Märchenzeit - Monika Niessen - E-Book

Märchenzeit E-Book

Monika Niessen

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Beschreibung

Wenn Kinder und Erwachsene gemütlich beieinandersitzen, dann ist MÄRCHEN-Vorlesezeit! Wer lässt sich nicht gern von Feen und Nixen verzaubern, oder hätte gern magische Kräfte wie Rosabella Palmenretter? Auch Prinzen, Prinzessinnen, die Tier- und Pflanzenwelt kommen in dem Buch nicht zu kurz. Die Geschichten von Anna, Emma, und Jakob erfreuen sich bereits bei vielen Kindern großer Beliebtheit. Das letzte Kapitel ist der Weihnachts- und Winterzeit, mit Geschichten für kleine und große Leute, gewidmet. Wenn Geschichten vorgelesen werden, ist es entspannend. Die Phantasie wird angeregt. Wer braucht da schon Bilder im Buch, wenn im Kopf viel schönere entstehen!

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Seitenzahl: 362

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Inhaltsverzeichnis

Magische Geschichten

Prinzessinnen, Prinzen und Grafen

Von Tieren, Bäumen und Pflanzen

Allerlei Geschichten

Anna Geschichten

Geschichten für KITA Kinder

Emma Geschichten

Jakob Geschichten

Advent, Weihnachts- und Schneegeschichten für kleine Leute

Weihnachtsgeschichten für große Leute

Magische Geschichten

Rosabella Palmenretter und der Schiffsjunge

„Uff“, stöhnte Rosabella und ließ sich in einen Sessel fallen. Sie hatte sich mal wieder in ein junges Mädchen verwandelt und das war anstrengend.

Rosabella war schon gaaanz lange auf der Welt. Manchmal begegnete sie den Menschen als alte Frau und manchmal eben als junges Mädchen. Einmal hatte sie sich in einen Jungen verwandelt, aber das hatte ihr nicht gefallen. Die Jungs, die sie so kennen gelernt hatte, wollten nur raufen, dass gefiel ihr nicht.

Rosabella hieß in Wirklichkeit gar nicht Palmenretter und auch nicht Rosabella. Sie nannte sich so, seit sie festgestellt hatte, dass sie magische Kräfte besaß.

Als sie noch ein kleines Mädchen war, da hatte ihre Großmutter ihr von ihrem Großvater erzählt, der einmal einem Sultan in Mysteristan die Palmen rettete. Der Großvater ihrer Großmutter besaß auch magische Kräfte, die er aber erst entdeckte, als er ein Schiffsjunge war. Sein Schiff war in einen schlimmen Sturm geraten, als es gerade auf dem größten Ozean unterwegs war. Der Kapitän und die ganze Mannschaft hatten sich im Bauch des Schiffes verkrochen und warteten auf den Untergang.

Es war weit und breit kein Land zu sehen und der Sturm drehte das Schiff im Kreis, dann hob er es hoch und ließ es auf eine Welle fallen. Die nächste Welle überspülte es, aber bevor es untergehen konnte, hatte der Sturm es wieder angehoben. Der Großvater von Rosabella dachte, der Sturm müsse das Schiff doch noch eine Weile weitertragen können, dann landeten sie vielleicht in einer Bucht.

Er dachte so fest daran, dass er gar nicht überrascht war, als es plötzlich ruhig draußen wurde. Der Kapitän und alle Seeleute schauten nach draußen und tatsächlich, ihr Schiff stand auf einem schönen weißen Sandstrand! Kein Mensch war weit und breit zu sehen, auch kein Haus. Nicht einmal eine Hütte. Ein Seemann kletterte in den Mastkorb, weil er von dort oben weiter schauen konnte.

In weiter Ferne sah er eine Staubwolke, die immer näher auf sie zukam. Er sah noch einmal mit dem Fernglas hin und entdeckte, dass da viele Reiter kamen. Jetzt waren sie zwar dem Sturm entkommen, aber was, wenn die Reiter ihnen nicht wohl gesonnen waren? Sie kamen von Indien, wo sie Gewürze geladen hatten, ob die Reiter die gebrauchen könnten und dann friedlich blieben? Leider war es nicht so.

Es waren tausend Soldaten, die dort angeritten kamen und Gewürze hatten sie selbst.

Sie nahmen alle Seeleute gefangen und transportierten sie zum Hof des Sultans von Mysteristan. Der Sultan wusste nichts mit ihnen anzufangen, darum ließ er sie erst einmal ins Gefängnis sperren. Der Schiffsjunge, Rosabellas Ur-Ur-Großvater, konnte von seiner Zelle durch ein winziges Fenster zwei wunderschöne Palmen sehen. Er sah die Bäume an und dachte: „Ihr müsstet auch so traurig aussehen, wie ich es bin.“

Es dauerte gar nicht lange und die Palmen sahen ganz alt und vertrocknet aus. Der Sultan war erschrocken, dies waren seine Lieblingspalmen, die hatte er als kleiner Junge selbst gepflanzt. Warum sahen sie ausgerechnet jetzt, wo die Fremden da waren, so vertrocknet aus? Ob es da einen Zusammenhang gab? Der Sultan ließ einen weisen Mann rufen und stellte ihm diese Frage. Der weise Mann sagte, wenn die Fremden die Palmen retten könnten, dann solle der Sultan sie ziehen lassen. Mit diesem Rat war der Sultan einverstanden.

Er ließ alle Seeleute rufen. Sie mussten sich vor den Palmen versammeln wo ihnen ein Übersetzer sagte, sie wären frei und man wolle ihnen helfen ihr Schiff wieder flott zu bekommen, wenn sie die Palmen des Sultans retten könnten. Die Männer waren ratlos, sie wussten nichts von den magischen Kräften ihres Schiffsjungen, den sie bisher kaum beachtet hatten.

Dieser trat zu den Palmen, streichelte sie und dachte: „Werdet bitte wieder so wunderschön wie Ihr ward, als ich hier ankam. Ich möchte Euch und uns retten.“

Er ging ein paar Mal um die Bäume, streichelte ihren Stamm und dachte ganz fest daran, wie schön sie ausgesehen hatten. Erst war es Mucksmäuschen still um ihn, aber dann brach ein Jubel aus, dass er erschrak. Der Schiffsjunge schaute hoch und sah, dass die Palmen wieder ihre frischen grünen Zweige in den blauen Himmel reckten. Die Seeleute staunten nicht schlecht über die Fähigkeit ihres Schiffsjungen, sie nannten ihn von da an den „Palmenretter“.

Der Sultan ließ sie reich beschenkt zu ihrem Schiff zurückkehren.

Das machten sie schnell wieder seetüchtig und fuhren so schnell sie konnten in ihre Heimat zurück.

Rosabella Palmenretter und der Spiegel

Die Nachbarn von Rosabella glaubten, dass in ihrem kleinen Haus eine Großmutter mit ihrer Enkelin wohnte.

In ihrer Dachkammer stand ein großer, fast blinder, Spiegel. Wenn Rosabella sich wieder einmal verwandeln wollte, dann stieg sie die Treppe hoch, stellte sich vor diesen Spiegel und sagte ihm was sie vorhatte. Kaum hatte sie ihre Worte ausgesprochen, zeigte der Spiegel sie entsprechend verkleidet. Rosabella brauchte sich dann nur noch anziehen und fertig war sie.

Das heißt, wenn sie sich in ein junges Mädchen oder eine junge Frau verwandeln wollte, dann war das schon anstrengender. Sie hatte nicht immer genügend modische Kleidung und Zubehör da, das musste sie dann erst besorgen.

Aber Rosabella verstand es auch sich unsichtbar zu machen. Wenn sie des Nachts einmal nicht schlafen konnte, dann zog sie Stiefel und einen alten Kapuzenmantel an und schon war sie nicht mehr zu sehen. Sie lief dann zum Rhein hinunter, setzte sich dort auf eine Bank und hörte den Nixen zu. Wenn sie unsichtbar war, dann hörte und sah sie Vieles, dass Menschen nie zu sehen bekamen. In einer schönen, warmen Sommernacht saß sie wieder einmal am Rhein, in der Nähe des Rondellchens, als sie die Nixen flüstern hörte. Im Rondellchen saß ein junges Paar, das dort die schöne, warme Sommernacht genoss. Von den Brückentürmen näherte sich ein Mann, von dem die Nixen flüsterten, der führe nichts Gutes im Schilde, der habe dort schon mal Paare überfallen und ausgeraubt. Rosabella dachte sich: „Wenn ich die Nixen höre, dann können die mich vielleicht auch hören, gemeinsam werden wir mit dem Räuber schon fertig werden.“ Nun war der Räuber aber schon sehr nahe und Rosabella wusste nicht, ob der ihre Stimme nicht auch hören konnte, da wollte sie doch lieber gleich handeln. Er legte sein Rad leise unterhalb des Rondellchens ab und wollte geduckt hochschleichen, da zog Rosabella ihm die Füße weg und er lag auf der Nase. Das junge Paar hatte noch nichts bemerkt.

Der Räuber wartete einen Moment ab, ob die Beiden auch oben blieben, dann wollte er hoch. In diesem Augenblick schubste Rosabella sein Fahrrad in den Rhein. Die jungen Leute schreckten hoch und liefen weg. Der Räuber sprang seinem Rad hinter her. Nun erfassten ihn die Nixen und tauchten ihn ein paar Mal unter Wasser, dann ließen sie ihn laufen. Sein Fahrrad war verschwunden. „Na, mal sehen ob er jetzt genug hat, oder ob er in der nächsten Nacht wieder hier ist. Das werde ich mir ansehen“, dachte Rosabella. Tatsächlich war der Räuber in der nächsten Nacht wieder am Rhein. Er hatte kein Rad mehr, darum schlich er an den Häusern entlang, um zu sehen, ob es dort nicht eins zu stehlen gab. Rosabella lief ihm hinterher. In einer Gasse zog er eine Mülltonne zu einer Mauer und wollte dort drauf steigen um dann über die Mauer zu klettern. Schnell zog Rosabella mit einem Ruck die Mülltonne unter ihm weg, da fiel diese mit Gepolter um und der Räuber lag unter ihr. Das Tor in der Mauer öffnete sich und heraus stürmen zwei Männer mit Besen bewaffnet und droschen auf den Räuber ein, bis die Besen kaputt waren. Rosabella stand starr vor Schreck!

Einer der Männer rief: „Endlich haben wir Dich! Das wird Dir eine Lehre sein, Du stiehlst hier nichts mehr!“

Der Räuber humpelte davon und wurde nicht mehr gesehen. Aber da war Rosabella bereits zurück in ihrem Haus und machte es sich mit einer Tasse Kaffee auf der Bank beim Rosenstock gemütlich.

Rosabella Palmenretter und ihr Haus

Seit unendlich vielen Jahren lebten die Palmenretters in der kleinen Stadt am Rhein. Da wohnten sie immer mittendrin.

Weil sie sich aber seit dem Großvater der Großmutter von Rosabella, durch ihre magischen Kräfte verwandeln konnten, hätten die Menschen gar nicht sagen können, wer Rosabella in Wirklichkeit ist. Sie verwendete ihre Zauberkräfte nicht um Menschen zu schaden. Nur manchmal, wenn ihre Nachbarin wieder einmal den ganzen Tag zeterte, dann ließ sie ihre Stimme heiser werden, bis sie sich beruhigt hatte. Aber das war auch zum Besten der Nachbarin, so beruhigte sie sich schneller.

Auf der anderen Seite ihres Hauses hatte Rosabella Nachbarn, die sich einen kleinen Hund zu gelegt hatten und ihn den ganzen Tag allein ließen. Der kleine Hund jaulte herzzerreißend, vor lauter Angst. Schnell verwandelte sich Rosabella in die Nachbarin und öffnete die Tür, der kleine Hund überschlug sich fast vor Freude, als er sie sah. Dann machten die Beiden einen langen Spaziergang, von dem der Hund so müde wurde, dass er in seinem Körbchen einschlief. Rosabella konnte gerade noch verschwinden, als die Nachbarin von der Arbeit nach Hause kam.

Hinter Rosabellas kleinem Haus war ein noch kleinerer Hof. In diesem Hof hatten nur eine Bank und ein großer Rosenstock Platz. Dieser Rosenstock war schon sehr alt. Er blühte in jedem Jahr wunderschön mit vielen rosa Blüten. Nach ihm benannte sie sich. Rosabella bedeutet: Rosa und schön.

Das kleine Haus hatte unten einen kleinen Flur, eine große Küche und ein kleines Schlafzimmer mit einem Bad. In dem kleinen Flur führte eine schöne, alte Holztreppe nach oben. Dort unter dem Dach gab es eine Abstellkammer in der Rosabella alles aufhob, was ihr wichtig war. Es gab dort alte Bücher und Kleidung, aber auch einen alten Koffer und einen fast blinden Spiegel. Ein weiterer Raum war Rosabellas Gästezimmer mit einem kleinen Bad. Sie lud gern Gäste zu sich ein. Es hatte sich bei jungen Leuten in aller Welt herumgesprochen, dass sie gern Menschen für einige Nächte bei sich wohnen ließ, wenn diese ihr von ihren Reisen erzählten. So hatte Rosabella schon sehr viele Geschichten gehört und auch viel mit den jungen Leuten erlebt.

Eine junge Frau besuchte sie und bat um ein Quartier für eine Nacht. Sie fragte, ob sie rauchen dürfe, was Rosabella verneinte. Ihr kleines altes Haus war innen ganz aus Holz, da würde es schnell brennen, erklärte sie der jungen Frau. Diese versprach nicht zu rauchen und begab sich nach oben. Rosabella lag kaum in ihrem Bett, als der Rauchmelder im Gästezimmer los lärmte. Schnell verwandelte sie sich in eine junge Frau und stürmte mit einem Schaumlöscher die Treppe hoch. Sie sprühte und sprühte, die junge Frau war nun wie gefesselt. Rosabella achtete darauf, dass sie noch genügend Luft bekam, dann sagte sie ihr „Gute Nacht“ und ging zu Bett.

Am anderen Morgen war der Schaum nicht mehr zu sehen. Die junge Frau hatte sich klammheimlich davongeschlichen. Es hatten sich ihr alle Türen von selbst geöffnet. Rosabella sagte: „Häuschen, das hast Du gut gemacht.“

Ein paar Tage vergingen, da erhielt Rosabella einen Anruf von einem jungen Mann, der ihre Adresse und Telefonnummer von einem anderen jungen Mann erhalten hatte, der schon öfter bei Rosabella übernachtete und ihr von sämtlichen Reisen regelmäßig Karten schrieb. Jetzt hatte sie schon länger keine mehr erhalten, darum freute sie sich zu hören, dass es ihm gut ginge und er schon lange nicht mehr verreist war. Die Stimme des jungen Mannes am Telefon gefiel ihr nicht, aber sie beschloss ihn trotzdem zu beherbergen. Eine Stunde hatte sie ja noch Zeit, da konnte sie sich überlegen, was zu tun war. Sie betrat das Gästezimmer, streichelte über das Bett, dann über die Tür und schließlich über ihre schöne alte Holztreppe. In der Küche richtete sie alles so her, dass es zwar sauber, aber ärmlich aussah. Dann betrat sie den kleinen Hof, streichelte über die Bank und redete mit ihrem Rosenstock. Es klingelte, da stand ein schöner junger Mann vor der Tür. Rosabella erkannte ihn gleich an der Stimme. Sie führte ihn zunächst in ihre Küche und bot ihm ein Glas Wasser an. Der junge Mann schaute sich sehr genau um. Rosabella präsentierte sich ihm als altes Mütterchen, das kaum noch die Füße anheben konnte. Da es schon spät war und der junge Mann vorgab müde zu sein, führte Rosabella ihn zur Treppe und sagte: „Hier müssen Sie hochgehen, es ist alles für Sie oben gerichtet. Mir ist es zu mühselig die Treppe noch einmal hoch zu steigen. Sie werden auch ohne mich alles finden was sie benötigen.“Der junge Mann dankte höflich und stieg die Treppe hoch.

Rosabella ging zu Bett. Es dauerte nicht lange, da hörte sie das Bett oben entsetzlich quietschen und die Tür scharren. Bis Rosabella im Flur war, gab es ein Getöse und der junge Mann lag vor ihren Füßen. Er war die Treppe hinuntergefallen. „Ich wollte kein Licht machen und habe mich in der Tür geirrt“, so entschuldigte er sich. „Dann wollen wir hoffen, dass Sie sich nicht noch einmal in der Tür irren, das könnte noch schlimmer ausgehen“, sagte Rosabella mit drohendem Ton. Als der junge Mann wieder oben war, begab sie sich wieder zu Bett.

Rosabella schlief sehr schnell ein und hatte eine ruhige Nacht. Am anderen Morgen betrat sie ihren Hof um ihren Rosenstock zu gießen. Was musste sie da sehen!? Der junge Mann lag in den Rosen und konnte sich nicht befreien. Die Rose hielt ihn fest und hatte ihn überall zerkratzt. Er sah aus, als wären einige Katzen über ihn hergefallen. Weil er nicht noch einmal die Treppe runterfallen wollte, war er aus dem Fenster geklettert. Das Häuschen war nicht sehr hoch und unter dem Fenster war die Hoftür, die zur Küche führte. Der junge Mann sprang und landete in der Rose, eigentlich war es ein Rosenstock, aber mittlerweile war sie zur Hecke geworden, aus der er nicht herauskam. Den größten Teil der Nacht hatte er so verbracht. Erst als Rosabella herantrat, gab die Rose ihn frei. Die Sache war dem jungen Mann nicht geheuer, er rannte so schnell er konnte die Treppe hoch, packte seine Sachen und verschwand. Rosabella erhielt ein paar Tage später eine Karte des jungen Mannes, der schon oft bei ihr gewohnt hatte, er schrieb ihr, seine letzte Karte sei ihm gestohlen worden, bevor er sie einwerfen konnte. Der Kartendieb war jener junge Mann, der einige Tage zuvor in ihrer Rosenhecke übernachtet hatte.

So ein Gauner, aber es war besser er wohnte bei ihr, als bei anderen Menschen, die sich nicht so gut zu wehren verstanden.

Rosabella war wieder einmal sehr stolz auf ihr kleines Haus und versprach ihm: „Menschen deren Stimme mir missfällt müssen nächstens draußen bleiben“.

Rosabella Palmenretter verreist

An einem nasskalten Tag sehnte Rosabella sich nach Sonne. Sie schaute aus dem Fenster, sah den Nieselregen, der die Blätter ihrer kleinen Rosenhecke im Hof glänzen ließ und beschloss zu verreisen.

Schnell stieg sie die Treppe zu ihrer Dachkammer empor, öffnete den alten Koffer, der dort in einer Ecke stand und entnahm ihm ein Album mit Postkarten aus aller Welt. Diese Karten hatten ihr junge Leute geschickt, die sie immer wieder mal in ihrem kleinen Haus beherbergte. Sie schlug das Album auf und ihr Blick fiel auf eine Ansicht eines prächtigen Palastes der sich in einem See spiegelte. Da wollte sie hin!

Sie trat vor ihren Spiegel und sagte: „Ich möchte nach Indien reisen und diesen schönen Palast sehen.“ Prompt zeigte der Spiegel sie in einem schönen Sari, der Kleidung indischer Frauen. Rosabella hatte sehr viel Mühe beim Anlegen des Saris, aber schließlich hatte sie es geschafft und stand neben einer Palme im Innenhof des Palastes. Eine Frau, die ebenfalls einen Sari und sehr viel Schmuck trug, nahm sie bei der Hand und führte sie durch den Palast. Er war so prächtig anzusehen mit dem vielen Gold und den Edelsteinen, die die Wände und Sitzgruppen zierten, dass sie ganz erschöpft war, als sie endlich in ihrem Gästezimmer ankam. Dort wartete bereits ein Bad auf sie, das nach Blüten duftete. Nach dem Baden wurde sie von der Frau in einen frischen Sari gekleidet und in einen Speisesaal geleitet. Es roch nach Speisen und Gewürzen, wie Rosabella sie bisher noch nicht kannte. Sie probierte von allen Speisen nur ein klein wenig und war bald so satt, dass sie es genoss, von der Frau zu einem Boot begleitet zu werden. Es dämmerte bereits, als Rosabella das Boot bestieg. Der Mond stand als großer Ball am Himmel und rings um den See leuchteten Fackeln. War das eine schöne Bootsfahrt in dieser warmen Sommernacht!

Am nächsten Tag musste Rosabella einen Elefanten besteigen. Das war gar nicht so einfach, der Elefant legte sich zwar hin, aber trotzdem benötigte sie eine Leiter. Auf dem Elefanten saß sie in einem weichen Sessel mit einem Baldachin darüber. Dann ging es los in den indischen Wald, der dort Dschungel heißt. In ihrem weichen Sessel schaukelte Rosabella sanft hin her, das machte sie ein wenig schläfrig. Mitten im Dschungel war ein kleiner Teich, dort machten sie halt. Der Elefant tauchte den Rüssel ins Wasser und trank. Gegenüber tauchte ein riesiger Tiger auf. Der Elefant prustete und trompetete sehr laut, da erschrak der Tiger und verschwand so schnell wie er gekommen war. Einige Hirsche, die in ihrer Nähe tranken, erschraken zwar auch, aber sie hatten keine Angst vor dem Elefanten, der ja ihren schlimmsten Feind mit seinem Lärm vertrieben hatte. Auch dieser Tag war schnell vorbei. Rosabella bedauerte, dass sie ihrem Spiegel nicht gesagt hatte, sie wolle auch die Sprache der Menschen verstehen, so blieb es immer bei Gesten und Zeichensprache. Aber auch so hatte sie viel erlebt und manches Neue gesehen. Am Abend dieses Tages zogen dicke dunkle Wolken auf. Rosabella verstand, dass nun die Regenzeit über das Land zog. „Regen hatte ich zu Hause auch, da möchte ich doch lieber wieder zurück in mein gemütliches Häuschen“, dachte sie. Ein paar Minuten später saß sie wieder in ihrer Dachkammer. Schnell legte sie den Sari ab und schlüpfte in ein warmes, langes Wollkleid. Dann lief sie die Treppe hinab und schaute im Hof nach Ihren Rosen. Eine schöne Herbstsonne schien in ihren Hof und ihre Rosenhecke drehte ihre Blüten zu ihr hin, als wollte sie sagen: „Schau mal wie schön es hier ist.“

„Ach“, sagte Rosabella zu ihrer Rose: „Es war sehr interessant in Indien, aber am Schönsten ist es doch zu Hause“.

Rosabella Palmenretter und Florentine

Rosabella öffnete ihren Briefkasten und entnahm ihm einen Brief. Sie öffnete ihn und schaute sich einige Fotos an, die diesem Brief beigefügt waren. Die Absenderin des Briefes wohnte vor ein paar Jahren für mehrere Wochen bei ihr. Es war eine nette junge Frau. Als sie wieder abreiste, empfand Rosabella ihr Haus zum ersten Mal als zu still. Nun freute sie sich zu lesen, dass es der jungen Frau gut ging und sie eine nette Freundin hatte, die auf den Fotos zu sehen war. In dem Brief bat die Schreiberin Rosabella, Florentine, so hieß die Freundin, für einige Zeit zu beherbergen. Das wollte Rosabella gern. Sie setzte sich an ihren Schreibtisch und beantwortete den Brief.

Eine Woche später, an einem nasskalten Tag, klingelte es an ihrer Tür. Sie öffnete und sah Florentine. In diesem Augenblick brach die Sonne durch die Wolken und tauchte Florentine in goldenes Licht. Sie begrüßte Rosabella mit einer so angenehmen Stimme, dass es Rosabella vorkam, als sei es viel wärmer. Ihr Häuschen, von dem sie vorher dachte, es müsse einmal neu gestrichen werden, erstrahlte. Bei jedem Schritt, den Florentine im Häuschen tat, glänzte es mehr. Rosabella war wie verzaubert, dass hatte sie ja noch nie erlebt! Es gab viele junge Leute, die sie im Laufe der Zeit beherbergt hatte und die meisten waren nett, aber eine Person wie Florentine war noch nicht dabei. Sie zeigte ihr auch ihren kleinen Hof mit dem Rosenstock. Selbst der stand plötzlich in voller Blüte, obwohl es für ihn noch viel zu früh im Jahr war. Florentine war begeistert von Rosabellas Häuschen und dem Rosenstock. Sie streichelte ganz sanft über die Blätter und schnupperte an den Blüten. „Liebevoll“, mit diesem Wort war Florentine am besten zu beschreiben. Aber was führte dieses besondere Menschenkind zu Rosabella?

Florentine war als Waisenkind bei einem Onkel aufgewachsen, der sie unbedingt vor ihrer Volljährigkeit in zwei Monaten mit einem Mann verheiraten wollte, den Florentine nicht einmal kannte. Er wäre sehr reich, da habe Florentine für ihr Leben ausgesorgt, so sagte der Onkel und er meinte es gut mit ihr. „Gut meinen ist nicht immer gut“, sagte Rosabella, als Florentine ihr davon erzählte. Ihre Freundin Lisa, die Briefschreiberin, hatte die Idee, dass Florentine sich bis zu ihrer Volljährigkeit bei Rosabella verstecken könnte. Der Onkel mache sich doch bestimmt Sorgen, meinte Rosabella.

Florentine wollte ihm keine Sorgen bereiten, darum hatte sie ihm einen Brief hinterlassen, in dem sie schrieb, warum sie verreist war, aber nicht wohin. Ihr Mobiltelefon ließ sie zu Hause, damit er sie nicht finden sollte. „Du kannst gern bei mir wohnen“, sagte Rosabella.

Zur Schule ging Florentine nicht mehr, sie nahm ihr Abschlusszeugnis aus dem Koffer und zeigte es Rosabella. Einen Beruf hatte sie noch nicht erlernt. Es zeigte sich aber, dass sie sehr gut kochen, backen und malen konnte. An einem Tag saß sie am Fenster und malte den Hof mit dem Rosenstock. Als sie das fertige Bild Rosabella schenkte, da wusste diese, welchen Beruf Florentine ergreifen sollte.

Rosabella kannte einen alten Meister, der auch Schüler aufnahm. Sie stellte Florentine dem Meister Ocker, so hieß der Maler, vor. Als er Florentines Rosenbild sah, überlegte er nicht lange, gab Florentine die Hand und sagte: „Willkommen, neue Schülerin“.

Florentine strahlte und Rosabella fiel ein Stein vom Herzen. Sie wusste das junge Mädchen in den richtigen Händen. So verbrachte Florentine ihre Tage bis zu ihrer Volljährigkeit im Atelier des Meisters Ocker.

Zu ihrer Geburtstagfeier lud Rosabella Lisa, den Onkel von Florentine und den Meister ein. Der Onkel war noch ein wenig verärgert und wollte erst nicht anreisen. Lisa, Florentines Freundin konnte ihn überreden, weil sie ihm von Rosabella und ihrem ungewöhnlichen Haus erzählte. Nun war er neugierig und wollte diese seltsame Person und ihr Haus kennen lernen. Als sie am Häuschen ankamen, fühlte sich der Onkel, ein alter, kranker Herr sehr erschöpft. Kaum hatte er das Häuschen betreten und Rosabella begrüßt, war ihm, als würde ihm ein warmer, aber sehr leichter Mantel um die Schultern gelegt. Augenblicklich fühlte er keine Erschöpfung und auch keine Schmerzen mehr. Es war ein schöner warmer Sommertag und Rosabella öffnete die Tür zu ihrem kleinen Hof. Dort auf der Bank neben dem voll erblühten und wunderbar duftenden Rosenstock, saß Florentine. Sie sprang auf, als sie ihren Onkel erblickte um ihn zu begrüßen. Der Onkel nahm sie in den Arm und freute sich, dass er Florentine wiedersah. Er war ihr nicht mehr böse und er konnte gut verstehen, dass sie sich in Rosabellas Häuschen so wohl fühlte, ihm ging es ja genauso.

Es klingelte wieder an der Tür, Rosabella öffnete und der alte Meister Ocker erschien mit einigen Bildern, die seine Schülerin Florentine gemalt hatte. Er packte die Bilder aus und fand die richtigen Plätze im Haus, damit man sie gut betrachten konnte. Als der Onkel die Werke seiner Nichte sah, war er begeistert. Florentine bat ihn sich ein Bild auszusuchen, dass sie ihm schenken wolle.

Es dauerte eine Weile, bis der Onkel sich für ein Bild entschied, es zeigte den Hof mit der Bank und dem Rosenstock.

Die Geburtstagsfeier und der Besuch des Onkels gingen viel zu schnell vorbei.

Florentine lernte weiter beim alten Meister Ocker und lebte mit Rosabella im alten Häuschen.

Lisa reiste mit dem Onkel in deren Heimat zurück.

Wenn der Onkel Florentines Bild vom Hof mit dem Rosenstock ansah, dann fühlte er sich wieder so wohl, wie bei seinem Besuch in Rosabellas Häuschen.

Rosabella Palmenretter und die Puppen

Florentine beendete ihre Lehrzeit bei Meister Ocker und reiste zu ihrem alten, kranken Onkel zurück. Einige Wochen später erhielt Rosabella eine Verlobungsanzeige von Florentine, die ihr schrieb, dass sie sehr glücklich sei und mit ihrem zukünftigen Mann auf einer Insel im Mittelmeer leben wolle. Rosabella sei herzlich eingeladen, sie dort zu besuchen. Nun wusste Rosabella, dass Florentine nicht in ihr Häuschen zurückkehren würde. Sie schrieb ihr gleich einen langen Brief und teilte ihr mit, dass sie sich sehr für sie freue und wenn sie erst verheiratet sei, dann wolle sie das junge Paar gern einmal auf ihrer Insel besuchen. Aber noch war es ja nicht so weit und Rosabella fühlte sich ein wenig einsam in ihrem Häuschen. Es war eine schöne Zeit, die sie mit Florentine verbracht hatte. Nun konnte sie nicht irgendeine junge Frau aufnehmen, die kein Verständnis für die Magie des Häuschens und die Verwandlungskünste von Rosabella gehabt hätte. Aber sie könnte es ja mal mit einer Puppe versuchen.

Auf einer ihrer Reisen lernte Rosabella eine Puppenmacherin kennen, die Puppen in allen Größen herstellen konnte, die so echt wie Menschen wirkten. Diese Künstlerin besuchte sie jetzt in ihrer Werkstatt. Das Anwesen der Puppenmacherin lag abseits von jeder Siedlung. Es gab ein großes Haus mit vielen Räumen und einen Anbau zu dem auch eine Halle gehörte.

Madame Marona, so hieß die Puppenmacherin, empfing Rosabella an ihrer Haustür. Sie führte sie ins Haus und zeigte ihr die neuesten Puppen. Ein Puppenpaar, Paul und Pauline gefielen Rosabella besonders gut. Sie bewunderte Madame Marona, dass sie bei ihrer vielen Arbeit mit den Puppen in einem so gepflegten Anwesen lebte. „Ihnen, liebe Rosabella werde ich mein Geheimnis verraten“, sagte die Künstlerin. Sie ging mit ihr durch den Garten, dort sah Rosabella einen Gärtner arbeiten. Als sie bei der Halle ankamen, öffnete Madame die Tür und ließ Rosabella eintreten. Sie schaute sich irritiert um, überall saßen Menschen auf Bänken und ruhten sich aus. Sie gingen durch die Halle zur nächsten Tür, dort verbarg sich eine Werkstatt. Ein Mann in weißem Kittel arbeitete an einer Figur. Rosabella begriff langsam, dass die Leute, die sie in der Halle sah, keine Menschen waren, sondern Puppen, denen Madame Marona oder der Mechaniker Leben eingehaucht hatten. Rosabella besaß selbst magische Kräfte, aber wie man diese Puppen zu Menschen ähnlichen Wesen machte, das verstand sie noch nicht.

Sie beendeten den Rundgang und Madame lud Rosabella zum Essen ein. Das Esszimmer war ein schöner Raum mit weißen Möbeln und einem großen Tisch. Die beiden Damen nahmen Platz und sofort erschienen zwei Mädchen und brachten die köstlichsten Speisen. Beim Essen erzählte Madame Marona wie sie es schaffte ihre erste menschliche Puppe herzustellen. Sie hatte ganz lange experimentiert. Dann gelang es ihr einen winzigen Computer zu bauen, den sie in die Brust ihrer Puppe einbaute. Sie schaffte es, ihn so zu programmieren, dass die Puppe ihr helfen konnte. Für feine Arbeiten war sie aber noch viel zu ungeschickt. Aber bald hatte sie eine Puppe geschaffen, das war der Mechaniker, den Rosabella gesehen hatte, der nun die anderen Puppen erschuf. Er war ein genialer Puppenbauer und Programmierer. Seine Geschöpfe wurden immer menschenähnlicher. Die neuesten, ihre Wächter, eine Köchin und die Stubenmädchen, konnten auch sprechen. Sie befahl ihnen was zu tun war und das führten sie immer zu ihrer Zufriedenheit aus. Nun wollte Rosabella wissen, warum sie denn Wächter brauche. Da erzählte Madame von einer Räuberbande, die ihr Haus ausspionierte, sie hatte sie schon mit allen möglichen Tricks versucht los zu werden, aber die Kerle kamen immer wieder und versuchten in ihr Haus zu gelangen. Da beauftragte sie ihren Puppenbauer Wachpersonal zu erschaffen. Nun hatte sie sechs Wächter, die auch als Gärtner und Hausmeister arbeiteten und aufpassten. „Wenn sie nachts schlafen, wer wacht dann?“ fragte Rosabella. „Sie brauchen nicht zu schlafen auch nicht zu essen oder trinken. Sie müssen nur alle vier Stunden ein wenig ruhen, damit laden sie ihr Batterien neu auf. Wenn drei eine Stunde auf der Bank sitzen und ruhen, passen die drei Andern auf. Sie haben so gute Laserwaffen, da kommt kein Räuber gegen an. Rosabella wurde es mulmig, bei der Vorstellung mit Puppen zusammenzuleben, die reden und handeln konnten wie ein Mensch, aber keine Gefühle besaßen. Wenn sie sich nun noch vorstellte, dass der Schöpfer selbst eine Puppe war und immer perfektere Geschöpfe kreierte, dann war ihr diese Vorstellung nicht geheuer. Wozu wurde Madame Marona dann noch gebraucht. Sie äußerte ihre Zweifel, aber Madame lachte und sagte: „Nein, nein, die Geschöpfe des Meisters sind mir gegenüber absolut loyal. Sie tun alles was ich will.“ Rosabella wünschte ihr, dass es so bliebe, aber Puppen wollte sie nun nicht mehr kaufen, was ihr Madame nicht übelnahm, denn sie hatte den Besuch genossen.

Zwei Wochen nach ihrem Besuch bei der Puppenmacherin las Rosabella in ihren Magier Nachrichten, dass die so begabte und verehrte Madame Marona bei einem Unfall ums Leben gekommen war. Die Bremsen ihres Autos hatten versagt. Als Rosabella diese Nachricht las, war sie sehr traurig, aber auch erleichtert, dass sie keins dieser Geschöpfe in ihrem Häuschen hatte. Sie wollte zu gern wissen, was denn nun aus dem Anwesen und den Puppen wurde? Mit dem Tod von Madame war die Kunst des Meisters zu Ende, er zerstörte sich und seine Geschöpfe. Sie waren nur noch Puppen, die stumm herumsaßen oder standen. Rosabella war sehr erleichtert, als sie diese Kunde vernahm. Eine Puppe konnte doch keinen Menschen ersetzen, auch wenn sie noch so schön anzuschauen war. So beschloss Rosabella wieder Studenten zu beherbergen.

Ricomagus

„Hier ist der Verkehrsfunk von SWR 3, wir haben eine aktuelle Meldung: Auf der A61 ist vor der Abfahrt Bad Neuenahr-Ahrweiler ein 10 Kilometer Stau, die Abfahrt ist gesperrt.“

Pauline hörte diese Meldung im Autoradio, als sie mit ihren Eltern auf der Rückfahrt vom Holland Urlaub war. Die nächste Abfahrt war am Autobahnkreuz Meckenheim. Ihre Eltern beschlossen die Autobahn dort zu verlassen, in Richtung Bonn und dann eben über die B 9 bis zu ihrem Haus in Mainz zu fahren. Es war ein schöner Tag und gerade einmal Mittag.

Sie unterhielten sich angeregt, wo sie denn mal Pause machen und zu Mittag essen könnten. Plötzlich befanden sie sich auf einer schmalen Straße in einem Waldgebiet. Es war Paulines Vater klar, dass er sich verfahren hatte. Da es aber abwärtsging, war man sicher Richtung Rhein unterwegs. Hinter dem Wald, nach ein paar Kurven standen die 1. Häuser und Kirchturmspitzen tauchten auf, die sie an den Kölner Dom erinnerten. Sie fuhren zu dieser Kirche, parkten und sahen sich die Kirche und ihre Umgebung erst einmal von außen an.

Paulines Mutter hatte über ihr Smartphon gerade ein paar Informationen über die Kirche und die Stadt, zu der sie gehörte, abgerufen, als plötzlich ein etwas seltsam gekleideter älterer Herr neben ihnen stand.

„Sie sollten sich auch einmal das Innere der Kirche ansehen“, riet er ihnen, „es lohnt sich“.

Pauline betrat mit ihren Eltern die Apollinariskirche, so hieß dieses Gotteshaus oberhalb der Stadt Remagen gelegen, wie ihre Mutter vorgelesen hatte. Es gab sehr viel in dieser Kirche zu sehen und die Eltern beschlossen, dass sie unbedingt noch einmal wiederkommen würden.

Nun aber war es Mittag und sie wollten zum Rhein runter, da wäre bestimmt ein Lokal zu finden, in dem sie essen konnten. Sie fuhren die Bergstraße abwärts und rechts auf die B 9 auf. Sie sahen den Bahnhof und die schönen alten Häuser an der Drususstraße, dann fuhren sie links in den Tunnel, sie hatten gerade noch das Krankenhaus rechts gesehen, als sie auch schon aus dem Tunnel Richtung Innenstadt unterwegs waren.

In der Marktstraße angekommen, parkten sie ihr Auto und gingen zu Fuß weiter. Sie schauten sich gerade die evangelische Friedenskirche an, als plötzlich der seltsame Herr, den sie schon an der Apollinariskirche gesehen hatten, wieder neben ihnen stand.

Er sagte: „Sehen sie, diese Wohnsiedlung geradeaus, nennen die Remagener „Chinatown,“ vorher stand dort das Annakloster und zu meiner Zeit befand sich dort mein Haus.

Aber verzeihen Sie, ich habe mich Ihnen noch gar nicht vorgestellt. Mein Name ist Ricomagus, ich habe als römischer Bürger vor 2000 Jahren hier gewohnt. Etwa alle hundert Jahre schaue ich mich wieder hier um und sehe, was sich alles inzwischen verändert hat. Wenn es Ihnen recht ist, werde ich Sie eine Weile begleiten.“ Pauline und ihren Eltern war das sehr recht, man lernt nicht alle Tage einen so alten Römer kennen!

Ricomagus kannte sich sehr gut aus in Remagen. Er führte Pauline und ihre Eltern durch die Frongasse zum Rhein. Dort wies er nach rechts, sie konnte schwarze Türme auf der Remagener und der Erpeler Seite sehen. „Das sind die Reste der ehemaligen Brücke von Remagen, sie hat Kriegsgeschichte geschrieben und in den Remagener Türmen ist heute ein Friedensmuseum, auch das sollten sie sich ansehen. Der Ort auf der anderen Rheinseite heißt Erpel und der Berg ist dazu gehörige Ley. Von da oben haben sie einen wunderbaren Blick über die goldene Meile, die sich von Remagen über Sinzig bis Bad Breisig erstreckt.

Es ist sehr fruchtbarer Boden, darum „goldene Meile“. Aber nun führe ich Sie zunächst zum Caracciola-Platz, er ist Teil der Promenade, da werden Sie ein passendes Restaurant finden.“

Sie gingen am Rhein entlang und sahen die Büste eines alten Herrn, von einem Rennfahrer Rudolf Caracciola hatten Paulines Eltern schon gehört, aber dieser alte Herr war der Großvater, der Gründer des Hotel- und Gaststättenverbandes. Als sie mit Rigomagus über diesen Herrn reden wollten, stellten sie fest, dass er verschwunden war.

Pauline wollte unbedingt Pizza essen, so kehrten sie erst einmal in dem italienischen Restaurant ein. Sie mochten sich nach dem Essen noch nicht von der Promenade trennen, darum gönnten sie sich noch ein Eis im angrenzenden Eissalon.

Paulines Mutter hatte sich über ihr Smartphon weiter informiert. So gingen sie anschließend den Deichweg hoch, sahen eine schöne, weiße Villa und eine imposante Kirche, die Pfarrkirche. Sie schauten Richtung Kirche, da stand Ricomagus wieder neben ihnen.

Er erklärte Pauline und ihren Eltern, dass die Kirche auf dem Gelände des ehemaligen römischen Kastells erbaut sei und sie dort noch ein paar Mauerreste sehen könnten.

Er empfahl ihnen auch das romanische Portal vor dem Eingang der Kirche und das kleine römische Museum in der Kirchstraße. Sie sahen sich alles an, dann brauchten sie wieder eine Pause und eine Erfrischung. Sie gingen an der Kulturwerkstatt und einigen Galerien vorbei zum Marktplatz. Dort konnten sie das schöne, rosa Rathaus mit dem Marienbrunnen davor sehen. Es gab in diesem Bereich eine Menge Außengastronomie, denn das Wetter war schön.

So konnten sie sich erst gar nicht entscheiden, wo sie denn nun Platz nehmen sollten. Ricomagus empfahl ihnen, erst noch kurz bei der Tourist Information reinzuschauen, dort bekämen sie jede Menge Information, schriftlicher und mündlicher Art. Sie folgten seinem Rat und bepackt mit Broschüren ließen sie sich auf dem Marktplatz nieder. Ricomagus war inzwischen wieder verschwunden. Nach einer Weile beschlossen sie durch die Fußgängerzone zurück zu ihrem Auto zu gehen, um die Heimreise fort zu setzten.

Am Ende der Fußgängerzone stand Ricomagus. Er wies mit der Hand Richtung Süden und sagte: “Dort ist die Alte Straße, die sind wir Römer schon vor 2000 Jahren gegangen. Wenn man weiter geradeaus geht, kommt man nach Kripp, dem südlichen Remagener Stadtteil.“

Pauline zählte auf: „Unkelbach mit dem Calmuthtal, Oberwinter, Rolandseck und Rolandswerth mit der Insel Nonnenwerth im Norden gehören auch zu Remagen. Im Westen auf den Ausläufern der Eifelhöhen liegt Oedingen, der einzige westlich gelegene Ortsteil.“

Das alles hatte sie inzwischen gelesen.

Ricomagus antwortete ihr: “Jeder Ortsteil hat seinen eigenen Reiz und ist Wert, dass man ihn mal besucht, aber am Wichtigsten sind doch die Menschen, die hier leben. Ihr solltet mal zu den Festen kommen und Remagener kennenlernen.“ Er verneigte sich leicht und verschwand so plötzlich wie er gekommen war. Pauline stieg mit ihren Eltern ins Auto, als sie losfuhren sah Pauline sich noch einmal um, da sah sie Ricomagus zum Abschied winken!

Die Waldfee Hulda

Hulda liebte jede Jahreszeit in ihrem Wald. Den Frühling, wenn das erste zarte Grün an den Bäumen zu sehen war und auf dem Waldboden Buschwindröschen blühten und die Vögel mit dem Nestbau begannen. Oder den Sommer, wenn sie am Waldrand, an sehr heißen Tagen, über den Feldern ein flirrendes Licht sehen konnte. Den Herbst liebte sie wegen der Farben, die die Bäume ganz anders aussehen ließen, als in den Jahreszeiten zuvor. Es war ihr, als wollten die Bäume noch einmal eine verschwenderische Farbenpracht zeigen, bevor sie ihr Laub abwarfen und ihre Zweige kahl in den Winterhimmel reckten.

Der Winter war eine harte Zeit für die meisten Waldbewohner, ganz besonders, wenn er sehr kalt und schneereich war. Hulda war eine kleine Waldfee, ihr machten Kälte und Hitze nichts aus. Sie brauchte auch nicht essen und trinken, wie die Menschen und Tiere. Ihre Aufgabe war es, sich um das Wohlergehen der Bäume in ihrem Wald zu kümmern. Aber da sie eine gute Fee war, kümmerte sie sich auch um die Tiere und manchmal auch um die Menschen.

Am Rand ihres Waldes, bevor die Felder begannen, war ein Wanderweg, man konnte ihm durch den Wald zum nächsten Ort folgen, oder durch die Felder zu einem der Aussiedlerhöfe gelangen. Im Wald selbst hatte es mal ein Restaurant gegeben, das wie eine Burg gebaut war. Mittlerweile war das schöne Haus eine Ruine, durch die der Wind pfiff und viele Tiere ein zu Hause hatten. Im Turm lebten Fledermäuse und Eulen, in der Mitte und am Boden Käfer und Spinnen. Auch Mäuse kamen gern einmal zu Besuch und versteckten sich vor den Füchsen, die ihnen auflauerten. Ab und zu tauchte mal ein Mensch auf um das Gemäuer zu fotografieren und damit den fortschreitenden Verfall zu dokumentieren.

Hulda hatte die Waldburg zu ihrem zu Hause auserkoren. Dass sie es mit vielem Getier teilte, war ihr nur recht. Sie hätte ja nicht alleine leben wollen und für Menschen konnte sie nicht immer sichtbar sein, das dürfen Feen nicht. Es war mittlerweile ein magischer Ort.

Der achtjährige Max wohnte nicht sehr weit von der Waldburg entfernt. Wenn im Winter kein Laub mehr vorhanden war, dann konnte er die Spitze des Turmes sehen. Er wäre sehr gern einmal zur Waldburg gegangen, aber seine Eltern hatten es ihm verboten. Sie sagten es sei viel zu gefährlich, herabstürzende Teile könnten ihn verletzten oder sogar töten. Eines Nachmittags war Max allein zu Hause, da lief er schnell los, er wollte die Waldburg doch nur mal ganz kurz von nahe sehen und wäre bestimmt wieder im Haus, wenn seine Eltern zurückkämen. Er lief zu dem Weg, der zur Waldburg führen sollte, aber der war schon sehr zugewachsen, da sah er eine Wiese, über die er bestimmt bessergehen könnte. Aber der Weg über die Wiese führte nicht zur Waldburg. Als er sich nach ihr umsah, stellte er fest, dass er den Turm viel weiter entfernt sah, als zu Beginn Weges. Er wollte zurücklaufen, fand aber den Weg nicht mehr und langsam wurde es im Wald dämmrig. Max war ganz verzweifelt und den Tränen nahe, da sah er plötzlich zwischen zwei Ästen ein paar kleine, goldene Sternchen blitzen und hörte eine Stimme, die ihm sagte, er brauche keine Angst zu haben, sie würde ihm aus dem Wald heraushelfen. Da sah Max noch einmal genauer hin und entdeckte ein winziges Mädchen, dessen Kleidung aus grünen Blättern bestand. Sie hatte einen Stab in der Hand mit dem sie die Sternchen herbei zauberte. „Ich heiße Hulda und bin eine Waldfee“, so sagte sie zu ihm. „Ich heiße Max und wollte nur mal die Waldburg von nahem sehen“, so antwortete er ihr. „Aber jetzt habe ich mich verlaufen, bin müde und mir ist kalt“. Hulda hob ihren Zauberstab und ließ goldene Sternchen auf Max runterregnen, da wurde ihm ganz warm und plötzlich konnte er die Waldburg sehen. Sie war zugewachsen und für Max nur an dem Turm erkennbar. Hulda nahm Max bei der Hand und zeigte ihm wo sie wohnte. Da Hulda sehr klein war, war auch ihre Wohnung wie ein Puppenhaus. Ihre Gardinen waren feine Spinnweben und ihr Teppich aus grünem Moos. Max kam sich wie ein Riese in dieser Umgebung vor. Alles in dieser Wohnung war aus dem Wald, die Schüsseln und Becher waren aus verschiedenen Nussschalen, die Tischdecke bestand aus Efeublättern und es gab Hocker aus Kastanien. Hulda meinte nun, Max habe genug gesehen und er müsse nach Hause, es sei schon ganz dunkel und seine Eltern würden ihn bestimmt schon suchen. Da bekam Max einen gewaltigen Schreck, er hatte die Zeit vergessen, er wollte doch nicht, dass sich seine Eltern um ihn sorgten. Hulda hatte Mitleid mit ihm. Sie hob ihren Zauberstab und schwupp, lag Max schlafend in seinem Bett. Seine Eltern hatten sich verspätet, sie schauten in das Kinderzimmer und waren sehr erleichtert ihren Sohn dort schlafend vor zu finden, es war noch sehr früher Abend.

Als sie aber das Lächeln auf seinem Gesicht sahen, wussten sie, dass es ihm gut ging.

Die Mutter schloss das Fenster, das noch offen gestanden hatte und wunderte sich noch ein wenig über den Goldstaub, der auf der Fensterbank lag.

Die Nixe Rhena

Unterhalb der Erpeler Ley gibt es eine tiefe Stelle im Rhein und dort wohnte die Nixe Rhena. Sie lebte schon seit ewigen Zeiten dort. Hatte Kelten, Römer, Germanen und viele durchziehende Heere am Rhein gesehen. In Kriegszeiten zog sie sich ganz weit zurück in die Schweizer Berge, dort wo die Quellen des Rheins sind.

Nun aber gab es ein vereintes Europa, die Rheinanlieger Staaten trieben emsigen Handel miteinander, der zu starkem Schiffsverkehr auf dem Rhein führte. Rhena setzte sich gern auf die Wiese unterhalb des Rondellchens, auf der Remagener Seite, schaute den Schiffen zu und den jungen Paaren die sich im Rondellchen trafen. Sie achtete sehr auf die Personenfähre nach Erpel, die „Nixe“, damit sie sicher auf die jeweils andere Seite übersetzen konnte. War der Verkehr zu dicht, hielt sie die „Nixe“ zurück und verursachten die Schiffe zu starke Wellen, so glättete sie diese. Dabei zeigte sie sich den Menschen nie. Ihre Schwestern und sie hatten von einer Nixe gehört, die sich in einen jungen Mann verliebt hatte und ihn heiraten wollte, da konnte sie natürlich keine Nixe mehr sein, was sie auf die Dauer sehr unglücklich machte. Rhena und ihre Schwestern wollten dies auf keinen Fall. Wenn der Vollmond hoch am Himmel stand und das Wasser im Rhein silbern schimmerte, die Gaststätten geschlossen waren und die Remagener schliefen,dann bummelten Rhena und ihre Schwestern am liebsten durch Remagen. Hätten Menschen sie sehen können, dann wären sie ihnen wie normale junge Frauen erschienen.

So bummelten sie des Nachts den Deichweg hoch, durch die Milchgasse und Kirchstraße zurück zur Neipengasse. Die Treppe an der Neipengasse liebten die Nixen, wann hätten sie auch sonst Gelegenheit eine Treppe zu gehen? Der Efeu an der Mauer neben der Treppe, erinnerte sie an das Märchen vom Dornröschen, das sie einmal gehört hatten. Nun dürfen Nixen sich nicht zu weit vom Wasser entfernen, darum gingen sie nie weiter als bis zur Bahn, dann die Drusus- und Geschwister - Schollstraße entlang, durch die Jahnallee, Karmeliter- und Alte Goethestraße zu den Brückentürmen. Da waren sie froh, wenn sie an der Rampe wieder ins Wasser steigen konnten, denn so lange mögen Nixen nicht auf dem Trockenen sein. Wenn sie dann im Rhein schwammen schauten sie zu den großen, dunklen Türmen empor und erinnerten sich an die Zeit, als es dort nur Gärten und Felder gab.