Management by Nature - Wolf Lüdge - E-Book

Management by Nature E-Book

Wolf Lüdge

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Beschreibung

Was wir von der Natur über Führung lernen können Wie führt man authentisch, wirksam und krisensicher? Fernab von jeder grauen Theorie zeigt uns die Natur, worauf es dabei ankommt: Leadership-Experte Wolf Lüdge beschreibt, wie man als Führungskraft von dieser lernen kann. Ob es der Löwe ist, der seine Energie sparsam einzusetzen weiß, der Wolf, der im Rudel seine Stärke zeigt, oder die Biene, die mit ihren Artgenossen klar und verbindlich kommuniziert – sie alle haben bewährte Prinzipien und Strategien entwickelt, um zu überleben und erfolgreich zu gedeihen. »Natural Leadership« liefert einen innovativen Ansatz für alle Führungskräfte und zeigt, wie sich diese wertvollen Strategien aus dem Naturreich auf jede Branche und Führungsposition anwenden lassen. Konkrete Tipps und anschauliche Beispiele zeigen, wie natürliche Prinzipien, etwa Anpassungsfähigkeit, Intuition und Resilienz, im Führungsalltag dabei helfen, Mitarbeiter zu motivieren, Unternehmen sicher durch Krisen zu führen und angestrebte Ziele zu erreichen.

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Wolf Lüdge

Management BY Nature

9 natürliche Prinzipien für den Führungsalltag

Wolf Lüdge

Management BY Nature

9 natürliche Prinzipien für den Führungsalltag

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie. Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://dnb.de abrufbar.

Für Fragen und Anregungen

[email protected]

Wichtiger Hinweis

Ausschließlich zum Zweck der besseren Lesbarkeit wurde auf eine genderspezifische Schreibweise sowie eine Mehrfachbezeichnung verzichtet. Alle personenbezogenen Bezeichnungen sind somit geschlechtsneutral zu verstehen.

Originalausgabe

1. Auflage 2024

© 2024 by Redline Verlag, ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH

Türkenstraße 89

80799 München

Tel.: 089 651285-0

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. Wir behalten uns die Nutzung unserer Inhalte für Text und Data Mining im Sinne von § 44b UrhG ausdrücklich vor.

Redaktion: Monika Spinner-Schuch

Umschlaggestaltung: Marc-Torben Fischer

Umschlagabbildung: indah/ Adobe Stock

Satz: inpunkt[w]o, Wilnsdorf (www.inpunktwo.de)

eBook: ePUBoo.com

ISBN Print 978-3-86881-962-5

ISBN E-Book (PDF) 978-3-96267-581-3

ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-96267-582-0

Weitere Informationen zum Verlag finden Sie unter

www.redline-verlag.de

Beachten Sie auch unsere weiteren Verlage unter www.m-vg.de

Für Teresa, Hannah & Vincent

INHALT

Vorwort

1. Einleitung:Vom Wolf lernen

2. KapitelManagement by Nature: anpassungsfähig, nachhaltig, erfolgreich

Glaube an die Prinzipien der Natur

Unternehmen als lebendiger Organismus

Natural Leadership – von der Natur führen lernen

3. KapitelDie 9 Felder des Natural Leadership Canvas

Prinzip 1: Der Oktopus – Entwicklung als Mission und Strategie

Prinzip 2: Der Wald – Selbststeuerung und Diversität

Prinzip 3: Der Elefant – Empathie und Mitgefühl

Prinzip 4: Der Löwe – Klarheit und Selbstmanagement

Prinzip 5: Der Hai – Intuition, Entscheidungen und Resilienz

Prinzip 6: Der Wolf – Gemeinschaft als Überlebensfaktor

Prinzip 7: Die Affenhorde – Konflikte lösen, ohne zu kämpfen

Prinzip 8: Die Biene – Lebendigkeit und Kommunikation

Prinzip 9: Das Faultier – Stärkenorientierung und Akzeptanz

4. KapitelSei der Held deiner eigenen Geschichte

So erschaffst du deine Leadership-Heldenreise

5. KapitelZu guter Letzt

Über den Autor

Anmerkungen

Vorwort

In den letzten 25 Jahren konnte ich als Führungskraft einige Erfahrungen sammeln, darunter viele positive, zuweilen aber auch weniger positive. Wertvoll waren sie alle. Als Betriebswirt mit Schwerpunkt Unternehmensplanung und Controlling war ich ein Schüler der Logik und Verfechter unumstößlicher Tatsachen. Zum Glück wurde ich älter und hatte daher die Chance, meine Einstellungen und Sichtweisen auf die Welt und ihre zugrunde liegenden Mechanismen zu überdenken.

Ein wichtiger Meilenstein in diesem Prozess war für mich die Begegnung mit Peter Zernisch, der auch der »Altmeister der Markenstrategie« genannt wird. Im Rahmen eines Markenstrategieprozesses führte er mich in die Bedeutung der Bionik ein und gab mir dabei einiges an Denkaufgaben mit auf den Weg. Die Bionik verfolgt den Ansatz, die Prinzipien der Natur zu verstehen und für innovative und leistungsfähige Lösungen und Technologien nutzbar zu machen.

Für diese richtungsgebenden Impulse, die seitdem immer wieder in mir gearbeitet haben, bin ich ihm bis heute sehr dankbar. Auch wenn ich vermutlich erst jetzt, also 15 Jahre später, das Prinzip der Bionik im Zusammenhang mit Unternehmensführung und Leadership wirklich verstanden habe.

Mit dem vorliegenden Buch »Management by Nature – 9 natürliche Prinzipien für den Führungsalltag« möchte ich einen Anstoß geben, Leadership einmal unter einer neuen Perspektive zu betrachten.

Alles, was einfach ist, ist in der Regel gut. Und erfolgreich. Die Prinzipien der Natur bestehen darin, diese einfachen Dinge zu erkennen – und intuitiv anzuwenden. Heutzutage müssen Führungskräfte sich mit einer rasant zunehmenden Komplexität auseinandersetzen. Vieles, was gestern gültig war, funktioniert heute bereits nicht mehr. Dabei gibt es zeitlose Quellen, die bereits vor Millionen Jahren in komplexen Systemen entstanden sind und seitdem immer wieder von der Evolution erprobt und verbessert wurden. Es lohnt sich, diese Prinzipien aufzugreifen und als Vorlage für Fragestellungen im modernen Leadership zu nutzen.

Ich beanspruche für mich nicht, den Stein der Weisen gefunden zu haben oder mich gar mit den großen Denkern der betriebswirtschaftlichen Theorien ansatzweise messen zu können. Als Praktiker mit über 20 Jahren Geschäftsführungserfahrung im deutschen Mittelstand kann ich aber mit Überzeugung sagen, dass viele dieser Prinzipien hervorragend funktionieren. Für mich wäre es ein Erfolg, wenn der eine oder andere Leser mein Buch zum Anlass nähme, über sich selbst, sein Wirken und seine Wirkung als Führungskraft nachzudenken – und die Botschaft eines von der Natur inspirierten Managementstils weiterzutragen.

Mein besonderer Dank geht an Sabine Zimmermann, die mir mit Rat und Tat zur Seite gestanden hat. Ihr Mitwirken hat vielen Themen Tiefe gegeben und eine bereichernde, weibliche Note verliehen. Durch unsere großartige Zusammenarbeit konnte ich über die natürlichen Fügungen und Mechanismen bei der Entstehung eines Wirtschaftsbuches vieles dazulernen.

Wolf Lüdge

1. Einleitung:

Vom Wolf lernen

Eine der wichtigsten Erfahrungen meines Lebens, die mich bis heute prägt, begann mit einem simplen Formular. Als junger Mann – ich war Anfang 20 – bin ich aus der Kirche ausgetreten. Diese Entscheidung hatte ich mir gut überlegt. Doch welche Bedeutung dieser Schritt für mich und meine persönliche Entwicklung tatsächlich haben sollte, ist mir erst hinterher klar geworden: Seit diesem Tag begann ich nämlich, mir über Religion und Spiritualität Gedanken zu machen. Denn erst nachdem ich meine Religion abgelegt hatte, wurde mir bewusst, wie wichtig es ist, an etwas zu glauben. Etwas zu haben im Leben, das Orientierung gibt und Sinn stiftet. Und erst in diesem Moment wurde mir klar, dass das keineswegs eine Religion sein muss. Denn es gibt viele Dinge auf der Welt, die diese Aufgabe übernehmen können.

Und so begann ich, mich mit der östlichen Denkweise, dem Zen-Buddhismus und mit Meditation zu beschäftigen. Ich las viel. Ich machte mir Gedanken über meine Werte, meine Ziele, wofür es sich zu leben lohnt und wie denn die Welt aussehen soll, in der ich künftig leben möchte. Kurzum: Die Entscheidung, meine Religion abzugeben, hat sehr viel mehr zu meiner persönlichen Entwicklung und meiner Spiritualität beigetragen, als wenn ich einfach nur aus Gewohnheit Mitglied einer Kirche geblieben wäre.

Warum ich das erzähle? In diesem Buch geht es um Leadership. Das ist weit mehr als das Anwenden von Führungsinstrumenten – es ist eine Haltung. Für mich sind Leadership und Glaube daher nicht zu trennen. Wer Menschen inspirieren und begeistern möchte, wer ein sinnvolles Produkt oder eine Dienstleistung in die Welt bringen möchte, der braucht etwas, woran er aus tiefster Überzeugung glaubt. Da es in diesem Buch also um die wirklich wichtigen Dinge des Lebens gehen wird, möchte ich Ihnen, meinen Lesern, gerne das Du anbieten. Dieses Buch ist nämlich ein Mitmach-Buch. Leadership lernt man nicht nur durch Theorie, sondern durch die intensive Beschäftigung mit sich selbst – den eigenen Zielen, Werten und Visionen. Das ist die eine Seite. Im Verlauf des Buches werden wir aber auch immer wieder in die Tiefen deiner Persönlichkeit abtauchen, um unbewusste Muster zu entdecken und ans Tageslicht zu bringen. Wie ein Taucher, der eine faszinierende Unterwasserwelt erforscht. Leadership ist nämlich ein hervorragendes Lernfeld zur persönlichen Weiterentwicklung! Daher wird der Text in den späteren Kapiteln immer durch Reflexionseinheiten, Coachingfragen und Selbstchecks ergänzt – als ob wir uns direkt gegenübersitzen und einen entspannten Dialog führen würden. Im Sinne einer sprachlichen Ästhetik verzichte ich darauf, in diesem Buch Leader von Leaderinnen und Mitarbeiter von Mitarbeiterinnen und so weiter zu unterscheiden. Selbstverständlich sind hier stets beide Geschlechter gemeint.

An was glaubst du? Was ist dir wirklich, wirklich wichtig? Was gibt deinem Leben Sinn? Was motiviert dich jeden Morgen aufs Neue, die Füße aus dem Bett zu strecken und in einen neuen Tag zu starten?

Ich denke, jeder Mensch sollte sich diese Fragen stellen – wenn du jedoch Führungskraft oder Nachwuchsführungskraft bist, sind sie von essenzieller Bedeutung! Denn nur wenn du für dich selbst Antworten darauf gefunden hast, bist du in der Lage, andere Menschen zu inspirieren und ein Stück auf ihrem Lebensweg zu begleiten. Allerdings ist unsere moderne, durchrationalisierte Welt bei der Suche nach den wirklichen Fragen des Lebens keine große Hilfe. Unsere Vorfahren hatten es in dieser Hinsicht leichter. Denn in früheren Zeiten erschufen Menschen Mythen – also Erzählungen, die all das erklären sollten, was über die Alltagserfahrung und den Verstand hinausging. Als ich mich mit Markenentwicklung zu beschäftigen begann, stellte ich fest, dass diese uralten Mythen bis in unsere heutige Zeit hineinwirken. Im geistigen Archiv unserer menschlichen Evolution finden sich faszinierende Erzählungen, die unsere tief verwurzelten Sehnsüchte und Ängste ansprechen. Sie basieren auf grundlegenden Fragen, für die wir modernen Menschen bis heute keine zufriedenstellenden Antworten gefunden haben: Woher kommen wir, wohin gehen wir? Was ist der Sinn unseres Lebens? Was müssen wir tun, um ein zufriedenes Leben zu führen? Woran glauben wir? Wie können wir in Harmonie mit der Natur und ihren Geschöpfen leben? Und was brauchen wir, um der Held unseres eigenen Lebens zu sein?

Bei meiner Recherche bin ich auf ein bemerkenswertes kleines Buch gestoßen, welches unser heutiges Dilemma – insbesondere auch das von Führungskräften – klar auf den Punkt bringt: Viele Menschen haben nichts, woran sie wirklich glauben.

Dabei sind wir Menschen von Natur aus sinnsuchende Wesen. Dadurch unterscheiden wir uns von den Tieren, die sich vermutlich keine Gedanken über den Zustand der Welt und den Sinn des Daseins machen. Anders der Mensch.

In ihrem Buch »Eine kurze Geschichte des Mythos«1 zeigt die Religionswissenschaftlerin Karen Armstrong, dass Mythen und Mythologie keineswegs niedere, überholte Denkweisen sind, auf die wir »vernünftigen« Menschen heute verzichten können. Ganz im Gegenteil. Etwas, woran wir glauben, erweitert unseren Horizont und hilft uns dabei, intensiv in unserer Welt zu leben und uns spirituell weiterzuentwickeln.

Dieser Meinung ist auch der buddhistische Mönch Tenzin Gyatso, besser bekannt als der 14. Dalai Lama. Der Friedensnobelpreisträger ist davon überzeugt, dass wir alle eine elementare menschliche Spiritualität besitzen, eine in uns angelegte Neigung zu Liebe und Mitgefühl. Ethik, so betont er, sei uns angeboren und daher wichtiger als Religion. Er spricht sich für eine säkuläre Ethik jenseits aller Religionen aus, die für alle Menschen gleichermaßen hilfreich ist.

Das ist umso wichtiger, da wir heute in einer Welt leben, in der wir mit unseren Mythen gleichzeitig auch den Glauben und den Bezug zur Natur verloren haben. Unsere Vorfahren mussten sich die Sinnfrage nicht stellen, denn in ihrer Vorstellung gab es immer etwas Heiliges, das Erlösung aus einer schwierigen Lage versprach – eine Welt im Jenseits, Rituale, ein Gott oder auch mehrere. Für die Jäger und Sammler der Altsteinzeit war die Jagd nicht nur das Heranschaffen von Nahrung, sie hatte eine zutiefst spirituelle Bedeutung und war von großer Achtung gegenüber den Tieren geprägt. Als die Menschen später den Ackerbau erfanden und sesshaft wurden, bestellten sie ihre Felder mit religiöser Ehrfurcht und respektierten die natürlichen Rhythmen der Natur.

Ab dem 16. Jahrhundert erfolgte ein tiefgreifender Wandel: Der Mythos wurde allmählich durch den Verstand, den Logos, abgelöst. Fortan war in einer Welt, in der nur noch rationale Fakten und Beweise zählten, für Mythen kein Platz mehr – eine Transformation, deren Folgen bis in die Gegenwart reichen. Der Triumphzug der westlichen Moderne brachte uns zwar materiellen Wohlstand und eine höhere Lebenserwartung, hat uns aber von der Natur entfremdet und schuf ein Sinnvakuum, welches bis heute fortbesteht. Seitdem das Heilige tot ist, richten sich die Erwartungen auf die vermeintlichen Hoffnungsträger unserer Zeit – Politik und Wissenschaft. Das Problem daran: Diese sind gar nicht in der Lage, die Leere zu füllen, die das Diktat des Logos hinterlassen hat. Denn keine dieser Fachrichtungen nimmt einen tieferen Sinn unserer Existenz an oder möchte gar von höheren Dimensionen des Seins etwas wissen! Wenn wir das Leben nur als eine Zufallserscheinung in einem sonst toten Universum betrachten, dann richten wir notgedrungen unsere ganze Energie auf Effizienz und Pragmatismus im Diesseits aus. Das führt dazu, dass wir zwar viele Dinge tun – doch warum tun wir sie überhaupt? Die wirklich wichtigen Fragen des Lebens bleiben unbeantwortet, da unsere spirituelle Weiterentwicklung allen Fortschritten zum Trotz auf der Strecke geblieben ist. Wenn ich mir den derzeitigen Zustand unseres Planeten anschaue, dann sieht es eher so aus, als ob wir sogar Rückschritte gemacht haben. Wenn wir so vieles erreicht haben, warum sind wir dann noch immer auf der Suche nach einem besseren, erfüllteren Leben? Warum glauben wir, dass wir dieses Ziel durch immer mehr Arbeit, Leistung und Konsum erreichen können, obwohl wir dadurch nicht glücklicher, sondern bestenfalls erschöpfter sind? Wie kommen wir heraus aus diesem Teufelskreis?

Da Technik und Wissenschaft unsere innere Leere also nicht füllen können, braucht es etwas anderes. Mythen sind in unserer rational-analytischen, auf Fakten fixierten Welt keinesfalls entbehrlich, obwohl unsere Sprache (»Das ist ein Mythos – also ein Märchen, etwas, das nicht wahr ist«) uns das Gegenteil suggeriert. Natürlich sind Mythen keine Tatsachenberichte, sie bilden vielmehr eine Form der Fiktion, die uns einen Blick auf das Unbeweisbare jenseits unserer Vorstellung gewährt. Wer an etwas glaubt, das dem eigenen Leben einen Sinn gibt, hat dadurch automatisch eine Richtschnur für ein erfüllteres und intensiveres Leben. Denn allein die Tatsache, dass wir Menschen heute ins Weltall fliegen und viele Aufgaben einer künstlichen Intelligenz überlassen, hilft uns bei den wirklichen Grenzerfahrungen des Lebens nicht weiter. Sobald wir Neuland betreten oder etwas tun müssen, was über unsere Erfahrung hinausgeht, brauchen wir Vorbilder, die uns zeigen, wie wir zum Helden unseres eigenen Lebens werden.

Und ein echter Held sein, das müssen wir alle im Verlauf unseres Lebens – angefangen bei der ersten Grenzerfahrung, der Geburt – bis zur letzten, dem Tod. Früher oder später müssen wir den Mut haben, uns von allem Vertrautem zu lösen und uns in eine unerforschte Realität zu begeben. In früheren Zeiten dienten Geschichten als Kompass für die wahren Herausforderungen des menschlichen Lebens. Und heute? Viele Menschen sind noch immer auf der Suche nach Helden. Allerdings heißen diese nicht mehr Herakles oder Odysseus, sondern sie tragen die Namen von Musikern, Prominenten, Wissenschaftlern, Coaches oder sonstigen Gurus. Wirkliche Antworten können wohl die wenigsten von ihnen geben.

Dieses Buch soll eine Anregung für dich sein, deine eigene Heldengeschichte zu erschaffen. Denn wenn du ein Leader bist oder werden möchtest, bist du immer auch in der Rolle eines Helden. Du gibst alte Gewissheiten auf. Du begibst dich in eine unbekannte Welt. Du hast eine Mannschaft an Bord, die dir vertraut. Du musst für alle Eventualitäten gut gerüstet sein. Wenn dunkle Wolken aufziehen, vielleicht sogar ein Gewitter oder ein Sturm drohen, sind es deine Haltung, deine Ausstrahlung, deine Klarheit und deine Gelassenheit, die dich zum Leuchtturm für andere werden lassen.

Auf der Suche nach Vorbildern und Helden, die dafür Orientierung geben können, bin ich in der Natur fündig geworden. Dafür musste ich nicht lange suchen und auch keine weiten Wege zurücklegen. Denn das faszinierende Wirken, Funktionieren, Werden und Vergehen der Natur können wir täglich erleben und beobachten. Wer einmal begonnen hat, sich intensiv mit den natürlichen Prinzipien des Lebens zu beschäftigen, wird darin eine tiefe Weisheit und Sinnhaftigkeit entdecken, die uns dabei helfen kann, das Vakuum unserer modernen Zeit zu füllen. Die Natur erzählt uns die wunderbarsten Heldengeschichten. Und das Beste: Sie existiert nicht irgendwo »da draußen« – wir alle sind ein Teil von ihr und untrennbar mit ihr verflochten. In jedem von uns steckt ein Funken des gesamten Kosmos – der »Gott in uns«, wie der Psychoanalytiker C. G. Jung treffend formulierte.

Einer meiner größten Helden ist übrigens der Wolf. Und das nicht nur wegen der Namensgleichheit! Seine Unabhängigkeit, sein Mut, seine Hingabe, seine Opferbereitschaft und seine Loyalität beeindrucken mich so sehr, dass ich seinen Führungsqualitäten ein ganzes Kapitel gewidmet habe. Der Wolf ist ein Teamplayer, der erst in der Gemeinschaft der Familie zu seiner vollen Stärke findet. Der Wolf zeigt uns, dass erfolgreiche Führung stets auf einem harmonischen Gleichgewicht zwischen starken Bindungen und einer natürlichen, souveränen Durchsetzungsfähigkeit beruht. Dein tiefstes Potenzial als Leader wirst du dann erleben, wenn es dir gelingt, diese Balance herzustellen.

2. Kapitel

Management by Nature: anpassungsfähig, nachhaltig, erfolgreich

Glaube an die Prinzipien der Natur

Die Art und Weise, wie eine Gesellschaft mit den wirklich wichtigen Fragen des Lebens umgeht, hat zwangsläufig Auswirkungen auf die Art und Weise, wie sie wirtschaftet. Wer die Jagd oder die Landwirtschaft als ein spirituelles Ereignis betrachtet, kommt nicht auf die Idee, die Natur kontrollieren zu wollen. Die Erfahrungswelt unserer Vorfahren bezog sich auf die Gegenwart; langfristige strategische Planungen oder eine Vorratsproduktion lagen gedanklich wie technologisch jenseits ihres Horizonts.

Mit der Verdrängung des Mythos durch den Logos begannen westliche Gesellschaften jedoch, den Blick in die Zukunft zu richten. Dadurch veränderte sich ihre wirtschaftliche Basis grundlegend. Sie waren nun in der Lage, Kapital zu bilden, zu vermehren und ihre Ressourcen mit technischen Mitteln zu reproduzieren. Dank wissenschaftlicher Erkenntnisse gelang es, die Natur zu manipulieren und effizienter zu nutzen. Wirtschaft im Sinne des Logos bedeutet für Unternehmen, ihr Kapital zu vermehren und eine möglichst hohe Rendite zu erwirtschaften. Die Fokussierung auf Effizienz, Pragmatismus, Wachstum und höhere Renditen hat allerdings dazu geführt, dass ein Aspekt völlig vergessen wurde: Unternehmen und Organisationen sind keine seelenlosen Automaten, sondern lebendige Organismen. In gewisser Weise sind sie durchaus mit uns Menschen vergleichbar: Wenn unsere Seele leidet und nicht gehört wird, manifestiert sich das Leid als Krankheit im Körper – im Unternehmen zeigt es sich als Krise.

Den Organismus als ein ganzheitliches Wesen zu betrachten, dessen Gesundheitszustand ein komplexes Zusammenspiel psychischer, physischer und umweltbedingter Faktoren darstellt – so wie es die Naturvölker oder die traditionelle chinesische Medizin seit Jahrtausenden tun –, wird in weiten Bereichen unserer wissenschaftlichen Welt noch immer als Mythos betrachtet. Weder im Medizin- noch im BWL-Studium lernen Studenten ernsthaft, Zusammenhänge jenseits unseres linearen, rational-analytischen Wissenschaftsverständnisses zu verstehen – obwohl wir angesichts riesiger Herausforderungen in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft dringend neue Antworten bräuchten.

Wir stehen vor einer Zeitenwende: Die Megatrends Digitalisierung, Globalisierung, Konnektivität, Gesundheit, Neo-Ökologie und New Work – vom Zukunftsinstitut2 als Lawinen in Zeitlupe bezeichnet – treffen auf globale Krisen wie Pandemien, Rohstoffknappheit, Klimaveränderungen, Migrationsströme und militärische Konflikte, wodurch der Veränderungsdruck nochmals enorm zunimmt. Die Lawine nimmt an Fahrt auf. Darin liegt eine große Chance. Denn Krisen waren sowohl in der Natur als auch in Gesellschaften schon immer der Motor für bahnbrechende Veränderungen. Möglicherweise erleben wir gerade die Geburt eines neuen, ganzheitlichen Verständnisses von Wirtschaft. Denn wenn wir Unternehmen als lebendige Systeme betrachten, dann wird klar, dass eine langfristige und nachhaltige Existenzsicherung nicht darin bestehen kann, lediglich eine möglichst hohe Rendite zu erwirtschaften. Auch Unternehmen und Organisationen benötigen eine Lebensaufgabe, also etwas, das ihrer Existenz einen Sinn verleiht. Immer mehr Menschen möchten sich in ein innovatives Unternehmen einbringen, das mit sinnvollen Produkten oder Dienstleistungen einen Mehrwert erschafft, nachhaltig wirtschaftet und sein unternehmerisches Handeln nach ethischen Aspekten ausrichtet, kurzum: eine Heldengeschichte erzählt. Dafür braucht es aber Vorbilder.

Doch wo findet man diese? Gibt es denn ein dauerhaft erfolgreiches Unternehmen, welches Krise als Chance begreift, ständig dazulernt, sich selbst organisiert und immer wieder neu erfindet? Ein agiles Unternehmen, das eine kraftvolle Vision hat und für das Innovation und Nachhaltigkeit die wichtigsten Prinzipien sind?

Ja – das gibt es. Die Natur ist ein solches Vorbild. Sie ist das genialste, erfolgreichste, anpassungsfähigste, innovativste und nachhaltigste Unternehmen aller Zeiten – und das seit Millionen Jahren. Als erprobte Krisenmanagerin findet sie immer wieder Lösungen. Sie erschafft einen Mehrwert, indem sie ein ausreichendes Platz- und Nahrungsangebot für ihre Bewohner zur Verfügung stellt. Und da sie sich immer wieder neuen Rahmenbedingungen anpassen muss, kann man sie ohne Weiteres als Erfinderin des Changemanagements bezeichnen. Kein anderes Unternehmen hat diese Leistung jemals erreicht.

Die Erfolgsstory der Natur ist eine Quelle der Inspiration für unsere Wirtschaft. Wir müssen nur ihre Erfolgsrezepte einmal genau anschauen! Natürlich lässt sich das Geschehen in der Natur nicht eins zu eins auf unseren Kontext übertragen. Das muss es auch gar nicht. Die Natur hat kein Bewusstsein. Sie handelt nicht nach einem zuvor definierten Wertekatalog. Sie kopiert immer wieder das, was sich irgendwann einmal als erfolgreich erwiesen hat, in der Natur heißt das: was überlebt hat. Das muss auch nicht zwangsläufig der Größte und Stärkste sein. Manchmal sind es einfach nur die besonders Cleveren, die sich durchsetzen. Unternehmen können davon einiges lernen. Die unzähligen kleinen und großen Erfolgsgeschichten aus der Welt der Flora und Fauna sind nämlich hervorragende Metaphern, um zu verstehen, wie Nachhaltigkeit und Innovation funktionieren können. Und genau darum geht es.

Die Natur ist ohnehin nichts von uns Getrenntes, seit jeher sind wir ein Teil von ihr. Stetiger Wandel ist Bestandteil unserer DNA. In den vergangenen sechs Millionen Jahren, seit wir Menschen uns allmählich auf der Erde ausgebreitet haben, mussten wir uns oft verändern. Klimaveränderungen und wechselnde Umwelteinflüsse zwangen bereits unsere frühesten Vorfahren, sich immer wieder anzupassen. Dass es unsere Spezies noch immer gibt, zeigt aber auch, dass wir durchaus in der Lage sind, Krisen zu meistern. Sonst hätte uns die Natur schon längst in ihrem Archiv unter »Gescheiterte Innovationen« abgelegt und vergessen. Ob es uns allerdings in einigen Hunderten oder Tausenden Jahren noch gibt, hängt davon ab, ob wir in der Lage sein werden, uns daran zu erinnern, dass wir irgendwann einmal aus dem Wasser ans Land gekommen sind und Teil der uns umgebenden Natur sind. Denn die Herausforderungen, denen wir heute gegenüberstehen, haben wir selbst verursacht. Ich bin überzeugt, dass wir vor einem umfassenden Transformationsprozess stehen. Möglicherweise ist unser altes Geschäftsmodell gescheitert. Wir betreten Neuland. Wir müssen alte Gewissheiten loslassen und neue Wege suchen. Das Problem mit uns Menschen ist nur, dass wir eigentlich gar keine Veränderungen mögen. Und schon gar keine Krisen. Unsere Welt soll möglichst immer heil bleiben. Doch das ist eine Illusion!

Ein wesentliches Prinzip des Lebens besteht nämlich darin, dass Altes absterben muss, um Platz für Neues zu schaffen. Denn nur ein Organismus, der sich immer wieder erneuert, ist auf Dauer lebensfähig. Regenerationsprozesse gehören also zur Natur. Ein wunderbares Beispiel dafür ist der mexikanische Schwanzlurch Axolotl: Verliert er ein Bein, wächst ihm innerhalb von fünf Wochen ein komplett neues nach. Auch wir Menschen erhalten uns durch Regenerationsprozesse gesund. Fast alle menschlichen Zellen erneuern sich ständig. Wer mit dem Rauchen aufhört, spürt bereits nach zwei Tagen, dass sich der Geruchs- und Geschmackssinn erholen, nach zwölf Wochen stabilisieren sich Kreislauf und Lunge und nach fünf Jahren ist das Herzinfarktrisiko nicht größer als das eines Nichtrauchers. Unser größtes Organ, die Haut, erneuert sich in nur einem Monat – also zwölfmal pro Jahr! Wird unserer Leber ein Teil entnommen, so wächst diese in nur sechs Monaten wieder zu ihrer ursprünglichen Größe. Und unser Skelett erneuert sich alle acht Jahre.

Wie unsere Zellen unterliegt auch unsere gesamte Persönlichkeit einem ständigen Wandel, denn jede Lebensphase bringt ganz eigene Entwicklungs- und Reifeprozesse mit sich. Das gilt auch für Gesellschaften und Unternehmen, sind sie doch auch lebendige Organismen, die aus vielen einzelnen Menschen bestehen! Veränderungen sind ein not-wendiger Teil unseres Lebens. Der Axolotl denkt nicht darüber nach, wie er es anstellen soll, ein neues Bein zu bekommen. Er spürt auch keinen Schmerz und betrauert nicht den Verlust. Er lässt das neue Bein einfach wachsen. Wir Menschen machen uns das Leben da häufig unnötig schwer, indem wir uns damit beschäftigen, wie schmerzhaft das nun alles ist, was wir verloren haben und was künftig nicht mehr möglich sein wird … Wir können uns das Leben aber auch leichter machen, indem wir ein positives Bild unserer Zukunft entwickeln – und der Heilkraft der Natur vertrauen. Dieses Vertrauen in die Natur und in eine an ihr orientierten Lebensweise sowie die Akzeptanz der Weisheit natürlicher Entwicklungen und Fügungen bildet die Glaubensbasis für ein Management by Nature. Denn wie ich in der Einleitung schon sagte, sind Leadership und Glaube für mich nicht zu trennen. Woran glaubst du, was sind deine Werte?

Abb. 1 Der Phönix – Logo von Natural Leadership (Leadership Coaching)

Für meine Marke habe ich den Phönix als Logo gewählt. Warum? Dieser mythische Vogel verbrennt am Ende seines Lebenszyklus, um anschließend aus seiner Asche wieder neu aufzuerstehen. In verschiedenen Kulturen wird er daher als Symbol der Wiedergeburt, der Erneuerung und der Unsterblichkeit verehrt. Der Phönix symbolisiert den ewigen Kreislauf des Werdens und Vergehens der Natur, er steht für Transformation und Veränderung. Feuer gilt als reinigendes Element, daher ist der Phönix das Sinnbild der Transformation und Veränderung. Kaum ein Mythos passt so perfekt in diese Zeit! Wir müssen all das loslassen, was uns Menschen und der Natur, in der wir leben, schadet und uns nicht weiterbringt. Nur so kann etwas Neues entstehen! Denn eine Wirtschaft, die lediglich auf schnellen Profit durch industrielle Massenproduktion qualitativ minderwertiger Produkte setzt, ist nicht natürlich. Eine von Technik dominierte Lebensweise, die sich nicht an den Bedürfnissen der Menschen orientiert, macht krank. Rücksichtsloses Profitstreben und der Glaube an die Notwendigkeit fortwährenden Wirtschaftswachstums erschweren ein friedliches Miteinander und zerstören die Umwelt! Doch »in einer zerstörten Welt kann man auch nicht erfolgreich wirtschaften«, stellte der Dalai Lama in einem Interview3 fest und bezeichnete das »Leben, Arbeiten und Wirtschaften mit der Natur – und nicht mehr länger gegen sie – als unseren großen Lernprozess«. Ein von der Natur inspiriertes Management erkennt an, dass wir nur dann erfolgreich wirtschaften, wenn wir die Reinheit von Erde, Luft und Wasser, die Vielfalt der Pflanzen und Tiere sowie die Rhythmen der Natur schützen und die Menschen in unserem Wirtschaftssystem wertschätzen. Respekt ist daher das wichtigste Prinzip dieses Führungsstils – sowohl vor der Natur in der Umwelt als auch vor der Natur in uns Menschen.

Unternehmen als lebendiger Organismus

Management by Nature bedeutet, Unternehmen und Organisationen einmal aus einer ganz anderen Perspektive zu betrachten: als lebendige Organismen. Diese Vorstellung ist tatsächlich noch relativ neu. Es hat den Anschein, dass in vielen Führungsetagen des Topmanagements die klassische Betriebswirtschaftslehre noch immer einen hohen Stellenwert genießt, obwohl es mittlerweile zahlreiche neuere Ansätze gibt.

Die klassische Betriebswirtschaftslehre beschäftigt sich mit der Führung, Steuerung und Organisation eines Unternehmens. Ihr Ziel besteht darin, Konzepte und Methoden zur Verbesserung der betrieblichen Leistung zu entwickeln. Dafür betrachtet sie die formalen Strukturen einer Organisation, also ihre Hierarchien, Regeln, Prozesse und Methoden. Anhand dieses Wissens wird dann versucht, Organisationen zu verstehen und dadurch ihre Effizienz, Rentabilität und Wettbewerbsfähigkeit zu steigern.

Das funktioniert auch ganz prima, wenn es darum geht, einen Werkzeugkoffer für die Analyse von Entscheidungsprozessen zu haben und Handlungsempfehlungen zur Optimierung betrieblicher Entscheidungen zu geben. Diese sogenannte »neue Betriebswirtschaftslehre« entstand Ende des 20. Jahrhunderts, also zu Zeiten der Hochindustrialisierung und der Wirtschaftswunder, als die Zukunft noch grenzenlos und rational planbar schien und auch noch kein Bewusstsein für die Grenzen und Schattenseiten des Wachstums vorhanden war. Dieses entstand erst ein ganzes Jahrhundert später.

Daher wundert es auch nicht, dass der klassischen Sichtweise ein Verständnis zugrunde liegt, welches Unternehmen und Organisationen als eine Art Maschine betrachtet. Denn auch Maschinen haben einen bestimmten Zweck: Sie sollen eine möglichst hohe Rendite erwirtschaften und das eingesetzte Kapital mehren. Eine Maschine ist zudem vollkommen planbar und berechenbar: Jeder, der die Bedienungsanleitung gelesen und sich mit ihr beschäftigt hat, weiß, wie sie bedient oder gesteuert wird.

Ein Unternehmen als Kaffeemaschine – diesen unterhaltsamen Vergleich stellt der Autor und Journalist Matthias Nöllke in seinem Buch »So managt die Natur«4 an. Ein Kaffeeautomat findet sich schließlich in jedem Unternehmen. Allen ist klar, dass er einem bestimmten Zweck dient, nämlich unterschiedliche Kaffeegetränke herzustellen. Das tut er jedoch nicht aus eigenem Antrieb. Dafür gibt es die Führungskräfte, welche die Maschine mithilfe verschiedener Stellhebel steuern: Drücken sie eine bestimmte Taste, erhalten sie das richtige Ergebnis, zum Beispiel einen Espresso. Falls das einmal nicht wie gewünscht funktioniert und statt Espresso nur Wasser herauskommt, hat entweder die Führungskraft einen Fehler gemacht – oder das Gerät ist defekt. Um den Fehler abzustellen, kann man nun entweder Alternativen ausprobieren, eine komplizierte Gebrauchsanweisung lesen oder einen Servicetechniker, also einen Unternehmensberater, hinzuziehen. Die Kaffeemaschine wird dann vielleicht repariert, teilerneuert oder neu zusammengesetzt. Kann sie ihren Zweck überhaupt nicht mehr erfüllen, dann wird sie abgeschaltet.

Da die Maschinenmetapher einem linearen und kausalanalytischen Prinzip folgt, wird sie immer noch gerne auf Unternehmen übertragen: Tue A, wenn du B erreichen willst. Das ist ebenso einfach wie transparent und nachvollziehbar und dadurch eine große Hilfe bei der Reduktion von Komplexität. Das Verhalten folgt klaren Regeln, Rechtfertigungen sind nicht notwendig. Und last but not least lassen sich die Verantwortlichkeiten klar bestimmen: Wenn etwas nicht klappt, dann ist der schuld, der die falsche Taste gedrückt hat – also ganz klar ein Fehler des Managements. Oder vielleicht klemmt auch die Maschinerie, weil eine Wartung oder Reparatur nötig ist. Oder es waren die Mitarbeiter, die ihre Vorgaben mangelhaft umgesetzt haben, vielleicht sollte man sie besser motivieren oder auf Seminare schicken!

In der Maschinenperspektive gibt es also immer einen guten Grund, warum etwas funktioniert – oder nicht. Daher galt die Maschinenmetapher lange Zeit als Modell, um Stellschrauben zu definieren und Methodenkoffer zu entwickeln.

Bei modernen Organisationen in einem hochdynamischen Marktgeschehen kommt sie jedoch an ihre Grenzen. Dafür gibt es zwei Gründe: Zum einen möchten Menschen gerne als Individuen gesehen werden und nicht als vorhersehbares und leicht zu ersetzendes Teil einer großen Maschine. Und zum anderen hilft die Maschinenlogik bei modernen Entwicklungen wie Digitalisierung, Globalisierung, Individualisierung, New Work und Innovationsdruck nicht weiter. Unternehmen lassen sich nun mal nicht steuern wie Maschinen, und Führungskräfte, die ja selbst ein wesentlicher Teil des Systems sind, können nicht von außen eingreifen, als würden sie einen Kaffeeautomaten bedienen. Auch wenn wir uns im Alltag größtmögliche Kontrolle und Vorhersehbarkeit wünschen – im komplexen Umfeld von Organisationen sind sie eine Illusion. Selbst die konservativsten Unternehmen haben das mittlerweile begriffen und versteckte, agile Lösungen entwickelt, die ihre Wettbewerbsfähigkeit und ihr Überleben unter veränderten Bedingungen sicherstellen.

Für diese sehr informellen Prozesse und dynamischen Formen der Wertschöpfung bietet die Maschinenmetapher keine Hilfestellung. Dafür braucht es eine andere Theorie.

Die Neue Systemtheorie von Niklas Luhmann5 ist ein solcher Ansatz – ein Erklärungsmodell für soziale Systeme, welches eine vollkommen andere Perspektive auf Unternehmen bietet. Wie der Name schon vermuten lässt, besteht der Anspruch der Systemtheorie darin, grundlegende Prinzipien von Systemen zu formulieren. Ein System kann aus ganz unterschiedlichen Elementen zusammengesetzt sein – ein Computernetzwerk, ein biologischer Zellverbund, eine Familie oder eben auch ein Unternehmen oder eine Organisation.

So unterschiedlich diese Gebilde auch aussehen mögen – sie alle haben Gemeinsamkeiten. Die Systemtheorie untersucht identische Strukturen und nutzt diese Erkenntnisse, um dadurch das Verhalten komplexer Systeme vorherzusagen.

Lebende Systeme sind unter anderem dadurch gekennzeichnet, dass sie

sich selbst steuern,

nicht von außen geplant und konstruiert werden können,

sich permanent wandeln und ein Gedächtnis haben,

an ihr Umfeld gekoppelt sind und sich daran anpassen,

trotz Veränderungen eine eigene Identität besitzen.

Wendet man die Kennzeichnungen von Luhmann auf Unternehmen an, bedeutet das, dass ein Unternehmen sich selbst steuert, dadurch ein Eigenleben hat, nicht von außen wie eine Maschine gesteuert werden kann, in permanentem Wandel ist, ein kulturelles Gedächtnis hat, anpassungsfähig an sein Umfeld ist und trotz aller Veränderung eine eigene Identität besitzt.

Wenn also ein Unternehmen ein lebendiger Organismus ist – was liegt dann näher, diesen Organismus mit denselben Mechanismen zu führen, die schon seit Jahrtausenden, ja Jahrmillionen in der Natur erprobt sind?

Natural Leadership – von der Natur führen lernen

Wie führt die Natur eigentlich? Was kannst du als Natural Leader von der Natur lernen? Das Wort Natural bedeutet »naturgemäß«. Ein Natural Leader ist daher in der Übersetzung ein naturgemäßer, ein natürlicher Anführer. Doch was bedeutet das?

Stell dir einmal vor, die Natur besäße eine Führungsakademie, in der ihre erfolgreichsten Natural Leaders ausbildet werden. Was wären die Vorlesungen, die Führungskräfte besuchen würden, um Zugang zu den natürlichen Entwicklungen und Fügungen zu bekommen? Welche Strategien und Handlungsweisen, die sich seit Jahrmillionen erfolgreich bewähren, wären wichtig zu verstehen? Was hat sich in einem sich ständig veränderndem Umfeld, geprägt von Unsicherheit und Komplexität, bewährt?

Natural Leadership steht für einen kraftvollen Führungsstil in einem Unternehmen, welches eine (Überlebens-)Strategie gefunden hat und für das Anpassung, Veränderung und Effizienz die wichtigsten Prinzipien sind.

In der Natur sind

Entwicklung als Mission und Strategie,

Selbststeuerung und Diversität,

Empathie und Mitgefühl,

Klarheit und Selbstmanagement,

Intuition, Entscheidungen und Resilienz,

Gemeinschaft als Überlebensfaktor,

Konfliktlösung ohne Kampf,

Lebendigkeit und Kommunikation sowie

Stärkenorientierung und Akzeptanz

natürliche Prinzipien und erprobte Grundsätze. Und genau um diese Elemente geht es in diesem Buch!

3. Kapitel

Die 9 Felder des Natural Leadership Canvas

Leadership ist eine Haltung. Und Haltung hat etwas mit halten zu tun! Wenn du andere Menschen inspirieren und ein Stück ihres Weges begleiten möchtest, dann sollte es daher in deinem Leben etwas geben, das dich hält – etwas, woran du aus tiefster Überzeugung glaubst, was deinem Leben Orientierung gibt und Sinn stiftet. Spiritualität heißt letztendlich nichts anderes, als deinen eigenen Spirit zu leben: all das, was du kannst, was du bist und was dich als Menschen wirklich ausmacht. Und da du selbst der Held deines Lebens bist, kannst du auch deine Heldengeschichte selbst schreiben! Ich möchte dir in diesem Kapitel ein Werkzeug vorstellen, das dich dabei unterstützt, dich mit ganzem Herzen auf das Abenteuer Führung einzulassen. Beim Segeln durch unbekannte Gewässer soll es dein Kompass sein, der dich immer wieder auf Kurs bringt. Anders als bei einem Navigationsgerät funktioniert dieser Natural-Leadership-Kompass jedoch etwas anders: Indem er sich an deinen Werten, Einstellungen und Grundhaltungen orientiert, begleitet er dich auch auf einer Reise in dein Inneres, zu dir selbst. Alles, was du dazu brauchst, um deine persönliche Haltung als Natural Leader zu entwickeln, ist ein wenig Zeit, um über all das nachzudenken, was dir wirklich wichtig ist. Denn auch jeder Kapitän führt vor Antritt einer Reise einige wichtige Checks durch!

Wie positioniere ich mich als Führungskraft? Stimmt das Ziel? Weiß ich, wo ich wirklich hinwill? Habe ich die Segel richtig gesetzt? Was für ein Bild habe ich von meiner Mannschaft? Sehe ich ihre Stärken und ihr Potenzial? Was ist meine Rolle an Bord? Habe ich ein engagiertes Team, und was motiviert diese Menschen? Haben sie die gleiche Sehnsucht nach dem Meer wie ich? Wie bleibe ich gesund und leistungsfähig, auch wenn die Fahrt anstrengend und strapaziös wird? Was tue ich, wenn es Konflikte gibt? Wie kommunizieren wir? Und vor allem: Woran glaube ich? Was ist mein Fixstern, der mir auch bei schlechter Sicht und Unwettern Orientierung gibt?

Für alle diese Fragen hat auch die Natur eine Antwort und sie erzählt uns die schönsten Geschichten. Als Rahmen für deinen Natural-Leadership-Kompass dient ein bekanntes Businesstool, das Business Modell Canvas, welches ich um typische Fragestellungen für Leader erweitert und mit Erfolgsrezepten der Natur kombiniert habe. Somit kannst du dir im Verlauf dieses Buches deine eigene, authentische Geschichte schreiben. Im ursprünglichen Sinne ist das Business Modell Canvas ein Tool zur strategischen Planung innovativer Geschäftsideen. Der Schweizer Alexander Osterwalder entwickelte es 2008 und veröffentlichte es in seinem Buch »Business Model Generation«6. Mithilfe des Business Modell Canvas kann man das Geschäftsmodell einer Start-up-Idee sehr klar visualisieren und testen, ob dieses unternehmerisch sinnvoll ist. Es dient also als eine Art Kompass im Strategieprozess. Für Visionäre, die Innovationen vorantreiben und neue Impulse setzen wollen, ist das dynamischere Business Modell Canvas mittlerweile häufig die bessere Wahl als der Businessplan. Die Fragestellungen, die dabei relevant sind, können dich auch als Leader weiterbringen, selbst wenn du kein neues Geschäftsmodell entwickeln oder gar kein neues Unternehmen gründen möchtest:

Ist meine Idee unternehmerisch durchdacht? Funktioniert mein Geschäftsmodell, wenn ich mich langfristig am Markt positionieren und viele Menschen erreichen möchte? Welche innovativen Ideen sollte ich entwickeln, um auch in Zukunft erfolgreich zu sein?

Auch als Leader sollte deine Geschäftsidee strategisch klug und nachhaltig sein, wenn du dich langfristig positionieren und die Menschen in deinem Umfeld erreichen möchtest. Ich habe daher die neun Schlüsselfaktoren des Business Modell Canvas durch neun essenzielle Schlüsselfragen für Leader ersetzt und mit einem Praxisbeispiel aus dem Management der Natur ergänzt. Das Tool eignet sich sowohl für Neueinsteiger in eine Führungsposition als auch für alte Hasen, die innovative Zukunftsideen als Leader entwickeln wollen. Der Charme des Natural Leadership Canvas liegt darin, dass es schnell und einfach anzuwenden ist. Alles, was du dafür benötigst, ist ein Flipchart oder großes Blatt Papier. Die neun Schlüsselfaktoren werden als neun Felder eines Rechtecks aufgezeichnet. Das sieht dann folgendermaßen aus:

Abb. 2 Das Natural Leadership Canvas – Gesamtübersicht

Als Nächstes geht es darum, die Felder mit Inhalten zu füllen. In den folgenden Kapiteln beschreibe ich die Bedeutung jedes Feldes ausführlich. Jedes Kapitel enthält konkrete Tipps für deine Führungspraxis, Reflexionsfragen oder Checklisten.

Auf meiner Webseite kannst du dir unter folgendem Link die Vorlagen für dein Natural Leadership Canvas herunterladen und ausdrucken:

https://www.naturalleadership.coach/management-by-nature/

Du findest dort elf Seiten – neun einzelne für jedes Prinzip – sowie die oben abgebildete Gesamtübersicht und eine weitere Seite für die Essenz deiner Geschichte. Nachdem du ein Kapitel durchgearbeitet hast, kannst du die Zusammenfassung deiner Gedanken direkt auf das entsprechende Einzelblatt schreiben.

So entwickelst du allmählich deine eigene Story und erhältst gleichzeitig eine Art Navigationshilfe, auf die du im Führungsalltag immer wieder zurückgreifen kannst. Ganz am Ende des Buches überträgst du deine wichtigsten Erkenntnisse auf die Gesamtübersicht. Wie das alles funktioniert und was dabei zu beachten ist, erkläre ich dir im letzten Kapitel.

Praxistipp 1