Managerkonferenz - Thomas Gordon - E-Book

Managerkonferenz E-Book

Thomas Gordon

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  • Herausgeber: Heyne
  • Kategorie: Ratgeber
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2011
Beschreibung

In diesem aktualisierten Standardwerk liefert Weltbestsellerautor Thomas Gordon für Menschen in leitenden Positionen bewährte Methoden, die sie zu kompetenten, menschlichen und verantwortungsvollen Managern machen – ob in Wirtschaftsunternehmen, Ämtern oder Institutionen.

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Seitenzahl: 417

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Titel der amerikanischen Originalausgabe: LEADER EFFECTIVENESS TRAINING L. E. T. Erschienen 2001 bei Berkley Publishing Group

Das Vorwort wurde von Bernhard Liesen übersetzt.

Copyright © 1977 by Thomas Gordon

Copyright © 2001 der aktualisierten Ausgabe by Thomas Gordon Copyright

© 1979 der deutschsprachigen Ausgabe by Hoffmann & Campe Verlag, Hamburg

Copyright © 2004 dieser deutschsprachigen aktualisierten Ausgabe by Wilhelm Heyne Verlag München, in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 München

Satz: C. Schaber Datentechnik, Wels

ISBN 978-3-641-07174-5V002

www.heyne.de

Inhaltsverzeichnis

Vorwort1 - Wie wird man ein effektiver Führer?2 - Wer führt, ist noch kein Führer3 - Sie können es allein machen – oder mit Hilfe der Gruppe4 - Techniken, die Mitarbeitern helfen, ihre Probleme zu lösen5 - Zuhören in der alltäglichen Praxis6 - Wie Sie sich in der Konfrontation mit Mitarbeitern verhalten7 - Was können Sie für die Effektivität Ihres Managementteams tun?8 - Konflikte: Wer siegt, wer unterliegt?9 - Die Jeder-gewinnt-Methode: Wie aus Konflikt Kooperation entsteht10 - Die Jeder-gewinnt-Methode innerhalb der Organisation11 - Die periodische Planungskonferenz: ein neuer Ansatz zur Leistungsbewertung12 - Einige Fragen von BedeutungEin persönliches Nachwort

Vorwort

Das vorliegende Buch, das in den Vereinigten Staaten 1977 zum ersten Mal erschien und in Deutschland 1979, ist immer noch wichtig, wenn es um das qualitative Niveau der Führungsrolle in Unternehmen geht. Tatsächlich besitzt es heute noch mehr Relevanz, berücksichtigt man den gegenwärtigen Trend, die traditionell durch »Dominanz« charakterisierte Führungsrolle zugunsten einer »partnerschaftlichen Beziehung« aufzugeben und Mitarbeiter nicht mehr in erster Linie zu »bewerten«, sondern sie »miteinander zu verbinden«.

Nirgendwo ist dieser Trend weiter verbreitet als am Arbeitsplatz. Die traditionelle Hierarchie in Unternehmen erwartete von Managern der Führungsebene, dass sie von oben herab befahlen, rigide Kontrollmaßnahmen ergriffen und Informationen sammelten. Heute wird diese autokratische, hierarchisch orientierte, auf Kontrolle und Schubladendenken basierende Methode durch eine Art »Demokratie am Arbeitsplatz« ersetzt, wodurch sich die Führungsrolle des Managers radikal ändert. Viele Problemlösungen, die der Warenproduktion und der Entwicklung von Dienstleistungen zugute kommen, werden von Teams erarbeitet, von denen einige keinen wirklichen Chef mehr kennen.

Es gibt deutliche Hinweise dafür, dass dieses System zur Integration aller Mitarbeiter erfolgreicher ist als das autokratisch-hierarchische. In den letzten Jahren hat sich herauskristallisiert, dass sich diese Praktiken positiv auf Produktivität und finanzielle Leistung von Unternehmen auswirken, während Profitverluste und Abwesenheitsraten verringert werden konnten.

In den Vereinigten Staaten und vielen anderen Ländern ist zu erkennen, wie sich dieser Trend auch in anderen wichtigen zwischenmenschlichen Beziehungen durchgesetzt hat. Frauen haben für ihre Rechte gekämpft, was zu weniger einseitigen und gleichberechtigteren Beziehungen mit Männern geführt hat – in der Ehe sowie am Arbeitsplatz. Eltern, die durch das Elterntraining stark beeinflusst worden sind, verzichten auf die Methode des »Befehlens und Gehorchens«. Die alte Vorstellung – nach dem Motto »Vater weiß alles besser« – wird zugunsten einer nicht autoritären, nicht hierarchischen und nicht auf Bestrafung beruhenden Erziehung ersetzt. Mehr und mehr Eltern beginnen zu begreifen, was für negative Auswirkungen ein autoritärer Erziehungsstil nicht nur auf die Kinder selbst, sondern auch auf ihre Beziehung zu ihnen hat. Sie lernen aber auch, dass eine permissive Erziehungsmethode mit Sicherheit keine Alternative ist – sowohl die Eltern als auch die Kinder müssen das Gefühl haben, dass ihre Interessen befriedigt werden.

Dieser Trend, auf demokratischen Prinzipien beruhende Beziehungen zu etablieren, lässt sich jetzt auch bei unseren Bildungsinstitutionen beobachten, die traditionellerweise stark von einem Dominanz-Modell abhängig waren, das die Beziehungen zwischen Bürokraten und Lehrern, Lehrern und Schülern und sogar Lehrern und Eltern geprägt hat. Lehrern ist es heute nicht mehr erlaubt, harte Strafen zu verhängen, um so ihre dominante Rolle durchzusetzen. Mein Trainingsunternehmen hat eine bedeutende Rolle dabei gespielt, Lehrern beizubringen, wie sie ihre Schüler motivieren können, damit diese aktiv daran teilnehmen, die im Klassenzimmer gültigen Regeln zu formulieren. Es gibt jetzt auch häufig kooperativ arbeitende Lerngruppen, und viele wissenschaftliche Forschungsstudien haben die positiven Seiten dieser führerlosen Lernmethode bewiesen.

1977 hieß es häufig, das Buch sei zu »soft«, »zu sehr an den Angestellten orientiert«. Kritiker nahmen Anstoß daran, dass Manager so viele Meetings abhalten und mit den Gruppenmitgliedern »ihre Autorität teilen« sollten. Sie hatten Probleme mit dem vollkommen neuen Verständnis der Führungsrolle und vielfach den Eindruck, der Autor setze zu sehr auf die »Weisheit der Gruppe«, die »Selbstmotivation der Mitarbeiter« und die »Übertragung von Führungsfunktionen an die Gruppenmitglieder«. Selbst das aktive Zuhören geriet in die Kritik: Hier würden Psychotherapie und »gefühlsbetonte« Verhaltensweisen am Arbeitsplatz eingeführt, dachte man. Ein weiterer Kritikpunkt lautete, man lege zu viel Wert auf die »Zufriedenheit« der Mitarbeiter und setze zu viel Vertrauen in deren Fähigkeiten, an Problemlösungen mitzuarbeiten und eigene Ziele zu definieren.

Heute – dreißig Jahre später – sind wir Zeugen einer tief greifenden Veränderung, die nicht nur das Unternehmen betrifft, sondern auch die Rolle ihrer Führungskräfte. Mittlerweile ist allgemein anerkannt, dass die Effektivität einer Führungskraft von ihrer Fähigkeit abhängt, ein kompetentes Team aufzubauen und partnerschaftlich mit Managern und Angestellten anderer Abteilungen des Unternehmens zusammenzuarbeiten.

Führungskräfte müssen lernen, zwischenmenschliche Beziehungen zu schaffen, die für die Teamarbeit so wichtig sind: Jedes einzelne Teammitglied muss wissen, dass es geachtet und gebraucht wird. Hunderte von Aufsätzen und Büchern haben bestätigt, dass eine neue Generation von Managern die im zwischenmenschlichen Bereich wichtigen Kommunikationstechniken erlernen muss, die in diesem Buch definiert werden. Dazu gehören Fähigkeiten wie:

– eine Gruppe aufzubauen und Gruppenmeetings zu leiten (Kapitel 7),– konzentriert und aktiv zuzuhören (Kapitel 4, 5),– eine nicht bedrohliche und nicht auf Macht beruhende Methode zu entwickeln, um andere zu beeinflussen, ihr inakzeptables Verhalten zu verändern (Kapitel 6),– Konflikte so zu lösen, dass keiner verliert und die Interessen beider Seiten berücksichtigt werden (Kapitel 9, 10)– Kommunikationssperren im Gespräch zu erkennen und zu vermeiden (Kapitel 4), – eine nicht bedrohliche Alternative zur Bewertung der Arbeitsleistung anzuwenden (Kapitel 11),– die adäquate Art des Meetings zu erkennen (Kapitel 7).

Obwohl die Bedeutung des »Beziehungstrainings« längst erkannt ist, kommt ein großer Prozentsatz von Angestellten nie in den Genuss einer Fortbildungsmaßnahme, die ihre Effektivität in der Gruppe steigern könnte. Manche Firmen geben dafür kein Geld aus. Dabei wäre es so wichtig für ihr wirtschaftliches Überleben. Viele Firmen werden in die Schulung ihrer Führungskräfte investieren und diesen die Fähigkeit vermitteln müssen, kooperativ und partnerschaftlich zusammenzuarbeiten. Die Firmen werden sich zu »Lern-Unternehmen« wandeln müssen.

Seit dieses Buch im Jahr 1977 erstmals publiziert wurde, hat die von mir gegründete Organisation, die ursprünglich Effectiveness Training Incorporated hieß, danach aber in Gordon Training International umbenannt wurde, in über hundert Unternehmen in den Vereinigten Staaten und einem Dutzend anderer Länder Schulungen für Manager und Führungskräfte durchgeführt. Die Managerkonferenz war das Lehrbuch des Leader-Effectiveness-Training-Kurses (LET), dessen Länge zwischen drei und fünf ganzen Tagen variiert. Die Kursteilnehmer haben reichlich Gelegenheit, während der Schulung und in Rollenspielen die Kommunikationstechniken und Konfliktlösungsstrategien praktisch anzuwenden.

Immer wieder wird uns von Kursteilnehmern berichtet, dass der grundlegende Wert ihrer Schulung für sie darin bestand, die unabdingbaren Kommunikationstechniken erlernt zu haben, mit denen sie in anderen Ausbildungskursen nicht vertraut gemacht worden seien. Sie beschweren sich, dass Berater und Buchautoren ihnen erzählt hätten, was sie unternehmen sollten: Sie empfahlen Mitarbeitereinbeziehung, TQM, Teamarbeit, die Arbeit abwechslungsreich zu gestalten und andere Initiativen des oberen Managements. Nur selten aber hat man sie gelehrt, wie sie diese Initiativen in die Praxis umsetzen können. Dieses Buch macht Sie hingegen mit den speziellen Kommunikationstechniken und Problemlösungsstrategien vertraut, die erforderlich sind, damit solche Programme funktionieren.

Es ist nur allzu offensichtlich, dass sich integratives Management durchgesetzt hat. Dieses Buch wird Ihnen zeigen, was Sie tun müssen, und – noch wichtiger – wie Sie es tun müssen.

 

Dr. Thomas Gordon

Gründer des Gordon Training International

Notiz des Autors

Um dieses Buch dem Prinzip der Geschlechtergleichheit anzupassen und die umständliche Konstruktion mit »-Innen« und ähnlichem zu umgehen, habe ich das Geschlecht von Führern und Gruppenmitgliedern möglichst gleichmäßig verteilt.

1

Wie wird man ein effektiver Führer?

Den Begriff »leadership« (Führung, Führungsrolle) gibt es – so hat man mir gesagt – in der englischen Sprache erst seit etwa 1800. Dann dauerte es noch einmal 100 Jahre, bis sich Sozialwissenschaftler ernsthaft mit der Frage der Führungsrolle befassten. Doch in den letzten 70 Jahren war die Forschung eifrig bemüht, die verlorene Zeit wieder wettzumachen. Man untersuchte, wie Menschen zu Führern werden, wie sie Führungspositionen behalten, Anhänger gewinnen, Gruppenleistungen beeinflussen und worauf Führungseffektivität beruht. Ohne Zweifel also ist dieser Gegenstand eingehend erforscht worden.

Heute birgt das Konzept der Führungsrolle kaum noch Geheimnisse für uns. Es lässt sich recht genau darlegen, was den effektiven Führer ausmacht. Anhand der Vielzahl von Studien können wir ein zuverlässiges Modell der Führungseffektivität entwickeln. Die betreffenden Forschungsdaten wurden in vielen Arten von Organisationen und Gruppen gewonnen.

Ein Ziel dieses Buches ist es, das Modell aus der Abgeschlossenheit der Universitätslaboratorien herauszuholen und der Öffentlichkeit vorzustellen. Es soll für die zahllosen Menschen leichter zugänglich sein, die selbst Führungspositionen innehaben: in der Regierung, in Wirtschafts- und Industrieunternehmen, in Ämtern und Institutionen, in der Gemeindeverwaltung, in Schule und Familie.

Die meisten Menschen verbringen einen Großteil ihres Lebens in der Gruppe: bei der Arbeit, in der Kirche, beim Spiel und beim Lernen. Und ob es ihnen gefällt oder nicht, scheinen alle diese Gruppen Führer nötig zu haben. Nun können Führer eine Gruppe machen – oder sie kaputtmachen. Von ihren Einstellungen und Verhaltensweisen hängt die Gruppenleistung entscheidend ab. Das wissen wir alle aus unserer eigenen Erfahrung mit Lehrern, Verwaltungsbeamten, Aufsichtspersonen, Ausschussvorsitzenden, Trainern, Managern und Geistlichen.

Das gilt auch für unsere Gesellschaft. Man macht sich häufig nicht klar, dass sich die meisten Menschen irgendwann einmal in die Lage versetzt sehen, eine Gruppe führen zu müssen. So werden die meisten von uns schließlich Eltern. Sie übernehmen also eine Führungsrolle gegenüber ihren Kindern. Auch der Lehrer ist für Schüler ein Führer. Jeder wird zum Führer, der einen Ausschuss oder eine Arbeitsgruppe leitet, der zum Präsidenten einer ehrenamtlichen Organisation gewählt wird, der Verantwortung als Pfadfinderführer oder Ferienlagerleiter übernimmt.

Wie viele dieser zahllosen Menschen empfinden ihre Führungsrolle als lohnend und befriedigend? Wie viele können – wenn sie ehrlich sind – mit ihrer Leistung zufrieden sein? Wie viele stoßen bei ihren Bemühungen auf lästigen Widerstand – oder auch auf Feindseligkeit, Eifersucht und Unfreundlichkeit? Wie viele geben auf und sagen resigniert: »Nie wieder!«?

Hat ein Führer Schwierigkeiten mit seiner Rolle, liegt es meist an seiner eigenen Unfähigkeit. Angesichts der Tatsache, dass nur wenige Menschen jemals für diese Rolle ausgebildet worden sind, kann man verstehen, warum die Führungsrolle sich so häufig als schwierig, mühselig und enttäuschend erweist.

Untersuchungen haben ergeben, dass einer der Hauptgründe für dieses Versagen darin liegt, dass Führungskräfte in Stellungen befördert werden, in denen sie eng mit anderen zusammenarbeiten müssen. Ohne die Fertigkeit, gut funktionierende Beziehungen aufzubauen und ein Team zu bilden, das die gesamte Gruppe integriert, können diese Führer die Kreativität ihrer Mitarbeiter nicht positiv umsetzen. Sie scheitern, weil sie nicht wissen, wie man egalitäre und ausgewogene Beziehungen aufbaut.

Eine weitere Absicht dieses Buches liegt darin, Führern zu zeigen, welche besonderen Techniken und Methoden sie lernen müssen, wenn sie sich an einem zeitgemäßen »Modell« der Führungseffektivität orientieren wollen. Das Modell nur zu verstehen reicht nicht aus. Führer müssen auch die Fertigkeit erwerben, dieses Modell zu realisieren.

Nehmen wir das wichtige Konzept der »gegenseitigen Bedürfnisbefriedigung«, das in Kapitel 3 eingehender erklärt wird. Untersuchungen haben gezeigt, dass effektive Führer den Mitgliedern ihrer Gruppe das Gefühl geben, ihre Bedürfnisse würden befriedigt. Und auch die Führer haben das Empfinden, dass ihren Bedürfnissen genügt wird. Man bezeichnet das manchmal als »gerechten sozialen Austausch«. Doch wie gelingt dies dem Führer? Was muss er im Einzelnen tun, um jenen wünschenswerten Zustand gegenseitiger Bedürfnisbefriedigung herzustellen? Die Antworten auf diese Fragen nach dem »Wie« wird man in den meisten Büchern über Führungsrollen vergeblich suchen. Und doch gibt es ganz bestimmte Methoden, um solche Bedürfniskonflikte zu lösen und diesen notwendigen »gerechten Interessenausgleich« herzustellen. Das wichtigste Verfahren dabei ist unsere Jeder-gewinnt-Methode, die in den Kapiteln 9 und 10 erläutert und dargestellt wird. Diese sechs Schritte umfassende Methode zur Konfliktlösung ermöglicht dem Führer, die Theorie in die Praxis umzusetzen, Wirklichkeit werden zu lassen, was die Forschung uns als Ideal hinstellt.

Übereinstimmend bestätigen die Forschungsergebnisse die Bedeutung des »Beteiligungsprinzips«, d. h. den Umstand, dass Gruppenmitglieder eher bereit sind, neue Gedanken und neue Arbeitsverfahren zu akzeptieren, wenn sie an den Entscheidungen beteiligt werden, die mögliche Veränderungen und ihre Verwirklichung betreffen. Zwar wird in den meisten Büchern die »Beteiligung der Angestellten« als eine ideale Voraussetzung der Führungseffektivität empfohlen, doch nur wenige legen genau dar, wie man dies im Einzelnen tun soll. In Kapitel 7 analysiere ich den abstrakten Begriff des »Beteiligungsmanagements«. Dabei zeige ich, wie Führer Gruppenmitglieder in unterschiedlichem Maße teilhaben lassen können. Und ich beschreibe unterschiedliche Arten von Gruppenzusammenkünften, mit denen man Beteiligung fördern kann.

In diesem Buch geht es eindeutig um Techniken und Methoden: Wie man so zuhört, dass Gruppenmitglieder über ihre Probleme sprechen; wie man so redet, dass Gruppenmitglieder auf die eigenen Bedürfnisse Rücksicht nehmen; wie solche Meetings zu leiten sind; wie man Probleme erkennt und wie sich gute Lösungen finden lassen; was bei Regelverstößen zu tun ist; wie Gruppenmitglieder dazu zu bewegen sind, sich Leistungsziele zu setzen; wie man der Leistungsbewertung ihren bedrohlichen Charakter nehmen kann.

Einige dieser Techniken und Methoden habe ich selbst entwickelt, als ich zusammen mit den Führern der Organisationen, in denen ich als Berater für zwischenmenschliche Fragen tätig war, an der Lösung praktischer Probleme arbeitete. Andere (vor allem die Kommunikationstechniken) habe ich von Dr. Carl Rogers und anderen übernommen, die mich zum professionellen »Helfer« ausgebildet haben, bzw. von den Kollegen, mit denen ich im Rahmen meiner Tätigkeit als klinischer Psychologe zusammengearbeitet habe. Im Laufe der Jahre ist mein Vertrauen in diese Techniken gewachsen: Ich weiß, dass sie funktionieren, und ich weiß, dass man sie den meisten Führern beibringen kann. Diese Überzeugung gründet sich auf eine über 50-jährige Erfahrung. In dieser Zeit habe ich einige tausend Führer in meinem Führungstraining ausgebildet, viele tausend Lehrer und Schulleiter in meinen Kursen über Lehrertraining und etwa eine Million Eltern (Familienführer) in meinen »Familienkonferenz«-Kursen.

Diese Techniken und Methoden wirken sich auf Organisationen weit stärker aus, wenn das Training auf allen Führungsebenen erfolgt. Sie machen sich in einer Organisation natürlich auch dann schon bemerkbar, wenn nur ein Führer die Techniken und Methoden erwirbt. Dies zeigte sich in einer Studie, die vom Industrial Relations Center der University of Chicago durchgeführt wurde. In einer Folge-Untersuchung wurde festgestellt, wie ein einzelner Führer, ein Betriebsleiter, eingeschätzt wurde, der die in diesem Buch beschriebenen Führungstechniken erlernt hatte.

Ein Jahr nachdem dieser Mann seinen Führungsstil geändert und die Stellung des Betriebsleiters übernommen hatte, wurden mit den Mitgliedern seiner Gruppe (elf Vorarbeitern) und dem gesamten Management (insgesamt zwölf Leuten) Tiefeninterviews durchgeführt. Unter den 160 Einzeläußerungen, die den Werksleiter charakterisierten, waren nur fünf, aus denen sich negative Eigenschaften herauslesen ließen. Die am häufigsten erwähnten Eigenschaften dieses Führers waren:

– Hört verständnisvoll zu; ist bereit, über Probleme zu sprechen; ist offen für Anregungen; gibt einem die Zeit, zuzuhören (27 Äußerungen).– Unterstützt einen und hilft einem; verteidigt einen; steht einem bei; erinnert sich an die Probleme, die man hat (19).– Ist für Teamarbeit; hilft der Gruppe, zu besseren Entscheidungen zu kommen; macht Kooperation leicht (19).– Sieht einem nicht auf die Finger; kehrt nicht den Chef heraus; ist nicht übergenau (18.)– Delegiert Verantwortung; schenkt der Gruppe Vertrauen; verlässt sich auf ihr Urteil; lässt Gruppenentscheidungen zu; vertraut auf die Kreativität anderer (17).– Ist im Umgang mit anderen offen und ehrlich; sagt einem, was er denkt; man kann ihm glauben, was er sagt (11).– Bringt die besten Seiten seiner Leute zum Vorschein; steht auf gutem Fuß mit den Arbeitern (8).

Das Interview lieferte auch Daten über die Auswirkungen der neuen Techniken und Methoden des Werksleiters:

– Bessere Kooperation und Koordination zwischen allen Abteilungen (21 Äußerungen).– Wirkt positiv auf das individuelle Verhalten und die individuelle Entwicklung der Vorarbeiter ein (19). – Erhöhte Produktion und Gewinne (11).– Bessere Entscheidungen und Lösungen (7).– Bessere Planung und Maschinenausrüstung (5).– Wirtschaftlichkeit und Kostensenkung (4).– Bessere Kommunikation (3).

Diese – sicherlich subjektiven – Daten wurden von einer unabhängigen Institution ermittelt, die keinerlei privates Interesse an den Ergebnissen hatte. So bestärkt mich diese Untersuchung in der Überzeugung, dass sich Führungstechniken vermitteln lassen, dass diese neuen Techniken und Methoden von den Mitgliedern in der Gruppe des Führers ebenso wie von seinen Managementkollegen rasch bemerkt werden und dass sie einer Organisation im Laufe der Zeit zum Vorteil gereichen, selbst wenn sich dort kein anderer Führer einem Führungstraining unterzogen hat.

Ferner hoffe ich, dass dieses Buch dazu beitragen wird, die fruchtlosen Kontroversen beizulegen und die hartnäckigen Mythen zu zerschlagen, die sich mit dem Begriff der Führungsrolle verbinden. Der wohl hartnäckigste Streit dreht sich um die Frage, ob der an »zwischenmenschlichen Beziehungen orientierte« (oder personenbezogene) Führer erfolgreicher ist als der an »Aufgaben orientierte« (oder produktionsbezogene) Führer. Die Forschungsergebnisse zeigen eindeutig, dass der effektive Führer beides sein muss: ein »Spezialist für zwischenmenschliche Beziehungen« und ein »Spezialist für Aufgabenstellungen«. Führungseffektivität setzt voraus, dass man Fingerspitzengefühl im Umgang mit Menschen beweist und diese zugleich zu einer hohen Arbeitsleistung zu motivieren versteht. Das eine funktioniert nicht ohne das andere.

Eine ähnliche Kontroverse entzündete sich an der Frage, ob Führer streng oder permissiv sein sollten. In Kapitel 8 werde ich zeigen, dass beide Verfahren ihre Tücken haben. Führer sollten weder ihre Macht dazu benutzen, Konflikte zu ihren Gunsten zu entscheiden, noch Gruppenmitgliedern gestatten, ihren Willen auf Kosten des Führers durchzusetzen. Das Herzstück meiner Konzeption von Führungseffektivität ist eine dritte Möglichkeit, eine Alternative zu »starkem« oder »laschem« Management. Im Führungstraining heißt dieses Verfahren zur Lösung von Bedürfniskonflikten die Jeder-gewinnt-Methode. Sie trägt diesen Namen, weil sie zu Lösungen führt, die »gegenseitige Bedürfnisbefriedigung« garantieren: Jeder gewinnt. Das ist ein ideales Ergebnis, das einige Autoren, die sich an der »Theorie des sozialen Austauschs« orientieren, »einen gerechten Interessenausgleich« nennen. Die Konfliktlösungen erscheinen sowohl dem Führer als auch den Gruppenmitgliedern gerecht. In den Kapiteln 9 und 10 des vorliegenden Buches kann man Schritt für Schritt lernen, wie sich Konflikte mit der Jeder-gewinnt-Methode lösen lassen.

Schließlich hat noch eine dritte Frage die Führer in zwei Lager gespalten, nämlich die über den Wert von Meetings. Manche halten nichts von solchen Treffen, weil sie zu viel Zeit kosten, kaum zu Entscheidungen führen und lediglich auf eine »Anhäufung von Ignoranz« hinauslaufen. Für andere Führer stellen Meetings eine Notwendigkeit dar. Sie sind davon überzeugt, dass sie zur »Beteiligung« beitragen, das kreative Potenzial der Gruppenmitglieder anregen und zu besseren Entscheidungen führen. Ein ganzes Kapitel (7) widme ich dem Thema Meetings. Denn ich bin überzeugt, dass sie notwendig sind, häufig aber unproduktiv, langweilig und Zeitverschwendung sind, weil die Führer nicht über die erforderlichen Techniken verfügen oder weil sie Meetings für falsche Zwecke benützen.

Ich beschreibe verschiedene Arten von Meetings und lege dar, wann und zu welchem Zweck sie stattfinden sollten. Ich nenne 17 Richtlinien, mit deren Hilfe sich Meetings zur Problemlösung und Entscheidungsfindung effizienter und produktiver gestalten lassen. Diese Richtlinien enthalten klare Angaben über solche Punkte wie die Häufigkeit und Dauer von Meetings, die Bedeutung von Protokollen, die Frage, wie die Tagesordnung aufzustellen ist und welche Prioritäten zu setzen sind, welche Probleme sich nicht für Gruppensitzungen eignen, welche Regeln bei der Entscheidungsfindung zu beachten sind, welche Dinge vertraulich zu behandeln sind und nach welchen Methoden sich Meetings auswerten lassen. Außerdem erhalten Sie Richtlinien, mit deren Hilfe Sie den Mitgliedern Ihrer Gruppe bei den Meetings mehr Verantwortung übertragen können.

 

Drei wichtige Dinge zeichnen dieses Buch aus:

Es versucht, die wichtigsten Erkenntnisse der Sozialwissenschaften zusammenzufassen und sich an ihren Forschungsergebnissen zu orientieren.Es liefert ein Modell (einen Entwurf, wenn man so will) der idealen Beziehung zwischen Führern und Gruppenmitgliedern und legt es in einer Sprache dar, die frei von schwierigen Fachausdrücken ist, die man verstehen und die man anwenden kann.Es bietet spezifische Techniken und Methoden, die Führer erlernen müssen, wenn sie das Modell in die Tat umsetzen wollen.

Doch das reicht noch nicht aus. Aufgrund meiner Erfahrung bin ich davon überzeugt, dass kein Führer seine Effektivität merklich steigern kann, wenn er sich zuvor nicht ernsthaft mit der entscheidenden Frage von Macht und Autorität auseinander gesetzt hat. Deshalb habe ich mich zunächst einmal eingehend bemüht, meine eigenen Vorstellungen zu dieser Frage zu klären. Dabei bin ich bei den Führern in unseren Führungstrainingskursen und im einschlägigen Schrifttum auf erhebliche Meinungsunterschiede zur Bedeutung dieser Begriffe gestoßen. (Das erklärt natürlich zumindest teilweise, warum die Frage, ob Führer von ihrer Macht oder Autorität Gebrauch machen sollen, so heftig umstritten ist.)

In Kapitel 8 unterscheide ich zwischen drei Arten von Autorität. Die erste erwächst aus der eigenen Macht (der Möglichkeit, zu bestrafen oder zu belohnen); die zweite daraus, wie man die eigenen Aufgaben definiert, und die dritte aus dem Sachverstand und dem Wissen, über die man verfügt. Die beiden letzteren Autoritätstypen verursachen selten Probleme in zwischenmenschlichen Beziehungen, während die erste sie fast unvermeidlich beeinträchtigt und auf lange Sicht auch Motivation und Produktivität vermindert. Was noch schlimmer ist, Führer, die von ihrer Macht Gebrauch machen, verlieren auch die Fähigkeit, die Mitglieder ihrer Gruppe zu beeinflussen, was paradox erscheint. Dieses Phänomen erkläre ich deshalb auch im gleichen Kapitel. Ein Schlüssel zur Führungseffektivität ist die Fähigkeit, Menschen zu beeinflussen, ohne von der eigenen Macht Gebrauch zu machen.

Niemand, der die Entwicklung in den Organisationen und Institutionen unserer Gesellschaft verfolgt hat, kann sich dem Schluss entziehen, dass eine Revolution begonnen hat – eine sehr bedeutende Revolution der zwischenmenschlichen Beziehungen. Menschen wollen mit der gebührenden Achtung behandelt werden –als Erwachsene, nicht als Kinder oder Nummern; sie verlangen ein Mitspracherecht über die Bedingungen ihres Arbeitslebens; sie lassen sich nicht mehr so leicht ausbeuten und zu irgendwelchen Dingen zwingen. Sie verlangen das Recht, in ihrer Arbeit Selbstachtung finden zu können, und wollen eine Tätigkeit ausüben, die sie als sinnvoll und befriedigend empfinden. In sehr menschlicher Weise lehnen sie sich gegen unmenschliche Arbeitsbedingungen auf: durch häufigen Arbeitsplatzwechsel, Fehlen, Interesselosigkeit, Verweigerungshaltung und durch mutwillige Zerstörung.

Führern, die bereits eingesehen haben, »dass der Mensch Vorrang hat«, und die von der außerordentlichen Wichtigkeit guter zwischenmenschlicher Beziehungen in Organisationen überzeugt sind, gibt dieses Buch unschätzbare Techniken und Methoden an die Hand. Wollen Sie die schädlichen Auswirkungen vermeiden, die sich einstellen, wenn Sie anderen gegenüber ihre Macht beweisen, werden Sie auf den folgenden Seiten viele Alternativen zur Machtausübung entdecken. Wenn Sie nicht mehr alle Entscheidungen alleine fällen wollen, werden Sie erfahren, wie Sie ein Team zur Entscheidungsfindung auf die Beine stellen können. Wenn Sie ehrlich wünschen, dass die Kommunikation zwischen Ihnen und den Mitgliedern Ihrer Gruppe in beide Richtungen verläuft, sodass Sie die Gruppenmitglieder besser beeinflussen können und diese umgekehrt mehr Einfluss auf Sie gewinnen können, werden Sie das mit unseren Techniken des aktiven Zuhörens und der Ich-Botschaft bewerkstelligen können.

Ein letzter Punkt: Eines dürfen Sie von diesem Buch keinesfalls verlangen. Sie werden nicht erfahren, welche spezifischen Ergebnisse Sie von der Anwendung des dargelegten Führungsmodells zu erwarten haben. Das Führungstraining vermittelt Ihnen nur Methoden. Bei ihrer Anwendung werden sich in verschiedenen Organisationen unterschiedliche Ergebnisse einstellen. Das hängt von einer Vielzahl von Faktoren ab: von dem Zweck Ihrer Organisation, von den Menschen, mit denen Sie zusammenarbeiten, von den wirtschaftlichen und finanziellen Grenzen, die Ihrer Organisation gesetzt sind, und so fort. Möglicherweise werden Ihre Führungstechniken zu einer Kostenreduktion und zu einer besseren Arbeitsmoral führen, wie das in einem mir bekannten Unternehmen geschehen ist. Vielleicht führen Ihre neuen Techniken in der Menschenführung aber auch zu ähnlichen Ergebnissen wie bei American Freightways, einem Transportunternehmen mit 17 000 Angestellten. George Schultz, ein Manager dieser Firma, berichtet von den Resultaten des Führungstrainings :

– Die Zufriedenheit der Arbeitnehmer hat sich vergrößert.– Neue Ideen wurden umgesetzt und neue Arbeitsverfahren eingeführt.– Die Fluktuationsrate wurde verringert.– Sachkenntnis und Kompetenz der Arbeitnehmer hat sich verbessert.– Die Produktivität wurde erhöht.

»Die Ergebnisse sind sehr positiv; Vorgesetzte haben eine verbesserte Einstellung zur eigenen Tätigkeit und zu den Mitarbeitern, alle arbeiten jetzt auf ein gemeinsames Ziel hin. Doch noch mehr haben mich die vielen persönlichen Erfolgsmeldungen als Ergebnis des Führungstrainings überzeugt: Viele Vorgesetzte und Betriebsleiter berichten, wie sie ihre privaten Beziehungen retten oder verbessern konnten.«

 

Vielleicht führen Ihre neuen Führungstechniken auch zu den gleichen Veränderungen wie in meiner eigenen kleinen Organisation:

– Die Einführung einer gleitenden Arbeitszeit senkte die Abwesenheitsrate.– Eine deutliche Beschleunigung in der Planung und Entwicklung neuer Trainingsprogramme.– Die Öffnung der Managementmeetings für alle Angestellten, die teilzunehmen wünschen.– Der Abbau von Statusunterschieden zwischen Menschen auf verschiedenen Ebenen innerhalb der Organisation.– Die Eingliederung aller Angestellten in eine Arbeitsgruppe oder ein »Managementteam«.

Oder der Wandel in Ihrem Führungsstil führt zu den Veränderungen, die sich in anderen Organisationen zeigten: Eine jährliche »Problemaufstellung« wird zur festen Einrichtung; das traditionelle System der Leistungsbewertung wird durch eine periodische Planungskonferenz ersetzt; die Gewinne werden höher; es wird ein Gewinnbeteiligungssystem eingeführt, das sich an der Gruppenleistung orientiert; die Beziehungen zu Kunden oder Klienten werden besser; die Entwicklung von Kommunikationssystemen oder wirtschaftlicheren Maschinen wird gefördert, man bemüht sich um bessere Arbeitsbedingungen; ein Job-Rotations-System wird eingeführt; die Kontrollfunktion wird denen übertragen, die das Produkt herstellen; der Verantwortungsbereich der unteren Ebenen wird erweitert, ältere Angestellte erhalten länger Urlaub; die Verantwortung für die Geschwindigkeit des Fließbandes geht an die Produktionsarbeiter über; es werden mehr Frauen eingestellt; es werden mehr Behinderte eingestellt, es werden mehr Angehörige von Minderheiten eingestellt; die Ausbildung der Meister wird verbessert.

Jedes dieser Ergebnisse ist möglich. Wer weiß, welche positiven Ergebnisse sich einstellen, wenn Führer die Techniken erwerben, dank derer sie die Leistungsfähigkeit ihrer Mitarbeiter fördern und die kollektiven Fähigkeiten der Gruppe zu erhöhen vermögen? Vielleicht werden in einigen Fällen Berge versetzt.

2

Wer führt, ist noch kein Führer

Frank Long wurde zum Präsidenten des gemeinnützigen Vereines gewählt, dem er angehörte. Etwa zur gleichen Zeit wurde Stacy Lathrop zur Kontrolleurin der Kassierer ihrer Bank befördert. Elizabeth Hall sah sich am Ziel ihrer Träume, als sie stellvertretende Verkaufsleiterin in dem Unternehmen wurde, in dem sie beschäftigt ist. Nach sechs Jahren als Werkmeister in einem Produktionsbetrieb wurde Bill Morrison zum Betriebsleiter befördert. Louise Lindley wurde mit großer Mehrheit zur Vorsitzenden des Studentenausschusses eines Colleges im Mittleren Westen gewählt.

Sie alle wurden von ihren Freunden beglückwünscht, und man versicherte ihnen, dass sie ihre neue Stelle weiß Gott verdienten. Eine von ihnen rief ihren Ehemann an und teilte ihm die erfreuliche Neuigkeit aufgeregt mit. Ein anderer feierte das Ereignis mit seiner Familie, indem er mit ihr zum Abendessen ausging. Alle waren sie stolz auf das, was sie erreicht hatten. Insgeheim hatten sie das Gefühl, dass sie »die Leiter emporstiegen«, dass sie »oben« waren.

Solche Reaktionen zeigen alle Menschen, die in Führungspositionen berufen werden. Sie haben das Gefühl »Ich hab’s geschafft«. Tatsächlich hat es aber keiner geschafft, der eine Führungsrolle übernimmt. Das ist erst der Anfang.

Wenn man führt, ist man noch kein Führer. Denn nachdem man zum Führer einer Gruppe geworden ist, muss man eine ganze Menge tun, um von den Gruppenmitgliedern akzeptiert zu werden und Einfluss auf ihr Verhalten zu gewinnen. Und – was noch wichtiger ist – wenn man in eine Stellung gelangt, die einem eine Führungsrolle zuweist – etwa Kontrolleur, Abteilungsleiter, Präsident, Manager oder ganz einfach Chef –, sieht man sich bald unerwarteten Enttäuschungen und überraschenden Problemen gegenüber. Zweifellos wird man es mit der Eifersucht einiger Mitglieder seiner Gruppe zu tun bekommen. Andere werden Verärgerung zeigen, weil nicht sie es waren, die in diese Position aufgestiegen sind. Sie finden, dass nicht Sie die Stellung verdienen, sondern sie selbst – die Nichtbeförderten.

Überdies werden Sie feststellen, dass sich das Verhalten der Mitglieder Ihrer Gruppe Ihnen gegenüber in subtiler (und manchmal in weniger subtiler) Weise ändert. Manche, die noch vor wenigen Wochen Ihre Freunde waren, scheinen Sie nun zu meiden und Ihnen in der Kantine auszuweichen. Andere offenbaren plötzlich Anzeichen der Furcht vor Ihnen. Sie verhalten sich defensiv, sind auf der Hut, wenn sie mit Ihnen sprechen, äußern sich nicht mehr so offen über ihre Probleme. Vielleicht stellen Sie sogar fest, dass einige Mitglieder der Gruppe Ihnen ganz offen schmeicheln oder Ihnen mit übertriebener Kritik begegnen. Es ist auch nicht ungewöhnlich, wenn Ihre neuen Pläne oder gut gemeinten Vorschläge negativ aufgenommen werden oder sogar auf hartnäckigen Widerstand stoßen.

Wenn Sie zum Leiter einer Gruppe werden, führt das unvermeidlich zu bedeutsamen Veränderungen in Ihrer Beziehung zu den Mitgliedern der Gruppe. Menschen, die sich eben noch als gleichgestellt oder Freunde Ihnen gegenüber verhalten haben, verändern ihre Haltung. Sie sind jetzt »da oben«, und die anderen sind »unter« Ihnen. Diese »erstatten Ihnen Bericht«, Sie haben die »Verantwortung«.

Selbst wenn Sie der Gruppe von außen als Führer vorgesetzt werden, müssen Sie darauf gefasst sein, sich einer großen Bandbreite unerwünschter Reaktionen gegenüberzusehen: Argwohn, Misstrauen, Feindseligkeit, Unterwürfigkeit, passivem Widerstand, Unsicherheit. Und lassen Sie die Möglichkeit nicht außer Acht, dass es unter Umständen irgendjemand darauf anlegt, Sie auf Ihrem neuen Posten zu Fall zu bringen!

Solche vorgegebenen negativen Reaktionsmuster sind den Menschen zur zweiten Natur geworden. Sie haben sie als Kinder gelernt. Der Führer »erbt« das »einstige Kind«, das jedes Mitglied der Gruppe noch in sich herumträgt. Denn jeder von uns hat seine eigene Kindheitsgeschichte, in der er in vielfältige Beziehungen zu einer großen Zahl Erwachsener verstrickt war: zu Eltern, Großeltern, Lehrern, Trainern, Pfadfinderführern, Klavierlehrern, Schulleitern. All diese Erwachsenen hatten in unserer Kindheit Macht und Autorität über uns, und viele von ihnen haben häufig davon Gebrauch gemacht. Alle Kinder versuchen durch unterschiedliche Verhaltensweisen, diese »Autoritätsfiguren« zu bewältigen. Einige ihrer Bewältigungsmechanismen erweisen sich als wirksam, andere nicht. Diejenigen, die funktionieren, werden immer wieder verwendet und werden so zu habituellen Reaktionen gegenüber allen anderen Erwachsenen, die sie zu kontrollieren und zu dominieren versuchen.

Solche Bewältigungsmechanismen werden meist beibehalten, wenn aus Kindern Jugendliche und schließlich Erwachsene werden. Sie bleiben ein integrierter Bestandteil der erwachsenen Persönlichkeit. Die Person beruft sich immer dann auf sie (oder löst sie unbewusst aus), wenn sie sich in einer Beziehung zu jemandem sieht, der im Besitz von Macht oder Autorität ist. So pflegt jeder Erwachsene in einem sehr konkreten Sinn in seinem Inneren »das Kind, das er einmal war«. Es übt einen nachdrücklichen Einfluss auf die Art und Weise aus, in der der Erwachsene auf Führer reagiert.

Wenn Menschen nun eine neue Beziehung zu einer Autoritätsperson aufnehmen, verwenden sie die gleichen Bewältigungsmechanismen, die sie durch eine lebenslange Gewohnheit erworben haben. Insofern erbt der neue Führer das Kind, das jedes seiner Gruppenmitglieder einmal war. Sie verfügen bereits über die entsprechenden Bewältigungsmechanismen und können jederzeit auf sie zurückgreifen. Der Führer hat sie also nicht verursacht. Da aber die Mitglieder einer Gruppe den Führer meist als potenziellen Kontrolleur und Diktator wahrnehmen, werden sie in dieser Weise auf ihn reagieren, selbst wenn der Führer gar nicht die Absicht hat, von seiner Macht und Autorität Gebrauch zu machen.

Ohne Zweifel werden Sie die meisten Bewältigungsmechanismen in der folgenden Aufstellung wiedererkennen. Sie werden überdies feststellen, dass Sie einige von ihnen häufig als Kind benutzt haben, während Sie andere auch als Erwachsener noch verwenden:

Widerstand, Trotz, Auflehnung, negative EinstellungGroll, Ärger, FeindseligkeitAggression, nachtragendes Verhalten, Abwehr, Lächerlichmachen der AutoritätspersonLügen, Verbergen der GefühleAndere Beschuldigen, Klatschen, MogelnHerrschaft, den Chef-Herauskehren, Tyrannisieren von MitarbeiternDas Bedürfnis, zu gewinnen, die Unfähigkeit, zu verlieren, PerfektionismusDas Suchen von Verbündeten, das Intrigieren gegen die AutoritätspersonUnterwürfigkeit, Gehorsam, WillfährigkeitSpeichelleckerei, das Buhlen um Gunst, Honig-um-den-Mund-SchmierenKonformismus, die Angst, etwas Neues oder Kreatives zu wagen, das Bedürfnis, sich des Erfolges sicher zu sein, Abhängigkeit von der AutoritätsfigurRückzug, Flucht, Phantasien, RegressionKrank werdenWeinen

Ist nun deutlicher, warum Sie, wenn Sie Führer geworden sind, es noch nicht geschafft haben? Es könnte Sie nämlich durchaus auch schaffen! Denn vielleicht bekommen Sie überhaupt gar nicht die Chance, sich die Führungsrolle Ihrer Gruppe zu verdienen. In den Augen der Mitglieder haben Sie eine neue Identität: die eines potenziellen Kontrolleurs und Diktators. Bevor Sie noch versucht haben, von Ihrer Autorität oder Macht konkreten Gebrauch zu machen, sind die Mitglieder der Gruppe bereits darauf programmiert, solche Versuche zu bewältigen. Dazu benutzen sie irgendeine Kombination der oben genannten Bewältigungsmechanismen.

Ganz gewiss habe ich nicht die Absicht, irgendjemandem den Mut zu nehmen, eine Führungsrolle anzustreben. Aber ich möchte keine Zweifel an der besonderen Dynamik aufkommen lassen, die die Beziehung zwischen Führern und Gruppenmitgliedern bestimmt. Vor allem aber möchte ich die These dieses Buches unterstreichen: Führen heißt noch nicht, ein Führer zu sein, da Führer nicht automatisch von den Mitgliedern ihrer Gruppe geachtet und akzeptiert werden. Wenn Führer also wirklich diese Rolle gegenüber der Gruppe erfüllen und einen positiven Einfluss auf die Mitglieder ausüben wollen, müssen sie bestimmte Techniken und Methoden lernen.

Was macht einen Führer aus?

»Führer werden geboren, nicht gemacht.« Das dachten die meisten Menschen, bis Sozialwissenschaftler vor nicht mehr als 70 oder 75 Jahren die Führungsrolle zu einem legitimen Forschungsgegenstand erhoben. In jener Zeit, als ausgeprägte soziale Klassenschranken es den meisten Menschen fast unmöglich machten, Führer zu werden, schien es so, als werde die Führungsrolle geerbt. Denn meist gingen die Führer aus stets denselben privilegierten Familien hervor. Als die Klassenschranken mehr und mehr aufgehoben wurden und es sich zeigte, dass Führer aus allen Schichten der Gesellschaft hervorgingen, sagte der gesunde Menschenverstand, dass die Führungsrolle ein weit komplexeres Phänomen sein müsse und dass es nicht genüge, mit den richtigen Genen oder in den richtigen Familien geboren zu werden.

Wenn Führungsqualitäten nicht eine Frage der Gene sind, dann gehen sie vielleicht auf bestimmte Eigenschaften zurück, die durch Erziehung oder Ausbildung erworben werden. Aufgrund dieser Vorstellung begann man nach den universellen Eigenschaften von Führern zu forschen. Doch als hunderte von Studien keine Merkmalsunterschiede zwischen Führern und Nicht-Führern erbrachten, wurde die Theorie fast schon wieder aufgegeben, der zufolge die Führungsrolle das Produkt bestimmter Eigenschaften sei, die allen Führern gemeinsam sind.

Ein Durchbruch zeigte sich, als die Sozialwissenschaftler die Führungsrolle als Interaktion zwischen Führern und Gefolgschaft zu verstehen begannen. Denn letztlich – so folgerten sie – ist es der Gefolgsmann, der den Einfluss des Führers entweder akzeptiert oder ablehnt. Die Schlüsselfrage hieß nun: Warum akzeptieren Gefolgsleute einen Führer und warum lehnen sie ihn ab? Was passiert in dieser Interaktion?

Offensichtlich kann niemand Führer sein, ohne Gefolgsleute zu haben. Niemand wird sich über längere Zeit als Gruppenführer behaupten können, der keine Gruppenmitglieder hat, die seinen Einfluss, seine Führung und seine Anleitung akzeptieren. Doch wie gewinnt ein Führer Gefolgsleute? Die Antwort auf diese grundlegende Frage macht keine Schwierigkeiten mehr, wenn wir die Bedürfnisse verstehen, die allen Menschen gemeinsam sind, und wenn wir verstehen, wie sie sich um die Befriedigung dieser Bedürfnisse bemühen. In etwas vereinfachter Form wird unten dargestellt, wie Führer Gefolgsleute gewinnen.

Jeder Mensch ist – um zu überleben – in einen ständigen Kampf verstrickt, der der Befriedigung seiner Bedürfnisse und dem Abbau seiner Spannungen dient.Bestimmte Mittel sind erforderlich, um Bedürfnisse zu befriedigen (Werkzeuge, Nahrung, Geld, physische Stärke, Wissen usw.).Die meisten Bedürfnisse von Individuen werden in einer Beziehung zu Menschen oder Gruppen befriedigt. Dadurch werden Menschen und Gruppen zu Mitteln, der wir uns zur Befriedigung unserer Bedürfnisse weitest gehend bedienen (wir bauen unsere Nahrung nicht selbst an, fertigen unsere Kleider nicht selbst, bilden uns nicht selbst aus usw.).Bewusst bemühen sich Menschen um Beziehungen, in denen die anderen allem Anschein nach die Mittel zur Befriedigung ihrer Bedürfnisse besitzen.Menschen schließen sich also Gruppen an, weil sie hoffen, dass sie dadurch in den Besitz der Mittel zur Befriedigung ihrer Bedürfnisse gelangen. Umgekehrt verlassen sie Gruppen, wenn ihre Bedürfnisse nicht mehr befriedigt werden.Die Mitglieder einer Gruppe akzeptieren den Einfluss und die Leitung eines Führers nur, wenn er für sie derjenige ist, durch dessen Mittel sie ihre Bedürfnisse befriedigen können. Menschen folgen einem Führer (und lassen ihre Aktivitäten von ihm steuern), wenn sie der Auffassung sind, er werde ihnen verschaffen, was sie brauchen oder wünschen.

Daraus folgt, dass ein Führer seine spezifische Rolle nur ausfüllen und behaupten kann, wenn die Gruppenmitglieder das Gefühl haben, sie könnten ihre Bedürfnisse befriedigen, indem sie »dem Führer folgen«. Dieses Buch benennt und beschreibt jene Einstellungen, Techniken, Methoden und Verfahren, die von entscheidender Bedeutung sind, soll sich diese Hoffnung erfüllen. Es ist kein großes Geheimnis mehr, warum bestimmte Menschen die Führungsrolle in ihren Gruppen gewinnen und behalten können und weshalb das anderen nicht gelingt. Dank eingehender Forschungsarbeiten und Beobachtungen haben die Sozialwissenschaftler viele der entscheidenden Voraussetzungen effektiver Führung ausmachen können. Mein Ziel ist es, diese Erkenntnisse so darzulegen, dass sie leichter von denen verstanden und verwendet werden können, die sich um Führungsrollen bemühen.

Das Dilemma des Führers

Wem es gelingt, dadurch Gefolgsleute zu gewinnen, dass er den Bedürfnissen der Gruppenmitglieder1 genügt, darf deshalb noch nicht meinen, er sei ein effektiver Führer. Die Kehrseite der Medaille ist nämlich, dass Führer es ebenso verstehen müssen, ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen.

Selten dürfte jemand eine Führungsposition nur deshalb anstreben, um die Bedürfnisse von Gruppenmitgliedern zu befriedigen. Auch Führer sind Menschen und haben das normale menschliche Bedürfnis nach Status, Leistung, höherem Lohn, Anerkennung, Selbstachtung, Sicherheit und Bejahung durch andere – in der Regel haben sie nämlich dieselben Bedürfnisse wie ihre Gruppenmitglieder. Wenn sie in ihrer Führungsposition keine Gelegenheit finden, diese Bedürfnisse zu befriedigen, werden sie in ihr nicht lange verweilen wollen. Selbst wenn Führer ungeachtet der Tatsache, dass sie das Gefühl haben, viele ihrer Bedürfnisse würden nicht befriedigt, noch lange Zeit auf ihrem Posten ausharren, werden sie sich nicht mehr in der Lage sehen, all die Anstrengungen zu unternehmen, die erforderlich sind, um die Bedürfnisse ihrer Gruppenmitglieder zu befriedigen.

Die Erklärung liegt auf der Hand: Menschen bringen nur dann Energie für Dinge auf, die anderen nützen, wenn sie das Empfinden haben, sie zögen daraus »entsprechenden Nutzen«. In zwischenmenschlichen Beziehungen gibt es immer eine Grenze für die einseitige Verteilung der Vorteile. Dieses Prinzip funktioniert etwa nach dem Motto: »Eine Hand wäscht die andere.«

Auch gilt hier der Grundsatz, dass man »aus dem Vollen schöpfen« können muss. Ich kann anderen nur dann geben, wenn genügend da ist und ich Wege und Mittel finde, den Vorrat wieder aufzufüllen, aus dem ich schöpfe. Wie wichtig dieses Prinzip ist, wissen die professionellen »Helfer« (Therapeuten und Berater) am besten. Sie stellen immer dann einen ernsthaften Rückgang ihrer Fähigkeit zu helfen fest, wenn sie in ihrem Privatleben unter Schwierigkeiten und einem Mangel in ihren Bedürfnissen leiden. Deshalb bleiben so viele professionelle Therapeuten auf ihre eigenen Therapeuten angewiesen. Sie können in ihrem Beruf sonst nicht »aus dem Vollen« schöpfen.

Außerdem ist natürlich für all die Führer, die in einer Organisation tätig sind, eines der vordringlichsten Bedürfnisse, bei ihren eigenen Vorgesetzten gut angesehen zu sein. Ganz gewiss erwächst die Selbstachtung eines Führers wesentlich aus den Reaktionen und Urteilen der eigenen Vorgesetzten. Und – was noch viel wichtiger ist – wenn es Führern nicht gelingt, den Erwartungen und Zielen ihrer Vorgesetzten zu genügen (d. h., wenn sie es nicht schaffen, den Eindruck zu erwecken, sie würden ihren Beitrag dazu leisten, dass die Organisation ihre Ziele erreicht), müssen sie befürchten, abgesetzt oder entlassen zu werden.

So befinden sich Führer, die im Rahmen einer bestimmten Organisation arbeiten, in einem Dilemma: Sie müssen den Bedürfnissen der Organisation genügen und zugleich den Bedürfnissen der eigenen Gruppenmitglieder. Die Kunst besteht darin, zu lernen, ein Gleichgewicht zwischen den Bedürfnissen beider Seiten herzustellen, sodass sowohl die Vorgesetzten wie auch die Mitarbeiter den Führer für tüchtig halten. Wie jeder weiß, der einmal in einer solchen Organisation gearbeitet hat, ist das keine leichte Aufgabe. Denn die Bedürfnisse der Organisation richten sich in erster Linie auf wachsende Produktivität und Wirtschaftlichkeit, während die Gruppenmitglieder durch ihre Bedürfnisse häufig motiviert sind, diesem Druck nach höherer Produktivität und Wirtschaftlichkeit Widerstand zu leisten.

Zahlreiche Untersuchungen, die zur Führungsrolle in hierarchisch gegliederten Organisationen durchgeführt wurden, lassen darauf schließen, dass Führer über ein Instrumentarium an Techniken verfügen müssen, mit dessen Hilfe sie ihre eigenen Bedürfnisse (und diejenigen ihrer Vorgesetzten nach Produktivität und Wirtschaftlichkeit) befriedigen, und ein anderes Instrumentarium ganz verschiedener Techniken, mit dem sie den Bedürfnissen ihrer Gruppenmitglieder genügen. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt begnüge ich mich damit, diese beiden Gruppen von Techniken in sehr allgemeiner Form zu beschreiben:

A. Techniken, mit deren Hilfe die Bedürfnisse der Gruppenmitglieder befriedigt werden: 1. Verhaltensweisen, die Selbstachtung und Eigenwert der Grup penmitglieder steigern. 2. Verhaltensweisen, die Gruppenzusammenhalt und Teamgeist fördern. B. Techniken, die den Bedürfnissen der Or ganisation genügen: 1. Verhaltensweisen, die die Gruppenmitglieder motivieren, sich um Produktivität zu bemühen. 2. Verhaltensweisen, die den Mitgliedern dabei helfen, die Ziele zu erreichen: Planung, Zeiteinteilung, Koor dinierung, Problemlö sung, Hilfestellung.

 

 

Ein effektiver Führer ist weder ein einseitiger »Spezialist in zwischenmenschlichen Beziehungen« (der ausschließlich die Bedürfnisse der Gruppenmitglieder befriedigt) noch ein einseitiger »Produktivitätsspezialist« (der einseitig die Bedürfnisse der Organisation befriedigt). Er muss beides sein. Und darüber hinaus muss der effektive Führer – und das ist noch wichtiger – genügend Flexibilität oder Fingerspitzengefühl entwickeln, um zu wissen, wann und wo er diese ganz verschiedenen Techniken anwenden muss. Nur so lassen sich einerseits die Bedürfnisse der Gruppenmitglieder und andererseits die der Führer befriedigen. Schließlich muss der effektive Führer Techniken erlernen, mit deren Hilfe er die unvermeidlichen Konflikte zwischen diesen beiden konkurrierenden Bedürfnisquellen lösen kann.

Ziel dieses Buches ist es, Führern zu zeigen, wie sie diesen so wichtigen Zustand gegenseitiger Bedürfnisbefriedigung mit größerem Erfolg erreichen können, wie sie mehr Flexibilität und Fingerspitzengefühl entwickeln können, indem sie sich um größere Ehrlichkeit in der Kommunikation mit Vorgesetzten und Gruppenmitgliedern bemühen, und wie sie eine gerechte Methode (oder die Jeder-gewinnt-Methode) zur Lösung von Bedürfniskonflikten anwenden können, die ihre Beziehung zu anderen weitgehend von Groll, Feindseligkeit und Entfremdung frei hält.

Was Menschen von ihrer Gruppe erwarten

Man kann dem Anspruch seiner Führungsposition nur dadurch genügen, dass man Dinge tut, die den Gruppenmitgliedern das Gefühl geben, ihre Hoffnung auf Bedürfnisbefriedigung werde erfüllt. Lassen Sie mich noch einmal betonen: Sie können kein Führer sein, ohne Gruppenmitglieder zu haben. Die Gruppenmitglieder werden Ihre Leitung und Einflussnahme nur akzeptieren, wenn Sie ihnen bei der Befriedigung ihrer Bedürfnisse helfen.

Daraus ist der nahe liegende Schluss zu ziehen, dass Führer zuerst einmal genau in Erfahrung bringen müssen, welche Bedürfnisse ihre Gruppenmitglieder haben. Erst dann können sie entscheiden, was zu tun ist, damit diese Bedürfnisse als Gegenleistung dafür befriedigt werden, dass die Gruppenmitglieder bestimmte Dienste oder Leistungen für die Organisation erbringen. Dieser gerechte Austausch ist der Schlüssel zur Führungsrolle.

Was erwarten Menschen von ihrer Gruppe? Früher dachten die Fachleute für »wissenschaftliches Management«, dass der Einzelne in erster Linie um des persönlichen finanziellen Gewinns wegen arbeitet. Darauf beruht die Theorie des »homo oeconomicus«. Später wies die Forschung unumstößlich nach, dass die Menschen weit mehr von ihrer Gruppe brauchen – unter anderem die Bejahung durch andere Mitglieder, das Gefühl, etwas zu leisten, die soziale Interaktion mit anderen Mitgliedern und die Gelegenheit, durch die Zugehörigkeit zur Gruppe einen bestimmten Sozialstatus zu erwerben.

Es wäre deshalb weit angebrachter, von einem »homo socio-oeconomicus« auszugehen. Ein solches Konzept würde dem Umstand Rechnung tragen, dass Führer über eine breit gestreute Auswahl von »Anreizen« verfügen, mit deren Hilfe sie die Gruppenmitglieder an die Gruppe binden können. Um sie in der Gruppe als produktive Gruppenmitglieder zu erhalten, muss der erfolgreiche Führer für mehr sorgen als nur für die Befriedigung der finanziellen Bedürfnisse seiner Leute.

Die Bedürfnisse von Menschen lassen sich sehr anschaulich in Form einer Hierarchie mit unterschiedlichen Ebenen darstellen. Der bedeutende Psychologe Abraham Maslow hat, als er noch Professor für Psychologie an der Brandeis-Universität war, eine fünfstufige Pyramide entworfen. Sie zeigt die unterschiedliche Wichtigkeit von fünf unterschiedlichen menschlichen Bedürfnissen für den Einzelnen (Abb. 1).

Die Bedürfnisse der Ebene I – etwa nach Nahrung, Kleidung, Wohnung – sind die wichtigsten (sie sind »präpotent«). Sie müssen zunächst befriedigt sein, bevor ein Mensch die Motivation verspüren wird, die Bedürfnisse auf der nächsten Ebene zu befriedigen. Die Bedürfnisse der Ebene II (Sicherheit) müssen ihrerseits zunächst befriedigt sein, bevor ein Mensch motiviert ist, sich um die Befriedigung von Bedürfnissen höherer Ebenen zu bemühen. Diese Beziehung herrscht zwischen allen Ebenen der Pyramide. Wenn der Angehörige eines primitiven Stammes beispielsweise Hunger empfindet, wird er hoch motiviert sein, Jagd auf ein wil-des Tier zu machen, um sich Nahrung zu beschaffen, selbst wenn er dabei sein Leben riskiert (er missachtet also das Bedürfnis nach Sicherheit). Sobald er das Tier getötet und ausreichend von ihm gegessen hat, wird er motiviert sein, seine Sicherheitsbedürfnisse zu befriedigen. Er wird also das übrige Fleisch möglicherweise trocknen und für den künftigen Verzehr aufbewahren (Sicherheitsbedürfnisse). Wenn er sich einen ausreichenden Vorrat angelegt hat, wird er möglicherweise daran denken, seine Freunde zum Mitessen einzuladen (Bedürfnisse nach Bejahung durch andere und sozialer Interaktion). Sind diese Bedürfnisse befriedigt, wird er vielleicht neue und schmackhaftere Verfahren in der Nahrungszubereitung ausprobieren (Bedürfnisse nach Leistung, Selbstachtung). Wenn schließlich auch diese Bedürfnisse ausreichend befriedigt sind, wird er möglicherweise die Lust verspüren, die Wände seiner Höhle mit den Bildern der Tiere zu schmücken, die er getötet hat (Bedürfnis nach Selbstverwirklichung). Maslows Theorie der hierarchischen Bedürfnisse ist von weit reichender Bedeutung für Führer.

Abbildung 1

Gruppen und Organisationen bieten ihren Mitgliedern nicht immer Gelegenheit, die Bedürfnisse der Ebenen IV und V zu befriedigen. Das gilt vor allem für die Menschen, die auf der unteren Unternehmensebene beschäftigt sind, deren Funktionen begrenzt oder durch Routine bestimmt werden, deren Tätigkeit nahezu vollständig kontrolliert wird und die nur über höchst beschränkte Möglichkeiten zu Selbstbestimmung, eigenen Entscheidungen und Initiative verfügen.Wenn Führer willkürlich Gebrauch von ihrer Macht machen, haben die Gruppenmitglieder Angst vor Kritik, oder sie leben in ständiger Sorge um ihren Arbeitsplatz. Da ihre Bedürfnisse nach Sicherheit nicht befriedigt sind, werden sie auf Ebene II festgenagelt. Sie verspüren keine Motivation, etwas zu leisten und sich um ihre sozialen Bedürfnisse zu kümmern. Das Gleiche gilt für ihr Bedürfnis nach Wettbewerb und Selbstachtung.Verschiedene Gruppenmitglieder können zur selben Zeit und in derselben Situation auf unterschiedlichen Bedürfnisebenen agieren. In einem Gruppenmeeting ist also vielleicht ein Mitarbeiter müde (Ebene I), ein anderer versucht möglicherweise, die Gruppe zu irgendeiner Leistung zu bewegen (Ebene IV), während wieder andere sich unterhalten und miteinander scherzen (Ebene III).In unserer Überflussgesellschaft sind die Bedürfnisse der Ebenen I und II selten sehr wirksame Motivatoren. Die meisten physiologischen Bedürfnisse der Mitarbeiter sind nämlich bereits befriedigt. Auch können sie meist sicher sein, nicht entlassen zu werden (Kündigungsschutzgesetz). Deswegen verfehlen Führer meist ihre Wirkung, wenn sie versuchen, ihre Gruppenmitglieder zu motivieren oder zu kontrollieren, indem sie vor Entlassungen warnen – oder gar damit drohen.Wenn Mitarbeiter wenig Gelegenheit haben, ihre Bedürfnisse der Ebenen III, IV und V durch die Arbeit zu befriedigen, werden sie neben der Arbeit nach Gelegenheiten suchen, ihren Bedürfnissen nach sozialer Interaktion, Leistung und nach Selbstverwirklichung zu genügen (sportliche Betätigung, Hobbys und soziale Aktivitäten). Aus diesem Grund wenden viele Menschen nur gerade so viel Energie auf, wie erforderlich ist, um ihren Arbeitsplatz zu behalten und ihren Lohn zu bekommen. Darüber hinaus fühlen sie sich der Organisation entfremdet (oder stehen ihr gleichgültig gegenüber).Sollen die Gruppenmitglieder zu besseren Leistungen (Ebene IV) motiviert werden, muss der Führer bereits dafür gesorgt haben, dass:

a) sie einen Lohn erhalten, der gerecht erscheint,

b) sie sich an ihrem Arbeitsplatz sicher fühlen,

c) die Gruppe ihnen Gelegenheit zu sozialer Interaktion bietet, freundschaftliche Beziehungen ermöglicht und ihnen das Gefühl vermittelt, verstanden und akzeptiert zu werden (die Bedürfnisse der Ebenen I, II und III müssen befriedigt sein).

Wenn ein Führer seine Gruppenmitglieder an der Problemlösung und Entscheidungsfindung beteiligt, liegt der Nutzen für die Mitglieder darin, dass sie Gelegenheit haben, ihre Bedürfnisse nach sozialer Interaktion (Ebene III), nach Selbstachtung und Status in der Organisation (Ebene IV) und eventuell sogar nach Selbstverwirklichung und Selbstentfaltung (Ebene V) zu die befriedigen.

Weitere Einsicht in die Bedürfnisse ihrer Gruppenmitglieder erhalten die Führer durch eine Differenzierung des Maslow’schen Konzepts. Es handelt sich um die auf einem Zwei-Faktoren-Modell beruhende Motivationstheorie, die Frederick Herzberg entwickelt hat. Die entsprechenden Forschungsarbeiten hat er zuerst am Carnegie Institute of Technology und später an der University of Utah durchgeführt. Er hat zwei relativ unabhängige Faktoren nachgewiesen: 1) Bestimmte Faktoren wirken sich in der Gruppenarbeit als Hindernisse der Bedürfnisbefriedigung aus und werden Reizmittel. Sie sind die Ursache von Unmut und Unzufriedenheit, sie sind »dissatisfiers«. 2) Andere Faktoren werden als Lieferanten von Bedürfnisbefriedigung wahrgenommen. Sie tun den Bedürfnissen Genüge, sie sind »satisfiers«.

Als Hindernisse der Bedürfnisbefriedigung (als »dissatisfiers«) wirken sich aus:

Mangelnde interpersonelle Beziehungen zu VorgesetztenUnzulängliche interpersonelle Beziehungen zu GleichgestelltenUnsachgemäße technische AufsichtUnzulängliche Unternehmensleitung und VerwaltungUnzulängliche ArbeitsbedingungenProbleme im Privatleben der Mitarbeiter

Als Lieferanten der Bedürfnisbefriedigung (als »satisfiers«) wirken sich aus:

LeistungAnerkennungDie Arbeit selbstVerantwortungBeförderung

Das Fehlen von »dissatisfiers« rief nur selten Zufriedenheit hervor –beispielsweise schufen gute Arbeitsbedingungen nur selten das Gefühl von Zufriedenheit. Unzulängliche Arbeitsbedingungen hingegen weckten durchaus das Empfinden von Unzufriedenheit. Das Empfinden von Zufriedenheit ließ sich aber nur durch die Gegenwart von »satisfiers« (durch Leistung, Anerkennung usw.) schaffen.

Diese Untersuchungen legen den Schluss sehr nahe – und er ist von außerordentlicher Wichtigkeit für Führer –, dass die Arbeit selbstbelohnend sein muss, wenn Gruppenmitglieder zu größerer Produktivität motiviert und mit ihrer Arbeit zufrieden sein sollen. Die Arbeit muss Gelegenheit zu Selbstentfaltung, Verantwortung, Anerkennung und Beförderung bieten. Diese Voraussetzungen klingen ganz nach den Bedürfnissen der Ebenen III, IV und V von Maslow. So bestätigt sich meine obige Annahme, dass der erfolgreiche Führer die Techniken und Methoden lernen muss, dank derer die Gruppenmitglieder ihre Bedürfnisse höherer Ordnung befriedigen können – Selbstachtung durch Leistung in der Arbeit und durch die Anerkennung dieser Leistung, ebenso wie Selbstverwirklichung (das Gefühl, dass man die eigenen Möglichkeiten nutzt). Die entsprechenden Techniken und Methoden werden in den folgenden Kapiteln im Einzelnen beschrieben werden.

Die genannten Ergebnisse gelten möglicherweise nicht in gleicher Weise für Arbeiter auf den unteren Ebenen einer Organisation. Bei ihnen ist die Wahrscheinlichkeit viel größer, dass sie ein starkes Gefühl der Deprivation empfinden; dann nämlich, wenn ihre Bedürfnisse der Ebenen I und II nicht befriedigt sind (schlechte Bezahlung, Gefährdung des Arbeitsplatzes). Aus diesem Grund dürfen Führer solcher Gruppen niemals Anzeichen dafür missachten, dass die Gruppenmitglieder das Gefühl haben, die Bezahlung sei ungerecht oder sie müssten um ihren Arbeitsplatz fürchten.

Zu ähnlichen Ergebnissen wie Herzberg kam M. Scott Myers in einer sechsjährigen Motivationsstudie. Myers ist Industriepsychologe bei Texas Instruments. Die Ergebnisse dieser Untersuchung wurden wie folgt in der Harvard Business Review zusammengefasst: