Manche Fehler muss man selber machen - Patrick Ludolph - E-Book

Manche Fehler muss man selber machen E-Book

Patrick Ludolph

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Beschreibung

Oft schaut man sich Fotos an und fragt sich "Wie hat der das bloß gemacht?". Hinter manchen Bildern steckt sehr viel Aufwand, andere wiederum entstehen eher beiläufig und durch eine ordentliche Portion Glück. Ich habe auf meinem fotografischen Weg viele Fehler gemacht. Über manche muss ich heute schmunzeln, einige würde ich am liebsten ungeschehen machen, doch auch in der Fotografie gilt: Aus Fehlern lernt man. Das vorliegende Buch besteht aus zwei Teilen. Zunächst erzähle ich über meine grundlegende Philosophie, meinen Ansatz, Menschen zu fotografieren. Der zweite Teil ist eine Sammlung meiner persönlichen Lieblingsbilder. Ich schreibe zu jedem Bild, wie es entstanden ist, wie die Aufnahmeparameter waren, welches Licht zum Einsatz kam und vor allem wie die Geschichte dahinter ist. Manche Bilder haben eine längere Geschichte, andere gar keine. Es geht sowohl um Licht und Bildgestaltung, aber auch um Kreativität und den Umgang mit Menschen vor der Kamera. Ich möchte mit dem Buch eine persönliche Sicht auf die Dinge geben. Es soll keine Anleitung sein, sondern ein Denkanstoß, eine Ermutigung.

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MANCHE FEHLER MUSS MAN SELBER MACHEN

ODER WIE ICH MENSCHEN FOTOGRAFIERE

Patrick Ludolph

Lektorat: Gerhard Rossbach

Copy-Editing: Alexander Reischert (Redaktion ALUAN), Susanne Rudi

Layout: Brandmarke GmbH

Illustrationen: Stefan Poier

Satz: Birgit Bäuerlein

Herstellung: Stefanie Weidner

Umschlaggestaltung: Helmut Kraus, www.exclam.de

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

ISBN:

Print      978-3-86490-612-1

PDF       978-3-96088-635-8

ePub     978-3-96088-636-5

mobi     978-3-96088-637-2

1. Auflage 2018

dpunkt.verlag GmbH

Wieblinger Weg 17

69123 Heidelberg

Die vorliegende Publikation ist urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte vorbehalten. Die Verwendung der Texte und Abbildungen, auch auszugsweise, ist ohne die schriftliche Zustimmung des Verlags urheberrechtswidrig und daher strafbar. Dies gilt insbesondere für die Vervielfältigung, Übersetzung oder die Verwendung in elektronischen Systemen.

Alle Angaben und Programme in diesem Buch wurden von den Autoren mit größter Sorgfalt kontrolliert. Weder Autor noch Herausgeber noch Verlag können jedoch für Schäden haftbar gemacht werden, die in Zusammenhang mit der Verwendung dieses Buchs stehen.

In diesem Buch werden eingetragene Warenzeichen, Handelsnamen und Gebrauchsnamen verwendet. Auch wenn diese nicht als solche gekennzeichnet sind, gelten die entsprechenden Schutzbestimmungen.

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INHALTSVERZEICHNIS

VORGEPLÄNKEL

Was soll dieses Buch?

Die Freude an der Fotografie

TECHNIK, DIE WICHTIGSTE NEBENSACHE

Der Fotograf macht das Bild, aber nicht alleine

Schönes Licht allein macht kein gutes Bild

Automatiken sind besser als ihr Ruf

Intimität durch kurze Brennweiten

LICHT

Licht muss man sehen lernen

Ein Fenster, sechs Bilder

Fensterlicht von vorne

Fensterlicht von der Seite

Auf der Fensterbank

Hinter dem Vorhang

Gegenlicht mit Reflektoren

In den Schatten fotografiert

Blitz- oder Dauerlicht

BILDGESTALTUNG

Regeln muss man erst lernen, bevor man sie bricht

Hoch oder quer?

Linien und Fluchten

Vordergrund macht Bild gesund

Spiegelungen

Der Amerikanische Schnitt

Anschnitt

Natürliche Rahmen

Von oben oder unten

KREATIVITÄT KANN MAN LERNEN

Das Offensichtliche über Bord werfen

Vorbereitung gibt Freiraum für Kreativität

Eine Sekunde Zufall

UMGANG MIT MENSCHEN VOR DER KAMERA

Spieglein, Spieglein

Als Fotograf ist man auch Therapeut

Ein Fotograf sollte auch mal vor der Kamera stehen

Moodboard für ein gemeinsames Verständnis

Problemzonen ansprechen

Auch mal die eigenen Bilder feiern

GUTE FOTOS BRAUCHEN KEINE RETUSCHE

EIN WORT ZU LOCATIONS

POSING

SCHWARZ-WEISS ODER FARBE

BILDAUSWAHL UND PRÄSENTATION

FAQ

ICH ÜBER MICH

MEINE BILDER UND IHRE ENTSTEHUNG

VORGEPLÄNKEL

WAS SOLL DIESES BUCH?

Mich beschäftigte schon lange die Idee, mal einen Bildband mit einer Auswahl meiner besten Bilder der letzten Jahre zu erstellen. Aber nur eine Art von besserem Portfoliobuch war mir dann doch etwas zu wenig. Wen würde das schon interessieren? Außerdem sind ja viele meiner Bilder auch bereits bekannt. Daraufhin dachte ich mir, dass es doch auch schön sei, wenn man ein wenig Hintergrundinformationen zu den Bildern bekommt, also wie sie entstanden sind und welche Geschichte evtl. dahintersteckt. Das reichte mir dann aber auch noch nicht – denn einige Bilder haben schlichtweg keine Geschichte. Manchmal mache ich einfach … und dann sind die Bilder da. Auch wenn ich gerne zu jedem Foto eine romantische oder dramatische Story erzählen würde, so ist die Entstehung oft gar nicht so spannend, wie man denken könnte. Aber ist nicht genau das für den Leser interessant? Als Profi mal die Hosen herunterzulassen und zu zeigen, wie wenig spektakulär so manches Foto entsteht und was wirklich dahintersteckt?

Parallel dazu hatte ich schon lange die Idee, ein Fachbuch über meine Art der People- und Porträtfotografie zu schreiben. Ich glaube aber, dass mir ein reines Fachbuch schwerfallen würde: Der Leser würde von mir Rezepte und Anleitungen erwarten, wie er die Bilder selbst nachmachen kann. Etwas in der Art gibt es aber schon vielfach. Und eigentlich wollte ich vielmehr meine persönliche Philosophie und meinen Weg der Fotografie niederschreiben. Die vielen Erfahrungen, die ich machte, Erfolge, über die ich mich freute, und Misserfolge, die ich wegstecken musste. Also das, was sich bei mir herauskristallisiert hat, nachdem ich die Grundlagen weitestgehend unter Kontrolle hatte. Sobald man sein Handwerkszeug im Griff hat, entwickelt man den eigenen Stil und eine eigene Herangehensweise. Man entfernt sich aufgrund der eigenen Persönlichkeit und Erfahrung mehr und mehr vom Lehrkanon und wird irgendwann zu einem Fotografen mit eigener Bildsprache. Ich selbst habe das Gefühl, nie „fertig“ zu sein – ich sehe mich auf einem immer weiterführenden Weg. Meine Fotografie, mein Stil verändern sich fortlaufend. Doch jetzt war es an der Zeit, meine (aktuelle) Sicht der Dinge einmal aufzuschreiben.

Dieses Buch ist eine Mischung aus Fachbuch und Bildband geworden. Wobei der Fachteil sehr persönlich ausfällt und nichts mit einer Fotoschule zu tun hat. Darin finden sich eher eigene Erfahrungen, die ich bei der Anwendung von Gelerntem und Gelesenen machte. Viele von euch werden andere Erfahrungen sammeln oder die Dinge anders sehen. Das Buch sagt deshalb auch nicht: „Mach das so“, sondern: „So habe ich es gemacht.“ Dazu gibt es eine Sammlung meiner Lieblingsbilder, zu denen ich jeweils ein paar Zeilen schreibe. Manchmal etwas mehr und manchmal kurz und knapp. Oft kommt das Ergebnis spektakulärer daher als die Entstehung selbst – und genau das soll auch der Tenor sein.

FOTOGRAFIE IST KEIN HEXENWERK!

Viele meiner Fotos sind mit einfachen Mitteln entstanden. Technik spielt oft eine untergeordnete Rolle. Ich habe irgendwann begonnen, meinen eigenen Weg zu finden, halte mich manchmal nicht an vermeintliche Regeln. Ich versuche, ich selbst zu sein, und habe festgestellt, wenn ich beim Fotografieren wirklich ich selbst bin, dann tragen die Bilder auch meine eigene Handschrift. Es geht nicht um das Erlernen von Techniken. Fotografie entsteht aus einem selbst. Ich möchte dem Leser deshalb vor allem Mut machen, seinen eigenen Weg zu finden. Man liest oft, dass ein Bild so oder so zu machen sei. Das klingt dann, als müssten gewisse Regeln unbedingt eingehalten werden. Aber das führt nur dazu, dass man Bilder nachmacht. Ich möchte dazu ermutigen, die Fotografie selbst ganz praktisch zu entdecken. Das macht auch viel mehr Spaß, als sich immer nur theoretisch damit zu befassen. Manche Fehler muss man einfach selber machen.

DIE FREUDE AN DER FOTOGRAFIE

WENN EIN FOTO MISSLINGT, SCHADET DAS NIEMANDEM.

Weder mir noch anderen. Ich kann es einfach löschen und fertig. Mit schlechten Fotos richte ich keinen Schaden an. Belichte ich nicht richtig, schneide ich Köpfe ab oder fotografiere einfach nur belanglosen Unsinn, so wird das niemanden belasten. Und ehrlich: Ich habe schon verdammt viele belanglose Bilder gemacht. Die guten 5-Sterne-Fotos bilden (auch) bei mir eine nahezu mikroskopisch kleine Minderheit gegenüber den misslungenen und gelöschten.

DIE SCHLECHTEN BILDER SIND DIE BROTKRUMEN AUF DEM WEG ZUM GUTEN BILD.

Egal wie viele schlechte Bilder man auch produziert, man sollte niemals Angst davor haben, sie zu machen. Denn die schlechten Bilder sind die Brotkrumen auf dem Weg zum guten Bild. Ich behaupte sogar, dass der ganze Ausschuss wichtiger für den Lernprozess ist als die wenigen guten Bilder. Ich hatte einmal jemanden zu einem Einzeltraining bei mir. Der Teilnehmer wollte lernen, wie man bei schlechten Lichtverhältnissen fotografiert. Die Bilder seien immer so dunkel. Ich sagte: „Dreh doch einfach mal deinen ISO-Wert hoch.“ Verwunderter Blick. Was? ISO hoch? Darf man das? Über ISO 800 war er noch nie gegangen, weil er Angst hatte, dass das Bild dann rauschen würde. Er hatte irgendwo gelesen, dass man das nicht machen soll. „Hast du es schon einmal ausprobiert?“, fragte ich. Hatte er nicht. Aber warum nicht? Hatte er etwa Angst, dass die Kamera explodiert, wenn man den ISO-Wert auf Maximum setzt? Ich kann sagen, es passiert absolut nichts. Die Kamera geht nicht kaputt, wenn man mit vermeintlich seltsamen Einstellungen fotografiert. Der Teilnehmer machte daraufhin in meiner Abstellkammer ein Bild mit sehr hohem ISOWert. Nichts passierte, außer dass er darüber staunte, dass das Rauschen, vor dem er eindringlich gewarnt worden war, doch nicht so schlimm ausfiel, wie er befürchtet hatte.

Viele vermeintliche Unzulänglichkeiten empfinden wir auch ganz unterschiedlich. Manch einen stört Rauschen, mich eher nicht. Allein die Chance, ein Foto auch bei schlechten Lichtverhältnissen machen zu können, ist doch großartig. Heute können wir Bilder machen, die vor Jahren technisch noch gar nicht möglich waren. Da muss man dann auch mal etwas gnädig mit so belanglosen Mängeln wie Bildrauschen sein.

Das ist nur ein Beispiel für Blockaden, die wir in unserem Kopf aufbauen, wenn wir zu viel nachdenken. Sicherlich gibt es gewisse technische Grundlagen in der Fotografie. Aber anders als in der Sprengstofftechnik kann man mit ruhigem Gewissen jede erdenkliche Einstellung ausprobieren, ohne dabei in Lebensgefahr zu geraten. Wenn jemand sagt: „Das macht man so nicht“, ist das für mich schon immer der Ansporn gewesen, es zumindest auszuprobieren. Ein Bild mit maximalem ISO-Wert zu schießen, dauert nur eine Sekunde. Über den Sinn und Unsinn in Internetforen zu diskutieren, raubt dagegen viel mehr Zeit und ist ermüdend. Abrücken und selbst probieren. Die Fotografie selbst zu entdecken, macht viel mehr Spaß, als ständig nur darüber zu lesen … und führt ganz nebenbei dazu, dass man sich eine eigene Meinung bildet, was wiederum der Grundstein für den eigenen Stil ist.

IM BESTEN FALL LERNEN WIR ETWAS AUS UNSEREN SCHLECHTEN FOTOS, IM SCHLECHTESTEN FALL VERÖFFENTLICHEN WIR SIE.

Dank der Digitaltechnik kann man sich heute spielerisch der Fotografie nähern. Die vielen Tausende von Testfotos kosten nichts. Macht sie einfach und entdeckt selbst. Hinterfragt vor allem das, was andere Fotografen euch als Gesetz verkaufen möchten. Es gibt keinen Fotografen, der alles weiß und alles kann. Wenn ihr euch die Arbeiten anderer Fotografen anseht, Videos schaut, Workshops besucht oder sogar Bücher der Workshop-Leiter kauft (vielen Dank an dieser Stelle), dann versteht die dortigen Aussagen niemals als den einzig wahren Weg. Jeder einzelne Fotograf kann euch einen neuen Funken an Anregung liefern, den ihr dann vielleicht in die eigene Fotografie einfließen lasst. Als Autor dieses Buches würde ich mich schon sehr darüber freuen, wenn ihr nur aus fünf Prozent des Textes etwas für euch herauszieht und sagt: „Hey, das ist cool, das werde ich mal probieren.“ Wird es zu viel, so lauft ihr Gefahr, Kopien zu produzieren.

Apropos Kopie. Ich habe einmal gelesen, dass, wenn man ein Instrument zu lernen beginnt, man zuerst irgendwelche bekannten Songs nachzuspielen versucht. Und wenn man dann zum ersten Mal einen Ohrwurm der Beatles (mehr schlecht als recht) selbst spielt, freut man sich wie ein kleines Kind. In der Eigenwahrnehmung hat man soeben eine musikalische Höchstleistung erbracht. Irgendwann wird man mehr und mehr Songs erlernt haben und mit Leichtigkeit nachspielen können. Man hört ein paar Töne und weiß sofort, wie man sie selbst erzeugt. Dann kommt der Punkt, an dem man diese Songs selbst interpretiert und im nächsten Schritt etwas ganz Neues schafft. Genauso ist es in der Fotografie auch. Auf dem eigenen Weg wird man von vielen anderen Künstlern beeinflusst und anfangs sehr viel nachmachen. Das ist normal. Man sollte sich nur genau überlegen, in welchem Stadium man mit den eigenen Resultaten an die Öffentlichkeit geht. Man sollte keine Bilder aus Testshootings veröffentlichen. Musiker verbringen mehr Zeit im Probenraum als auf der Bühne. Und sie wissen: Das Üben und Selbst-Entdecken macht allein schon so viel Spaß, dass es sich lohnt, diesen Weg zu gehen.

Im besten Fall lernen wir etwas aus unseren schlechten Fotos, im schlechtesten Fall veröffentlichen wir sie.

TECHNIK, DIE WICHTIGSTE NEBENSACHE

DER FOTOGRAF MACHT DAS BILD, ABER NICHT ALLEINE

Ein jeder hat schon einmal den Spruch gehört: „Der Fotograf macht das Bild und nicht die Kamera.“ Ich habe lange überlegt, ob ich das Thema Technik in diesem Buch überhaupt behandeln soll. Oben zitierter Satz birgt zwar Wahres, aber dennoch nicht die ganze Wahrheit. Denn ohne Kamera kann ich auch kein Bild machen.

Je nachdem, in welchem Stadium ich mich in meiner fotografischen Entwicklung befand, spielte die Technik mal eine wichtigere und mal eine untergeordnete Rolle. Ich selbst würde mich schon als Technik-Nerd bezeichnen. Seit meiner Kindheit habe ich großen Spaß an technischem Spielzeug, und zu diesen technischen Spielereien gehören nun einmal auch Kameras. Je mehr Knöpfe, je besser und je dicker die Bedienungsanleitung, umso mehr Spaß habe ich mit einem Gerät. Ich gehöre zu den Menschen, die sich auch durch das unübersichtlichste Menü kämpfen und dabei sogar noch Spaß haben. Dass das fehlerfreie Bedienen einer Kamera aber nichts mit guter Fotografie zu tun hat, musste auch ich erst lernen.

Als ich damit anfing, Menschen zu fotografieren, habe ich mich natürlich zunächst schlaugelesen. Viel Wissen zog ich aus Büchern, Internetforen und Blogs. Da gab es z. B. eine Seite, auf der jede Woche ein neues Blitz-Setup vorgestellt wurde. Das war für mich zu dem Zeitpunkt der heilige Gral der People-Fotografie. Dadurch angefixt verfiel ich in einen Kaufrausch. Mein Credo: Unter zwei Blitzen geht mal gar nichts, wenn man Porträts fotografieren möchte. Dazu benötigt man mindestens drei Softboxen, in 50 × 70 cm, 60 × 40 cm und 30 × 30 cm. Idealerweise sind alle Softboxen auch mit Wabe ausgestattet. Obendrein benötigt man noch einen Beautydish, natürlich auch mit Wabe, einen Durchlichtschirm und Reflexschirme mit goldener und silberner Beschichtung. Möchte man so richtig professionell sein, müssen auch noch ein Tubus und ein Satz Striplights her. Hatte ich natürlich alles. Dass ich neben meinen zwei Kamerabodys auch Objektive jeglicher Brennweite besaß, ist selbstredend.

So zog ich also los in die Hamburger Speicherstadt zu einem meiner ersten Porträtshootings. Ich hatte die Dame über mein Blog gefunden, sie war wirklich hübsch, hatte aber bisher keine Erfahrung als Model vor der Kamera. Das war egal, ich würde das Shooting schon schaukeln. So baute ich mein Equipment auf. Passanten machten voller Ehrfurcht einen großen Bogen um uns. Es sah aus, als laufe hier eine riesige Produktion. Überall Stative, der Boden überhäuft mit Equipment. Natürlich wechselte ich das Setup am laufenden Band. Beautydish von vorne, Rimlight von hinten, Wabe dran, Wabe ab. Blitz auf die andere Seite, jetzt mit Softbox, von der Seite ein Aufheller und alles natürlich mit stets wechselnder Brennweite. Mannomann, war ich kreativ.

Durch meine hohe Affinität zur Technik hatte ich das ganze Equipment auch irgendwie unter Kontrolle. Die ständige Korrektur und Umpositionierung der Blitze machte mir keine großen Probleme. Ich fuhr mit einem Gefühl tiefster Befriedigung nach Hause. Das Ding hatte ich so richtig gerockt.

Dann kam die Betrachtung. Die Bilder waren technisch gesehen so weit in Ordnung. Es gab nur ein Problem: Das Model blickte auf jedem Bild gleich und machte auf vielen Bildern die gleiche Pose. Davon hatte ich beim Shooting leider nichts bemerkt, ich hatte ja nur Augen für meine Technik. Es dauerte natürlich etwas, ehe diese Erkenntnis in mir reifte. Bis dahin glich ich die mangelnde Vielfalt im Ausdruck meines Models einfach durch einen stets wechselnden Bearbeitungsstil der Bilder aus. Hauptsache, irgendetwas ist anders.

Als ich noch nicht selbstständig war, erwies es sich für den Haussegen als gut, jeden Kauf von Equipment in eine möglichst plausible Geschichte zu verpacken und diese meiner Frau zu präsentieren. Einfach nur zu sagen: „Macht mir Spaß, finde ich geil“, reichte nicht aus, um das O. K. zu bekommen. Da erntete ich schon mal den Todesblick mit der hochgezogenen Augenbraue.

Auffällig sind die sich wiederholende Handhaltung und die wechselhafte Bearbeitung bei einem meiner ersten Porträtshootings.

Die Hochzeit einer guten Freundin kam mir da sehr gelegen. Es war meine erste Hochzeit, bis dahin hatte ich mich nicht ansatzweise mit dem Gedanken beschäftigt, Hochzeiten zu fotografieren. Um ehrlich zu sein, fand ich Hochzeiten auch eher langweilig. Aber wenn ich damit einen guten Grund hätte, neues Equipment zu kaufen, dann sollte es mir nur recht sein: „Wenn ich die Hochzeit deiner Freundin fotografieren soll, dann brauche ich dafür unbedingt das 24–70. Ohne das geht es nicht.“ Klar, dass sie da nicht nein sagen konnte. Vielleicht kennt ihr ja den Spruch: „Hoffentlich verkauft meine Frau nach meinem Tod das Equipment nicht zu dem Preis, den ich ihr genannt habe.“

Damals machte ich den fatalen Fehler, zu denken, dass ich für jedes erdenkliche Foto mit entsprechendem Gerät ausgerüstet sein muss. Wenn ich kein Tele habe, kann ich nicht von weit hinten das Geschehen heranzoomen. Dass es manchmal viel einfacher und auch kreativer ist, sich stattdessen über einen alternativen Blickwinkel Gedanken zu machen, hatte ich noch nicht in Betracht gezogen.

Die Kamera ist das Werkzeug des Fotografen. Ohne geht es nicht. Zu sagen, dass die Kamera vollkommen egal ist, ist meiner Meinung nach falsch. Kein Handwerk ohne Werkzeug. Am Anfang der eigenen Entwicklung muss man sich eingehend mit Kamera und Technik beschäftigen. Es ist der erste Schritt in die Fotografie. Dazu gehört auch die Entscheidung für einen Kameratyp und damit für ein Werkzeug, das einem liegt. Man muss mit dem Werkzeug eins werden und es so gut beherrschen, dass man es komplett blind bedienen und „vergessen“ kann. Erst dann hat man den Kopf frei, um sich kreativ zu entwickeln. Die Kamera ist wichtig, darf aber beim Fotografieren keine Aufmerksamkeit in Anspruch nehmen. Als Mann bin ich bekanntlich nicht Multitasking-fähig. Wie soll ich mich da um die Technik kümmern und gleichzeitig kreativ sein? Dabei möchte ich doch die kreativen Ideen technisch möglichst perfekt umsetzen.

Manchmal liest man, dass Schärfe im Foto nicht wichtig sei. Das ist meiner Meinung nach Quatsch. Wenn ein Bild unscharf ist, dann hat der Fotograf ganz einfach versagt. Es sei denn, es handelt sich um bewusste kreative Unschärfe, z. B. durch Bewegung. Es ist ein himmelweiter Unterschied, ob man Unschärfe bewusst einsetzt oder einfach nur unfähig war, den Fokus richtig zu setzen. Allerdings wird man auch irgendwann die ewigen Diskussionen über Schärfe im Bild leid, denn im Grunde ist es ein Thema der fotografischen Vorschule. Im Kindergarten ist man schon stolz, wenn man seine Schuhe eigenständig zugeschnürt bekommt. Später merkt man selbst, wenn die Schuhe offen sind. Und doch wird derjenige schneller laufen, der gelernt hat, die Schuhe selbst zu schnüren. Die Technik muss man beherrschen, und dafür geht man in die Grundschule. Diese Grundlagen sind für alle Fotografen gleich, denn sie basieren auf Naturgesetzen und Technik. Mit der Kunst der Fotografie hat das aber noch nichts zu tun.

EIN SCHARFES FOTO ZU MACHEN, SOLLTE SELBSTVERSTÄNDLICH SEIN UND KEIN GEGENSTAND EINER DISKUSSION ÜBER FOTOGRAFIE.

Irgendwann erkannte ich, dass es sinnlos ist, jede Anschaffung irgendwie rechtfertigen zu wollen. Je weiter man in seiner Entwicklung voranschreitet, desto bewusster wird einem, dass vieles unnötig ist. Man braucht nur sehr wenig von dem ganzen Technik-Schnickschnack. Die einzige legitime Begründung für den Kaufrausch ist, dass man das Zeug besitzen will. Mein Freund Stephan Spiegelberg prägte in dem Zusammenhang den Spruch: „Haben ist besser als brauchen“, und ich finde, das trifft es ziemlich gut.

HABEN IST BESSER ALS BRAUCHEN

Heute schlagen zwei Herzen in meiner Brust: zum einen der technikverliebte Nerd, der jeden Tag losgehen will, um neues Equipment zu kaufen, und zum anderen der Fotograf, der weiß, dass er für seine Fotografie nur einen Bruchteil der Ausrüstung benötigt. Nachdem diese Erkenntnis in mir gereift war, konnte ich irgendwann auch meinen Seelenfrieden mit der Technik machen („Brauche ich nicht, will ich aber trotzdem …“). Somit entzog ich mich auch jeglicher Diskussion über die vermeintlich beste Kamera. Es braucht eine gewisse Reife, um sich einzugestehen, dass man lediglich dem so genannten GAS (Gear Acquisition Syndrome) unterliegt.

An dieser Stelle komme ich auf das Eingangszitat zurück. Denn sobald man mit einem Gerät umgehen kann und die Grundlagen beherrscht, ist man in der Lage, mit allen Kameras gute Bilder zu machen. Insofern macht der Fotograf das Bild und nicht die Kamera. Oder um es anders zu formulieren:

IN 90 PROZENT ALLER FÄLLE FINDET MAN DAS PROBLEM HINTER DEM SUCHER.

Aber was braucht man denn nun an Equipment? Es kann doch nicht wirklich völlig egal sein. Ich werde hin und wieder um Rat gefragt, wenn es um den Kauf einer neuen Kamera geht. Ich scheue mich jedoch vor einer Antwort wie die Katze vor dem Wasser, denn ich weiß, dass ich die Kamera, die ich wohl empfehlen würde, selbst niemals kaufen würde. Klingt komisch, oder? Ich gehe halt davon aus, dass jemand, der mich um Rat bittet, eine vernünftige Empfehlung erwartet und nicht die eines kaufwütigen Equipment-Junkies. Für jemanden, der Menschen fotografieren möchte, wäre eine rationale Empfehlung, sich einen beliebigen Kamerabody und dazu eine 50-mm-Festbrennweite zu kaufen. Das lässt sich für kleines Geld realisieren, und damit könnte man einen Großteil der Bilder aus diesem Buch machen.

Würde ich diese Kamera kaufen? Wahrscheinlich nicht. Warum nicht? Weil ich andere Modelle einfach viel schöner finde. Ich kaufe meine Kameras mittlerweile aus der Emotion heraus. Ich muss sie schön finden und mögen. Ich muss sie gerne in die Hand nehmen und damit arbeiten wollen. Kamerakauf ist bei mir eine Bauchsache. Das kann man aber kaum als Empfehlung aussprechen, denn wir bewegen uns dann ganz schnell in einem hohen Investitionsbereich. Geld ist für die meisten Menschen knapp und daher wollen wir grundsätzlich unser Geld möglichst effizient einsetzen. Daher neigen wir auch eher zu einem rationalen Rat, um nicht als kaufwütiger Volltrottel abgestempelt zu werden. Dennoch gibt es auch die sündhaft teuren Kameras … und sie werden gekauft. Das hat aber nichts mit Fotografie zu tun.

Ich finde, jeder sollte sich kaufen, was sie oder er will. Eine Leica wird gerne als Ärzte- und Anwaltskamera belächelt. Immer wieder zerreißt man sich in Foren darüber das Maul, dass Leute mit teuren Kameras rumlaufen, aber nicht fotografieren können. Aber hey, diese Leute können sich die teure Kamera leisten. Sie müssen an anderer Stelle im Leben irgendetwas richtig gemacht haben. Also freut euch darüber, dass der Arzt so erfolgreich ist, dass er sich ein solches Spielzeug leisten kann. Irgendwann braucht ihr vielleicht mal diesen erfolgreichen Arzt.

Eine Empfehlung für ein konkretes Kameramodell oder eine Marke möchte ich nicht aussprechen. Auch bei mir kann sich das ändern. Heute ist es Marke A, morgen kann es dann Marke B sein. Ich habe schon einige Male den Hersteller gewechselt. War ich anfangs noch recht markentreu, so weiß ich heute, dass sich zu viel Markentreue nur für das Marketing des jeweiligen Herstellers auszahlt, nicht aber für uns Käufer. Wir sollten ruhig öfter nach rechts und links schauen, damit sich die Hersteller nicht zu sehr auf ihrem Erfolg ausruhen.

WER KEINE AHNUNG VON BILDAUFBAU HAT, REISST EINFACH DIE BLENDE AUF.

Für meine Art von Fotografie spielt eigentlich nur ein Aspekt eine entscheidende Rolle: die Lichtstärke der Objektive. Ich fotografiere sehr viel mit natürlichem, vorhandenem Licht, und das eben nicht nur bei Sonnenlicht, sondern auch mal in dunklen Räumen, wo nur durch ein kleines Fenster etwas Licht einfällt. Aus diesem Grund kaufe ich fast ausschließlich Festbrennweiten mit hoher Lichtstärke, und das lasse ich mir auch etwas kosten. Wenn ich die Wahl zwischen einer maximalen Blendenöffnung von f/1.4 und f/1.8 habe, so greife ich immer zu ersterem, selbst wenn es rational betrachtet keinen nennenswerten Unterschied macht. Diese Art von Objektiven findet man bei jedem Kamerahersteller. Einfache 50-mm-Objektive mit einer Lichtstärke von f/1.8 bekommt man schon relativ günstig. Die favorisierte Brennweite muss man für sich selbst herausfinden. Ich habe da eine Odyssee hinter mir und im Laufe der Zeit immer wieder verschiedene Brennweiten favorisiert. Letztendlich komme ich bei der Porträtfotografie aber immer wieder auf 50 mm zurück und mache damit auch einen Großteil meiner Bilder. In der Reportagefotografie mag ich es hingegen gerne etwas weitwinkliger und bevorzuge dort 28 mm. In der Tat habe ich meistens zwei Kameras dabei, eine mit 50 mm und eine mit 28 mm bestückt. Aber auch das ist nur eine Momentaufnahme und kann sich jederzeit ändern. Ich halte nichts davon, sich in der Fotografie dauerhaft auf eine Brennweite festzulegen. Zwar hilft es, wenn man sich zeitweise in der Brennweite beschränkt, um diese besser kennenzulernen, grundsätzlich sollte man aber ruhig die vorhandenen Möglichkeiten ausschöpfen. Verschiedene Brennweiten bieten verschiedene Perspektiven und können somit die Bildaussage beeinflussen. Würde mich aber heute jemand nach einer Empfehlung für den Anfang fragen, so wäre es ein lichtstarkes 50-mm-Objektiv. Damit kann man schon sehr viel Spaß haben und tolle Bilder realisieren.

Sicherlich fragt ihr euch nun, warum ich nicht die Sensorgröße anspreche. Nun, sie ist, rational betrachtet, ziemlich unwichtig. Ich habe mit allen Sensorformaten fotografiert und habe mit allen Top-Ergebnisse erzielt – egal ob Micro-Four-Third, APS-C, Vollformat oder Mittelformat. Natürlich macht es einen Unterschied im Schärfeverlauf und beim Bildlook. Ein kleiner Micro-Four-Third-Sensor wird niemals die schmelzige Unschärfe eines Vollformatsensors erreichen. Es wäre aber dumm anzunehmen, dass mit steigender Unschärfe auch die Bilder besser werden. Es wird lediglich einfacher, störende Dinge auszublenden. Etwas ketzerisch könnte man auch sagen: Wer keine Ahnung von Bildaufbau hat, reißt einfach die Blende auf. Dennoch bevorzuge ich das Vollformat. Ich persönlich mag die cremige Unschärfe, die aus der Kombination großer Sensoren mit lichtstarken Objektiven hervorgeht. Besonders in der Reportagefotografie kommt mir die geringe Schärfentiefe zugute, da ich mir oft die Umgebung und den Hintergrund nicht aussuchen kann. Ein großer Sensor bietet mehr Möglichkeiten in der Freistellung, vor allem bei Brennweiten unterhalb von 35 mm. Ein großer Sensor ist kein Must-have, sondern eher ein Nice-to-have.

Das Standbild aus dem Video. Die Qualität ist für viele Zwecke vollkommen ausreichend.

Sonstige Funktionen und Merkmale einer Kamera sind evtl. im Einzelfall relevant, jedoch für mich weitestgehend unwichtig. In der Tat verzichte ich heute sogar meistens auf den Autofokus. Zum Thema Auflösung möchte ich noch drei kleine Anekdoten erzählen. Vor einigen Jahren fotografierte ich mit einer 16-Megapixel-Kamera, einer für damalige Verhältnisse relativ hohen Auflösung. Ein Bild sollte nun für eine Messewand verwendet werden. Und die Agentur beschwerte sich bei mir, dass das Bild von der Auflösung her nicht reichen würde - ob ich es auch größer hätte. Ich öffnete es kurzerhand in Photoshop, verdoppelte dort die Auflösung und speicherte es im TIFF-Format. Damit war die Datei ordentlich aufgebläht … und die Agentur zufrieden.

Mit einer Drohne machte ich ein Video während einer Reise mit einem Containerschiff. Die Drohne befand sich dabei über 300 m in der Höhe und ich war froh, als ich sie wieder an Bord hatte. Den ganzen Flug über hatte ich ausschließlich gefilmt und dabei versäumt, auch Fotos zu machen. Eine Aufnahme gefiel mir aber so gut, dass ich sie gerne auch als Foto haben wollte. Ich exportiere das Standbild einfach aus dem 4k-Video. So hatte das Bild eine Auflösung von etwa 8 Megapixel. Dieses Bild wurde mehrfach in einer Größe von 120 × 80 cm gedruckt und sieht toll aus. Was lernen wir daraus? Eine hohe Auflösung und der damit einhergehende Detailgrad ist eine feine Sache. In der Praxis spielt dies jedoch eine viel kleinere Rolle, als uns die Kameraindustrie gerne suggerieren möchte. Ich kann nur empfehlen, selbst Bilder zu drucken und so Erfahrungen in Sachen Auflösung zu sammeln – ein Thema, das viel zu heiß gekocht wird. 8 Megapixel sind gar nicht so übel.

Letztes Beispiel: In der Eingangshalle eines Hamburger Unternehmens hängt ein Foto von mir in der Größe 2 × 3 m. Es wurde mit 24 Megapixel aufgenommen. Das ist rechnerisch eine Auflösung von ca. 50 dpi. Auch dieses Bild sieht toll aus, denn solch ein großes Bild betrachtet man mit etwas Abstand. Überhaupt sollte man aufhorchen, wenn jemand sagt, dass ein Foto in 300 dpi benötigt würde. Denn dpi ist eine Angabe, die sich immer auf die Größe des Drucks bezieht. Auf einem DIN-A4-Blatt hat mein 24-Megapixel-Foto eine höhere dpi-Zahl als auf dem 2 × 3-Meter-Druck. Leider manifestieren sich solche Zahlenangaben sehr schnell in den Köpfen der Beteiligten. „Wir brauchen das Bild in 300 dpi“ hört man leider viel zu oft. Man kann aber nicht jeden Menschen aufklären. Die Datei in Photoshop aufzupumpen ist oft der Weg des geringsten Widerstands mit der höchsten Zufriedenheitsquote.

Wenn du dich für Technik interessierst und Spaß an Kameras hast, dann hau die Kohle raus und kauf dir das große Spielzeug. Ich freue mich ehrlich, wenn du es dir leisten kannst. Lässt dich die Technik jedoch kalt und ist eher Mittel zum Zweck, dann spar das Geld und kauf dir nur das, was du wirklich brauchst. Lass dir aber nie einreden, dass du durch die vermeintlich bessere und teurere Kamera auch ein besserer Fotograf wirst.

MAN KANN AUCH MIT DER BESTEN KAMERA DER WELT LAUSIGE FOTOS MACHEN.

SCHÖNES LICHT ALLEIN MACHT KEIN GUTES BILD

Worauf achten Menschen normalerweise, wenn man sie fotografiert und ihnen anschließend das Bild zeigt? Meistens auf den eigenen Gesichtsausdruck und die üblichen Problemzonen: Dann hängt das Augenlid etwas, das Doppelkinn lässt sich nicht leugnen und das Lachen ist eher ein verhaltenes Zucken der Mundwinkel, während ein Zahn hervorblitzt. In einem solchen Fall ist es vollkommen egal, ob ich als Fotograf zwei Stunden lang ein ausgefeiltes Licht-Setup aufgebaut habe und mich nun daran ergötze, wie fantastisch doch das Licht ist. Es wird den Kunden einfach nicht interessieren. Wenn man blöd guckt, dann guckt man auch mit dem tollsten Licht der Welt noch blöd.

Ein Foto wird nur so gut wie das schwächste Glied in der Kette. Fotografie besteht aus vielen verschiedenen Variablen: Kamera, Licht, Location, Bildaufbau, Stimmung, Farben und natürlich der Ausdruck des Protagonisten. Fotografiere ich jemanden, der sich vor der Kamera unwohl fühlt, so muss ich einen Großteil meiner Energie darauf verwenden, dass sich dieser Mensch entspannt. Das gelingt mir aber nicht, indem ich einen Wald an Blitzen aufbaue und ständig daran herumfummle. Ich erreiche das über Kommunikation, indem ich mich auf den Menschen einlasse und für ihn interessiere. Das fällt mir viel leichter, wenn ich lediglich die Kamera in der Hand habe und mich sonst auf nichts weiter konzentrieren muss. In solchen Fällen bevorzuge ich einfach ein Fenster als Lichtquelle und möglichst simple Posen. Denn das schwächste Glied der Kette ist hier offensichtlich der Mensch vor der Kamera.

Anders sieht es aus, wenn ich mit erfahrenen Models arbeite. Model ist ein Beruf und bedeutet nicht nur, dass man hübsch aussieht. Nur hübsch zu sein ist in etwa so, wie als Fotograf die beste Kamera der Welt zu besitzen. Das reicht nicht wirklich aus. Als Model muss man sich auch bewegen und den Gesichtsausdruck der Bildidee anpassen können. Beherrscht ein Model das, so nimmt es mir damit Arbeit ab und ich kann die Energie an anderer Stelle einsetzen. Dann spiele ich gerne mit Licht, baue auch mal einen Haufen Lampen auf. Je besser die einzelnen Positionen besetzt sind, umso besser wird das Gesamtergebnis.