam machte, das ich auf dem Weg zum Haus hinauf unbewusst gesehen hatte.
Etwas, das ich kaum aus dem Augenwinkel wahrgenommen hatte.
Ganz unschuldig am Bordsteinrand, verborgen im Schatten der parkenden Autos, lag, beinahe unsichtbar: ein rotes Band.
Das Weihnachtsgeschenk, das Daland erst vor wenigen Minuten dem Pizzaboten gegeben hatte.
Das Gefühl, dass hier etwas nicht stimmte, jagte wie ein Elektroschock durch mich hindurch.
»Nick! Ins Auto – jetzt!«, rief ich, während ich mir das Nachtsichtgerät vom Kopf riss und zurück auf den Bürgersteig rannte. Ich sah, wie Deutsch und Lendowski mich verwirrt anstarrten, und winkte ihnen zu: »Los, los, los!«
Sie verschwanden im Haus, während ich an dem Geschenk vorbeistürmte, darauf zeigte und Nick zurief: »Das Geschenk war nur Tarnung. Er hat uns reingelegt.«
Wir rannten zum Wagen zurück, Nicks Gesicht ein einziges Fragezeichen, während ich den Gang einlegte und das Gaspedal durchtrat.
Schleudernd kamen wir vom Bordstein weg. Ich brüllte über den aufheulenden Motor hinweg: »Der Pizzabote ist noch im Haus! Das war Daland, der da in dem Lieferwagen weggefahren ist.«
Nick schüttelte den Kopf. »Der Bastard hat mindestens fünf Minuten Vorsprung.«
Auf den Straßen lag eine Schneedecke, aber auf den Allradantrieb des Expedition war Verlass. Es gab keinen Verkehr und bald gelangten wir an eine Kreuzung. Ich hielt an, da ich keine Ahnung hatte, welche Richtung ich nehmen sollte.
»Er weiß, dass er aufgeflogen ist«, sagte ich. »Dann weiß er auch, dass alle anderen auch aufgeflogen sind. Wo fährt er also jetzt hin?«
Nick rieb sich über das Gesicht in dem Versuch, sein Gehirn auf Touren zu bringen. »Daland weiß, dass wir nach dem Lieferwagen Ausschau halten, und der ist nicht gerade unauffällig. Er muss ihn loswerden, und zwar pronto.«
»Ja, aber wo? Und was nimmt er stattdessen?«
Das Navi flackerte unter Nicks Fingern von einer Ansicht zur nächsten. Ich konnte nicht darauf warten, dass es irgendwelche Antworten lieferte. Ich sah mir die Straße an und konnte gerade so eine schwache Reifenspur ausmachen, die nach links abbog.
Ich folgte ihr.
Nick sah zu, wie ich in eine weitere Wohnstraße einbog, dann wandte er seine Aufmerksamkeit wieder dem Navigationssystem zu. Der dichte Schneefall erschwerte zunehmend die Sicht. Selbst auf der höchsten Stufe hatten die Scheibenwischer Mühe, sich gegen die fetten Schneeflocken zu behaupten, und die Spur, der ich folgte, wurde immer schneller von neuem Schnee zugedeckt.
Wir würden ihn verlieren.
Ich schaltete die Traktionskontrolle ein. »Er kann in dem Wetter nicht lange draußen bleiben. Entweder hat er hier irgendwo in der Nähe ein Versteck oder er hat ein anderes Fahrzeug hier stehen.«
Nick schüttelte den Kopf und sagte: »So weit voraus zu planen, traue ich ihm nicht zu. Passt nicht zu ihm.«
Ich nickte. »Dann vielleicht ein Taxi?«
Nick griff nach dem Funkgerät. »Ich brauche Lokalisierungen aller Taxigesellschaften mit 24-Stunden-Rufbereitschaft im Umkreis des Zielobjekts.«
Wenig später quäkte es: »Millpond Cabs, Ecke North Main und Church.«
Wieder quäkte das Funkgerät, diesmal war es Lendowski: »Daland ist auf und davon«, sagte er. »Der Pizzajunge ist fix und fertig. Daland hat ihm gesagt, dass er einem eifersüchtigen Ehemann aus dem Weg gehen muss. Die Freundin des wütenden Mannes sei im Schlafzimmer und habe ihm drei Hunderter gegeben. Reilly, wo zum Teufel stecken Sie?«
Also war es gar nicht um Wechselgeld gegangen. Nicht, dass das jetzt noch eine Rolle spielte.
Nick versetzte mir einen Knuff gegen den Oberarm und zeigte hektisch nach links. Ich ließ den SUV herumschwingen und fuhr Richtung Westen, Nick antwortete für uns beide. »Wir sind an ihm dran. Sichern Sie und Deutsch das Haus.«
»Schon erledigt. Strom ist wieder da.«
»Und? Waren wir erfolgreich?«, fragte ich.
»Wir haben diverse Computer. Die Festplatten waren schon dabei zu überschreiben. Er hatte Sicherheitsakkus, aber die Techniker haben sie noch rechtzeitig ausgeschaltet. Ich denke, wir haben genug, wenn wir erst einmal die Daten wiederhergestellt haben. Außerdem ist da noch ein Laptop, aber da wurde die Festplatte rausgenommen.«
Ich jagte den Motor hoch, der Allradantrieb gewann jetzt die einseitige Schlacht gegen den Neuschnee.
Inzwischen waren die Häuser größer. Standen weiter weg von der Straße.
Nick zeigte nach vorn. »Noch fünfhundert Meter, dann müssen wir über die North Main und in die Church einbiegen.«
Im Vorbeifahren schaute ich in jede Seitenstraße. Ich lugte auf ein Grundstück, das sich ein Fitness-Center und eine Tankstelle teilten. Nichts.
»Sean, da rechts!«, rief Nick und ließ bereits das Fenster herunter, um besser sehen zu können. Ich bremste den Geländewagen ab, bis wir uns im Kriechgang fortbewegten.
Eine schmale Straße führte in einem Dreißig-Grad-Winkel von uns weg. Beinahe vollständig von den schneebedeckten Bäumen verdeckt, war die Spitze einer riesigen Peperoni zu sehen.
Ich lenkte nach links, bereit, nach fünfzig Metern wieder rechts abzubiegen.
Nick zeigte auf die rasch näher kommende Kreuzung.
Ein einziges Fahrzeug bog gerade links in die North Main Street ein.
Als wir auf gleicher Höhe mit ihm waren, einem Toyota Camry, bemerkte ich die »Millpond Taxicabs«-Beschriftung. Das Taxi fuhr an, bevor ich einen Blick hineinwerfen konnte.
Ich riss das Lenkrad herum und bremste scharf. Der Wagen rutschte ein paar Meter in der ursprünglichen Fahrtrichtung weiter, dann vollzog er die Wendung, als die Reifen wieder griffen.
»Das ist er.«
Nick ließ die Sirene aufheulen, während ich den Wagen auf die leere Gegenfahrbahn brachte, an dem Camry vorbeischoss und ihm dann schleudernd den Weg abschnitt.
Der Taxifahrer stieg auf die Bremse. Die Räder blockierten, und der Camry rammte den SUV an der Beifahrerseite, sodass Nicks Tür nicht mehr aufging.
Ich sprang heraus, zog die Waffe und lief geduckt um die Motorhaube unseres SUV herum.
Die Beifahrertür öffnete sich, und Daland stieg mit hocherhobenen Händen aus.
»Runter«, bellte ich ihn an. »Auf die Knie!«
Nick war über die Gangschaltung geklettert und hielt den Taxifahrer in Schach, der ebenfalls ausgestiegen war und beide Hände in die Luft hielt.
Daland ließ sich auf die Knie fallen und rief: »Ganz ruhig! Ich bin nicht bewaffnet.«
Ich trat auf ihn zu. »Wo ist die Festplatte?«
»Welche Festplatte?«
Der Taxifahrer drehte sich vor Schreck zitternd zu mir um. »Als wir von der Church abgebogen sind, hat er was aus dem Fenster geworfen.«
Daland ließ den Kopf hängen, dann wandte er sich wütend zu dem Taxifahrer. »Die beobachten sowieso schon alles, was du machst, jede Website, die du je angeschaut hast, jede Tastenkombination, die du je getippt hast. Die kennen alle, mit denen du redest, alles, was du kaufst. Die besitzen dich. Und du bist ein Niemand. Stell dir mal vor, was die mit Leuten anstellen, die tatsächlich eine Rolle spielen.«
Ich rührte mich nicht vom Fleck, während Nick Daland die Handschellen anlegte. »Spar dir die Tirade für deinen Twitter-Feed, Daland.« Ich deutete auf den Taxifahrer. »Zeigen Sie mir die Stelle.«
Im Laufschritt kehrten wir zur Church Street zurück, er vorneweg. Unsere Schritte knirschten im Schnee.
Das Funkgerät quäkte, und ich machte Meldung: »Ziel gesichert, wiederhole, Ziel gesichert. Wir treffen uns am Haus. Und sagt dem Pizzajungen, dass seinem Auto nichts passiert ist.«
Der Schnee fiel inzwischen dichter und schien entschlossen, länger liegen zu bleiben, aber wir brauchten nicht lange. Wir fanden die Festplatte halb im Schnee versunken am Fuß eines Zaunes.
Ich wischte mir ein paar Schneeflocken aus dem Gesicht und genoss die Schärfe, mit der die eiskalte Luft in meine Lungen drang.
Es war ein gutes Gefühl, mit Daland fertiggeworden zu sein. Es fühlte sich immer großartig an, einen Fall erfolgreich abzuschließen. Wir hatten unseren Teil getan. Ab jetzt lag der Ball im Feld der Staatsanwaltschaft. Doch jetzt wurde die vertraute Euphorie des Augenblicks von etwas wie einer Vorahnung getrübt. Eine Vorahnung von dem, mit dem ich mich erneut würde beschäftigen müssen.
Ich sah zu den Schneeflocken hinauf, sah, wie sie auf mein Gesicht zustürzten, das unter ihrer sanften, kalten Berührung kribbelte, und schloss die Augen.
Weihnachten würde nicht besonders fröhlich werden.
Boston, Massachusetts
Dr.Ralph Padley war ein Gewohnheitstier, so sah er sich jedenfalls selbst.
Seine Frau, seine Kollegen und Studenten hielten ihn für einen Kontrollfreak mit Tendenz zu einer ernsthaften Zwangsstörung – noch häufiger ging er ihnen einfach nur schrecklich auf die Nerven.
Im vergangenen Jahr jedoch war sein sorgfältig orchestriertes Leben durch etwas ins Chaos gestürzt worden, worüber er keinerlei Kontrolle hatte. Etwas, das ihn, zusammen mit der schrecklichen Angst, die er angesichts des Wissens empfand, dass seine Tage nun ziemlich exakt gezählt waren, nur noch unerträglicher machte.
Der einzige Mensch, der außer Padley die Ursache seines schon beinahe krankhaften Drangs nach Kontrolle kannte, war der Psychoanalytiker, zu dem er seit über zehn Jahren einmal in der Woche ging. Als Padley elf Jahre alt gewesen war – fast auf den Tag genau vor achtundfünfzig Jahren –, hatte er während eines Ferienaufenthaltes bei den Großeltern in St.Augustine, Florida, seinen sieben Jahre alten Bruder nicht vor dem Ertrinken in einem Swimmingpool retten können. Er fühlte sich schuldig deswegen. Immerhin war er der Ältere gewesen, der seinen jüngeren Bruder hätte beschützen müssen. Die Schuldgefühle ergaben, seinem Psychiater zufolge, zwar psychologisch, aber nicht emotional oder praktisch, einen Sinn. Doch Padley konnte nichts dagegen tun. Seine noch wachsende Persönlichkeit war durch die Tatsache, dass seine Eltern ihn bestärkten, indem sie beschlossen, dass er in der Tat die Schuld daran trug, tiefgreifend beeinträchtigt worden. Dass beide Eltern daran gescheitert waren, ihren Sohn wiederzubeleben – und beide waren Allgemeinärzte –, hatte eine Idee gesät, die später zur Blüte gelangen sollte, als Padley sich nach den ersten vier Studienjahren an der Harvard Medical School für eine Facharztausbildung entschied.
Schon vor der Diagnose, bevor er anfing, abzunehmen und bevor seine Haut diesen kränklichen Ton annahm, hatte Padley sich rigoros an immer dieselbe Routine gehalten. Heutzutage ging er, zusätzlich zu seinem wöchentlichen Termin beim Psychiater und dem sonntagmorgendlichen Kirchgang, vier Mal in der Woche schwimmen, einmal im Monat zu einem klassischen Konzert und jeden zweiten Samstag im Monat mit seiner Frau ins Bett. Letzteres passte seiner deutlich jüngeren dritten Frau sehr gut, denn es bedeutete, dass sie immer wusste, wann sie Zeit hatte, um kurz nach nebenan zu gehen und ihrer Libido mit einem von Bostons führenden Theaterkritikern freien Lauf zu lassen. Dieser war, trotz einer Unzahl affektierter Manierismen und anderer Hinweise, die auf das Gegenteil hindeuteten – genug, um Padley davon zu überzeugen, dass sein Nachbar keinerlei Interesse an seiner Frau hatte –, alles andere als schwul.
Padley war Professor für Medizin mit dem Fachgebiet Kardiologie in Harvard, ein Posten, den er seit 1985 innehatte. Als Chirurg hatte er viele Leben gerettet. Er hatte auch viele andere ausgebildet, die ihrerseits noch mehr Leben gerettet hatten. Aus diesem Wissen hatte er über die Jahre keinen geringen Trost gezogen. Er hatte es immer als eine Art Ausgleich für seine andere Arbeit gesehen, eine Arbeit, von der nur eine Handvoll Leute wussten.
Eine Arbeit, die genau den gegenteiligen Effekt auf seine Zielpersonen hatte.
Begonnen hatte alles, als er mit Anfang dreißig intensiv an einem möglicherweise bahnbrechenden Forschungsprojekt in der kardiovaskulären Pharmakologie arbeitete. Sein erklärtes Ziel bestand darin, ein Medikament der nächsten Generation herzustellen, das einen stabilen Herzrhythmus erhalten konnte – gewissermaßen den »Schrittmacher in einer Pille«, der innerhalb einer Generation Herzschrittmacher und Betablocker ebenso verzichtbar machen sollte wie Notfalloperationen nach Herzinfarkten.
Angesichts der Geheimniskrämerei und des Wettbewerbs in der medizinischen Forschung, arbeitete Padley überwiegend für sich. Fünf Jahre und Hunderte von Laborratten später gerieten seine Experimente vom rechten Weg ab, und er erschuf am Ende das exakte Gegenteil von dem, was er eigentlich gesucht hatte.
Erst verwirrte ihn seine Entdeckung, dann entsetzte sie ihn.
Er rang mit sich, was er damit anfangen sollte. Er dachte darüber nach, alle Unterlagen zu seiner Forschung zu zerstören und sie zu vergessen. Er wusste, dass Letzteres unmöglich sein würde, stand aber einige Male kurz davor, Ersteres zu tun, doch auch dies stellte sich als unmöglich heraus. Das Potenzial, das in seiner Entdeckung steckte, war einfach zu groß, um es zu ignorieren. So entschied er sich für einen anderen Weg. Als strammer Patriot zu einer Zeit, in der sein Land überall auf dem Erdball in kalte und heiße Kriege verstrickt war, nahm Padley Kontakt zur CIA auf. Die schickten unverzüglich jemanden vorbei, der ihn befragte und sich schnell sehr, sehr interessiert zeigte.
Die Abmachung war simpel. Er würde gutes Geld dafür bezahlt bekommen, dass er im Geheimen weiter an der Verbesserung seiner Entdeckung und der Verabreichungsmethoden arbeitete, während er offiziell seiner Arbeit an der Universität nachging.
Kurz darauf wurde der Umfang seiner geheimen Forschung ausgeweitet.
Seither führte er ein Doppelleben. Sein Leben in mehrere, vollkommen voneinander getrennte Bereiche aufzuteilen, fiel jemandem, der so extrem strukturiert war wie er, nicht schwer. Ja, er empfand es als erregend, Teil einer geheimen, sorgfältig ausgewählten Gruppe von Menschen zu sein, die Großes für ihr Land leisteten. Er genoss die Meetings, zu denen er eingeladen wurde, und obwohl er über einige Mitglieder in dieser Gruppe nicht viel wusste – weder ihre echten Namen noch irgendetwas über ihr Leben –, fühlte er sich ihnen doch zugehörig, und dieses Zugehörigkeitsgefühl bezog sich auch auf die dahinterstehende Organisation, den Geheimdienst.
Über die Jahre erzielte er in beiden Arbeitsgebieten Erfolge. Einige bahnbrechende Forschungsergebnisse zu aus Stammzellen Erwachsener gezüchteten Kunstherzen katapultierten ihn schließlich auch wieder ins Zentrum der medizinischen Forschung. Padley hatte eine Methode gefunden, um Stammzellen zu züchten, die eine stabile elektrische Spannung halten konnten, ohne die auch das ausgeklügeltste künstlich gewachsene Herz nicht in einem lebenden Organismus funktionieren konnte. Stur verschloss er die Augen vor der Ironie, die darin lag, dass er – als jemand ohne jeglichen Sinn für Humor – sein gesamtes Berufsleben an etwas gearbeitet hatte, das man »funny current« nannte, die lustige Strömung, also dem Strom, der sich plötzlich in den Sinus- und AV-Knoten des Herzens ausbreitet. Oder, um es einfacher auszudrücken, wie er es häufig herablassend für seine Studenten formuliert hatte: der elektrischen Erregung, die das Leben eines jeden im Vorlesungssaal garantierte, sofern er keinen Schrittmacher hatte.
Seine Entdeckung besänftigte die Fakultät, die mehr als eine Million Dollar in seinen früheren pharmakologischen Forschungsprojekten versenkt hatte. Ja, die Fakultät war mehr als besänftigt, würden doch die Patente, die sich aus Padleys Arbeit ergaben, die Investitionen um ein Vielfaches wieder einspielen.
Somit waren alle glücklich, wenn man davon absah, dass Padley immer noch der humorlose Pedant war, der er immer gewesen war, und dass es seiner dritten Frau wie ihren Vorgängerinnen immer noch nicht vergönnt gewesen war, auch nur einen einzigen Orgasmus mit ihrem Ehemann zu bekommen. Da er sie auch nie mit Kindern hatte segnen können, besaß er zumindest Anstand genug, niemals ihr Recht auf den ausufernden Gebrauch der Kreditkarte infrage zu stellen. Dass sie keine Kinder bekommen hatte, hatte ein tiefes Loch in die Seele von Padleys Frau gerissen – so behauptete sie zumindest, auch wenn es inzwischen kein Thema mehr zwischen ihnen war. Ein Loch, das sie mit Wohltätigkeitsdinners und den vorgenannten Seitensprüngen mit Bostons führendem Literaturkritiker zu füllen suchte.
Doch wie dem auch sein mochte, vor einem Jahr hatte sich alles geändert. Padleys ganze Welt war auf den Kopf gestellt worden.
Er hatte nicht mehr lange zu leben.
Der unwillkommene Gast war ein metastasierendes Pankreaskarzinom, das nicht nur sehr brutal, sondern auch überaus gnadenlos war.
Padleys emotionale Reaktion darauf war unorthodox.
Ein Leben, immer auf dem neuesten Stand der medizinischen Forschung, da war Verleugnung keine Option.
Dasselbe traf auf Wut oder Verhandeln zu – allein der Gedanke daran war unter seiner Würde.
Die Akzeptanz war bereits gut verankert – so gut, dass er sich weigerte, sich einer Chemotherapie zu unterziehen, die sein Leben ein wenig hätte verlängern können. Er wollte die Zeit, die ihm noch blieb, weder in einem Krankenhaus noch krank und unter Nebenwirkungen leidend verbringen.
Dennoch hatte sich relativ schnell eine gewisse Depression in ihm breitgemacht, und diese Depression brachte etwas anderes hervor: eine Angst vor dem, was ihn im Jenseits erwarten mochte, und das dringende, rasch wachsende Bedürfnis, etwas wiedergutzumachen.
Die Erinnerungen an Jahre verdeckter Operationen und das erneute Durchspielen heimlicher Gespräche beschäftigten ihn fortan Tag und Nacht. Die Gesichter der Toten, auf Fotos in Zeitungen oder im Fernsehen, behelligten ihn, wenn er es am wenigsten erwartete, forderten lautstark seine Aufmerksamkeit und schrien nach Vergeltung, während die verstörenden, unterbewussten Vorstellungen von ewiger Verdammnis seine Träume heimsuchten.
Sosehr er auch versuchte, diese ihm vollkommen unvertrauten Anstürme von Schuld und Reue abzuwehren, so wenig konnte er ihnen entkommen.
Er musste etwas dagegen unternehmen. Er musste irgendeine Art von Vergebung erlangen. Er fürchtete, dass er bereits jenseits von jeglicher Rettung war, auch wenn man ihm sein ganzes Leben lang gesagt hatte, dass diese Möglichkeit immer bestand, solange sein Ansinnen aufrichtig und rein war. Allerdings war sein Ansinnen das gar nicht unbedingt: Er wurde vielmehr getrieben von einer tief verwurzelten, urwüchsigen Angst. Doch sie war alles, was er hatte.
Er dachte lange und gründlich darüber nach, was er tun konnte. Er sprach mit niemandem darüber, nicht mit seiner Frau, nicht mit seinem Psychiater, nicht einmal mit seinem Priester. Er würde es allein tun. Wenn es schon nicht möglich war, die Vergangenheit zu ändern, so konnte er vielleicht wenigstens die Zukunft beeinflussen. Allerdings würde das knifflig sein – und gefährlich. Und auch wenn ihm nicht mehr viel Zeit blieb, um sich darüber Sorgen zu machen, dass er alles verlieren konnte, klammerte er sich doch wie so viele Menschen, die plötzlich mit ihrem unmittelbar bevorstehenden Tod konfrontiert sind, an jeden Tag, der ihm noch blieb.
Nein, er würde sehr vorsichtig sein müssen. Und wenn er nur irgendeine Chance auf die Wiedergutmachung haben wollte, auf die er aus war, würde er auch überaus effektiv handeln müssen.
Sein erster Versuch hatte in einem Desaster geendet. Dabei hatte er gedacht, er hätte klug gewählt. Der Mann, den er ausgesucht hatte, hatte allerbeste Empfehlungen gehabt. Doch trotz der peinlich genauen Vorbereitung und obwohl er wusste, womit er es zu tun bekommen würde und über welche Möglichkeiten die Leute verfügten, die jetzt seine Gegner waren, war Padley gescheitert. Die Person, an die er sich gewandt hatte, war jetzt tot. Und der Tod, da war sich Padley sicher, war eine Gnade für diesen Mann gewesen, nach der Folter, der er zweifellos unterzogen worden war. Aber Padleys Plan war zumindest in einem Punkt aufgegangen: Er selbst war immer noch in Sicherheit. Niemand war ihm auf die Spur gekommen. Er war noch immer frei, er war noch immer am Leben. Was bedeutete, dass seine Vorsichtsmaßnahmen gegriffen hatten.
Er musste nur denjenigen, an den er sich dieses Mal wenden würde, noch sorgfältiger auswählen.
Tage und Wochen angestrengten Nachdenkens hatten ihm eine Handvoll von Möglichkeiten gebracht, aber eine trat mit jeder Überlegung mehr und mehr hervor. Es lag sogar, so dachte er, eine elegante Symmetrie darin, die seinem allzu ordnungsliebenden Geist überaus gefiel.
Morgen würde er anrufen, beschloss er. Er würde noch wachsamer, noch vorsichtiger sein als beim ersten Mal. Er würde ein anderes Prepaidhandy benutzen, eins, dass er bar bezahlt hatte und das nicht zu ihm zurückverfolgt werden konnte. Er würde wieder seine Stimme verfremden, mit demselben Verzerrer, den er beim ersten Versuch benutzt hatte. Und, was am allerwichtigsten war, er würde sehr, sehr eindeutig mit seinen Anweisungen sein, was der Mann zu tun oder zu lassen hatte.
Was danach kam, lag nicht mehr in seiner Hand.
Special Agent Sean Reilly musste in seinem Job einfach nur so effektiv sein, wie Padley es in seinen beiden gewesen war.
MITTWOCH
Mamaroneck, New York
Meer, Land und Himmel bildeten eine einzige grauweiße Fläche vor dem Fenster, als ich langsam wieder zu Bewusstsein kam. Ich drehte mich um und sah auf die Uhr: zwölf Uhr mittags. Ich weiß, das hört sich sehr dekadent an, aber ich war erst kurz vor sechs aus Jersey zurück gewesen.
Nick und ich hatten kurz nach fünf an Deutsch und Lendowski übergeben, was uns den üblichen, wenn auch unverdienten, sardonischen Scherz von Lendowski eintrug. Für Annie Deutsch hatte ich immer Zeit. Sie war Anfang dreißig und arbeitete mit jener Ernsthaftigkeit, die viele Ex-Cops in den ersten Jahren beim Bureau zeigen, die ernste Miene schien auf ihrem Gesicht festgetackert, als habe jemand ihr gesagt, dass sie nie wieder lächeln dürfe. Sie sah gut aus und war Single, zwei Tatsachen, auf die sich die meisten Gespräche über sie schnell konzentrierten. Auf Lendowski hingegen konnte ich gut verzichten. Zwei Meter zehn groß und nichts als Muskeln, mit einem Charakter, den man, freundlich ausgedrückt, nur als kriegerisch bezeichnen konnte. Und er hatte eine selbstgefällige Art an sich, die mich immer misstrauisch machte, als sei es reiner Zufall, auf welcher Seite des Gesetzes er gelandet war.
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