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Action und Abenteuer im antiken Rom. Für Jungen und Mädchen ab 10 Jahren
Ein spannendes Kinderbuch von Bestsellerautor Simon Scarrow entführt junge Leserinnen und Leser in die Römerzeit.
Spannend, actiongeladen und lehrreich: „Marcus Gladiator“ ist die perfekte Buchreihe für alle, die sich für die römische Antike und mitreißende Geschichten begeistern.
Zum Buch:
Rom, 61 v. Chr. Der junge Marcus wird nach einem brutalen Überfall auf seine Familie versklavt und in eine Gladiatorenschule verschleppt, wo er zum Elitekämpfer ausgebildet werden soll. Aber Marcus kann seine Vergangenheit nicht vergessen: den Mord an seinem Vater und die Entführung seiner Mutter. Marcus weiß, dass es nur eine Möglichkeit gibt, um Rache zu nehmen: Er muss den mächtigen General Pompeius finden und ihn um Hilfe bitten – den Mann, der tief in der Schuld seines Vaters steht. Doch Marcus’ Herkunft ist von einem dunklen Geheimnis überschattet - einem Geheimnis, das so gefährlich ist, dass seine Aufdeckung den sicheren Tod bedeuten würde …
Alle Bände der Reihe:
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Simon Scarrow
Simon Scarrow
Aus dem Englischen von Ulrike Seeberger
Für Rosemary Sutcliffe, die in so vielen von uns die Liebe zur Geschichte geweckt hat
Auszug aus der vollständigen eBook-Ausgabe
bloomoon, München 2012
Text copyright © Simon Scarrow, 2011
Titel der Originalausgabe: Gladiator. Fight for Freedom
First published in Great Britain in the English language by Penguin Books Ltd.
© 2012 bloomoon, ein Imprint der arsEdition GmbH, München
Alle Rechte vorbehalten
Text: Simon Scarrow
Übersetzung: Ulrike Seeberger
Coverillustration: Helge Vogt
Umsetzung eBook: Zeilenwert GmbH
www.bloomoon-verlag.de
Alle Rechte vorbehalten. Unbefugte Nutzungen, wie etwa Vervielfältigung, Verbreitung, Speicherung oder Übertragung können zivil- oder strafrechtlich verfolgt werden.
Cover
Prolog
Kapitel 1
Zenturio Titus Cornelius Pollenius wischte sich den Schweiß von der Stirn, während er die Augen über das Schlachtfeld schweifen ließ, das sich rings um ihn erstreckte. Der Hang war mit Leichen übersät. An den Stellen, wo der Kampf besonders erbittert getobt hatte, lagen sie zu Haufen zusammen. Seine Männer suchten nach verwundeten Kameraden oder rafften die geringe Beute zusammen, die sie bei den gefallenen Feinden finden konnten. Hier und da schrien mitten in diesem Blutbad Verwundete und wanden sich in Schmerzen. Unter den Leichen waren auch römische Legionäre in ihren roten Tuniken und blutgetränkten Kettenpanzern. Titus schätzte, dass in dieser Schlacht Tausende seiner Kameraden umgekommen waren. Und trotzdem waren die Verluste der Römer nichts im Vergleich zu der Zahl der gefallenen Feinde.
Titus schüttelte den Kopf, während er an die Männer und Frauen dachte, die ihnen vor Kurzem in der Schlacht entgegengetreten waren. Viele waren nur mit Messern und Ackergerät bewaffnet gewesen, die meisten trugen keinen Schutzpanzer, hatten nicht einmal einen Schild. Und doch hatten sie sich Titus und seinen Kameraden entgegengeworfen, mit wütenden Schreien und weit aufgerissenen Augen, in denen der Mut der Verzweiflung aufblitzte. Doch all das hatte sie nicht davor bewahrt, den besser ausgebildeten und ausgerüsteten Soldaten des Generals Pompeius zu unterliegen, des Befehlshabers der römischen Truppen, die sie unbarmherzig verfolgt und in die Enge getrieben hatten.
»Sklaven«, murmelte Titus verwundert vor sich hin, während er auf die Leichen starrte. »Einfach nur Sklaven.«
Wer hätte gedacht, dass diese Männer und Frauen, die für die meisten Römer nicht mehr als Werkzeuge auf Beinen waren, so viel Kampfgeist zeigen würden? Der Sklavenaufstand hatte vor beinahe zwei Jahren begonnen, und seither hatten die Aufständischen fünf der Legionen besiegt, die Rom gegen sie ausgeschickt hatte. Außerdem hatten sie viele Villen niedergebrannt und Anwesen geplündert, die den mächtigsten Familien Roms gehörten. Einmal, erinnerte sich Titus, waren die Sklaven sogar auf Rom selbst zumarschiert.
Er blickte nach unten auf den Leichnam eines kleinen Jungen, der wohl kaum älter als zehn Jahre sein mochte. Er hatte flachsblondes Haar und feine Gesichtszüge, und sein Kopf war kraftlos auf den Panzer eines toten Legionärs gesunken. Die Augen des Jungen starrten in den strahlend hellen Himmel, und sein Mund stand leicht offen, als wollte er etwas sagen. Titus verspürte einen dumpfen Schmerz in seinem Herzen, als er auf dieses Kind schaute. Kinder hatten in einer Schlacht nichts zu suchen, dachte er für sich. Ein Kind zu besiegen oder zu töten, damit konnte man sich keine Ehre erwerben.
»Zenturio Titus!«
Titus fuhr herum, als er den Ruf hörte, und sah wie eine kleine Gruppe von Offizieren quer über das Schlachtfeld auf ihn zukam. Angeführt wurden sie von einer massigen Gestalt mit breiten Schultern und einem silbern blitzenden Brustschild. Die darüber drapierte rote Schärpe gab den hohen Rang des Trägers an. Im Gegensatz zu den Männern, die im dichtesten Gewühl der Schlacht gekämpft hatten, waren General Pompeius und seine Offiziere allem Blut und Elend entgangen. Einige der jüngeren Männer verzogen angewidert das Gesicht, als sie sich den Weg durch die vielen Leichen bahnten.
»General.« Titus stand stramm und neigte den Kopf, als sein Befehlshaber näher trat.
»Was für ein Blutbad«, bemerkte General Pompeius und deutete mit der Hand auf das Schlachtfeld. »Wer hätte gedacht, dass gewöhnliche Sklaven so viel Kampfgeist haben, was?«
»Sehr wohl, General.«
Pompeius schürzte die Lippen und runzelte die Stirn. »Ihr Anführer, dieser Spartakus, das muss ein toller Bursche gewesen sein.«
»Er war Gladiator, General«, antwortete Titus. »Das ist ein besonderer Menschenschlag. Zumindest diejenigen, die in der Arena längere Zeit überleben.«
»Wisst Ihr viel über ihn, Zenturio? Ich meine, über die Zeit, ehe er Rebell wurde.«
»Nur Gerüchte, General. Anscheinend ist er nur einige Male in der Arena zu sehen gewesen, ehe der Aufstand ausbrach.«
»Und doch scheint er der geborene Anführer zu sein«, überlegte Pompeius. »Schade, dass ich nie die Gelegenheit hatte, diesen Spartakus kennenzulernen. Ich hätte ihn vielleicht bewundert.« Er blickte zu seinen Offizieren. Kurz spielte ein Lächeln auf seinen Lippen, als seine Augen auf einen seiner Männer fielen, einen hoch aufgeschossenen jungen Kerl mit schmalem Gesicht. »Keine Sorge, Gaius Julius. Ich bin nicht zum Feind übergelaufen. Spartakus ist – vielmehr war – schließlich nur ein Sklave. Unser Feind. Und jetzt ist er vernichtend geschlagen worden und die Gefahr ist gebannt.«
Der junge Offizier zuckte die Schultern. »Die Schlacht haben wir gewonnen, General. Aber der Ruhm mancher Männer hallt noch wider, wenn sie schon lange gefallen sind. Falls er überhaupt unter den Opfern ist.«
»Dann suchen wir seine Leiche«, erwiderte Pompeius knapp. »Und wenn wir sie gefunden und für alle weithin sichtbar zur Schau gestellt haben, wird das den Gedanken an einen Aufstand im Herzen jedes verdammten Sklaven in ganz Italia für immer ein Ende setzen.«
Er fuhr zu Titus herum. »Zenturio, wo könnte Spartakus gefallen sein?«
Titus schürzte die Lippen und deutete auf einen kleinen Hügel, der etwa hundert Schritte entfernt lag. Dort türmten sich die Leichen höher als irgendwo sonst auf dem Schlachtfeld. »Ich habe während des Kampfes seine Standarte dort drüben gesehen, und an dieser Stelle haben die letzten Sklaven bis zum bitteren Ende gekämpft. Wenn wir ihn überhaupt finden, dann dort.«
»Gut, dann wollen wir mal sehen.«
General Pompeius machte sich auf den Weg und schritt über die Toten hinweg auf den Hügel zu. Titus und die anderen folgten ihm im Eilschritt. Die über das Schlachtfeld verteilten Soldaten salutierten, als die kleine Gruppe an ihnen vorüberhastete. Sobald sie den Hügel erreicht hatten, blieb Pompeius stehen und starrte auf den schrecklichen Anblick, der sich ihm dort bot. Hier hatte der heftigste Kampf getobt und die Leichen waren von unzähligen Wunden übersät. Titus schauderte, als er sich daran erinnerte, dass viele der Sklaven mit bloßen Händen, sogar mit den Zähnen gekämpft hatten, bis sie mit dem Schwert niedergestreckt wurden. Die meisten Leichen waren so verstümmelt, dass man sie kaum noch als Menschen erkennen konnte.
Der General seufzte tief und stützte die Hände in die Hüften, während er weiter über die Leichen den Hang hinaufstieg. »Nun, wenn Spartakus wirklich hier getötet wurde, dann werden wir einige Schwierigkeiten damit haben, ihn zu identifizieren. Ich gehe davon aus, dass uns die Gefangenen wohl kaum dabei helfen werden, ihn zu finden.« Er deutete mit einer Kopfbewegung auf das kleine Häuflein von Leuten, die von Legionären bewacht wurden und ein wenig abseits des Schlachtfelds standen. »Verdammt! Wir brauchen seine Leiche …«
Titus beobachtete seinen Befehlshaber, wie er sich vorsichtig einen Weg über die verdrehten Gliedmaßen und verstümmelten Körper zum Gipfel der kleinen Anhöhe bahnte. Pompeius war bereits auf halber Höhe, als Titus aus dem Augenwinkel eine Bewegung wahrnahm. Zwischen den Leichen erhob sich ein Kopf, und schon Sekunden später war eine blutbespritzte Gestalt, die Titus für tot gehalten hatte, hinter dem General aufgesprungen.
Der Sklave hatte strähniges dunkles Haar und einen schütteren Bart. Er riss den Mund auf und fletschte die schiefen Zähne. Mit einem Kurzschwert in der Hand taumelte er über die aufgehäuften Leichen auf den römischen General zu.
»General!«, schrie Gaius Julius. »Vorsicht!«
Aber Titus war schon losgelaufen, während sich Pompeius noch umdrehte und zurückschaute. Die Augen des Generals weiteten sich vor Schreck, als er den Sklaven sah, der mit vorgestrecktem Schwert auf ihn zustürzte. Titus zog seine Klinge aus der Scheide und raste den Leichenhügel hinauf, wobei die Körper der Toten unter seinen genagelten Stiefeln nachgaben. Der Sklave zielte mit seinem Schwert auf Pompeius’ Hals, und der General taumelte zurück, um dem Hieb zu entgehen. Dabei verfing er sich mit der Ferse an einer Leiche. Schwerfällig fiel er zu Boden und stieß einen Angstschrei aus. Der Sklave torkelte weiter zu ihm hinauf und richtete sich mit erhobenem Schwert drohend über dem General auf.
Mit zusammengebissenen Zähnen lief Titus verzweifelt weiter auf die beiden zu. Im letzten Augenblick spürte der Sklave die nahende Gefahr und warf einen Blick über die Schulter. Doch da krachte Titus bereits mit seinem ganzen Körpergewicht auf ihn und schlug dem Sklaven das Schwert aus der Hand. Beide Männer fielen zu Boden und wären um ein Haar auf General Pompeius gestürzt.
Titus versuchte, sein Schwert zu bewegen, aber es war unter dem Angreifer eingeklemmt. Er ließ es los und packte den Sklaven stattdessen an der Kehle. Der bäumte sich unter dem Würgegriff auf; seine Hände krallten sich in Titus’ Armen fest und er knurrte wie ein wütendes Tier. Der Zenturio packte noch fester zu und der Laut verstummte. Der Sklave ergriff mit der linken Hand Titus’ Handgelenk und versuchte, dessen Finger von seinem Hals zu lösen, während seine Rechte zu Titus’ Gesicht hochwanderte und er ihm mit zersplitterten Fingernägeln über die Wange kratzte. Die Finger des Sklaven tasteten immer weiter nach oben, und Titus kniff die Augen so fest zu, wie er nur konnte, und verstärkte mit aller Kraft den Druck seiner Hände. Die Knie des Sklaven begannen wild zu zucken, und die Augen traten ihm beinahe aus dem Kopf, während er seinerseits mit seinen Fingernägeln Titus die Augen auszukratzen versuchte. Der Zenturio drehte den Kopf zur Seite.
Immer wilder wurden die Bewegungen des Mannes, doch dann lockerten sich plötzlich seine Hände, und der Kopf fiel ihm nach hinten. Titus hielt ihn noch einen Augenblick länger fest, um ganz sicher zu sein, dass keine Gefahr mehr drohte. Als er die Augen, die er immer noch zugekniffen hatte, öffnete, sah er, dass dem Toten die Zunge aus dem Mund hing. Titus ließ den Hals des Sklaven los, schob sich unter der Leiche hervor und rappelte sich keuchend hoch. Als er nach unten blickte, bemerkte er, dass sein Schwert sich in die Rippen des Mannes gebohrt hatte. Deswegen hatte er es nicht bewegen können. Der Sklave wäre ohnehin gestorben.
Neben ihm kam der General, den das Gewicht seines kunstvoll verzierten Brustschilds zu Boden drückte, mühselig wieder auf die Füße. Er schaute auf den toten Sklaven und auf Titus, der sich über den Leichnam beugte und sein Schwert aus der Leiche des Mannes zog.
»Bei allen Göttern! Das war knapp!« Pompeius warf einen Blick auf den Toten. »Wenn Ihr nicht gewesen wärt, Zenturio Titus, hätte er mich umgebracht.«
Titus antwortete nicht, sondern wischte nur mit der Tunika des Sklaven das Blut von der Klinge seines Schwertes. Dann steckte er die Waffe wieder in die Scheide und stand stramm. Der General sagte mit einem leisen Lächeln: »Ich verdanke Euch mein Leben. Das werde ich Euch niemals vergessen.«
Titus nickte.
»Ihr sollt eine Belohnung bekommen.« Der General fuhr sich übers Kinn und deutete dann mit der Hand auf die Gruppe gefangener Sklaven. »Nehmt Euch einen davon, in meinem Namen. Das ist ein angemessener Preis für mein Leben. Aber eines müsst Ihr auch wissen, Zenturio: Wenn Ihr je meine Hilfe benötigt, dann habt Ihr mein Wort, dass ich alles für Euch tun werde, was in meiner Macht steht.«
»Ihr seid zu freundlich, General.«
»Nein. Ihr habt mir das Leben gerettet. Dafür ist keine Belohnung groß genug. Jetzt wählt Euch einen Gefangenen aus, der Euer Sklave sein soll. Oder eine gute Sklavin vielleicht.«
»Jawohl, General. Was ist mit den anderen? Werden die unter den Männern aufgeteilt?«
General Pompeius schüttelte den Kopf. »Sonst würde ich das so machen. Aber ich will allen Sklaven im Römischen Reich eine gründliche Lektion erteilen. Man muss ihnen zeigen, was die zu erwarten haben, die sich gegen ihre Herren auflehnen.« Er hielt inne und sein Gesichtsausdruck verhärtete sich. »Sobald Ihr Eure Wahl getroffen habt, gebt den Befehl, dass man diejenigen, die im Kampf gefangen genommen wurden, hinrichten soll. Sie sollen ans Kreuz genagelt werden, und zwar an der Straße von Rom nach Capua, wo der Aufstand begonnen hat.«
Titus lief ein kalter Schauer über den Rücken, als er den brutalen Befehl des Generals hörte. Einen Augenblick lang verspürte er den dringenden Wunsch, ihm zu widersprechen. Die Sklaven waren besiegt. Der Aufstand war niedergeschlagen. Wozu brauchte man da noch eine so barbarische Bestrafung? Doch dann siegten seine Ausbildung und seine Disziplin, und Titus salutierte seinem General, ehe er sich auf den Weg über das Schlachtfeld zu den Gefangenen machte, um sich den einen auszusuchen, der diesem schrecklichen Schicksal entrinnen würde, ehe die meisten anderen zu einem langen, schmerzvollen Tod abgeführt wurden.
Marcus wusste, dass es Ärger geben würde, als der alte Aristides eines frühen Sommermorgens atemlos auf den Hof gerannt kam. Marcus hatte zufrieden mit Zerberus gespielt und versucht, dem rauhaarigen Jagdhund beizubringen, sich auf Befehl zu setzen und hinzulegen. Aber Zerberus hatte nur den Kopf schief gelegt, die Zunge heraushängen lassen und seinen jungen Herrn ausdruckslos angestarrt. Sobald er Aristides sah, trabte er auf den alten Mann zu und wedelte mit dem Schwanz. Der Ziegenhirt japste nach Luft, lehnte sich auf seinen Hirtenstab und schluckte, bis er wieder sprechen konnte.
»Drei Männer.« Mit zitternden Fingern deutete er auf den Pfad, der von Nydri aus den Hügel hinaufführte. »Große Männer … Soldaten, glaube ich.«
Marcus’ Vater saß im Schatten der weinumrankten Laube an dem langen, verwitterten Holztisch. Titus Cornelius war damit beschäftigt gewesen, die Bücher des Bauernhofs zu führen, doch nun legte er seinen Griffel auf das Wachstäfelchen, erhob sich von der Bank und kam mit großen Schritten auf den kleinen Hof.
»Soldaten, sagst du?«
»Ja, Herr.«
»Aha.« Titus lächelte leise, ehe er mit milder Stimme sagte. »Was weißt du schon von Soldaten, alter Mann? Mit Tieren kennst du dich aus. Aber mit Soldaten?«
Aristides richtete sich auf und starrte seinem Herrn geradewegs in die Augen. »Zwei von ihnen tragen Speere und alle haben Schwerter.«
Marcus schaute zu seinem Vater und bemerkte, wie ein kurzer Anflug von Furcht über dessen Gesicht huschte. Noch nie zuvor hatte Marcus seinen Vater ängstlich gesehen. Auf dem zerfurchten Gesicht des alten Soldaten prangten mehrere Narben, Erinnerungen an seinen Dienst in den Legionen des Generals Pompeius. Er war Zenturio gewesen – ein in vielen Schlachten gestählter Offizier – und hatte dann seinen Abschied genommen und die römische Armee verlassen.
Er hatte sich einen Bauernhof auf der Insel Lefkada gekauft und sich mit Marcus’ Mutter dort niedergelassen, die wenige Monate zuvor ihrem Sohn das Leben geschenkt hatte. Eine kleine Ziegenherde, um die sich Aristides kümmerte, brachte Titus regelmäßig einige Einkünfte, vor allem aber verdiente er an den Weinreben, die auf seinem Land wuchsen. Marcus erinnerte sich an sorglosere Zeiten, als er noch ein kleiner Junge war.
In den letzten drei Jahren jedoch war der Regen ausgeblieben, und die Dürre und der Mehltau hatten die Ernte zerstört. Titus hatte Geld leihen müssen. Marcus wusste, dass es viel Geld gewesen war – er hatte gehört, wie seine Eltern sich nachts flüsternd darüber unterhielten, wenn sie meinten, er schliefe schon, und er hatte sich noch lange darüber Sorgen gemacht, nachdem seine Eltern bereits verstummt waren.
Leise Schritte ließen Marcus herumfahren. Seine Mutter trat aus dem Zimmer, das auf den Hof hinausführte. Sie war dabei gewesen, ihm eine neue Tunika zu weben, hatte aber ihren Webstuhl im Stich gelassen, sobald sie Aristides’ Worte gehört hatte.
»Sie haben Speere«, murmelte sie und starrte zu Titus. »Vielleicht gehen sie in die Berge, um Wildschweine zu jagen.«
»Das glaube ich nicht.« Der alte Zenturio schüttelte den Kopf. »Wenn sie auf der Eberjagd sind, wozu dann die Schwerter? Nein, hier geht es um etwas anderes.« Er trat einen Schritt vor und klopfte Aristides anerkennend auf die Schulter. »Du hast recht daran getan, mich zu warnen, alter Freund.«
»Alt?« Die Augen des Ziegenhirten zwinkerten fröhlich. »Nun, ich bin kaum zehn Jahre älter als Ihr, Herr.«
Titus lachte, ein tiefes, herzhaftes Lachen, mit dem Marcus sein Leben lang vertraut war und das ihm stets ein Gefühl der Sicherheit gegeben hatte. Obwohl sein Vater in den Legionen ein hartes Leben geführt hatte, war er stets fröhlich. Manchmal hatte er Marcus streng behandelt, hatte darauf bestanden, dass er seine Kämpfe mit den Kindern unten in Nydri selbst austrug, aber an seiner Zuneigung hatte Marcus nie gezweifelt.
»Warum kommen die hierher?«, fragte seine Mutter seinen Vater. »Was wollen sie von uns?«
Marcus sah, wie das Lächeln auf den Lippen seines Vaters erstarb. »Ärger«, knurrte er. »Ärger wollen sie uns machen. Decimus muss sie geschickt haben.«
»Decimus?« Marcus sah, wie seine Mutter entsetzt die Hand vor den Mund schlug. »Ich habe dir doch gesagt, dass wir mit ihm nichts zu tun haben sollten.«
»Nun, dafür ist es nun zu spät, Livia. Ich werde mit ihm verhandeln müssen.«
Marcus hatte die Reaktion seiner Mutter Angst gemacht. Er räusperte sich. »Vater, wer ist Decimus?«
»Decimus?«, höhnte Titus und spuckte auf den Boden. »Ein blutsaugendes Schwein, dem jemand schon vor vielen Jahren eine gehörige Lektion hätte erteilen müssen.«
Marcus blickte ihn verständnislos an und Titus musste lachen. Er streckte die Hand aus und fuhr seinem Sohn liebevoll durch die dunklen Locken. »Er ist ein richtiger Mistkerl, dieser Decimus. Der reichste Geldverleiher auf Lefkada und wegen seiner guten Beziehungen zum römischen Statthalter nun auch noch Steuereintreiber.«
»Eine sehr ungünstige Kombination«, fügte Livia ruhig hinzu. »Einige Bauern in Nydri und Umgebung hat er bereits in den Ruin getrieben.«
»Nun, mit mir wird ihm das nicht gelingen!«, knurrte Titus. »Aristides, hol mir mein Schwert.«
Der Ziegenhirt zog besorgt die Augenbrauen hoch und eilte ins Haus. Zerberus starrte ihm einen Augenblick lang hinterher und trottete dann wieder zu Marcus zurück. Der strich dem Hund liebevoll über den Kopf. Livia packte Titus an seinem muskulösen Arm.
»Was hast du vor? Du hast doch Aristides gehört. Sie sind zu dritt und bewaffnet. Soldaten, hat er gesagt. Du kannst es nicht mit ihnen aufnehmen. Denk nicht einmal daran.«
Titus schüttelte den Kopf. »Ich habe schon viel aussichtslosere Kämpfe gewonnen. Und das weißt du nur zu gut.«
Livias Gesichtsausdruck verhärtete sich. »Das ist lange her. Nun hast du seit über zehn Jahren keinen Kampf mehr ausgetragen.«
»Ich kämpfe nicht mit ihnen, wenn es nicht sein muss. Aber Decimus hat sie bestimmt geschickt, um das Geld einzutreiben. Sie gehen nicht fort, ehe sie es nicht bekommen haben.«
»Wie viel Geld ist es?«
Titus senkte die Augen und kratzte sich im Nacken. »Neunhundert Sesterze.«
»Neunhundert!«
»Ich bin mit drei Zahlungen im Rückstand«, erklärte Titus. »Ich habe mit einem Besuch gerechnet.«
»Kannst du zahlen?«, fragte sie ängstlich.
»Nein. Wir haben nicht viel in der Schatulle. Nun, gerade genug, um uns durch den Winter zu bringen, und dann …« Er schüttelte den Kopf.
Livia runzelte wütend die Stirn. »Das erklärst du mir besser später. Marcus!« Sie wandte sich an ihren Sohn. »Geh den Geldkasten holen, der im Atrium unter dem Schrein aufbewahrt wird. Jetzt gleich.«
Marcus nickte und wollte ins Haus flitzen.
»Bleib, wo du bist, Junge!«, rief Titus laut genug, dass man ihn im Umkreis von hundert Schritten hören musste. »Lass den Kasten, wo er ist. Ich lasse mich nicht zwingen, auch nur eine Münze herauszurücken, ehe ich dazu bereit bin.«
»Bist du verrückt geworden?«, fragte Livia. »Du kannst doch nicht allein gegen drei bewaffnete Männer kämpfen.«
»Das werden wir ja sehen«, antwortete Titus mit ernster Miene. »Und jetzt nimm den Jungen und geh mit ihm ins Haus. Ich werde schon mit denen fertig.«
»Sie werden dich verletzen oder umbringen, Titus. Und was wird dann aus Marcus und mir? Sag mir das!«
»Geht ins Haus!«, befahl Titus.
Marcus sah, wie seine Mutter den Mund aufmachte, um zu protestieren, aber verstummte, als Titus’ stahlharter Blick sie traf. Livia schüttelte ärgerlich den Kopf und streckte dann Marcus die Hand hin. »Komm mit.«
Marcus starrte sie an, dann seinen Vater. Er rührte sich nicht von der Stelle. Er war wild entschlossen, seinem Vater zu beweisen, was in ihm steckte.
»Marcus, komm mit. Sofort.«
»Nein, ich bleibe hier.« Er richtete sich zu seiner vollen Körpergröße auf und stemmte die Hände in die Hüften. »Zerberus und ich können Vater zur Seite stehen, wenn es zu einem Kampf kommt.« Er wollte, dass diese Worte mutig klangen, aber seine Stimme bebte ein wenig.
»Was willst du? Hierbleiben?«, fragte Titus überrascht. »Du bist noch nicht so weit, dass du in der Kampflinie stehen kannst, mein Junge. Geh mit deiner Mutter.«
Marcus schüttelte den Kopf. »Du brauchst mich. Uns.« Er deutete auf Zerberus, und der Hund stellte wie auf Befehl die Ohren auf und wedelte mit dem buschigen Schwanz.
Ehe Titus protestieren konnte, kam Aristides aus dem Haus geeilt. In der einen Hand hielt er seinen Hirtenstab, in der anderen ein Schwert in einer Scheide, an der ein Lederriemen baumelte. Titus ergriff die Waffe und legte sich den Riemen um, schob die Schultern hin und her, bis er sicher war, dass das Schwert gut hing und der Griff leicht zu erreichen war. Aristides ging zum Tor und beobachtete die Straße, die den Hang hinunter nach Nydri führte. Plötzlich packte Titus den Schwertgriff und riss die Klinge mit einer so raschen Bewegung heraus, dass Marcus zusammenzuckte und einen kleinen Schrei ausstieß. Zerberus knurrte.
Sein Vater schaute lächelnd zu ihm und steckte das Schwert wieder ein. »Immer mit der Ruhe. Ich habe nur geprüft, ob sich die Klinge ohne Probleme ziehen lässt. Deswegen habe ich alles immer gut eingefettet – für alle Fälle.«
Marcus schluckte aufgeregt. »Für alle Fälle? Was meinst du damit, Vater?«
»Für Augenblicke wie diesen hier. Jetzt lass mich nur machen. Geh ins Haus, bis ich dich rufe.«
Marcus starrte trotzig zurück. »Mein Platz ist an deiner Seite, Vater. Ich kann kämpfen.« Er griff nach dem Leder und den Riemen der Schleuder, die er sich in den Gürtel gesteckt hatte, mit dem seine Tunika in der Taille zusammengehalten wurde. »Ich kann damit auf fünfzig Schritte Entfernung jemanden treffen.«
Seine Mutter hatte die beiden nicht aus den Augen gelassen. Nun rief sie: »Um Himmels willen, Marcus! Komm sofort mit ins Haus!«
»Livia«, fuhr ihr Mann dazwischen. »Geh du. Versteck dich in der Küche. Ich rede mit Marcus; er kommt gleich nach.«
Sie wollte protestieren, doch dann sah sie das wilde Leuchten in den Augen ihres Mannes, wandte sich ab und lief über die Pflastersteine des Hofs zurück ins Haus. Titus wandte sich zu Marcus um und lächelte ihn liebevoll an. »Mein Junge, du bist noch zu jung, um meine Schlachten für mich zu kämpfen. Bitte geh mit deiner Mutter.«
Aber es war schon zu spät. Ehe Titus zu Ende gesprochen hatte, hörte man, wie Aristides laut durch die Zähne zischte. Der Ziegenhirt hielt sich die Hand vor den Mund und rief so laut, wie er nur wagte: »Herr! Sie kommen!«
Simon Scarrow wurde in Nigeria geboren. Er lebte unter anderem in Hong Kong und auf den Bahamas, bevor er sich in Großbritannien niederließ. Seit seiner Kindheit ist er vom Schreiben fasziniert und entdeckte in der Schule seine Liebe zur Geschichte, als ihm seine Latein- und Geschichtslehrer von der Welt der Antike erzählten.
Gemeinsam mit seiner Frau und seinen Kindern unternimmt er ausgedehnte Reisen, um Nachforschungen für seine historischen Romane anzustellen. So war er bereits in Italien, Griechenland, in der Türkei, in Jordanien, Syrien und in Ägypten.
Simon Scarrow arbeitete einige Jahre als Dozent für Geschichte. Wegen des großen Erfolgs seiner Bücher widmet er jetzt seine ganze Zeit dem Schreiben. Er hofft aber, bald wieder zu seiner Lehrtätigkeit zurückkehren zu können, da ihm das Unterrichten viel Spaß macht.
eISBN 978-3-7607-8712-1
Der junge Marcus wird nach einem brutalen Überfall auf seine Familie versklavt und in eine Gladiatorenschule verschleppt, wo er zum Elitekämpfer ausgebildet werden soll. Doch Marcus’ Herkunft ist von einem dunklen Geheimnis überschattet…
Auch zu bestellen unter www.bloomoon-verlag.de
eISBN 978-3-7607-9043-5
Marcus ist nach Monaten der brutalen Kampfausbildung aus der Gladiatorenschule entkommen – wenn auch nicht als freier Bürger. Als Leibwächter und Sklave dient er nun im Haushalt Cäsars und ist damit seinem Ziel, in Pompeius’ Nähe zu kommen und ihn um Hilfe zu bitten, einen großen Schritt näher gekommen. In Rom machen die Großen des Reiches Politik, zwischen den Senatoren gibt es viel Streit um die geplante Landgesetzgebung – ein Streit, der sich schließlich in die Straßen der Ewigen Stadt verlagert. Straßenbanden der jeweiligen politischen Lager bekriegen sich im Auftrag ihrer Herren bis aufs Blut und Marcus gerät gefährlich zwischen die Fronten. Eines Tages steht ihm sein Erzfeind Ferax gegenüber – und Ferax scheint vergessen zu haben, dass Marcus sein Leben einst in der Arena verschont hatte…
Auch zu bestellen unter www.bloomoon-verlag.de
eISBN 978-3-7607-9984-1
Der junge Gladiator Marcus ist endlich der Sklaverei entkommen. Nun will er sich auf die Suche nach seiner Mutter machen – aber dazu braucht er die Hilfe seines ehemaligen Herrn, Julius Caesar. Doch Caesar hat andere Pläne: Er ist einer Bande Rebellen auf den Fersen, ehemaligen Anhängern von Spartacus, die für ihre Freiheit kämpfen. Marcus soll ihm in den Kampf folgen, erst dann ist Caesar bereit, ihn zu unterstützen. Widerwillig fügt sich Marcus. Was er nicht ahnt: Der Anführer der Rebellen ist sein alter Weggefährte Brixus – der einzige, der Marcus’ gefährliches Geheimnis kennt und dieses Wissen für sich nutzen will…
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