Manhattan Millionaires - Skandale aus der Park Avenue (6-teilige Serie) - Maureen Child - E-Book

Manhattan Millionaires - Skandale aus der Park Avenue (6-teilige Serie) E-Book

Maureen Child

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Beschreibung

NÄCHTE WIE FEUER, TAGE WIE EIS Julia ist schockiert! Schlimm genug, dass ihre einzige Liebesnacht mit Max Rolland Folgen hatte - schließlich sind in ihren High-Society-Kreisen ledige Mütter noch ein Skandal. Viel schlimmer ist allerdings, dass der millionenschwere Unternehmer behauptet, er könne unmöglich der Vater sein. Trotzdem schlägt er eine Zweckehe vor. Sobald Julia einwilligt, explodiert die fast unerträgliche erotische Spannung zwischen ihnen in einem Rausch der Leidenschaft. Doch im kalten Licht des Tages bezichtigt Max seine frischgebackene Ehefrau immer noch der Lüge … MEIN SEXY NACHBAR Tausendmal hat Mauerblümchen Carrie von ihrem sexy Nachbarn Trent Tanford geträumt. Unerreichbar schien der attraktive Millionär zu sein - doch auf einmal wird ihr größter Traum wahr. Als sie sich im Fahrstuhl des Apartmenthauses in der Park Avenue begegnen, halten sie nicht etwa in ihrem Stockwerk, sondern fahren weiter - und schweben zusammen in den Himmel der Lust. Schließlich deutet Trent sogar an, dass er mehr als nur eine heiße Nacht will. Carrie wagt kaum, an das unverhoffte Glück zu glauben. Wird Mr. Alle-Frauen-lieben-mich tatsächlich bei ihr bleiben? WIE VERFÜHRT MAN SEINEN CHEF? "Er sieht mich einfach nicht!" Seit Jahren arbeitet Tessa als persönliche Assistentin von Prinz Sebastian de la Tour, organisiert, telefoniert … und ist seit dem ersten Tag in ihren charmanten Chef verliebt. Aber so kann es nicht weitergehen! Tessa kündigt - und kann kaum glauben, dass Sebastian sie zu einer Reise in sein Heimatland überredet. Der sexy Prinz beginnt sogar, mit ihr zu flirten! Sehnsüchtig seufzt Tessa, als Sebastian sie bei Sonnenuntergang zu einem romantischen Rendezvous entführt, sie sinnlich küsst und berührt … Doch die Affäre bleibt nicht unbemerkt! VERHEIRATET MIT EINEM MILLIONÄR Kribbeln im Bauch wie beim ersten Date! Elizabeth schwebt im siebten Ehehimmel, als ihr Mann sie mit einer Reise nach Frankreich überrascht. Das kleine Schwarze muss mit, das rote Negligé auch ... Reed soll seine Millionen, die Firmen und Sorgen vergessen und sich stattdessen endlich auf seine Frau und die gemeinsame Zukunft konzentrieren! Elizabeth ist voller Hoffnung. Aber nach der ersten heißen Nacht in Biarritz wird sie unsanft aus ihren Liebesträumen gerissen. Sie findet seltsame E-Mails, die ihr Mann von einer fremden Frau erhalten hat ... Was verschweigt Reed? SO SEXY UND SO VERFÜHRERISCH "Reiner Zufall, dass wir uns immer über den Weg laufen, ja?", fragt Amanda und wirft Alex einen strafenden Blick zu. Okay, als Anwalt ist er unverschämt erfolgreich und außerdem verboten attraktiv. Aber er bekommt immer, was er will, und mich bekommt er nicht, denkt sie und geht entschlossen weiter. Sie hat ohnehin keine Zeit für einen Mann, weil sie ihre Eventagentur vor dem Aus retten muss. Doch schon nach drei Schritten hat Alex sie eingeholt und macht ihr ein verlockendes Angebot - dem sie plötzlich genauso wenig widerstehen kann wie seinem charmanten Lächeln … DAS GEHEIMNIS DES MILLIARDÄRS Gage Lattimer, ich komme dir noch auf die Schliche, denkt Jacinda, während sie das Staubtuch schwingt. Eigentlich ist sie PR-Beraterin, aber jetzt arbeitet sie als Haushälterin in einkalkuliert: die unwiderstehliche Anziehungskraft, die der Milliardär auf sie ausübt! Wenn er sie nur flüchtig berührt oder so geheimnisvoll anlächelt … Nach einer Cocktailparty erkennt Jacinda, dass er unschuldig sein muss. Und seine Küsse machen süchtig! Aber was, wenn Gage entdeckt, wer sie wirklich ist?

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Seitenzahl: 1191

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Maureen Child, Laura Wright, Jennifer Lewis, Barbara Dunlop, Emilie Rose, Anna Depalo

Manhattan Millionaires - Skandale aus der Park Avenue (6-teilige Serie)

Maureen Child

Nächte wie Feuer, Tage wie Eis

IMPRESSUM

BACCARA erscheint im CORA Verlag GmbH & Co. KG, 20350 Hamburg, Axel-Springer-Platz 1

Redaktion und Verlag: Brieffach 8500, 20350 Hamburg Telefon: 040/347-25852 Fax: 040/347-25991
Geschäftsführung:Thomas BeckmannRedaktionsleitung:Claudia Wuttke (v. i. S. d. P.)Cheflektorat:Ilse BröhlProduktion:Christel Borges, Bettina SchultGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)Vertrieb:asv vertriebs gmbh, Süderstraße 77, 20097 Hamburg Telefon 040/347-27013

© 2008 by Harlequin Books S.A. Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V., Amsterdam

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe BACCARABand 1561 2009 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg Übersetzung: Gabriele Ramm

Fotos: Harlequin Books S.A.

Veröffentlicht im ePub Format im 01/2011 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

eBook-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 978-3-86295-580-0

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Führung in Lesezirkeln nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Verlages. Für unaufgefordert eingesandte Manuskripte übernimmt der Verlag keine Haftung. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

1. KAPITEL

„Verdammt, Julia, geh ans Telefon!“, erklang die tiefe Stimme drohend auf dem Anrufbeantworter, und Julia Prentice zuckte zusammen, als der Anrufer kurz darauf offenbar wutentbrannt auflegte.

Seit zwei Monaten wich sie Max Rollands Anrufen jetzt schon aus, aber er hatte noch immer nicht aufgegeben. Er war kein Stalker oder so etwas. Nein, er war ein wütender Mann, der eine Erklärung dafür verlangte, warum sie seit ihrer gemeinsam verbrachten sehr erotischen Nacht nicht mehr mit ihm sprechen wollte.

Julias Antwort darauf war simpel. Sie wusste einfach nicht, wie sie Max sagen sollte, dass sie schwanger war.

„Oh, oh“, meinte Julias Untermieterin, als sie aus ihrem Schlafzimmer kam. Amanda Crawford war Julias beste Freundin und von Beruf Eventmanagerin. „Er klingt ja ziemlich sauer.“

„Ich weiß.“ Julia seufzte. Es war in ihren Augen sogar verständlich, dass Max wütend war. An seiner Stelle hätte sie genauso reagiert.

Amanda kam zu ihr, umarmte sie und meinte dann: „Du musst ihm von dem Baby erzählen.“

Klingt theoretisch nicht schlecht, dachte Julia. Sie sah ihrer Freundin ins Gesicht und begegnete deren mitfühlendem Blick. „Und wie soll ich das tun?“

„Sag es ihm einfach.“ Amanda setzte sich zu Julia, um nicht auf sie hinunterschauen zu müssen. Das musste sie ohnehin meist tun, denn Julia war klein und zierlich, während Amanda die Größe und Figur eines Models besaß. Abgesehen von kurzen blonden Haaren und hübschen grauen Augen, besaß Amanda auch ein gutes Herz.

„Leichter gesagt als getan“, erwiderte Julia und strich ihre hellgrüne Hose glatt.

„Du kannst nicht ewig warten, Kleines. Früher oder später sieht man es dir sowieso an.“

„Ich weiß. Aber diese Nacht, die ich mit ihm verbracht habe, war eine Ausnahmesituation. Ich meine, wir waren so heiß aufeinander, es ging alles so schnell, und dann war es passiert. Anschließend hat Max mir erklärt, er wäre lediglich an einem flüchtigen sexuellen Abenteuer interessiert.“

„Idiot.“

„Danke.“ Julia lächelte. „Auf jeden Fall dachte ich, die Sache wäre damit zu Ende. Max wollte unkomplizierten Sex, aber auf einen One-Night-Stand oder so etwas wollte ich mich nicht einlassen.“

„Klar.“

Julia legte den Kopf gegen die Stuhllehne und starrte an die Decke. „Das Baby verändert jetzt die Situation vollkommen, und ich weiß nicht, was ich tun soll.“

„Doch, das weißt du. Du willst es nur nicht tun.“

„Stimmt.“ Tief durchatmend fuhr Julia fort: „Er hat ein Recht darauf, von dem Baby zu erfahren.“

„Ja“, erklärte Amanda bestimmt.

„Okay. Ich sage es ihm morgen.“ Nachdem die Entscheidung getroffen war, fühlte Julia sich schon ein wenig besser. Schließlich hatte sie nicht vor, von Max zu verlangen, dass er Anteil am Leben des Kindes nahm oder Unterhalt zahlte. Sie konnte es sich leisten, das Baby allein großzuziehen. Alles, was sie zu tun hatte, war, ihn über die bevorstehende Vaterschaft zu unterrichten und ihn dann vom sprichwörtlichen Haken zu lassen.

„Warum mache ich mir überhaupt so viele Gedanken darüber?“

„Weil das in deiner Natur liegt“, antwortete Amanda lächelnd. Sie tätschelte ihrer Freundin das Knie. „Du denkst zu viel. Das hast du schon immer getan.“

„Wunderbar“, meinte Julia trocken. „Klinge ich nicht aufregend?“

Amanda lachte. „Mach dir nichts draus. Du denkst zu viel, und ich handele zu impulsiv. Wir alle haben unser Kreuz zu tragen.“

„Richtig. Und es wird Zeit, das nächste Kreuz zu schultern.“ Julia stand auf und zupfte ihre weiße Bluse zurecht. „Ich muss zur Eigentümerversammlung.“

„Viel Spaß.“

„Ich wünschte wirklich, du würdest mitkommen.“

„Nein, danke“, erwiderte Amanda. „Ich treffe mich mit einer Freundin zum Essen und werde sicherlich sehr viel mehr Spaß haben als du. In diesem Fall bin ich sehr froh, nur Untermieterin zu sein, die auf diesen Versammlungen nichts zu suchen hat. Ich wäre schon nach zehn Minuten gelangweilt.“

Resigniert gab Julia zurück: „Nach fünf.“

Verstohlen blicke Julia auf die schmale, goldene Uhr an ihrem Handgelenk und konnte gerade noch ein Seufzen unterdrücken. Die Eigentümerversammlung in Vivian Vannick-Smythes Apartment hatte noch nicht einmal richtig begonnen, und schon wünschte sie, verschwinden zu können.

Das Gespräch mit Amanda hatte an ihrer inneren Anspannung nichts geändert. Diese ganze Sache mit Max dauerte schon viel zu lange an. Sie musste ihn einfach treffen und ihm die Wahrheit sagen. Morgen, versprach sie sich. Sie würde ihn anrufen, sich mit ihm verabreden und die Bombe platzen lassen. Wenn sie dann ihre Pflicht erfüllt hatte, konnte sie normal weiterleben. Denn bestimmt würde ein Mann, der so erpicht darauf war, jede wirkliche Nähe zu meiden, sie nicht weiter belästigen.

„Du siehst gelangweilt aus“, ertönte eine sanfte Stimme neben ihr.

Julia lächelte trotz ihrer düsteren Gedanken und schaute Carrie Gray an. Deren grüne Augen waren hinter einer allzu praktischen Brille versteckt, und ihr langes, rotbraunes Haar hatte sie zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden. Sie trug Jeans, ein T-Shirt und Sandalen, die rot lackierte Nägel enthüllten. Carrie hütete offiziell die Wohnung 12B für Prinz Sebastian von Caspia, war jedoch auch eine talentierte Grafikdesignerin – leider zurzeit ohne Anstellung – und eine gute Freundin von Julia.

„Nicht gelangweilt“, flüsterte Julia und beugte sich zu ihr, „nur gedankenverloren.“

Wie sollte man sich auch auf das konzentrieren, was hier im Haus passierte, wenn man mit sehr viel wichtigeren, sehr viel privateren Dingen beschäftigt war?

„Kann ich irgendwie helfen?“, fragte Carrie.

„Nein“, erwiderte Julia, die wusste, dass nur sie selbst sich aus ihrem derzeitigen Dilemma befreien konnte. „Aber vielen Dank für dein Angebot. Gibt es bei dir etwas Neues?“

„Nein, ich arbeite beziehungsweise versuche es“, erklärte Carrie missgestimmt.

Julia lächelte verständnisvoll. „Wirst du immer noch von Trents Besucherinnen belästigt?“

Carrie verdrehte die Augen. „Es ist ein Albtraum, Julia. Trent Tanford scheint jede freie Minute damit zu verbringen, Frauen aufzureißen, denn sie laufen mir Tag und Nacht die Bude ein.“

Trent war ein notorischer Playboy. Man munkelte, er hätte jeden Tag eine andere Frau. Und diese Frauen machten sich fortwährend auf den Weg in die Park Avenue 721.

„Ich sage dir“, flüsterte Carrie bissig, „diese Frauen sehen zwar gut aus, haben aber keinen Funken Verstand im Kopf. Sie klingeln ständig bei mir, weil sie glauben, es wäre Trents Wohnung. Die können anscheinend nicht mal den Unterschied zwischen 12B und 12C erkennen. Verabredet Tanford sich mit Frauen, die nicht lesen können?“

Lachend berührte Julia die Hand der Freundin und konzentrierte sich wieder auf die Versammlung. Zumindest versuchte sie es, doch ihre Gedanken drehten sich immer wieder im Kreis.

Julia schaute sich im Apartment der Vannick-Smythes um und stellte einmal mehr fest, dass es absolut geschmacklos eingerichtet war. Die Sachen waren so kitschig, dass einem die Augen wehtaten. Niemand konnte sich hier wohlfühlen. Was vermutlich ganz gut war, denn so gingen diese langweiligen Versammlungen meist relativ schnell zu Ende.

In diesem Moment klatschte Vivian Vannick-Smythe in die Hände, um die Aufmerksamkeit ihrer Gäste auf sich zu lenken. Sie hatte sich selbst zur Leiterin dieser Versammlungen ernannt, da niemand anderes an der Aufgabe interessiert war. Eine Dame Anfang sechzig, war Vivian inzwischen so oft mit Botox behandelt worden, dass ihr Gesicht einer Maske glich. Nur die eiskalten blauen Augen verrieten ihre Gefühle. Sie war sehr schlank, klassisch elegant gekleidet, hatte kurz geschnittenes, silbergraues Haar und das Benehmen eines Offiziers.

Zum Glück hatte sie heute Abend ihre beiden Hunde im Schlafzimmer eingesperrt, doch selbst durch die geschlossenen Türen konnte man das Kläffen hören.

„Ich dachte“, erklärte Vivian jetzt, „dass wir, bevor wir unsere Versammlung beginnen, eine Schweigeminute für Marie Endicott einlegen sollten. Ich selbst kannte sie nicht sehr gut, aber sie war, wenn auch nur kurz, eine von uns.“

Gehorsam schwiegen die Anwesenden und taten zumindest so, als konzentrierten sie sich auf den Tod der jungen Frau, die im Haus gelebt hatte. Julia hatte sie nur vom Sehen gekannt, aber die Tatsache, dass Marie vor einer Woche vom Dach gestürzt war, hatte bei ihr wie bei allen anderen einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen.

Tagelang hatten Zeitungs-und Fernsehreporter das Haus belagert und die Bewohner belästigt, in der Hoffnung, irgendeinem Skandal auf die Spur zu kommen.

„Gibt es inzwischen irgendwelche Informationen, was wirklich passiert ist?“ Tessa Banks, eine schlanke Blondine, war die Erste, die das Schweigen brach.

„Gute Frage“, hakte Elizabeth Wellington nach. „Ich habe einige Reporter sagen hören, dass die Polizei glaubt, Marie wäre vom Dach gestoßen worden.“

„Das sind reine Spekulationen“, versicherte Vivian ihr.

„Hat jemand einen Abschiedsbrief gefunden?“, fragte Carrie.

„Nicht dass ich wüsste“, antwortete Vivian. „Die Polizei hält sich bedeckt. Aber ich bin sicher, dass keiner von uns sich Sorgen zu machen braucht. Für die Presse ist das nur ein Skandal unter vielen, der bald vergessen sein dürfte.“

Wohl wahr, dachte Julia, während die anderen weitere Vermutungen über Marie Endicott anstellten. In ein paar Tagen würden die Reporter aufgeben und abziehen, und das Leben würde normal weiterlaufen.

Nur leider nicht für sie.

„Ich habe noch einige weitere Ankündigungen“, sagte Vivian und übertönte damit das allgemeine Gemurmel. „Bedauerlicherweise sind Senator Kendrick und seine Frau, langjährige Bewohner des Hauses, ausgezogen. Ich weiß nicht wohin, glaube aber, irgendwo in die City. Auf jeden Fall steht ihre Wohnung offiziell zum Verkauf.“

Erneut wurde geredet und spekuliert, und Julia ließ den Blick durch den Raum schweifen. Gage Lattimer saß ein wenig abseits, was sie nicht weiter überraschte. Er war ein großgewachsener, gut aussehender Mann, der selten zu diesen Versammlungen kam. Und wenn er es tat, so wie heute, dann vermied er den Kontakt mit den anderen.

Reed Wellington saß neben seiner Ehefrau Elizabeth, aber seine Miene zeigte deutlich, dass er nicht gern hier war. Auch Elizabeths Haltung verriet, dass sie sich woanders hinwünschte.

Tessa tippte ungeduldig mit der Schuhspitze auf den Teppich, und selbst Carrie, die neben Julia Platz genommen hatte, begann unruhig zu werden. Julia war jedoch bei diversen Kindermädchen durch eine harte Schule gegangen und wusste, wie man still saß, auch wenn man sich gern bewegt hätte. Genauso wie sie gelernt hatte, ihre Gefühle zu verbergen.

„Eine Sache noch“, fuhr Vivian fort. „Und zwar etwas sehr Aufregendes. Ich bin sicher, dass meine Nachricht Sie alle hoch erfreuen wird. Mir wurde mitgeteilt, dass unser Haus – Park Avenue 721 – den Status eines denkmalgeschützten Gebäudes erhalten soll!“ Vergeblich wartete sie auf die Begeisterung der Anwohner und meinte dann: „Ich denke, wir sollten das mit einer Party feiern.“ Ungeachtet des Desinteresses der anderen, begann sie Pläne zu schmieden.

Der offizielle Teil der Veranstaltung dauerte nicht mehr lange. Als Vivian anfing, durchs Zimmer zu gehen, um die anderen Wohnungseigentümer mit ihrer Begeisterung für die Party anzustecken, bahnte Julia sich einen Weg zur Tür. Carrie war es schon gelungen zu verschwinden, und Julia wollte ihr schnellstens folgen.

„Julia, meine Liebe.“

Verflixt.

Julia blieb stehen und drehte sich mit einem aufgesetzten Lächeln auf den Lippen zu Vivian um. „Hallo, Vivian. Die Versammlung lief gut.“

„Ja, nicht wahr?“ Die ältere Frau versuchte sich an einem Lächeln, scheiterte aber, weil ihre Haut einfach nicht nachgab. „Verzeihen Sie, wenn ich mich einmische, aber Sie sehen aus, als hätten Sie Sorgen. Ist alles in Ordnung?“

Überrascht, weil Vivian in dem Ruf stand, nur an sich selbst interessiert zu sein, ließ Julia sich einen Moment lang Zeit mit ihrer Antwort. „Danke, Vivian“, erwiderte sie. „Mir geht es gut. Ich bin nur ein wenig müde. Und diese traurige Sache mit Marie Endicott ist uns sicherlich allen nahegegangen.“

„Ach ja, natürlich.“ Vivian nickte. „Die arme Frau. Ich kann gar nicht verstehen, was sie veranlasst hat, vom Dach zu springen.“

„Sie glauben also, dass es Selbstmord war?“

„Das denken Sie doch sicherlich auch. Alles andere wäre einfach zu schrecklich! Stellen Sie sich das nur vor: Wenn man sie vom Dach gestoßen hätte, dann könnte es einer von uns gewesen sein.“

In diese Richtung hatte Julia noch gar nicht gedacht, aber jetzt, da der Verdacht gesät worden war, musste sie einen Schauder unterdrücken. Unwillkürlich schaute sie die anderen Bewohner des Hauses an. Vivian hatte recht: Julia konnte sich nicht vorstellen, dass einer von ihnen ein Mörder war. Marie musste gesprungen sein. Was ziemlich traurig war. Wie schrecklich, wenn man sich so allein, so miserabel fühlte, dass man den Tod als einzigen Ausweg sah!

„Jetzt habe ich Sie aufgeregt“, sagte Vivian. „Das war ganz bestimmt nicht meine Absicht.“

Julia fühlte sich tatsächlich beunruhigt, wollte aber nicht mehr darüber reden. Also zwang sie sich zu einem Lächeln und meinte: „Keinesfalls. Aber ich bin müde. Wenn Sie mich also bitte entschuldigen …“

„Natürlich“, antwortete Vivian, während sie sich schon ihr nächstes Opfer suchte. „Gehen Sie ruhig.“

Genau das hatte Julia vor. Sie verließ Vivians Apartment und trat in den Fahrstuhl. Eigentlich hatte sie in ihre Wohnung zurückkehren wollen, aber Amanda war ausgegangen, und Julia hatte keine Lust, allein herumzusitzen. Aus einem Impuls heraus drückte sie also den Knopf für das Erdgeschoss und lehnte sich gegen die Fahrstuhlwand, während die Türen sich schlossen und der Fahrstuhl sich in Bewegung setzte.

Einen Moment später betrat Julia die große, elegante Empfangshalle. Orientteppiche in hellen Farben dämpften ihre Schritte und ließen den Marmorfußboden weniger kühl wirken.

Gemälde und Spiegel zierten die in einem gedeckten Blau gehaltenen Wände der Lobby. Von der hohen Decke hing ein massiver Kristallleuchter, genau über dem Empfangstresen, einem antiken Möbelstück aus Mahagoni. Die Eingangstür war ebenfalls aus Mahagoni. Durch einen Glaseinsatz konnten Passanten einen Blick ins Innere werfen, das verriet, welch exklusiven Lebensstil die Bewohner pflegten. Julia kam sich manchmal vor wie im Zoo. Sie und ihre Mitbewohner saßen in einem goldenen Käfig, während die Menschen draußen stehen blieben und in eine fremde Welt sahen.

„Hallo, Henry“, begrüßte Julia den Portier, der sofort zur Tür eilte, um sie ihr aufzuhalten.

„Hallo, Miss Prentice. Schön Sie zu sehen, wie immer.“

Julia wartete, bis er die Tür geöffnet hatte. Natürlich wäre es einfacher gewesen, sie selbst zu öffnen, aber Henry legte Wert darauf, seine Pflichten ordnungsgemäß zu erfüllen. „Danke, Henry.“

Er lächelte noch immer, als sie in das Gewühl auf der Straße trat. Sommernächte in New York waren heiß und stickig, und der heutige Abend bildete keine Ausnahme. Der Verkehr brummte, es hupte, und ein wütender Taxifahrer schimpfte auf Fußgänger, die bei Rot über die Straße liefen.

Julia lächelte und klemmte sich ihre Designer-Handtasche fester unter den Arm, während sie sich in die Schar der Fußgänger einreihte. Nachdem sie so lange still gesessen hatte, tat es gut, draußen inmitten von Menschen zu sein. Sie war allein und doch Teil einer Menge. Das empfand sie irgendwie als tröstlich. Hier war sie lediglich ein weiterer Mensch, der den Bürgersteig entlangging. Hier erwartete niemand etwas von ihr. Niemand beobachtete sie. Niemand schenkte ihr Beachtung, solange sie weiterging und den Fluss nicht ins Stocken brachte.

Sie brauchte nicht weit zu gehen, nur ein paar Schritte bis zum Park Café an der Ecke. Die meisten Bewohner der Park Avenue 721 frequentierten den kleinen Coffeeshop so häufig, als gehörte er zu dem Apartmenthaus.

An diesem Abend hoffte Julia jedoch, niemandem zu begegnen, den sie kannte. Sie hatte keine Lust auf Small Talk, auch wenn sie nicht nach Haus gehen wollte, um allein zu sein. Als sie das Café betrat, umfing sie sofort der angenehme Duft von Zimt, Schokolade und Kaffee. Das Zischen der Espressomaschine untermalte die Unterhaltungen und das Gelächter der zahlreichen Gäste, die allein oder in Gruppen zusammensaßen.

Julia gab ihre Bestellung auf, nahm dann den entkoffeinierten Kaffee und den Muffin entgegen und machte es sich in einem der großen, weichen Sessel in der hintersten Ecke gemütlich.

Max Rollands Wohnung befand sich am Ende der Straße, in dem auch das Park Café lag, und normalerweise ging er mindestens einmal am Tag in den äußerst günstig gelegenen Coffeeshop. Genau hier hatte er auch Julia Prentice das erste Mal getroffen, die Frau, die ihn noch in den Wahnsinn treiben würde.

Er erinnerte sich ganz genau an ihre erste Begegnung. Sie hatte so kühl und elegant gewirkt, wie sie in der Ecke gesessen und sich das Kommen und Gehen der anderen Gäste angesehen hatte, als säße sie in der Loge eines Broadway-Theaters. Ihr schulterlanges hellblondes Haar fiel ihr in weichen Locken ins Gesicht, und ihre großen blauen Augen fixierten ihn von dem Moment an, als er das Café betrat.

Max hatte ihren Blick bis in sein Innerstes gespürt, und als er ihr in die Augen schaute, durchströmte eine merkwürdige Wärme seinen Körper. Unwillkürlich war er auf sie zugegangen. Normalerweise hätte er das nicht getan. Er war nicht auf der Suche nach einer Beziehung, wie sie sich eine Frau wie Julia zweifellos ersehnte. Aber an jenem Abend war das belanglos gewesen.

Sie hatten sich einander vorgestellt, miteinander geredet, sich berührt und waren schließlich in seinem Bett gelandet. Diese gemeinsame Nacht war anders gewesen als alles, was er bis dahin erlebt hatte. Allein die Erinnerung an Julias Körper, der sich unter seinem bewegt hatte, an ihre weiche, glatte Haut und an ihren Duft erregte ihn bis heute.

Was die Wut, die in seinem Innern brodelte, noch weiter aufheizte. Diese verflixte Frau! Warum reagierte sie nicht auf seine Anrufe? Und warum zum Teufel verhielt er sich wie ein hormongetriebener Teenager?

Er nahm seinen schwarzen Kaffee und wollte gehen. In diesem Moment spürte er es. Die Kraft ihres Blickes. Genau wie beim ersten Mal vor zwei Monaten.

Max schaute zu dem Stuhl in der hintersten Ecke und dort, verborgen im Schatten, fand er sie endlich wieder.

Und dieses Mal wollte er verdammt sein, wenn er sie noch einmal so leicht davonkommen ließ.

2. KAPITEL

Max marschierte durch das überfüllte Café, ohne Julia aus den Augen zu lassen. Er konnte selbst aus dieser Distanz sehen, dass sie sich verspannte. Ihre betont zur Schau getragene Gleichgültigkeit geriet ins Wanken, als ihre Blicke sich trafen, und Max genoss es zu wissen, dass er sie ein wenig nervös machte.

Welcher Mann würde das nicht?

„Julia“, sagte er mit so leiser Stimme, dass nur sie ihn hören konnte.

„Hallo, Max.“

Er hob eine Augenbraue. „‚Hallo‘? Das ist alles? Du gehst mir seit zwei Monaten aus dem Weg, und alles, was du zu sagen hast, ist ‚Hallo‘?“

Sie brach sich ein winziges Stück von ihrem Muffin ab, schob es in den Mund und kaute, als wäre es ein Stück zähes Fleisch. Ganz offensichtlich versuchte sie, Zeit zu schinden. Aber auch wenn sie das Gespräch hinauszögern wollte, es würde ihr nichts nützen. Jetzt, da Max sie im wahrsten Sinne des Wortes in die Ecke getrieben hatte, würde er sie erst gehen lassen, wenn sie ihm erklärt hatte, warum sie ihm auswich.

Er setzte sich neben sie, nahm den Kaffeebecher zwischen beide Hände und starrte Julia an. Immer wieder war er nachts aufgewacht und hatte ihr Bild vor Augen gehabt. Er hatte sich eingeredet, dass seine Erinnerung ihn trog. Keine Frau war so schön. Keine Frau konnte solch eine berauschende Mischung aus Unschuld und Sinnlichkeit in sich vereinen. Fast hätte er sogar daran geglaubt.

Bis jetzt.

Jetzt kehrten die Erinnerungen an die Nacht mit ihr zurück, und er erkannte, dass sie nicht nur genau so war, wie seine Fantasie ihm vorgegaukelt hatte, sondern sogar noch faszinierender. Allein ihr Duft – etwas Leichtes, Blumiges – genügte, um ihn in Versuchung zu führen. Als wäre er nicht ohnehin ständig erregt, wenn er an sie dachte.

„Ich wollte dich morgen anrufen“, sagte sie, und Max konzentrierte sich wieder auf die Gegenwart. Bei einer Frau wie Julia Prentice war es klug, aufmerksam zu sein.

„Tatsächlich.“ Es war keine Frage. Eher eine Feststellung, die besagte, dass er ihr kein Wort glaubte.

Sie hat die Botschaft verstanden, dachte er, da eine leichte Röte ihre Wangen überzog und sie den Blick senkte.

„Ich weiß, dass du wütend bist“, sagte sie, und ein Muskel in ihrem Gesicht zuckte nervös.

„Wütend war ich noch vor ein paar Wochen.“

Sie hob ihren Blick und schüttelte den Kopf. „Wir haben nur eine Nacht zusammen verbracht, Max. Und als die vorbei war, hast du ausdrücklich betont, dass du nur an einer Affäre interessiert bist.“

Er lachte kurz und vergewisserte sich, dass niemand ihnen zuhörte. Aber die anderen Gäste waren entweder in angeregte Unterhaltungen vertieft oder saßen allein hinter einem Laptop. Er und Julia hätten genauso gut auf einer einsamen Insel sitzen können.

„Das hat dich in der Nacht aber anscheinend nicht gestört“, bemerkte er.

„Nein, da hat es mich tatsächlich nicht gestört“, gab sie zu und befeuchtete ihre Lippen mit der Zunge. Eine Bewegung, die seine Erregung verstärkte, bis sie fast schmerzhaft wurde. „Es ist in dieser Nacht einfach mit uns durchgegangen. Wir haben Dinge getan …“

„An die ich ständig denken musste“, unterbrach er sie, in der Hoffnung, in ihr bestimmte Erinnerungen zu wecken. Erinnerungen wie die, die ihn seitdem verfolgten.

Er war noch nie mit einer Frau zusammen gewesen, die sich äußerlich so gefasst und im Bett so hemmungslos benahm. Der Gedanke an Julia hatte ihn seitdem nicht mehr losgelassen, trotz seiner Bemühungen, eine sichere emotionale Distanz zu wahren. Und das machte ihn wütend. Max war nicht dumm. Er kannte Frauen wie Julia.

Sie war eine typische Vertreterin der oberen Zehntausend. Hineingeboren in eine Gesellschaft, in die er nur nach jahrelanger, harter Arbeit und aufgrund von Beharrlichkeit aufgenommen worden war. Sie konnte einen Stammbaum vorweisen, und er kam sozusagen von der Straße. Die Unterschiede zwischen ihnen waren offensichtlich. Aber im Bett waren sie bedeutungslos geworden. In den gemeinsam verbrachten Stunden hatten sie im jeweils anderen etwas entdeckt, was sie bei niemandem sonst finden konnten.

Zumindest hatte Max das angenommen.

„Du kannst mir glauben, dass ich genauso häufig an diese Nacht gedacht habe“, verteidigte sie sich.

„Warum hast du mich dann gemieden? Wir hatten doch beide unseren Spaß.“

„Oh ja.“

„Was hält uns also davon ab, noch einmal die eine oder andere Nacht miteinander zu verbringen?“

Sie schaute ihm in die Augen. „Ich bin schwanger.“

Hätte sie ihm den Stuhl, auf dem er saß, weggezogen, hätte Max nicht verblüffter sein können. Die schlichte, geradlinige Aussage, ihr offener Blick, die entschlossene Miene, all das verdeutlichte Max, dass sie die Wahrheit sagte. Aber wenn sie ihn glauben machen wollte, es sei sein Baby, dann musste sie sich auf eine Überraschung gefasst machen.

Er wusste etwas, das sie nicht wusste, und war sich aufgrund dieser Tatsache sicher, dass er nicht der Vater des Kindes sein konnte.

„Herzlichen Glückwunsch“, bemerkte er bitter und trank einen Schluck Kaffee. Das heiße Getränk verbrannte ihm die Zunge, doch Max war geradezu froh über den Schmerz. Immerhin half er ihm, sich auf etwas anderes zu konzentrieren als auf die unausgesprochene Bitte in Julias Augen. „Wer ist der glückliche Vater?“

Sie hob ruckartig den Kopf und riss die Augen auf. „Du natürlich.“

Er lachte. Laut genug, dass sich einige andere Gäste zu ihnen umdrehten, um zu sehen, was so lustig war. Max funkelte sie böse an, und die Neugierigen schauten schnell woanders hin. Als er sich wieder Julia zuwandte, zischte er wütend: „Netter Versuch, aber das kaufe ich dir leider nicht ab.“

„Was?“ Sie sah so verblüfft aus, wie er sich fühlte. „Warum sollte ich lügen?“

„Eine interessante Frage“, erwiderte Max und stellte seinen Kaffeebecher auf den Nebentisch. Im Stillen gratulierte er sich dazu, so ruhig zu bleiben. Niemand würde ihm ansehen, dass er innerlich vor Wut kochte – und gleichzeitig furchtbar enttäuscht war. Er nahm Julia den Becher aus der Hand und murmelte: „Nimm deine Handtasche. Wir gehen.“

„Ich will aber nicht gehen.“

„Glaubst du, das interessiert mich?“ Er stand auf und starrte sie an, bis Julia mit wütender Miene die Handtasche nahm und ebenfalls aufstand. Mit festem Griff packte er sie am Ellenbogen und führte sie aus dem Café hinaus auf die Park Avenue.

„Wo will du hin?“ Offenbar hatte sie Schwierigkeiten, mit Max Schritt zu halten, doch er verlangsamte sein Tempo nicht.

Mit der Rücksichtslosigkeit einer Naturgewalt bahnte er sich einen Weg durch die Menschenmassen auf den Bürgersteigen von New York und zog Julia hinter sich her. Die Passanten traten zur Seite und gingen ihm aus dem Weg. Dies war keine Unterhaltung, die er in der Öffentlichkeit führen wollte. Wenn Julia ein Spiel mit ihm spielen wollte, dann sollte sie es verdammt noch einmal in seiner Wohnung tun. Dort konnte er ihr genau sagen, was er von blaublütigen Frauen hielt, die versuchten, Intrigen zu spinnen.

Sein Apartmentgebäude war sehr viel moderner als ihres. Hier wohnten nicht die Mitglieder des alten Geldadels, sondern neureiche Milliardäre – ganz nach Max’ Geschmack. Der Portier eilte herbei, um die Tür zu öffnen, und trat dann zur Seite, als Max die widerstrebende Julia zu den Fahrstühlen zog.

Er drückte auf einen der Knöpfe und schaute Julia drohend an. „Ich will kein Wort hören, bis wir allein sind.“

Sie nickte steif und machte sich dann von ihm frei, bevor sie sich das lange blonde Haar aus dem Gesicht strich. Max sah ihr Spiegelbild in der Fahrstuhltür, und trotz all der Wut, die er auf sie verspürte, erregte Julia ihn.

Die Fahrstuhltüren öffneten sich geräuschlos, und nachdem er und Julia hineingegangen waren, nahm Max seine Schlüsselkarte und drückte den Knopf zum einzigen Penthouse des Gebäudes. Er lebte gleichsam auf dem Dach der Welt, mit einem Blick, der ihm jedes Mal, wenn er in die Wohnung kam, bewies, dass er es geschafft hatte. Er war an der Spitze. Seine harte Arbeit hatte sich ausgezahlt, und er hatte seine Träume verwirklicht.

Der Fahrstuhl hielt im Foyer des Penthouse, das den Eingang zu einem Zweihundert-Quadratmeter-Reich darstellte, in dem Max allein lebte. Seine Haushälterin, die täglich kam, ging abends wieder nach Hause. Das Verheiratetsein hatte er einmal ausprobiert. Und seine Lektion gelernt.

Und genau deshalb wusste er auch, dass Julia ihn belog.

Er trat zur Seite und forderte Julia mit einer Handbewegung zum Eintreten auf. Sie war schon einmal hier gewesen, bei ihrer ersten und einzigen Liebesnacht. Und die Erinnerung daran verfolgte ihn seitdem rund um die Uhr.

„Möchtest du einen Drink?“, fragte er und ging die zwei Stufen hinunter, die ins Wohnzimmer führten. „Ach nein, du bist ja schwanger.“

Sie ignorierte seine bissige Bemerkung. „Hast du ein Wasser?“

Max schenkte sich einen Scotch ein, bevor er eine Flasche Wasser aus dem kleinen Kühlschrank der Bar holte. Dann ging er hinüber zu Julia. Sie stand am Panoramafenster und genoss den unglaublichen Blick auf die Stadt und den Hafen.

„Ich hatte vergessen, was für eine herrliche Wohnung das hier ist“, sagte sie und nahm das Wasser entgegen.

Ihm gefiel das Penthouse auch. Es war sehr maskulin eingerichtet, jetzt da Camille fort war. Das Wohnzimmer war mit edlem Eichenparkett ausgelegt, auf dem einige kostbare Teppiche lagen. Große Sofas und Sessel standen zu Gruppen zusammen, wurden aber selten benutzt. Ein Kamin wurde rechts und links von Bücherregalen flankiert, in denen Bücher für jeden Geschmack standen, von Krimis bis hin zu Klassikern.

„Eine herrliche Aussicht“, meinte Julia.

„Ja. Das hast du schon beim letzten Mal festgestellt.“ Max nippte an dem Scotch und wünschte, die brennende Flüssigkeit könnte die Kälte in seinem Inneren vertreiben.

Julia blickte Max über die Schulter hinweg an. „Ich weiß nicht, warum du darauf bestanden hast, dass wir hierher kommen, Max. Ich habe dir bereits gesagt, was ich zu sagen hatte.“

„Ach ja? Dass du mit meinem Kind schwanger bist.“

„Genau.“

„Das ist eine Lüge.“

Ihre Hand schloss sich fester um die Wasserflasche. „Warum sollte ich dich belügen?“

„Das wüsste ich auch gern“, murmelte er. „In der Nacht, in der wir zusammen waren, hast du mir erzählt, dass du gerade eine längere Beziehung beendet hattest. Jetzt frage ich mich natürlich, warum du mir das Baby unterjubeln willst.“

„Terry und ich waren schon seit Monaten nicht mehr … so zusammen. Wir waren Freunde.“

„Er war wohl zu zivilisiert für heißen Sex, was? Kein Wunder, dass du mit mir deinen Spaß haben wolltest.“

„So war es nicht“, widersprach Julia heftig. Sie wusste nicht, wieso das Ganze so eskalierte. Na gut, sie hatte nicht damit gerechnet, dass Max vor Freude über diese unerwartete Schwangerschaft in die Luft sprang. Aber genauso wenig hatte sie erwartet, dass er die Vaterschaft abstreiten würde. „Als wir uns begegnet sind, gab es diese … Verbindung zwischen uns. Das habe ich gespürt. Und dir kann es doch auch nicht entgangen sein. Es war wie …“

„Mach nicht mehr daraus, als es war, Darling“, unterbrach Max sie. „In der Nacht waren wir beide liebeshungrig, und es war der beste Sex, den ich je hatte. Aber mehr auch nicht. Es hat kein Engelschor gesungen. Es war, was es war … Sex.“

Julia fühlte sich, als hätte er ihr ins Gesicht geschlagen. Genau aus diesem Grund wollte sie keine bedeutungslosen Beziehungen führen. Sie musste eine Verbindung zu einem Mann verspüren, bevor sie mit ihm ins Bett ging. Und auch wenn sie sich in jener Nacht hatte hinreißen lassen, war sie überzeugt gewesen, dass diese Verbindung zwischen ihr und Max bestand. Hatte sie sich wirklich so getäuscht? Hatte sie reine Lust mit etwas anderem verwechselt?

Offensichtlich war sie tatsächlich so dumm gewesen.

„Was auch immer du vorhast, es wird nicht funktionieren“, sagte er leise. Er stellte sein Glas auf einen Tisch und kam näher. „Ich weiß nicht, was du willst, Julia, aber ich weiß, was wir beide brauchen. Was wir beide wollen.“

„Nein, da täuschst du dich“, entgegnete sie, als er sie in die Arme zog. Er hielt sie fest an sich gepresst, bis sie seine Erregung deutlich spüren konnte. Und sofort stand auch ihr Körper in Flammen.

Lust breitete sich in ihr aus und weckte ein sehnsüchtiges Verlangen in ihrer Mitte.

Max ließ seine Hände über ihren Rücken gleiten, und Julia erzitterte unter seinem Streicheln. Auf einmal fiel ihr das Atmen schwer. Sie konnte sich nicht konzentrieren. Hatte vergessen, warum sie eigentlich Nein sagen wollte. Vergessen, dass sie nicht an unverbindlichem Sex interessiert war.

Max beugte sich vor und berührte mit den Lippen flüchtig ihren Mund, bevor er sich wieder aufrichtete und sie anschaute. In seinen Augen sah sie eine Begierde, die sie bis ins Mark erschütterte.

„Sag es mir jetzt“, flüsterte er. „Wenn du nicht willst, sag es, und ich höre auf.“

Sag es!, befahl ihr Gehirn.

Aber im selben Moment übernahm ihr Körper das Kommando. Eine Beziehung mit Max hatte keine Zukunft. Er glaubte ihr nicht, was das Baby anging. Und um es ihm mit einem Vaterschaftstest zu beweisen, musste sie warten, bis das Kind geboren war. Es gab also keine Möglichkeit, ihn zu überzeugen. Wenn sie halbwegs bei Verstand wäre, würde sie das Penthouse verlassen, würde sie diesen Mann, der sie mit seinen magischen Berührungen um den Verstand brachte, verlassen und sich mit der Tatsache trösten, dass sie das Richtige getan hatte. Sie hatte ihm von dem Baby erzählt. Es war seine Entscheidung, ihr nicht zu glauben.

Aber sie wollte nicht gehen.

Sie wollte noch eine Nacht mit Max verbringen.

Mit jeder Faser ihres Körpers sehnte sich danach. Mit jedem Herzschlag wurde ihr Verlangen nach ihm heftiger. Also traf sie eine Entscheidung, die sie sicherlich irgendwann bereuen würde.

„Ich sage nicht Nein“, wisperte sie und legte ihm beide Hände auf die Brust, strich über sein Oberhemd und spürte die kräftigen Muskeln darunter.

Offenkundig erleichtert, atmete Max durch und lockerte seine Umarmung. Langsam umschloss er Julias Brüste und streichelte die Knospen, die sich hart unter dem dünnen Leinenstoff ihrer Bluse abzeichneten. Ihr BH bestand lediglich aus hauchzarter Spitze, sodass Julia die Wärme von Max’ Berührung auf ihrer Haut spüren konnte.

„Dann sag Ja“, forderte er sie mit rauer Stimme auf, während er fortfuhr, ihre Brüste zu liebkosen.

„Ja, Max. Verdammt, ja.“

Triumph leuchtete in seinen Augen auf, bevor er ihren Mund wieder eroberte. Kaum berührten sich ihre Lippen, als Julia die Augen schloss und hingebungsvoll seufzte. Wohlige Schauer überliefen sie und setzten jeden Nerv unter Strom. Mit der Zungenspitze drängte Max sie, die Lippen zu öffnen, und nur zu gern folgte sie dieser stummen Aufforderung. Ein leises Stöhnen entschlüpfte ihr, als ihre Zungen einen erotischen Tanz begannen.

Max vertiefte den Kuss und tastete gleichzeitig mit geschickten Händen nach den Knöpfen ihrer Bluse. Innerhalb von Sekunden hatte er sie geöffnet. Die Bluse glitt über ihre Schultern und fiel zu Boden. Der BH folgte, und dann lagen Max’ Hände wieder auf ihren Brüsten und vollführten die wunderbarsten Dinge. Mit den Fingerspitzen neckte er ihre Knospen, während er Julia mit seinen Küssen fast verrückt vor Verlangen machte.

Endlich beendete er den Kuss und ließ seine Lippen über ihren Hals wandern, bevor er erst die eine, dann die andere Spitze mit seinen Zärtlichkeiten verwöhnte. Mit Zunge, Lippen und Zähnen spielte er auf ihrem Körper wie auf einem perfekt gestimmten Instrument und entlockte ihr Töne der Lust. Sie presste Max’ Kopf an sich und öffnete die Augen. Manhattan lag funkelnd unter ihr, und die Lichter der Stadt verschwammen zu einem Kaleidoskop aus Farben.

„Mehr“, flüsterte er.

„Ja, Max.“ Nur ihm gelang es, solche Empfindungen in ihr zu wecken. Dieser Mann war für ihren Körper, was ein Streichholz für eine Ladung Dynamit war. Warum war er der Einzige, der solche unglaublichen Gefühle in ihr hervorrief?

Geschickt öffnete er den Reißverschluss ihrer Hose und schob sie zusammen mit dem hauchdünnen Slip an ihren Beinen hinunter. Die kühle Luft des Zimmers streichelte ihre Haut, und sie erzitterte. Allerdings war ihr nicht kalt. Wie sollte sie auch frieren, während Max’ Hände auf ihr lagen?

„Halt dich an mir fest.“ Er kniete sich vor sie und wartete, bis sie die Hände auf seine breiten, muskulösen Schultern gelegt hatte. Dann hob er ihr rechtes Bein, legte es sich über den Rücken und sah zu Julia auf.

Verlangen und Leidenschaft funkelten in seinen Augen, und Julia fühlte sich von diesem Blick wie gefangen. Sie zitterte, als Max, ohne sie aus den Augen zu lassen, immer näher kam. Endlich berührten seine Lippen die blonden Löckchen zwischen ihren Schenkeln, und Julia hielt den Atem an.

Doch schon im nächsten Augenblick seufzte sie beglückt auf, als Max mit der Zunge die intimste Stelle ihres Körpers berührte. Er schloss die Augen und begann, sie mit seinen Zungenschlägen und Zärtlichkeiten auf köstliche Art zu foltern. Julie vergrub die Finger in seinem Hemd und hielt sich fest. Obwohl Max sie aus dem Gleichgewicht brachte, wollte sie doch um nichts in der Welt ihre Position ändern.

Am liebsten wäre sie für immer so stehen geblieben, um das Gefühl seines Mundes zu genießen, die Wärme seiner Zunge, seines Atems, seiner Finger, die nun ihr Zentrum berührten. Sanft drang Max erst mit einem, dann mit zweien in sie ein.

„Max!“ Sie schwankte, doch er hielt sie mit einem Arm fest und setzte den Angriff auf ihre Sinne fort. Er schmeckte und neckte sie, schürte die Glut in ihrem Inneren zu einer Feuersbrunst und zog sich dann zurück, bevor sie ganz in Flammen aufgehen konnte. Jedes Mal, wenn sie kurz davor war, Erlösung zu finden, hielt er inne.

Julia fühlte sich wie ein zitterndes Bündel von Verlangen und purer Leidenschaft. Sie klammerte sich an Max und drängte ihm ihre Hüften entgegen. Benommen vor Lust schaute sie auf ihn, während er sie verwöhnte, bis das Einzige was zählte, der erlösende Höhepunkt war, der gerade eben außer Reichweite blieb.

„Max, bitte“, wisperte sie heiser. „Jetzt!“

Statt zu antworten, widmete sein Mund sich weitaus erotischeren Tätigkeiten. Gleichzeitig tanzten seine Hände über ihren Körper. Und als Julia glaubte, es nicht länger aushalten zu können, drang Max mit dem Finger ein letztes Mal in sie ein und versetzte sie in einen Zustand der Schwerelosigkeit, in dem der einzige Fixpunkt die Schultern waren, die sie unter ihren Händen spürte.

Noch ehe das letzte Zittern verklungen war, fühlte sich Julia von Max hochgehoben. Als sie seine angespannte Miene sah, strich sie ihm über die Wange. „Mehr, Max. Ich möchte dich in mir spüren.“

„Das sollst du auch“, versprach er und marschierte mit langen Schritten den Flur entlang.

Julia konnte die Augen nicht von Max losreißen. Sie bewunderte sein markantes Profil, das dunkle Haar, das ihm in die Stirn fiel, und seine funkelnden grünen Augen. Wohlig erschauerte sie und erkannte, dass sie ihn schon wieder begehrte.

Sein riesiges Schlafzimmer wurde nur vom Mond und den Lichtern der Stadt beleuchtet. Gegenüber dem großen Fenster stand ein Bett, so groß, dass mühelos sechs Menschen darin hätten schlafen können. Die rotseidene Tages-decke war bereits zurückgeschlagen, und als Max Julia auf die Matratze legte, genoss sie das weiche Bett und das kühle Laken.

Schweigend sah sie zu, wie Max sich hastig auszog. Als sie sah, wie erregt er war, begann ihre Haut vor Erwartung zu kribbeln. Sie streckte ihm die Arme entgegen und hieß ihn willkommen, als er ihren Körper mit seinem bedeckte. Es war ein köstliches Gefühl, seine raue an ihrer weichen Haut zu spüren, und ihre Körper bewegten sich miteinander, als wären sie nur hierfür geschaffen.

Max’ Berührungen schürten erneut die Leidenschaft in ihr, und sie verlor sich in Empfindungen, die so vielfältig waren, dass sie noch nicht einmal im Einzelnen benennen konnte. Sie versuchte es gar nicht erst. Stattdessen konzentrierte sie sich einzig und allein darauf, mit Max zusammen zu sein, und als er sich auf den Rücken rollte und sie auf sich zog, folgte Julia nur allzu gern.

Wie war es nur dazu gekommen? Jene magische Nacht mit ihm hatte ein neues Leben geschaffen. Ein Kind, das ihn nicht interessierte. Ein Kind, das sie mit Freude großziehen wollte.

Zwei Fremde waren sie gewesen und waren es im Grunde immer noch. Und doch kam es ihr in diesem Moment so vor, als hätte sie Max schon immer gekannt. Als hätte ein Teil von ihr schon immer darauf gewartet, dass er in ihr Leben trat. Als hätte ihr Körper seinen wiedererkannt.

Max umfasste ihre Oberschenkel, während sie sich rittlings auf ihn setzte. Auf seinem Mund erschien ein sinnliches Lächeln, und Julia konnte nicht widerstehen: Sie beugte sich vor und küsste ihn. Dabei fiel ihr Haar über sein Gesicht wie ein weicher, blonder Vorhang, der alles andere, außer ihnen beiden, ausschloss.

Lippen trafen sich, Zungen flirteten miteinander, Atem vermischte sich, so als wären sie eins. Als wäre all das vorherbestimmt. Aber bevor Julia diesen Gedanken weiterverfolgen konnte, hob Max ihre Hüften und zog sie auf sich.

Julia richtete sich auf, bog ihren Rücken durch und rang nach Atem, als er sie langsam, unaufhaltsam ausfüllte. Ganz tief nahm sie ihn in sich auf.

Max in die Augen schauend, seufzte Julia und bewegte die Hüften verführerisch. Zu ihrer Befriedigung sah sie, wie sich Max’ Miene augenblicklich lustvoll verzog.

„Jetzt bin ich an der Reihe“, hauchte sie, während sie begann, ihren Körper auf seinem zu bewegen. Sie ließ die Hüften kreisen, sie hob und senkte sich und bäumte sich über ihm auf. Gleichzeitig streichelte sie seinen Oberkörper und neckte mit ihren kurzen Fingernägeln seine kleinen Brustwarzen.

Max stöhnte und hielt Julia mit seinem Blick gefangen, als wollte er sie auf keinen Fall aus den Augen lassen. Als wäre nichts auf der Welt so wichtig wie sie. Und das war ein berauschendes Gefühl. Langsam hob sie die Hände, ließ sie verführerisch über ihren eigenen Körper wandern und umschloss ihre Brüste.

Während er sie beobachtete, liebkoste sie ihre eigenen Knospen, und die Erregung, die sie in Max’ Blicken wahrnahm, schürte auch ihre eigene Lust. Sie hatte ihn in ihren Bann geschlagen, und jetzt war er es, der nichts weiter tun konnte, als zu genießen. Zu fühlen. Den Gipfel zu erklimmen.

Julia kostete die Macht aus, die sie angesichts von Max’ Faszination verspürte. Sie sah sein Verlangen, spürte seine Lust. Lächelnd hob sie beide Arme hoch über den Kopf und bewegte sich schneller und schneller. Ihre Hüften zuckten, und ihr leises Stöhnen erklang in der Dunkelheit. Max’ Hände vergruben sich in ihren Hüften, bis sie jede einzelne Fingerspitze wie ein Brandmal auf ihrer Haut spürte.

Dann glitt er mit einer Hand zu der Stelle, wo ihre Körper miteinander verschmolzen, und berührte diesen unglaublich empfindlichen Punkt. Innerhalb von Sekunden hatte sich das Blatt gewendet. Jetzt war es wieder Julia, die atemlos dem Höhepunkt entgegenstrebte.

Als sie Max’ Namen schrie und in seinen Armen erzitterte, hörte sie nur einen winzigen Moment später den heiseren Schrei, den Max wie ein Echo auf ihren ausstieß. Dann schloss er sie in die Arme, und gemeinsam versanken sie im Strudel der Lust.

3. KAPITEL

Mit Julia neben sich konnte Max zum ersten Mal seit zwei Monaten wieder befreit aufatmen. Endlich hatte er sie wieder da, wo er sie haben wollte. Er war sich nicht sicher, was sie mit dieser Babysache bezweckte, doch das würde er schon noch herausfinden. Jetzt war sie wieder da, wo sie hingehörte … in seinem Bett.

Er war kein Dummkopf und wusste, dass sie den Sex genauso genossen hatte wie er. Was sollten also diese Lügen? Worauf war sie aus?

Auf einen Ellenbogen gestützt, schaute er sie an und lächelte selbstzufrieden. „Willst du mir nun vielleicht erzählen, warum du nicht an einer sexuellen Beziehung interessiert bist?“

Sie zog die Augenbrauen zusammen und erwiderte seinen Blick. „Was ich sagte war, dass ich nicht an einer Beziehung interessiert bin, die nur auf Sex basiert und zeitlich begrenzt ist.“

„Ich denke, dass du gerade das Gegenteil bewiesen hast. Auf eine ziemlich spektakuläre Weise, jedenfalls meiner Ansicht nach.“

Während sie etwas vor sich hin murmelte, was er nicht verstand, rutschte sie von ihm fort zur Bettkante. Ihr nackter Körper ließ ihm fast das Wasser im Mund zusammenlaufen. Sie war klein und wirkte fast zerbrechlich, besaß jedoch herrliche Rundungen an genau den richtigen Stellen. Als sie sich erhob und in Richtung Wohnzimmer ging, stellte Max fest, dass er sie schon wieder begehrte.

Leise glitt er aus dem Bett und folgte ihr. Er beobachtete, wie sie sich bückte, um ihre Kleidung einzusammeln. Eine Schulter gegen den Türrahmen gelehnt, sah er ihr beim Anziehen zu.

„Wieso die Eile?“

Sie warf ihm einen bösen Blick zu. „Deswegen bin ich nicht hergekommen.“

„Vielleicht nicht, aber wir sind verdammt gut darin. Warum wollen wir es nicht noch einmal tun?“

„Weil …“, erwiderte sie, während sie ihren Slip und dann die Hose anzog, „… es sinnlos ist.“

„Du hast vor Lust geschrien“, meinte er mit einem zufriedenen Lächeln. „Ich finde, das ist Grund genug.“

Stirnrunzelnd warf sie ihr blondes Haar zurück, streifte sich den BH über und schloss ihn. „Mit dir kann man nicht reden“, stellte sie fest.

„Wenn du reden willst, dann reden wir eben.“ Er ging, ungeachtet seiner Nacktheit, auf sie zu. Ihr dagegen war anzusehen, dass sein unbekleideter Zustand sie nervös machte. Gut. Er war ein Mann, der gerne die Oberhand über seinen Gegner hatte. Und unabhängig davon, wie man ihre „Beziehung“ auch beschreiben mochte, in gewisser Weise war Julia seine Gegnerin.

„Zum Beispiel könntest du mir erzählen, warum du mir einreden willst, schwanger zu sein.“

Sie sah ihn unverwandt an. „Ich bin schwanger“, erklärte sie. „Und ich habe es für richtig gehalten, dich darüber zu informieren, dass du Vater wirst.“

„Oh, du willst also das Richtige tun. Soso.“

„Weißt du was? Mit jedem Wort, das du sagst, wird es mir weniger wichtig.“

Sie schlüpfte in ihre weiße Bluse, doch bevor sie sie zuknöpfen konnte, war Max bei ihr und legte ihr die Hände auf die Schultern. Er zog sie eng an sich, schaute ihr in die Augen und fragte leise: „Worum geht es hier wirklich?“

Einen Moment lang glaubte er, Enttäuschung in ihrem Blick zu erkennen, aber dieser Moment verging, und der Ausdruck in ihren Augen wirkte wieder kühl und ungerührt. „Du glaubst mir nicht. Warum sollte ich also versuchen, dich zu überzeugen?“

Leise Zweifel regten sich in ihm, doch er schob sie beiseite. Es war egal, was Julia sagte. Er kannte die Wahrheit bereits. „Ich will wissen, wer dir gesagt hat, dass du diese Nummer hier versuchen sollst“, meinte er.

„Was?“

„Es hat sich herumgesprochen, dass ich einen Erben brauche, stimmt’s?“ Kurz verkrampften sich seine Finger in ihren Schultern.

„Ich weiß nicht, wovon du sprichst.“

„Ich bitte dich! Wir wissen beide, dass in deinen Gesellschaftskreisen anzügliches Gerede über andere an der Tagesordnung ist. Die Gerüchteküche der New Yorker High Society stellt selbst Hollywood in den Schatten.“

Sie löste sich von ihm, und Max ließ sie gehen. Schweigend knöpfte sie ihre Bluse zu und strich sich mit den Fingern durchs Haar, bis es nicht mehr aussah, als wäre sie gerade aus dem Bett ihres Liebhabers gestiegen. Dann drehte sie sich um, nahm ihre Handtasche und zog sich die Sandalen an.

Erst als sie bereit war zu gehen, drehte sie sich noch einmal zu Max um. „Glaub, was du willst, Max. Aber ich habe dir die Wahrheit erzählt.“

„So wie du sie siehst, natürlich.“

„Ist das nicht die einzige Art, wie jeder von uns sie sieht?“

Er runzelte die Stirn und sah ihr nach, doch er versuchte nicht, sie aufzuhalten, als sie in den Fahrstuhl trat und verschwand.

„Ich bin so dumm“, stöhnte Julia eine Stunde später und sah Amanda gequält an. Noch immer kribbelte ihr Körper von Max’ Berührungen, und noch immer war sie wütend wegen seines Misstrauens. Warum nahm er an, dass sie log? Du lieber Himmel, er hatte nicht einmal nach einem Vaterschaftstest gefragt!

Sie schloss die Augen, öffnete sie wieder und sah sich in ihrer Wohnung um. Sie hatte sich hier ein kleines Nest gebaut, einen Ort, an dem sie sich wohlfühlte und glücklich war. Die Wände waren in hellen Farbtönen gestrichen, und vor den Fenstern hingen blütenweiße Gardinen, zu denen das gemütliche Sofa und der Sessel mit dem Rosenmuster gut passten. In dieser Wohnung hatte Julia sich endlich ein Heim geschaffen.

Anders als in den Häusern, in denen sie aufgewachsen war, gab es hier nichts Kaltes, Formelles. Sie hatte sich immer geborgen gefühlt – bis heute. Und das war ihre eigene Schuld – und die von Max.

Während sie an die Decke starrte, sagte sie: „Ich bin tatsächlich direkt wieder mit ihm ins Bett gegangen. Es ist so, als könnte er mich hypnotisieren.“

„Wie schön für dich“, bemerkte Amanda.

„Schön?“ Julia schüttelte den Kopf. „Es ist, als hätte nicht ich, sondern jemand anderes in meinem Körper gesteckt. Als hätte ich keine Kontrolle über mich selbst.“ Sie vergrub das Gesicht in den Händen. „Du meine Güte, und schon wieder haben wir kein Kondom benutzt!“

„Es ist ein bisschen spät, um sich über Verhütung Gedanken zu machen, meinst du nicht?“

„Ich mache mir überhaupt keine Gedanken. Das ist genau das Problem. Es kommt mir vor, als ob mein Gehirn aussetzt, sobald Max mich berührt. Ich verstehe das alles nicht.“

„Warum willst du es denn verstehen?“, erkundigte sich Amanda und seufzte neidisch. „Genieß es doch einfach.“

„Du bist keine große Hilfe.“ Julia drehte den Kopf, um ihre beste Freundin, die im Schneidersitz auf dem Sessel saß, böse anzufunkeln.

„Was soll ich denn sagen?“ Amanda lachte und fuhr mit dem Löffel in die Schale mit dem Schokoladeneis. „Soll ich dich ausschimpfen, weil du Sex hattest?“ Sie schob den Löffel in den Mund, lächelte und schüttelte den Kopf. „Das wirst du von mir nicht hören.“

„Aber er hat mir nicht geglaubt, dass ich ein Baby bekomme!“

Amanda beugte sich vor und griff nach der anderen Eispackung, um sie Julia zu reichen. „Okay, das ist schrecklich. Er hätte dir glauben sollen. Ich habe noch nie jemanden kennengelernt, der so ehrlich ist wie du.“

Julia nahm einen Löffel Erdbeereis, ließ es auf der Zunge zergehen und sagte dann: „Das solltest du ihm erzählen. Er hat nicht einmal darüber nachgedacht, was ich gesagt habe. Er hat mich schlichtweg eine Lügnerin genannt.“

„Und um ihn für diese Beleidigung zu bestrafen, warst du mit ihm im Bett.“ Amanda lachte. „Das wird ihm eine Lehre sein.“

Julia verzog das Gesicht, griff nach einem Kissen und warf es ihrer Freundin an den Kopf. „Ich habe doch schon gesagt, dass ich dumm bin.“

Noch immer lachend, fragte Amanda: „Die Frage ist, hat es sich gelohnt?“

„Oh, Himmel“, erwiderte Julia und seufzte verträumt. „Der Mann hat magische Finger. Und einen magischen Mund und eine magische …“

„Das reicht! Ich kann es mir lebhaft vorstellen und werde gleich grün vor Neid.“ Amanda tröstete sich mit einem Löffel Eis.

Julia bekam ein schlechtes Gewissen. Es war nicht fair, von Max und dem unglaublichen Sex zu schwärmen. Schließlich wohnte Amanda hier bei ihr, weil ihre Beziehung in die Brüche gegangen war. „Es tut mir leid“, sagte sie schuldbewusst.

„Ach, das ist nicht nötig“, entgegnete Amanda. „Ja, ich hatte mein Herz an einen Loser verschenkt, aber das ist jetzt vorbei. Mir geht es gut. Ich bin völlig zufrieden mit meinem Schokoladeneis und damit, dass ich an deinem aufregenden Leben teilnehmen kann.“

„Mit dem aufregenden Leben ist es jetzt vorbei“, erklärte Julia. Vielleicht konnte sie sich irgendwann sogar selbst davon überzeugen, wenn sie es nur oft genug wiederholte. „Ich kann nicht noch einmal mit Max schlafen, Amanda. Sex allein reicht einfach nicht.“

„Hm. Klingt für mich nicht sehr einleuchtend.“

„Habe ich nicht schon genügend Probleme? Was soll ich denn jetzt tun?“

Amanda stellte das Eis auf den Tisch und sah ihre Freundin an. „Du bist die Einzige, die das entscheiden kann, Julia. Es ist dein Baby. Dein Leben. Was möchtest du tun?“

Die Antwort auf diese Frage war gleichzeitig einfach und kompliziert. Sie wollte ihr Baby. Aber sie hatte Angst vor dem, was in den nächsten Monaten auf sie zukommen würde.

Seufzend erklärte sie: „Du weißt, dass ich mir immer Kinder gewünscht habe.“

„Stimmt.“

„Aber ich war davon ausgegangen, dass ich erst mal heirate.“

„Natürlich, aber die Dinge passieren nun mal nicht immer in der vorgegebenen Reihenfolge.“

„Ich will das Baby“, sagte Julia. „Aber was passiert, wenn die Leute es herausfinden?“

„Kleines, wir leben nicht mehr in der Mitte des letzten Jahrhunderts. Die Zeiten haben sich geändert.“

„Die Zeiten vielleicht“, gab Julia zu. „Aber meine Familie nicht. Du kennst meine Eltern.“

Amanda erschauderte demonstrativ. „Gutes Argument. Sie werden nicht gerade einen Freudentanz aufführen, oder?“

„Nein.“ Julia stellte sich vor, wie sie ihren Eltern von dem Kind berichtete. Sie konnte die Missbilligung fast körperlich spüren. Ihre Eltern würden sich schämen und das verdammen, was sie getan hatte. Was sie war.

Der äußere Eindruck war das Einzige, was Julias Eltern interessierte. Wenn sie herausbekamen, dass ihr einziges Kind schwanger und nicht verheiratet war, würden sie alles tun, um Julia das Leben zur Hölle zu machen. Natürlich konnten sie sie nicht dazu zwingen, eine Abtreibung vornehmen zu lassen, aber sie konnten sie aus ihrem Leben verbannen. Und die Frage war, wollte sie riskieren, von ihnen verstoßen zu werden? Zwar hatten sie nicht gerade ein gutes Verhältnis zueinander, aber außer ihren Eltern besaß Julia keine Familie.

Entschlossen verdrängte Julia diese Gedanken. „Es geht ja nicht nur um meine Eltern. Was ist mit all den konservativen Wohltätigkeitsvereinen, für die ich arbeite? Glaubst du, die werden begeistert sein von einer unverheirateten Mutter?“

„Deine Familie kommt schon darüber hinweg“, erklärte Amanda. „Und was den Rest betrifft, um den kannst du dich kümmern, wenn es so weit ist.“

„Leichter gesagt als getan.“

„Wenn du dieses Baby willst“, bemerkte Amanda, „was hast du dann für eine Wahl?“

Am Morgen dachte Julia noch immer über die Frage ihrer Freundin nach. Die ganze Nacht lang war sie von Albträumen geplagt worden. Bis jetzt hatte sie die Panik, die sie im Schlaf verspürt hatte, noch nicht abschütteln können. Im Traum war sie durch lange, finstere Straßen gejagt. Sie waren menschenleer gewesen, aber überall hatten dunkle Schatten gelauert. Auf dem Arm hielt sie ihr schreiendes Baby, und das Weinen klang gespenstisch. Regen klatschte auf die Straßen, und sie fand keine Menschenseele, die ihr und ihrem Kind helfen konnte.

Die ihr Beistand leistete.

Julia zitterte ein wenig bei der Erinnerung, doch dann verscheuchte sie entschlossen die Gedanken an den Traum. Mit beiden Händen umschloss sie einen Becher mit heißem Tee, in der Hoffnung, das heiße Getränk würde die Kälte in ihrem Inneren vertreiben. Sie blinzelte hinaus in das helle Sonnenlicht und redete sich ein, dass Träume nichts mit der Wirklichkeit zu tun hatten.

Schließlich war sie, Julia Prentice, achtundzwanzig Jahre alt, besaß eine abgeschlossene Collegeausbildung, ein regelmäßiges Einkommen, eine eigene Wohnung und etliche enge Freunde. Jetzt war sie schwanger und unverheiratet, na und? Viele Frauen standen vor demselben Problem. Warum machte sie solch eine große Sache daraus?

„Bin ich ein Feigling?“, überlegte Julia und fürchtete sich fast vor der Antwort.

„Die Post ist gekommen.“ Amanda trat an den Frühstückstisch, ließ einen Stapel Briefe darauffallen und ging in Richtung ihres Schlafzimmers. „Ich habe in einer Stunde eine Verabredung mit einer nervösen Braut. Ihre zukünftige Schwiegermutter versucht, die Hochzeitsplanung an sich zu reißen. Die Braut ist in heller Aufruhr. Das wird bestimmt noch interessant.“

Als Veranstaltungsplanerin war Amanda ständig von einem Termin zum nächsten unterwegs. Sie trug ein dunkelrotes Kostüm, das an ihr einfach traumhaft aussah. Im Gehen rief sie Julia über die Schulter zu: „Sag Bescheid, wenn in dem Stapel etwas für mich dabei ist.“

Julia blätterte pflichtgemäß durch die Umschläge. Rechnungen, Reklame, Einladungen zu Partys … Sie hielt inne, als sie einen Umschlag ohne Briefmarke und Stempel sah.

Er war an Julia Prentice gerichtet, aber es stand keine Adresse auf dem Umschlag, nur der Name. Mit gerunzelter Stirn öffnete sie den Umschlag, zog den Brief heraus und las die kurze Mitteilung.

Miss Prentice – Ich weiß von Ihrem Baby. Wenn Sie nicht wollen, dass auch die Öffentlichkeit davon erfährt, überweisen Sie eine Million Dollar auf unten genanntes Konto auf den Kaimaninseln. Sie haben eine Woche Zeit.

Unter dem Text stand eine Kontonummer, aber natürlich keine Unterschrift. Erpressung? Mit zitternden Händen umklammerte Julia das Papier. Wer steckte dahinter? Jemand aus dem Haus? Jemand, von dem sie geglaubt hatte, er wäre ihr Freund? Niemand außer Amanda und Max wusste von dem Baby. Max glaubte ihr die Schwangerschaft nicht, und Amanda würde sie niemals verraten.

Wie hatte diese … Person es also herausgefunden? Hatte jemand im Park Café gelauscht? Hatte jemand sie gehört, obwohl sie sich bemüht hatte, leise zu sprechen? Trotz der Panik, die sich in ihr ausbreitete, versuchte Julia sich an die Gesichter der anderen Gäste gestern Abend im Café zu erinnern. Vergeblich. Sie war zu sehr in ihre eigenen Gedanken vertieft gewesen. Zu beschäftigt mit ihren Problemen, um irgendjemand anderem Beachtung zu schenken. Und um die Wahrheit zu sagen, sobald Max aufgetaucht war, hätte das Gebäude in Flammen stehen können, und sie hätte trotzdem nur ihn wahrgenommen.

Sie gab einen erstickten Laut von sich und ließ den Brief auf den Tisch fallen. Fassungslos presste sie eine Hand auf den Mund und rang nach Atem. Was sollte sie tun? Sie besaß nicht so viel frei verfügbares Geld, dass sie einfach so eine Million Dollar überweisen könnte. Aber auch die Vorstellung, dass ihr Privatleben in die Öffentlichkeit gezogen wurde, war unerträglich.

„Kleines?“ Amandas Stimme durchdrang den Tumult in ihrem Kopf. „Was ist los?“

Mit tränenverschleiertem Blick deutete Julia auf den Brief. Amanda griff danach, las ihn und rief: „Verdammt! Wer könnte so etwas …“ Sie brach ab und meinte dann: „Vergiss es. Was willst du unternehmen?“

„Ich weiß es nicht.“

„Du solltest zur Polizei gehen, Julia.“

„Was würde das nützen?“ Sie schüttelte den Kopf und bemühte sich, nicht völlig in Panik zu geraten. Doch ihr Magen verkrampfte sich, ihr Herz raste, und ihr Mund war ausgetrocknet.

„Erpressung ist ein Verbrechen.“

„Das weiß ich“, sagte Julia leise. „Aber was kann die Polizei schon tun? Den Erpresser finden? Würde das etwa verhindern, dass alles herauskommt? Mein Geheimnis würde trotzdem an die Öffentlichkeit gelangen.“

„Es kann ohnehin nicht mehr lange geheim bleiben, Kleines“, erinnerte Amanda sie. „Die Leute werden sehen, dass du schwanger bist. Es ist nichts, was man wirklich verheimlichen kann.“

„Ja, aber sie sollen es erfahren, wenn ich so weit bin. Nicht, wenn irgendein bösartiger Mensch entscheidet, dass er mich der Klatschpresse ausliefern möchte. Ich kann nicht zulassen, dass meine Eltern es aus der Zeitung erfahren. Und ich kann es ihnen jetzt auch noch nicht sagen.“

„Also, was willst du dann tun?“

Julia stand auf, ging ein paar Schritte und drehte sich dann wieder zu Amanda um. „Ich kann mit dieser Sache nicht meine Eltern belasten. Es gibt eigentlich nur eins, was ich tun kann: Ich muss zu Max gehen.“

Max saß hinter seinem Schreibtisch und versuchte, sich auf das Tagesgeschäft zu konzentrieren. Die Finger am Puls der Wall Street zu behalten war das Geheimnis seines Erfolges. Er besaß die angeborene Fähigkeit zu erkennen, in welche Richtung der Markt sich entwickelte. Und er handelte, bevor andere die Situation überhaupt durchschaut hatten.

Er besaß inzwischen solch einen guten Ruf, dass sein Rat buchstäblich Gold wert war, und seine Rivalen beobachteten ihn mit Argusaugen in der Hoffnung, ihn austricksen zu können. Doch das war noch nie geschehen. Max liebte seine Arbeit. Es gefiel ihm, der Beste zu sein. Das Auf und Ab des Finanzmarktes machte ihm Spaß, und er genoss das Gefühl, diesen Markt beherrschen und nach Belieben nutzen zu können.

Aber heute konnte er sich nicht konzentrieren. Heute waren ihm die Ölpreise und Aktienkurse völlig egal. Er dachte nur an Julia.

Nicht einmal Schlaf hatte er finden können, weil sein Bett noch ihren Duft verströmt hatte. Als Max jetzt die Augen schloss, konnte er ihren Körper auf seinem fühlen. Immer wieder rief er sich die Bilder des vergangenen Abends ins Gedächtnis: Julias blondes Haar, das ihr zerzaust ins Gesicht fiel, ihre Augen, die ihn mal mit sanftem Blick und dann voller Leidenschaft anschauten. Ihr Mund, voll und köstlich und zu einem Lächeln verzogen, als sie sich rittlings auf ihn gesetzt und ihn in sich aufgenommen hatte.

Diese verflixte Frau brachte ihn noch um den Verstand!

Er lehnte sich in seinem Chefsessel zurück und schaute sich im Büro um. Der Raum war groß, eingerichtet in Schwarz, Chrom und Glas. Die gesamte Einrichtung schuf eine Atmosphäre, die seinen Erfolg verriet. Wenn er hier Geschäftstermine abhielt, genügte dieses Zimmer, um seine Konkurrenten einzuschüchtern. Dieses Büro machte deutlich, dass Max Rolland ein Mann war, den man ernst nehmen musste. Und den man mit Vorsicht zu behandeln hatte.

Seine Welt war genau so, wie er sie sich immer erträumt hatte. Er besaß Geld. Er besaß Ansehen. Die gesamte Stadt lag ihm zu Füßen. Was er nicht hatte, war eine Familie. Einen Sohn. Einen Erben.

Frustriert stand er auf, ging durchs Zimmer und schenkte sich einen Becher Kaffee ein. Er musste an Camille denken. Er hatte sie geheiratet und war davon ausgegangen, dass er mit ihr die Familie gründen könnte, die er sich immer gewünscht hatte.

Sie kam aus einer guten Familie und hätte seinen Kindern den Stammbaum gegeben, den sie verdienten. Er dagegen hätte ihnen alles Notwendige gegeben, damit sie sich in der Welt hervortun konnten.

„So viel zu ausgeklügelten Plänen“, murmelte er düster und dachte, wenn auch nur sehr kurz, an Camilles Blick, als er sie das letzte Mal gesehen hatte.

Sie hatte ihn mitleidig angeschaut. Mitleidig und angewidert. Und ihre letzten Worte hatten sich tief in sein Gedächtnis eingebrannt. Du kannst mir nicht das geben, was ich mir wünsche, Max. Ein Kind. Also verlasse ich dich und suche mir jemanden, der es kann.

Max stellte den Becher zur Seite und stopfte sich beide Hände in die Taschen. Deshalb war er sich so sicher, dass Julia ihn mit ihrer Schwangerschaft anlog. Er wusste, dass er keine Kinder bekommen konnte. Er war zeugungsunfähig. Seine Träume von einer Familiendynastie hatte er begraben müssen.