Management in der Sozialwirtschaft - Michael Mroß - E-Book

Management in der Sozialwirtschaft E-Book

Michael Mross

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Beschreibung

Wie funktioniert gute Personalführung? Was sind Zielvereinbarungen und wie gelingt das Marketing? Das sind Fragen, die sich Studierende und Fachkräfte der Sozialen Arbeit stellen müssen, wenn sie eine Leitungsfunktion ausüben oder anstreben. In dieser Einführung wird das Management in der Sozialwirtschaft grundlegend erklärt - kompakt und ohne Voraussetzungen verständlich für Anfängerinnen und Anfänger. Dabei zeigt das Buch Besonderheiten der Sozialwirtschaft auf, die für (zukünftige) Führungskräfte unverzichtbar sind. Die Hauptthemen Strategie und Controlling, Organisation, Qualitätsmanagement, Marketing, Personalführung und Finanzierung werden jeweils in Bezug auf Soziale Organisationen erklärt. Auf diese Weise ermöglicht das Buch, sich in kurzer Zeit in sozialwirtschaftliches Management einzuarbeiten und dieses Wissen in der Praxis umzusetzen.

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Inhalt

Cover

Titelei

Vorwort zur dritten Auflage

1 Einordnung der Sozialwirtschaft

1.1 Historische Entwicklung der Sozialwirtschaft

1.2 Sozialwirtschaft im Gefüge der Wissenschaften

1.3 Abgrenzungen der Sozialwirtschaft

1.3.1 Sozialmanagement und Sozialwirtschaft

1.3.2 Abgrenzungsversuche aus Politik und Gesetzgebung

1.3.3 Abgrenzungsversuche in Studien und Literatur

1.3.4 Abgrenzungskriterien für das Verständnis von Sozialwirtschaft

1.3.5 Sozial- und Gesundheitswirtschaft

1.3.6 Sozialwirtschaft und Dritter Sektor

1.3.7 Sozialwirtschaft und Non-Profit-Sektor

1.3.8 Sozialwirtschaft und öffentlicher Sektor

1.3.9 Sozialwirtschaft und Profit-Sektor

2 Sozialwirtschaft im Gefüge der freien Wohlfahrtspflege

2.1 Begriff der »Wohlfahrtspflege«

2.2 Struktur und Funktion der Wohlfahrtspflege

2.3 Volkswirtschaftliche Bedeutung

3 Träger, Verbände und Unternehmen der Sozialwirtschaft

3.1 Elementare Strukturierung

3.2 Öffentliche Träger

3.3 Private Träger

3.3.1 Träger der freien Wohlfahrtspflege

3.3.2 Gewerbliche Träger

3.4 Ausblick auf mögliche Entwicklungen

4 Die soziale Dienstleistung in der Sozialwirtschaft

4.1 Begriff der Dienstleistung

4.2 Personenbezogene soziale Dienstleistungen

4.3 Besonderheiten personenbezogener sozialer Dienstleistungen

5 Markt und Ökonomik in der Sozialwirtschaft

5.1 Schlüssige Tauschverhältnisse

5.2 Nicht-schlüssige Tauschbeziehungen und sozialrechtliches Dreieck

5.3 Die soziale Dienstleistung als besonderes ökonomisches Gut

5.4 Das ökonomische Prinzip in der Sozialwirtschaft

6 Grundlagen des Managements

6.1 Begriff, Funktionen und Kreislauf des Managements

6.2 Elementare Managemententscheidungen

6.2.1 Normative Grundsatzfragen

6.2.2 Strategische Planung

6.2.3 Bedeutung von »Stakeholdern« für Strategiefindung

6.2.4 Grundsatzfragen einer Stakeholderstrategie

6.3 Strategische Umwelt- und Organisationsanalyse

6.3.1 PEST-Analyse

6.3.2 SWOT-Analyse

6.3.3 Szenario-Technik

6.3.4 Strategische Grundsatzentscheidung

6.4 Controlling als operatives Management

6.4.1 Begriff und Grundlagen

6.4.2 Kosten- und Leistungsrechnung

6.4.3 Deckungsbeitragsrechnung

6.4.4 Budgetierung

6.4.5 Kennzahlen und Benchmarking

6.4.6 Balanced Scorecard

6.5 Soziale Organisationen mit Zielen und Zielvereinbarungen steuern

6.5.1 Kontraktmanagement im »Neuen Steuerungsmodell«

6.5.2 Zielvereinbarungen im Personalmanagement

6.6 Organisation

6.6.1 Begriff und Verständnis von »Organisation«

6.6.2 Die Stelle als Gestaltungsobjekt – Stellenbildung

6.6.3 Die Stellenbeschreibung

6.6.4 Aufbauorganisation und Leistungsspanne

6.6.5 Möglichkeiten der Aufbauorganisation

6.6.6 Ablauf- bzw. Prozessorganisation

6.7 Qualitätsmanagement

6.7.1 Grundlagen und rechtlicher Bezug

6.7.2 Qualität: Begriff und Dimensionen

6.7.3 Qualitätsmanagement nach dem EFQM

6.8 Marketing

6.8.1 Verständnis und Grundlagen: Non-Profit-Marketing vs. Sozialmarketing

6.8.2 Marketing – Aufgaben und Ziele

6.8.3 Forschung im Marketing – Marketing-Forschung

6.8.4 Marketing-Mix

6.9 Personal und Personalführung

6.9.1 Personal der Sozialwirtschaft

6.9.2 Verfügbarkeit und Wirksamkeit von Personal

6.9.3 Wirkungsfelder von Personalführung

6.9.4 Personalführung und Menschenbild

6.9.5 Autorität und Macht als Grundlage von Führung

6.9.6 Elementare Führungsstile

6.9.7 Führung und Kommunikation

7 Finanzierung

7.1 Objekt- und subjektorientierte Finanzierung aus öffentlichen Mitteln

7.1.1 Objektorientierte Finanzierung

7.1.2 Subjektorientierte Finanzierung

7.2 Nichtöffentliche Finanzierung

7.2.1 Sponsoring

7.2.2 Fundraising

Literaturverzeichnis

Der Autor

Prof. Dr. Michael Mroß, Dipl.-Kfm., vertritt das Lehrgebiet Sozialmanagement an der Technischen Hochschule Köln. Praktische Erfahrung sammelte er u. a. als Abteilungsleiter einer großen NPO der Sozialwirtschaft sowie in unternehmensberatender Funktion. Seine Lehr- und Forschungsschwerpunkte liegen vor allem im Bereich des Personal- und Organisationsmanagements sowie ökonomischer Grundsatzfragen der Sozialwirtschaft.

Michael Mroß

Management in der Sozialwirtschaft

Eine kompakte Einführung

3., erweiterte und überarbeitete Auflage

Verlag W. Kohlhammer

Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Die Wiedergabe von Warenbezeichnungen, Handelsnamen und sonstigen Kennzeichen in diesem Buch berechtigt nicht zu der Annahme, dass diese von jedermann frei benutzt werden dürfen. Vielmehr kann es sich auch dann um eingetragene Warenzeichen oder sonstige geschützte Kennzeichen handeln, wenn sie nicht eigens als solche gekennzeichnet sind.

Es konnten nicht alle Rechtsinhaber von Abbildungen ermittelt werden. Sollte dem Verlag gegenüber der Nachweis der Rechtsinhaberschaft geführt werden, wird das branchenübliche Honorar nachträglich gezahlt.

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3., erweiterte und überarbeitete Auflage 2024

Alle Rechte vorbehalten© W. Kohlhammer GmbH, StuttgartGesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Print:ISBN 978-3-17-044844-5

E-Book-Formate:pdf:ISBN 978-3-17-044845-2epub:ISBN 978-3-17-044846-9

Vorwort zur dritten Auflage

Mit dem vorliegenden Text kommt der Autor dem Wunsch vieler seiner Studierenden nach, eine möglichst verständliche und vor allem kompakte Begleitlektüre zur Lehrveranstaltung »Sozialwirtschaft« an die Hand zu bekommen. Als solche richtet sich das Buch insbesondere an Studierende im engeren Sinne sozialwissenschaftlicher Studiengänge, die sich ohne Vorkenntnisse diesen Themenbereichen nähern wollen (oder müssen).

Eine besondere Herausforderung bestand darin, einen Text zu verfassen, der sich zwar überwiegend mit dezidiert wirtschaftswissenschaftlichen Fragestellungen und Perspektiven des Sozialen Sektors befasst, der aber vor allem für Nicht-Ökonomen verständlich, lesbar und informativ sein soll. Ebenso sollten Praktikerinnen, die einen Einstieg in den Bereich der Sozialwirtschaft suchen und sich über etwaige Besonderheiten informieren möchten, von diesem Einführungswerk profitieren. Rückmeldungen dazu, inwiefern dieses gelungen ist, sind herzlich willkommen.

Dem Wunsch nach einer kompakten Darstellung folgend, wurden die Inhalte entsprechend gestrafft und auf das Wesentliche konzentriert. Eine bewusste Verdichtung zu Gunsten einer allgemeineren Verständlichkeit war somit nicht nur unvermeidbar, sondern gewollt. Am Ende eines jeden Abschnitts finden sich Literaturempfehlungen, die den Einstieg in ein vertiefendes Studium einzelner Themen ermöglichen.

Die vorliegende dritte Auflage wurde vollständig durchgesehen, aktualisiert und inhaltlich überarbeitet, ohne dabei die bewährte Grundstruktur wesentlich zu verändern.

Michael MroßKöln, im April 2024

1 Einordnung der Sozialwirtschaft

1.1 Historische Entwicklung der Sozialwirtschaft

Dass heute (sozial-)‌wirtschaftliche Überlegungen im Zusammenhang mit den Arbeits- und Handlungsbereichen der im weiteren Sinne Sozialen Arbeit bzw. des Sozial- und Gesundheitswesens diskutiert werden, ist das Ergebnis einer jahrzehntelangen Entwicklung, die sich grob in mehrere Phasen untergliedern lässt. Wendt (2018, S. 67) unterteilt die Entwicklung der Sozialwirtschaft und ihr Verständnis in drei Phasen. Die erste Phase beginnt Ende des 18. Jahrhunderts mit den englischen »friendly societies« als Versicherungsvereinigungen von Handwerkern und Arbeitern. Gleichzeitig entstehen Kooperativen als Gegenentwurf zu kapitalistischen Produktionsbedingungen. In Frankreich gesellen sich die »mutuelles« und solidarwirtschaftlichen Projekte hinzu, die das gesamte 19. Jahrhundert hindurch prägen. In dieser Zeit entwickelt sich auch die Theorie der Sozialwirtschaft, insbesondere in Frankreich. Die zweite Phase, die Wendt etwa zwischen 1920 und 1980 verortet, ist geprägt von der Fortführung der Ideen und Praktiken von Assoziationen, Genossenschaften und Solidarvereinigungen in einigen Ländern. Gleichzeitig werden allgemeine Versorgungsaufgaben im Rahmen des wohlfahrtsstaatlichen Systems behandelt, »ohne dass deren Erbringung über die Verwaltung hinaus sozialwirtschaftlich bedacht und organisiert« wurde. Die dritte Phase sieht Wendt (2018, S. 67) darin, dass sich daraufhin die Europäische Union der Thematik annimmt. Der Bereich des »not for profit«-Wirtschaftens wird als eigenständige Wachstumsstrategie der Gemeinschaft erkannt.

»In diskursiver Durchdringung der Politik und der Praxis sozialwirtschaftlichen Handelns hat sich derweil eine Theorie des ganzen Komplexes der sozialen Produktion personenbezogener Wohlfahrt angenommen. Sozialwirtschaft übergreift nun das soziale Versorgungsgeschehen in allen seinen ökonomischen Aspekten« (Wendt 2018, S. 67).

Auf Deutschland bezogen kann nach Maelicke (2009, S. 703 f.) der Ausgangspunkt des heutigen Systems im 19. Jahrhundert angesetzt werden, als – überwiegend aus religiösen Gründen – erste freiwillige, zumeist unprofessionell Engagierte sich der im weitesten Sinne ›Benachteiligten‹ annahmen. Dem folgte zur Zeit der Weimarer Republik die Gründung von Wohlfahrtsorganisationen und staatlichen Sozialstellen in Form von Jugend-‍, Sozial- und Gesundheitsämtern. Mit Ende des Zweiten Weltkrieges vollzog sich in der Bundesrepublik der Aus- und Aufbau des Sozialsystems, wie es überwiegend auch heute noch vorherrscht. Es ist charakterisiert durch einen sogenannten Welfare-Mix von hauptsächlich öffentlichen und gemeinnützigen Trägern (freie Wohlfahrtspflege, ▸ Kap. 2). Wirtschaftliche bzw. ökonomische Erwägungen spielten in dieser Zeit keine ernsthafte Rolle. Im Gegenteil, diese Phase ist geprägt durch eine bewusst deutliche und z. T. ideologisch aufgeladene Abgrenzung zu erwerbswirtschaftlichen Organisationen und deren Denkhaltungen und Methoden. Spätestens mit Beginn der 1990er Jahre verschärft sich die gesellschaftliche und politische Kritik an der Leistungsfähigkeit und Finanzierbarkeit des gegebenen Sozialsystems derart, dass zunehmend Lösungsansätze aus dem Management- bzw. Wirtschaftsbereich herangezogen werden. Die historisch, weltanschaulich oder sozialpolitisch begründete Abgrenzungen des Sektors sozialer Dienstleistungen von der gesamtvolkswirtschaftlichen Entwicklung kann spätestens mit der letzten Jahrhundertwende nicht mehr aufrechterhalten werden (Maelicke 2009, S. 704).

»Es geht nunmehr darum, Gemeinsamkeiten, aber auch Trennendes zwischen For-Profit-Organisationen, Non-Profit-Organisationen und Sozialwirtschaftlichen Organisationen genauer herauszuarbeiten mit dem Ziel, für die Nutzer/Kunden eine bestmögliche Dienstleistung zu einem möglichst günstigen Preis verfügbar zu machen« (Maelicke 2009, S. 704).

Heute wird vor allem in der sozialwirtschaftlichen Praxis kaum mehr ernsthaft in Frage gestellt, dass die Hinwendung zu betriebswirtschaftlichen Steuerungsansätzen einen elementaren Bestandteil der Sozialwirtschaft darstellt. Am Horizont zeigen sich mit der auf europäischer Ebene geführten Diskussion um das sogenannte »Social Entrepreneurship« (Soziales Unternehmertum) weitergehende Entwicklungsperspektiven auf. So treten »Social Entrepreneure« mit dem Ziel auf, den Widerspruch von ökonomischer und sozialer Orientierung zu überwinden und mit privaten unternehmerischen Ansätzen ohne staatliche Unterstützung gesellschaftsdienliche Projekte umzusetzen.

1.2 Sozialwirtschaft im Gefüge der Wissenschaften

Die Frage, wo die Sozialwirtschaft bzw. das Management in und von sozialwirtschaftlichen Organisationen wissenschaftlich zu verorten ist, kann keinesfalls als geklärt gelten. Wöhrle (2008, S. 204) bezeichnet das Management in der Sozialwirtschaft bildhaft »als Kind mehrerer Mütter und Väter«. Aus dem Kreis der in Frage kommenden »Eltern« können mindestens etwa Disziplinen wie die (Sozial-)‌Politik, die Soziologie, die Verwaltungswissenschaft, die Organisationswissenschaft, die Wirtschaftswissenschaft und Wissenschaften aus den Arbeitsfeldern der Sozialen Arbeit angesehen werden (Brinkmann 2010, S. 8). Bevor der genauen Verortungsfrage jedoch weiter nachgespürt wird, empfiehlt es sich, dass wir uns zunächst auf den zentralen Begriff der Wissenschaft verständigen.

Im Weiteren soll als Definition von Wissenschaft von der folgenden Festlegung ausgegangen werden: »Wissenschaft ist jede intersubjektiv überprüfbare Untersuchung von Tatbeständen und die auf ihr beruhende, systematische Beschreibung und – wenn möglich – Erklärung der untersuchten Tatbestände« (Speck 1980, S. 726). Die verwendete Definition hebt insbesondere zwei Aspekte hervor: Beschreibung und Erklärung. Intersubjektivität meint dabei, dass die erzielten Ergebnisse nicht nur für die jeweiligen Wissenschaftlerinnen nachvollziehbar sein sollen, sondern auch andere, fachlich hinreichend Qualifizierte die erzielten Ergebnisse verstehen und überprüfen können müssen.

Abb. 1:Einteilung der Wissenschaften

Die angebotene Einteilung der Wissenschaften (▸ Abb. 1) ist als möglicher, recht weit verbreiteter Vorschlag zu begreifen – alternative Ordnungen sind möglich und vorhanden. Sozialwirtschaft basiert auf den beiden Begriffsteilen des Sozialen und der Wirtschaft: Menschen in Haushalten und Betrieben mussten sich immer schon mit der Notwendigkeit des Wirtschaftens auseinandersetzen, denn Wirtschaften bedeutet nichts anderes als den rationalen Umgang mit dem Phänomen der Knappheit. Als akademische Disziplin einer Lehre und theoretische Durchdringung des Wirtschaftens ist die »Wirtschafts-Wissenschaft« noch vergleichsweise neu. Die Wirtschaftswissenschaft, die sich aus der Volks- und der Betriebswirtschaftslehre zusammensetzt, kann in der obigen Ordnung innerhalb der sogenannten Realwissenschaften verordnet werden. Die Realwissenschaften befassen sich mit im weiteren Sinne tatsächlichen Gegenständen oder Zusammenhängen der vom Menschen wahrnehmbaren und/oder geschaffenen Wirklichkeit. Die Realwissenschaften lassen sich weiter unterscheiden nach Natur- und Geisteswissenschaften. Während sich die Naturwissenschaften mit natürlichen Sachverhalten befassen, also mit Teilen der Realität, die z. B. auch ohne den Menschen existieren (würden), befassen sich die Kultur- bzw. Geisteswissenschaften mit Bereichen der Wirklichkeit, die nur – und vor allem – in Abhängigkeit von Menschen Teil der Realität sind. So ist z. B. die Rechtsordnung von der Existenz eines von Menschen geschaffenen Kulturguts Recht abhängig, wie auch das Recht als solches Ausdruck und Abbild der kulturellen Normen menschlicher Gesellschaften ist. Die Frage nach dem Wirtschaften ist in analoger Weise einzuordnen. Wirtschaften, also der planvolle Umgang mit Knappheit, ist dabei kein Gegenstand an sich, sondern das Ergebnis von bzw. die Beurteilung durch Menschen. Den vielschichtigen Terminus des Sozialen ausgiebig zu diskutieren, kann nicht Gegenstand dieser Einführung sein. Gleichwohl sind an dieser Stelle einige grundlegende Feststellungen darüber nötig, um den Terminus Sozialwirtschaft adäquat einordnen zu können.

Soziales Handeln ist z. B. in einer klassischen Sichtweise »eine besondere Klasse von Handlungen, die sich dadurch auszeichnet, dass sie (sinnhaft) auf Andere bezogen ist« (Autrata 2011, S. 42). Vor dem Hintergrund versorgungs- und bedarfswirtschaftlicher Betrachtungen der Sozialwirtschaft ist das Handeln gewöhnlich im Kontext ›Hilfe‹ zu sehen, womit z. B. wissenschaftliche Disziplinen wie die Soziologie und die Politikwissenschaften als wichtige Bezugswissenschaften der Sozialwirtschaft in den Fokus rücken, da sie »soziales und wirtschaftliches (Ver)‌Handeln und Hilfeerzeugung eigenständig beschreiben« (Brinkmann 2010, S. 9). Helfendes menschliches Handeln spielt überdies in mehreren wissenschaftlichen Bereichen eine bedeutende Rolle, wie etwa in der Ethik, der Philosophie, der Psychologie und in den Wissenschaften innerhalb der Sozialen Arbeit (vgl. Brinkmann 2010). Da bspw. Teilbereiche der Philosophie dem metaphysischen Zweig der Wissenschaften zuzuordnen sind und andere Bezugswissenschaften wie die Wirtschaftswissenschaft oder Soziologie wiederum Realwissenschaften darstellen, wird deutlich, dass Sozialwirtschaft offenkundig interdisziplinär ausgerichtet ist. Die Nähe zur Wirtschaftswissenschaft steht in unserem Verständnis im Vordergrund, was durch Abbildung 2 verdeutlicht wird (▸ Abb. 2). Der Begriff Sozialwirtschaft legt den Fokus auf die betriebswirtschaftliche Erbringung von Dienstleistungen (Hohendanner et al. 2024, S. 8) und ist »für den Sozialbereich immer noch herausfordernd und nicht immer bequem« (Schellberg 2013, S. 153).

Abb. 2:Verortung der Sozialwirtschaft

Sozialwirtschaft steht derart betrachtet vor allem in einem ökonomischen oder zumindest managerialen Anwendungszusammenhang, so dass Einzelthemen, die in entsprechenden Publikationen im Blickpunkt stehen, ganz überwiegend dem wirtschaftswissenschaftlichen Kontext entstammen (Mroß 2013). Des Weiteren bezeichnet der zweite Wortteil eines zusammengesetzten Begriffs wie Sozial-Wirtschaft im deutschen Sprachgebrauch stets den Gegenstand, also »was es im Kern darstellt«. Beispiele wie Spiel-Platz, Wohn-Zimmer, Ehe-Frau, Sozial-Wirtschaft mögen dies verdeutlichen. So ist ein Spielplatz zunächst vor allem ein Platz bzw. ein Ort. Genauso wie die Ehefrau zunächst einmal ein weiblicher erwachsener Mensch ist. Die Vorsilbe »Spiel« spezifiziert den konkreten Zusammenhang oder die Perspektive, mit der auf diesen Ort geblickt wird, und die Vorsilbe »Ehe« spezifiziert, dass die Frau in einer bestimmten Rolle gemeint ist.

Sozial-Wirtschaft ist in dieser Interpretation folglich vor allem rationaler Umgang mit Knappheit (d. h. Wirtschaft) im Bereich des Sozialen. Die Spezifikation stellt folglich das Soziale, das Helfende bzw. den gesellschaftlichen Bezug dar, der näher darüber Aufschluss gibt, für welchen Bereich es das Phänomen der Knappheit zu untersuchen gilt.

Es ist von daher naheliegend für das Soziale eine spezielle Betriebswirtschaftslehre für Betriebe der Sozialwirtschaft zu entwickeln (z. B. Fleßa 2009; Schellberg 2012; Schellberg 2013; Vogelbusch 2018). Sogenannte »spezielle Betriebswirtschaftslehren« konzentrieren sich auf Fragen und Probleme eines bestimmten Wirtschaftsbereichs. Die Industrie-‍, Handels- oder die Bankbetriebslehre stellen dafür klassische und seit Langem etablierte Beispiele dar. Eine spezielle Betriebswirtschaftslehre der Sozialbetriebe hat sich demzufolge mit den besonderen Rahmenbedingungen, die sich bspw. durch Sozialpolitik ergeben, und mit besonderen funktionalen Fragestellungen (Personalmanagement, Finanzierung, Marketing etc.) zu befassen, die sich in dieser speziellen Ausprägung ausschließlich in diesen Wirtschaftsbetrieben stellen. Das heißt, selbstverständlich müssen alle Arten von Betrieben z. B. Entscheidungen rund um Personal- oder Finanzierungsfragen beantworten. Es existieren aber Besonderheiten in sozialwirtschaftlichen Betrieben, die in dieser Form nur dort anzutreffen sind. Themen, wie das Personalmanagement von Ehrenamtlichen und Freiwilligen oder die Finanzierung durch Spenden, staatliche Zuweisungen und Sozialversicherungsbeiträge, stellen sich nahezu ausschließlich nur für gemeinnützige Betriebe. Insgesamt folgt diese Ausrichtung damit einer Wiederannäherung der Non-Profit-Forschung »an den Mainstream der erwerbswirtschaftlichen Forschung«, freilich unter Berücksichtigung sozialbetrieblicher Besonderheiten im Management (Gmür 2021, S. 12 f.). Wie im weiteren Verlauf dieses Buches noch zu zeigen sein wird, lassen sich

»[d]‌ie meisten Konzepte und Modelle der Sozialen Arbeit [...] auch in ökonomischen Kategorien interpretieren und analysieren [...] Dies ist auch insofern unproblematisch, denn die Ökonomie sieht sich nicht als eine Wissenschaft, die Ziele vorgibt, sondern die die optimale Zielerreichung für gegebene Ziele sucht. Die ›Ökonomisierung‹ des Sozialen ist insofern eher ein Scheinproblem« (Schellberg 2013, S. 152).

1.3 Abgrenzungen der Sozialwirtschaft

Das Feld der Sozialwirtschaft zumindest einigermaßen klar zu umreißen und damit von anderen ggf. verwandten Bereichen abzugrenzen, setzt im Idealfall eine hinreichend klare Klärung des Begriffs als solchen voraus. »Ein Wirrwarr an Begriff und Debatten versperrt die Sicht« auf das Feld, ließe sich pointiert festhalten (Hohendanner et al. 2024, S. 5). Verschiedene Bezeichnungen des sozialen Sektors, die aus unterschiedlichen Diskussionszusammenhängen stammen, erschweren eine exakte begriffliche Klärung. »Care-Sektor, Sozialwirtschaft, Sozialwesen, soziale Infrastruktur, soziale Dienste, Wohlfahrtssektor, Dritter Sektor sind gängige Beispiele«, jedoch ist zu konstatieren, dass der Begriff Sozialwirtschaft sich »sehr weitgehend durchsetzt und vielfach auch die Selbstzuschreibungen der Träger und Dienste dominiert« (Hohendanner et al. 2024, S. 5). Eine Auswahl davon und von anderen sollen für die Zwecke dieses Buches nachfolgend aus unterschiedlichen Perspektiven betrachtet werden.

1.3.1 Sozialmanagement und Sozialwirtschaft

Mit dem Hinweis auf dessen ursprüngliche Herkunft gibt es Bestrebungen, den Kontext des Managements in Sozialen Organisationen möglichst weit weg von betriebswirtschaftlichen Orientierungen zu verorten (Merchel 2009, S. 67 ff.; Wöhrle 2003, S. 111 ff.; Wöhrle 2013). Danach soll vor allem »Sozialmanagement« unterschieden werden vom »Management in der Sozialwirtschaft« und allgemein von Sozialwirtschaft. Während für die beiden letztgenannten Termini eine enge bis sehr enge Anlehnung an betriebswirtschaftliche Fragestellungen und Argumentationen gesehen wird, sollen »die mit der Formel ›Sozialmanagement‹ operierenden Konzeptionierungen, [...] ihre Verbindung zur Sozialen Arbeit als konstitutiv markieren« (Merchel 2009, S. 68). Als Bezugspunkt des Sozialmanagements wird in diesem Verständnis die Fachlichkeit in der Sozialen Arbeit angesehen (Wöhrle 2003, S. 111). Für fachliche und inhaltliche Orientierungen an ökonomisches bzw. betriebswirtschaftliches Gedankengut wird hingegen für die Rede von einem »Management in der Sozialwirtschaft« plädiert. Eine naheliegende Erklärung für diese Position kann darin gesehen werden, dass sowohl sozialwissenschaftliche Theorie und Praxis lange Zeit eine Betrachtung unter wirtschaftlichen Kategorien ablehnten. Der Sozialbereich wurde nicht (auch) als Wirtschaftsbranche wahrgenommen. Ein exemplarischer Blick in das einschlägige Schrifttum fördert daher auch eine Vielfalt von Beiträgen zu Tage, die den Import wirtschaftswissenschaftlichen Denkens in den Sozialbereich mindestens kritisch, wenn nicht sogar strickt ablehnend gegenüberstehen. Es wird bemängelt, dass betriebswirtschaftliche Methoden nicht auf Soziale Organisationen übertragen werden könnten (Brinkmann 2010, S. 9 f.). Vielmehr gehe es darum, einen für den Sozialbereich eigenen managerialen Zugang zu konstruieren. Demgegenüber steht die Auffassung, dass ein solcher eigener Zugang dann einen erkennbaren Input aus dem Theoriefundus der Sozialen Arbeit aufweisen müsste, um den Besonderheitsanspruch zu untermauern und auch die überwiegende Verortung von entsprechenden Studiengängen an den Fachbereichen für Soziale Arbeit zu erklären (z. B. Mroß 2013). Dies scheint bislang nicht erkennbar. Eine Untersuchung von einschlägigen Fach- bzw. Lehrbüchern fördert zu Tage, das zwar vielerorts betont wird, dass es sich beim Management innerhalb sozialwirtschaftlicher Organisationen um etwas ›Eigenes‹ oder ›Besonderes‹ handele. Dieses ›Eigene‹ wird aber allenfalls abstrakt angedeutet, so dass die Darstellungen i. d. R. letzten Endes branchenbezogenen Ausführungen im Sinne einer sogenannten speziellen Betriebswirtschaftslehre gleichkommen (Mroß 2013). Insgesamt entsteht der unbefriedigende Zustand, dass trotz einer inzwischen beachtlichen Anzahl sozialwirtschaftlicher Publikationen, auch aus dem Lehrbuchsektor (z. B. Boedege-Wolf/Schellberg 2003; Wöhrle 2003; Brinkmann 2010; Wöhrle et al. 2013; Arnol et al. 2014) es an einer einheitlichen Bestimmung des Erfahrungsobjekts mangelt. Ungeachtet historischer Bezugspunkte hat sich Sozialmanagement heute de facto zu einem Management in der Sozialwirtschaft, einer speziellen Betriebswirtschaftslehre für Sozialbetriebe entwickelt. Als solche umfasst es sowohl Managementfunktionen (z. B. Planung, Führung, Kontrolle) als auch betriebliche Kernfunktionen (z. B. Beschaffung, Finanzierung, Marketing), die für die Führung, Leitung und den langfristigen Betrieb der sozialwirtschaftlichen Organisation und damit für die Erbringung von sozialen Hilfen notwendig sind.

1.3.2 Abgrenzungsversuche aus Politik und Gesetzgebung

In der Machbarkeitsstudie »Möglichkeiten der Darstellung der volkswirtschaftlichen Bedeutung der Sozialwirtschaft« (DIW econ 2013, S. 3 ff.) sind verschiedene Definitionsansätze für die Sozialwirtschaft aus Literatur, Politik, Gesetzesnormen und trägereigenem Selbstverständnis zusammengetragen worden: Das in der Begriffswelt der Europäischen Union maßgebliche Verständnis von Sozialwirtschaft ist eng an die französische »économie sociale« gekoppelt. In der Charta der Sozialwirtschaft wird diese definiert als

»Gruppe der nicht zum öffentlichen Sektor gehörenden Organisationen, die demokratisch agieren, deren Mitglieder gleiche Rechte und Pflichten haben, bei denen besondere Eigentumsverhältnisse herrschen und eine besondere Form der Gewinnverteilung praktiziert wird, die dadurch gekennzeichnet ist, dass die Überschüsse für die Erweiterung der Organisation und die Verbesserung ihrer Dienstleistungen für die Mitglieder und die Gesellschaft eingesetzt werden« (DIW econ 2013, S. 4).

In dieser Sichtweise stehen weniger die Tätigkeits- oder Geschäftsfelder der sozialwirtschaftlichen Träger im Blickpunkt, sondern vielmehr deren Organisationsform und diese fokussiert der Studie zu Folge vor allem auf Genossenschaften, Wechselseitigkeitsvereine, Non-Profit-Vereine und ggf. auch auf gemeinnützige Stiftungen (DIW econ 2013, S. 3 ff.). Der Definitionsansatz der britischen Regierung weicht hingegen von der EU-Definition ab und stellt vielmehr die sozialen Ziele der jeweiligen sozialwirtschaftlichen Organisation in den Mittelpunkt:

»A social enterprise is a business with primarily social objectives whose surpluses are principally reinvested for that purpose in the business or in the community, rather than being driven by the need to maximize profit for shareholders and owners. Social enterprises tackle a wide range of social and environmental issues and operate in all parts of the economy« (DIW econ 2013, S. 4).

In Deutschland wird – vergleichbar dem britischen Verständnis – häufig, aber keineswegs durchgängig, auf den steuerrechtlichen Tatbestand der Gemeinnützigkeit abgestellt. So definiert z. B. das Bundesministerium für Arbeit und Soziales im Rahmen eines Förderprogramms die Sozialwirtschaft als »Gesamtheit der Unternehmen und Institutionen in gemeinnütziger Trägerschaft« (DIW econ 2013, S. 5). Das Kriterium der Gemeinnützigkeit (▸ Kap. 1.3.7) stellt darin augenscheinlich die ausschlaggebende Komponente dar. Für Deutschland führt dies dazu, dass damit im Wesentlichen die Spitzenverbände der freien Wohlfahrtspflege angesprochen sind. Wie noch deutlich werden wird, wird man damit der Tatsache gerecht, dass im engeren Sinne soziale Arbeitsfelder in Deutschland dominant von den Organisationen und Einrichtungen der sechs Spitzenverbände abgedeckt werden. Gewerbliche privatwirtschaftliche Träger werden indessen folglich ausgeschlossen.

1.3.3 Abgrenzungsversuche in Studien und Literatur

Es ist im Rahmen eines einführenden Textes weder möglich noch sinnvoll einen vollständigen Überblick über die mehr als reichhaltigen Versuche einer Begriffsklärung der Sozialwirtschaft aus dem wissenschaftlichen Schrifttum heraus zu versuchen. Wir werden uns daher ausgewählten und vergleichsweise verbreiteten Klärungsversuchen zuwenden.

Nach Wendt (2013, 11 f.) wird der Gedanke der Gemeinschaft hervorgehoben: Eine sozialwirtschaftliche Organisation ist für ihn »im Idealfall eine Solidar- und Versorgungsgemeinschaft, die für an ihr teilhabenden Menschen einen bestimmten Bedarf im Unterhalt und in der Führung ihres Lebens deckt«. In diesem Sinne umfasst die Sozialwirtschaft im institutionellen Sinne »alle die Organisationen, Unternehmen, Dienste, Einrichtungen und Veranstaltungen, die nach ihrer Zweckbestimmung der sozialen und gesundheitlichen Versorgung von Menschen dienen« (Wendt 2013, S. 11). Neben dieser institutionellen Eingrenzung verweist Wendt auch auf eine funktionale Ausprägung der Sozialwirtschaft. Das heißt, »die Art und Weise, wie [...] gewirtschaftet und der Zweck erfüllt wird: die sozial gestaltete Bewirtschaftung von Versorgung« (Wendt 2013, S.11). Grunwald und Langer (2018, S. 49) beschreiben eine Abgrenzung des Gegenstandbereichs der Sozialwirtschaft anhand von drei unterschiedlichen Weiten: In einem engen Sinne, dem »Kern der Sozialwirtschaft«, umfasst diese lediglich den Bereich der Leistungsträger, insbesondere diejenigen der sogenannten freigemeinnützigen Wohlfahrtspflege (z. B. die Arbeiterwohlfahrt, den Caritasverband etc.), ggf. noch ergänzt und ausgedehnt auf privatgewerbliche Anbieter sozialer und gesundheitsbezogener Dienste. Diese Gegenstandsbestimmung lässt sich dergestalt erweitern, dass auch Kostenträger (z. B. die Sozialversicherungsträger) mit einbezogen werden (vgl. so z. B. auch Karmann et al. 2011). In ihrer weitesten Auslegung lässt sich das Verständnis von Sozialwirtschaft »durch den Einbezug aller Personen und Gemeinschaften, die individuell oder kollektiv in Selbsthilfe Leistungen erbringen«, maximal ausdehnen.

Inwiefern die erweiterte und erst recht die weite Begriffsauslegung für einen Zugang aus einer auch anwendungsorientierten Wissenschaft hilfreich ist, erscheint diskussionsbedürftig. Man bedenke, dass damit z. B. Stiftungen und Wohlfahrtsunternehmen mit nicht selten mehreren Tausenden hauptberuflichen Beschäftigten dann vor dem gleichen Hintergrund zu erörtern wären wie kleine informelle Selbsthilfegruppen. Auch die Frage nach der Hinzurechnung der Kostenträger wirft Diskussionspunkte auf. Die für eine wissenschaftliche Analyse notwendigen Grenzen zwischen Angebots- und Nachfrageseite bzw. zwischen Ressourcennehmern und -gebern wären kaum mehr erkennbar. So macht es unseres Erachtens. einen fundamentalen Unterschied, ob etwa Finanzierungs- oder Marketingaspekte für das städtische Jugendamt oder aber für einen örtlichen AWO-Verband untersucht werden.

1.3.4 Abgrenzungskriterien für das Verständnis von Sozialwirtschaft

Mit der Bezeichnung Sozialwirtschaft wird unabhängig von Detailfragen vor allem unterstrichen, dass es sich bei den Anbietern sozialer und gesundheitsbezogener Dienstleistungen um solche handelt, die gefordert sind, ihre Ressourcen effizient einzusetzen. Ausgehend von diesem Minimalkonsens muss allerdings konstatiert werden, dass die Diskussion von einem einheitlichen Begriffsverständnis nach wie vor weit entfernt ist. Eine Reihe von nicht unerheblichen Fragen bleiben offen:

Gehört der Gesundheitsbereich zur Sozialwirtschaft?

Müssen sozialwirtschaftliche Organisationen eine Non-Profit-Orientierung aufweisen?

Welche Rolle nehmen staatliche Stellen ein?

Inwiefern ist die privat-rechtliche oder öffentlich-rechtliche Rechtsform der Organisation ausschlaggebend?

Diese Beispiele stellen nur eine kleine Auswahl dar, um an dieser Stelle einige besonders markante Abgrenzungsfragen aufzuzeigen (▸ Abb. 3). Vor diesem Hintergrund ist der Strukturierungsversuch von Kramer (2006, S. 5 f.) hilfreich. Danach lassen sich drei wesentliche Merkmale für die Sozialwirtschaft herauskristallisieren:

1.

»Sozial gerichtetes Handeln, d. h. eine Ausrichtung auf soziale Ziele, wobei der Begriff des Sozialen unterschiedlich weit gefasst sein kann. Ursächlich dafür ist das Verständnis von sozial als einerseits die Gesellschaft bzw. die Gemeinschaft betreffend und andererseits als dem Gemeinwohl dienend. [...]

2.

Eine Sachzielorientierung der Organisation, auch bezeichnet als dienende Funktion der Organisation. Dies drückt sich in einer dienenden Rolle des Kapitals aus, demzufolge die Gewinnerzielung lediglich eine untergeordnete Rolle hat. Die Sachzielorientierung kann als Selbsthilfe oder als Fremdhilfe ausgeprägt sein.

3.

Die private Träger- oder Eigentümerschaft an der Organisation.«

Abb. 3:Abgrenzungskriterien für das Verständnis von Sozialwirtschaft (Quelle: Kramer, J. W. (2006): Sozialwirtschaft – Zur inhaltlichen Strukturierung eines unklaren Begriffs. Wismarer Diskussionspapiere 6, Wismar, S. 7)

Von Sozialwirtschaft wird immer dort gesprochen, wo mindestens zwei Kreise überlappen, so dass sich daraus die folgenden Varianten ergeben (Kramer 2006, S. 7):

1.

Überschneidung aller drei Felder: bspw. ein Krankenhaus in gemeinnütziger Trägerschaft

2.

Überschneidung der Felder 1 und 2: bspw. ein Krankenhaus in öffentlicher Trägerschaft

3.

Überschneidung der Felder 1 und 3: bspw. ein privater, gewinnorientierter Pflegedienst

4.

Überschneidung der Felder 2 und 3: bspw. eine Wohnungsgenossenschaft.

1.3.5 Sozial- und Gesundheitswirtschaft

Das Gesundheitswesen als Handlungsfeld der Sozialwirtschaft ist rein strukturell bzw. institutionell darauf zurückzuführen, dass gerade große Träger der freien Wohlfahrtspflege häufig auch Einrichtungen betreiben, die eher dem Gesundheitssektor zuzurechnen wären, indem z. B. das Diakonische Werk einer Stadt neben anderen Diensten auch ein Krankenhaus betreibt. Während die medizinischen und pflegerischen Aufgaben innerhalb eines Krankenhauses eindeutig dem Gesundheitsbereich zuzuschreiben sind, finden sich innerhalb von Krankenhäusern auch Dienste, die im unmittelbaren Grenzbereich der Sozialen Arbeit stattfinden. Als ein Beispiel für so einen Grenzbereich kann der »Krankenhaus-Sozialdienst« genannt werden. In enger Kooperation mit dem Klinikpersonal geht es hier darum, die Patienten bei sozialen, seelischen, familiären oder persönlichen Problemen zu beraten. Ein anderes Beispiel wäre die Krankenpflegerin, die in einer Organisation des Sozialwesens arbeitet, oder der Altenpfleger, der in einem Krankenhaus tätig ist (Hohendanner et al. 2024, S. 10).

Umgekehrt umfasst das Angebot der sozialwirtschaftlichen Organisationen vielfach auch Dienste, die der gesundheitlichen Vorsorge dienen. Wir denken hier z. B. an Gesundheitsthemen wie die Ernährungsberatung oder die Nahrungsmittelzubereitung, wie sie etwa im Rahmen der Familienhilfen oder der Jugend- und Erwachsenenbildung angeboten werden. Ebenfalls mit starken Tendenzen zum Gesundheitsbereich lassen sich Kuren, z. B. sogenannte Mutter-Kind-Kuren und Dienste des »Müttergenesungswerks« aufführen. Sogenannte Disease-Management-Programme nach § 137 f–g SGB V, als Element der integrierten Versorgung im Gesundheitswesen, werden chronisch Kranke aus unteren sozialen Schichten mit weniger ausgeprägter Fähigkeit zur Selbstorganisation kaum erreichen und damit anvisierte Effekte nicht realisieren können, wenn diese Kranken nicht professionell sozial‍(-arbeiterisch) begleitet werden. Auch eine Betrachtung vom Gesundheitswesen ausgehend belegt damit, dass die Bereiche Soziales und Gesundheit sich allenfalls an extremen Randbereichen trennscharf auseinanderhalten lassen und daher vielmehr von einer Konvergenz auszugehen ist. In einer Studie des sozialen Sektors, in der Sozial- und Gesundheitsberufe zusammen betrachtet werden, wird die Durchmischung auch anhand der Berufsgruppen deutlich. So verteilen sich die Berufe innerhalb des sozialen Sektors wie folgt (Hohendanner et al. 2024, S. 11):

Kinderbetreuung und -erziehung32,3 %

Altenpflege28,3 %

Krankenpflege, Rettungsdienst, Geburtshilfe15,3 %

Sozialarbeit, Sozialpädagogik10,4 %

Heilerziehungspflege, Sonderpädagogik 9,5 %

Haus- und Familienpflege 3,8 %

Sozial-‍, Erziehungs-‍, Suchtberatung 0,3 %

1.3.6 Sozialwirtschaft und Dritter Sektor

Um die Sozialwirtschaft vom Dritten Sektor zu unterscheiden, sei auf eine Frage zurückgegriffen, die Reichard (1988, S. 363) bereits vor Jahren aufwarf:

»Was haben der Südwestfunk, die Deutsche Gesellschaft für technische Zusammenarbeit, der Technische Überwachungsverein [besser bekannt als ›TÜV‹, Anmerkung des Verfassers], das Deutsche Rote Kreuz, eine landwirtschaftliche Genossenschaft, die Industrie- und Handelskammer, der Deutsche Fußballbund, Netzwerk Berlin und die Öko-Bank gemeinsam?«

Alle diese Organisationen befinden sich in einer Zwischenposition, die weder eindeutig dem staatlichen Sektor noch dem privatwirtschaftlichen Bereich zugeordnet werden kann. Es stellt sich die Frage, ob sie sozusagen eine Schnittmenge von Markt und Staat repräsentieren oder ob sie etwas Eigenständiges, Drittes verkörpern.