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Action und Abenteuer im antiken Rom. Für Jungen und Mädchen ab 10 Jahren
Ein spannendes Kinderbuch von Bestsellerautor Simon Scarrow entführt junge Leserinnen und Leser in die Römerzeit.
Spannend, actiongeladen und lehrreich: „Marcus Gladiator“ ist die perfekte Buchreihe für alle, die sich für die römische Antike und mitreißende Geschichten begeistern.
Zum Buch:
Rom, 61 v. Chr. Nach Monaten der harten Ausbildung zum Kämpfer ist Marcus endlich den Mauern der Gladiatorenschule entkommen – wenn auch nicht als freier Bürger. Nun dient er als Leibwächter und Sklave im Haushalt Caesars. Und es wartet viel Ärger auf ihn: Zwischen den Senatoren gibt es Streit – ein Streit, der bald auch die Straßen Roms erzittern lässt. Denn Straßenbanden bekriegen sich im Auftrag ihrer hohen Herren bis aufs Blut. Als Marcus zwischen die Fronten gerät und seinem Erzfeind Ferax gegenübersteht, beginnt ein unerbittlicher Kampf auf Leben und Tod. Hat Ferax etwa vergessen, dass Marcus einst sein Leben in der Arena verschonte …
Alle Bände der Reihe:
Band 1: Marcus Gladiator – Kampf für die Freiheit
Band 2: Marcus Gladiator – Straßenkämpfer
Band 3: Marcus Gladiator – Aufstand in Rom
Band 4: Marcus Gladiator – Zeit der Rache
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Vollständige eBook-Ausgabe der Hardcoverausgabe
arsEdition GmbH, München 2012
Text copyright © Simon Scarrow, 2012
Titel der Originalausgabe: Gladiator. Street Fighter
First published in Great Britain in the English language by Penguin Books Ltd.
© 2012 arsEdition GmbH, München
Alle Rechte vorbehalten
Text: Simon Scarrow
Übersetzung: Ulrike Seeberger
Coverillustration: Helge Vogt
ISBN 978-3-7607-9043-5
www.arsedition.de
Alle Rechte vorbehalten. Unbefugte Nutzungen, wie etwa Vervielfältigung, Verbreitung, Speicherung oder Übertragung können zivil- oder strafrechtlich verfolgt werden.
Simon Scarrow
Aus dem Englischen von Ulrike Seeberger
Für Lindsey Davis,die mein Interesse an Rom geweckt hat
Kapitel I
Kapitel II
Kapitel III
Kapitel IV
Kapitel V
Kapitel VI
Kapitel VII
Kapitel VIII
Kapitel IX
Kapitel X
Kapitel XI
Kapitel XII
Kapitel XIII
Kapitel XIV
Kapitel XV
Kapitel XVI
Kapitel XVII
Kapitel XVIII
Kapitel IXX
Kapitel XX
Kapitel XXI
Kapitel XXII
Kapitel XXIII
Kapitel XXIV
Kapitel XXV
Kapitel XXVI
Kapitel XXVII
Kapitel XXVIII
Kapitel XXIX
Kapitel XXX
Marcus wusste sofort, dass er einen schweren Fehler gemacht hatte, als er in die Ecke des kleinen Innenhofes zurückgewichen war. Er spürte, wie der Absatz seiner Sandale gegen den aufgesprungenen Putz der Wand schabte, und machte instinktiv einen halben Schritt nach vorn, um mehr Bewegungsfreiheit zu gewinnen. So hatte er es während der Ausbildung in Porcinos Gladiatorenschule gelernt – man musste sich in einem Kampf immer seine Bewegungsfreiheit erhalten, sonst überließ man dem Gegner die Initiative und war ihm auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. Diese Lektion hatte Taurus, der strenge und grausame Hauptausbilder, seinen jungen Gladiatorenanwärtern eingebläut.
Marcus war hoch aufgeschossen für seine elf Jahre. Die harte Ausbildung hatte ihn zäh gemacht und ihm einiges Geschick im Umgang mit dem Schwert vermittelt. Trotzdem wusste er, dass er nur geringe Chancen auf Erfolg hatte, als er seinem Gegner, einem drahtigen Mann von etwa dreißig Jahren, entgegentrat: Auf flinken Füßen und mit wachen Augen ahnte der beinahe jede Bewegung voraus, die Marcus machte.
Marcus blinzelte, um eine Schweißperle aus dem Auge zu verdrängen, und warf all seine Ängste über Bord. Er wusste, dass seine einzige Hoffnung darin bestand, etwas Unerwartetes zu tun – etwas, für das sein Gegner keine Abwehr parat hatte. Aus der Art und Weise, wie der Mann sich bewegte und sein Kurzschwert einsetzte, wurde deutlich, dass er ein ausgebildeter Soldat oder vielleicht ein Gladiator wie Marcus war. Als der Mann sein Schwert gezogen hatte und dem Jungen gegenübergetreten war, hatte er mit einigen wenigen trägen Hieben und Paraden begonnen. Doch das verächtliche Grinsen, das zunächst auf seinen Zügen gelegen hatte, war ihm rasch vergangen, als Marcus selbstbewusst reagierte und die Schwerthiebe des Mannes zur Seite ablenkte. Es war eine kurze Pause eingetreten, in der der Mann sich einige Schritte zurückzog, um einen Blick auf diesen jungen Gegner zu werfen.
»Also doch nicht so feucht hinter den Ohren«, knurrte er. »Trotzdem bist du nichts als ein junger Hund, dem eine ordentliche Tracht Prügel nicht schaden würde. Und die kriegst du von mir.« Dann begann er, ernsthaft gegen Marcus zu kämpfen. Das Klirren ihrer Schwerthiebe hallte von den Wänden des Innenhofes wider. Von draußen, von der römischen Seitengasse, die hinter dem Hof vorbeilief, drang durch das Rauschen des Blutes gedämpft und schwach Stimmengewirr an Marcus’ Ohr. Er schenkte dem keine Aufmerksamkeit und konzentrierte sich nur auf den Gegner, beobachtete jede Andeutung einer Bewegung, die auf den nächsten Angriff schließen ließ.
Der Mann war ein guter Kämpfer. Gegen einen Könner wie Taurus hätte er kaum einige Herzschläge lang standgehalten, doch es war nur eine Frage der Zeit, bis er Marcus besiegen würde. Trotz der raschen, wilden Bewegungen des Jungen hatte der Mann Marcus schon bald in die Ecke gedrängt, wo er nun mit dem Rücken zur Wand eingekeilt stand.
Kurz gab Marcus der Angst nach, der Mann könnte gegen ihn gewinnen, und verfluchte sich dafür, dass er es so weit hatte kommen lassen. Mit aller Macht verdrängte er diesen Gedanken aus seinem Kopf und kauerte sich auf der gestampften Erde und den Pflastersteinen des Innenhofes zusammen. Er verschob das Gewicht leicht nach vorn und balancierte auf den Fußballen, bereit, sich jeden Augenblick nach vorn oder zur Seite zu werfen. Das Schwert hielt er waagerecht vom Körper weg; so konnte er damit zu einem Angriff ausholen oder einen Hieb parieren, den der Mann gegen ihn ausführen würde. Die linke Hand hatte er ausgestreckt, um das Gleichgewicht zu halten.
Die beiden starrten einander an.
Marcus bemerkte eine Bewegung hinter dem Mann. Eine Gestalt, die ihnen vom Toreingang am anderen Ende des Innenhofes zusah, änderte ein wenig ihre Haltung.
Der Angriff kam, als Marcus nur einen Moment zur Seite geblickt hatte. Mit einem gewaltigen Brüllen stürzte sich der Mann nach vorn und hieb mit seinem Schwert nach Marcus’ Kopf. Der Junge duckte sich zur Seite, als die Spitze der Klinge nur wenige Zoll von seinem Gesicht entfernt durch die Luft sauste. Er schlug auf den Schwertarm seines Gegners ein und spürte einen kleinen Ruck, als die Klinge seines Schwertes die Haut des Mannes verletzte.
Fluchend wich der Mann zurück und hob den Arm, um einen schnellen Blick auf die Wunde zu werfen. Es war nur ein kleiner Kratzer, aber das Blut floss reichlich, und schon bald malten die Tropfen zackige scharlachrote Linien auf den Unterarm des Mannes. Nun schaute er mit eisigem Blick auf Marcus.
»Das kommt dich teuer zu stehen, Bürschchen. Sehr teuer.«
Angesichts dieser wilden Drohung liefen Marcus kalte Schauer über den Rücken, aber er hielt die Augen fest auf seinen Gegner gerichtet.
Der Mann senkte den Arm, packte sein Schwert fester, damit es ihm, falls das Blut bis in seine Handfläche strömen sollte, nicht aus der Hand rutschte. Mit entschlossenen Schritten kam er auf Marcus zu, die Lippen bösartig knurrend verzogen. Diesmal machte er keinen Versuch, seine Hiebe zu mäßigen. Das Klirren der Schwerter hallte laut in Marcus’ Ohren wider, als er gegen die Wand gedrängt wurde. Die Spitze der Klinge bohrte sich neben seinem Kopf in den Putz, und kleine Splitter platzten ab. Rasch wurde die Klinge wieder zurückgezogen, erneut hoch erhoben, bereit zu einem Schlag auf Marcus’ Kopf.
»Aufhören!«, erschallte von der anderen Seite des Hofes eine tiefe Stimme.
Aber der Mann führte in seiner Wut einen weiteren Hieb gegen Marcus. Im allerletzten Augenblick sprang der Junge unter der bogenförmigen Bewegung des Schwertes verzweifelt nach vorn. Er duckte sich tief, warf sein ganzes Gewicht in diesen Gegenangriff und hieb dem Mann den Handschutz seines Schwertes zwischen die Beine in die Leiste. Mit einem tiefen Stöhnen und schmerzverzerrtem Gesicht taumelte der Mann nach hinten. Er stieß einen wütenden Schmerzensschrei aus, ballte die Linke zur Faust und holte weit aus. Marcus versuchte, dem Schlag auszuweichen, aber er streifte doch seinen Schädel und warf ihm den Kopf zur Seite. Blitzende weiße Funken sprühten vor Marcus’ Augen, als sein Körper durch die Luft geschleudert wurde. Dann landete er schwer auf dem Boden und es verschlug ihm den Atem. Er rollte sich auf den Rücken, während sich über ihm die Mauern und der Himmel drehten. Nun tauchte der Mann in seinem Gesichtsfeld auf, stöhnend zusammengekrümmt. Dann fühlte Marcus, wie die Spitze eines Schwertes die knochige Kerbe unter seinem Hals berührte.
Die Augen des Mannes verengten sich, und Marcus fürchtete, er würde ihm die Klinge tief in den Hals stoßen, bis die Spitze sein Rückgrat erreicht hatte, und ihm die Kehle durchschneiden. Er würde sterben. Bedauern und Scham wallten in seinem Herz auf, denn er hatte weder seine Freiheit gewonnen noch seine Mutter wiedergefunden. Man hatte sie gleichzeitig mit Marcus zur Sklavin gemacht und zu einem Gutsanwesen irgendwo in Griechenland gebracht. Wenn er jetzt starb, war sie dazu verdammt, bis zum Ende ihrer Tage dort zu bleiben. Marcus kniff die Augen fest zusammen und betete zu den Göttern, er möge noch einmal verschont bleiben.
»Festus! Das reicht!«, rief die Stimme erneut. »Wenn du dem Jungen auch nur ein Haar krümmst, lasse ich dich kreuzigen, ehe der Tag vorüber ist.«
Es trat eine kleine Pause ein, dann ließ der leichte Druck der Schwertspitze nach, und Marcus wagte, die Augen wieder aufzuschlagen. Er bebte vor Schreck, und all seine Gliedmaßen zitterten, wie er da in einer Ecke des Hofes ausgestreckt auf dem Rücken lag. Über sich erblickte er Festus, der frustriert mit den Zähnen knirschte, und dahinter den düsteren Himmel. Obwohl es später Frühling war, hingen die Wolken tief über Rom und drohten mit Regen. Festus richtete sich auf, drehte sein Schwert um und stieß es in die Scheide zurück, bevor er sich mit geneigtem Kopf zum Toreingang umwandte. Marcus rappelte sich keuchend auf, stand in einiger Entfernung von Festus und verneigte sich ebenfalls.
Als er sich wieder aufrichtete, sah er, wie der andere Mann mit einem dünnen Lächeln auf den Lippen auf sie zugeschritten kam. Er blieb vor Marcus stehen, schaute ihn prüfend an und wandte sich dann zu Festus, seinem Hauptleibwächter.
»Nun? Was hältst du von ihm?«
Festus zögerte ein wenig und antwortete dann vorsichtig: »Der Junge ist flink und geht geschickt mit der Klinge um, Herr, aber er hat noch viel zu lernen.«
»Natürlich. Aber kannst du ihn unterweisen?«
»Wenn es Euer Wunsch ist, Herr.«
»Das ist es.« Der Mann lächelte flüchtig. »Dann ist es abgemacht. Der Junge ist jetzt in deiner Obhut. Du bringst ihm bei, wie man kämpft. Er muss lernen, wie man außer dem Schwert auch andere Waffen benutzt. Er muss mit dem Dolch umgehen, ein Messer werfen und den Knüppel einsetzen können und er muss mit den bloßen Händen kämpfen lernen.« Der Mann schaute Marcus erneut an. In seinen kalten Augen lag nicht die geringste Spur von Freundlichkeit, als er fortfuhr: »Eines Tages wird der junge Marcus vielleicht ein hervorragender Gladiator in der Arena. Bis dahin möchte ich, dass du die Ausbildung fortsetzt, die er in der Gladiatorenschule von Porcino begonnen hat. Doch du sollst ihm auch die Techniken der Straßenkämpfer beibringen, wenn er meine Nichte als ihr Leibwächter wirkungsvoll beschützen soll.«
»Ja, Herr.« Festus nickte.
»Jetzt kannst du uns allein lassen. Nimm das Schwert des Jungen mit. Suche meinen Verwalter und sage ihm, er soll für morgen meine schönste Toga reinigen und parfümieren. Das erwartet der Pöbel von einem seiner Konsuln«, sagte er nachdenklich. »Ich möchte gut aussehen, wenn ich neben dem fetten Narren Bibulus stehe.«
»Ja, Herr.« Festus verneigte sich wieder und eilte dann über den Hof zurück ins Haus. Als er fort war, wandte der Mann seine ganze Aufmerksamkeit Marcus zu.
»Du weißt, dass ich hier in Rom viele Feinde habe, junger Marcus. Feinde, die genauso gern meiner Familie wie auch mir, Gaius Julius Caesar, Leid zufügen würden. Deswegen brauche ich jemanden, dem ich vertrauen kann und der Portia beschützt.«
»Ich werde mein Bestes tun, Herr.«
»Ich will mehr als nur dein Bestes, mein Junge«, antwortete Caesar mit fester Stimme. »Es muss dein Lebensinhalt werden, Portia zu beschützen. In jedem wachen Augenblick musst du deine Augen und Ohren offen halten und alle Einzelheiten deiner Umgebung wahrnehmen, damit du eine Bedrohung erkennen kannst, ehe Schaden entsteht. Und nicht nur deine Augen und Ohren. Du musst auch dein Hirn anstrengen. Ich weiß, dass du einen raschen Verstand hast. Das hast du bereits in Capua bewiesen.«
Caesar hielt einen Augenblick inne, und beide erinnerten sich an den Kampf, in dem Marcus Ferax besiegt hatte, einen Jungen, der zweimal so groß war wie er. Nachdem Marcus sich geweigert hatte, den unterlegenen Gegner zu töten, bezwang er auch noch zwei Wölfe, die man deswegen auf ihn gehetzt hatte. Aber keine dieser Großtaten hatte Caesar für ihn eingenommen. Vielmehr war es die Tatsache, dass Marcus seiner Nichte Portia das Leben gerettet hatte, die in die Arena gefallen und den gierigen Wölfen schutzlos ausgeliefert gewesen war. Dafür stand Caesar in Marcus’ Schuld. Gleichzeitig hatte Caesar aber auch klug die Gelegenheit erkannt, in einen Jungen zu investieren, der vielleicht eines Tages ein Gladiator sein würde, der bei der breiten Masse beliebt sein würde, und etwas von dieser Beliebtheit würde natürlich auch auf den Besitzer des Gladiators abfärben. Also hatte er Marcus dem Besitzer der Gladiatorenschule abgekauft, und wie ein Stück Vieh hatte man Marcus von einem Herrn zum anderen gebracht.
Caesar beugte sich vor und tippte Marcus leicht an die Brust. »Ich bin zwar Konsul und somit einer der beiden mächtigsten Männer in Rom, aber ich bin genauso leicht verletzbar wie jeder andere. Ich habe Leute, die mich beschützen, und Leute, die für mich spionieren. Trotzdem habe ich das ungewisse Gefühl, dass du dich als einer meiner wertvollsten Diener erweisen wirst. Im Augenblick sollst du über Portias Leib und Leben wachen, doch später habe ich vielleicht eine andere Verwendung für dich.«
Caesars Augen verengten sich zu Schlitzen, während er Marcus starr anblickte. Das Schweigen machte Marcus unruhig und er schluckte nervös. Er war sich noch nicht sicher, was er von seinem neuen Herrn halten sollte. Caesar war manchmal großzügig und überaus freundlich. Bei anderen Gelegenheiten schien er skrupellos, hart und sogar grausam. »Eine andere Verwendung, Herr?«
Ein Lächeln huschte über Caesars Lippen, als er antwortete: »Wo man ausgewachsene Männer verdächtigt, wird ein Junge vielleicht übersehen. Dann werde ich dich brauchen, du musst für mich Augen und Ohren offen halten.« Er hielt inne und fuhr sich übers Kinn.
Marcus verspürte einen leisen Schauder, weil aus den Worten Lob sprach und auch Vertrauen, das Caesar in ihn setzte. Doch seine Freude verging rasch, als er begriff, was diese Aussage Caesars bedeutete. Marcus sollte als kleiner Spielstein in der Schlacht zwischen Caesar und seinen politischen Feinden eingesetzt werden. Aber es war kein Spiel, das verstand Marcus. Er erinnerte sich daran, was Titus, der Mann, den er einmal für seinen Vater gehalten hatte, ihm über die Welt der Politik in Rom erzählt hatte. Die Einsätze waren hoch – es ging buchstäblich um Leben und Tod –, und jetzt würde Marcus mitten im Zentrum dieses Kampfes stehen. Es würde gefährlich werden. Aber wenn Marcus Caesar wertvolle und treue Dienste leistete, konnte er eine gerechte Gegenleistung erwarten. So viel hatte er über seinen neuen Herrn bereits herausgefunden. Er belohnte alle großzügig, die ihm halfen, seine ehrgeizigen Ziele zu erreichen. Marcus’ Puls beschleunigte sich, als er Caesar geradewegs in die Augen blickte und nickte. »Ich bin bereit.«
Caesar lächelte kurz und schaute dann Marcus einen endlos scheinenden Augenblick lang an, ehe er wieder sprach. »Weißt du, um dich scheint sich ein Geheimnis zu ranken, mein Junge. Du bist kein gewöhnlicher Sklave. Das kann jeder sehen. Du hast Mut, Entschlossenheit und Zähigkeit, darin bist du deinem Alter weit voraus. Dein Vater wäre stolz auf dich, wer immer er ist.«
Marcus überlegte blitzschnell. Dies war die erste Gelegenheit, Caesar mit seiner ungerechten Situation vertraut zu machen. »Mein Vater ist tot«, sagte er. »Er wurde auf Befehl eines Steuereintreibers namens Decimus ermordet.«
»Oh?« Caesar spitzte kurz die Lippen und zuckte dann die Achseln. »Das ist schlimm. Aber die Götter haben ihre Gründe dafür, wie sich die Dinge entwickeln.«
Marcus wurde das Herz schwer, als Caesar sein Leiden so kurzerhand abtat.
»Und was ist mit deiner Mutter?«, fragte Caesar.
»Sie ist Sklavin, Herr. Allerdings weiß ich nicht, wo sie ist.« Sosehr Marcus sich auch wünschte, seine Mutter wiederzufinden, hatte er doch vorläufig entschieden, jetzt besser zu lügen. Es war sicherer, wenn der Fall seiner Mutter vor Caesar verborgen bliebe. Sollte man je seine wahre Identität entdecken, so würde man Marcus umbringen, und dazu noch jeden, der mit ihm blutsverwandt war. Obwohl ihm Caesar so viel Dankbarkeit erwies, weil er das Leben seiner Nichte gerettet hatte, würde er Marcus doch auf der Stelle töten, sobald er erfahren würde, wer Marcus’ wahrer Vater war: Spartakus, der Gladiatorengeneral. Er hatte das Heer aufständischer Sklaven angeführt, die sich Caesar und seinen hochwohlgeborenen Freunden widersetzt hatten. Der Gladiator, der beinahe Rom und alles, wofür Rom stand, zunichtegemacht hätte.
Sobald Caesar ihn entlassen hatte, machte sich Marcus auf den Weg zu den Wohnquartieren der Sklaven am hinteren Ende des Hauses. Bei seiner Ankunft hatte man Marcus zu Caesars Verwalter gebracht, der ihm die Regeln erklärte, die nun sein Leben bestimmen würden, und ihn dann zu der kleinen Zelle führte, die er mit zwei anderen jungen Sklaven zu teilen hatte. Der jüngere von beiden war etwa so alt wie Marcus und hieß Corvus. Er war groß und mager, hatte eine Hakennase und schaute stets finster und resigniert. Der andere Junge, Lupus, war beinahe sechzehn Jahre alt und besaß eine natürliche Begabung für Buchstaben und Zahlen. Er verrichtete gelegentlich Aushilfsarbeiten in der Küche und diente Caesar zusätzlich als Schreiber. In dieser Funktion war er dafür verantwortlich, Notizen für seinen Herrn zu machen, erklärte Lupus stolz. An den meisten Tagen begleitete er Caesar bei offiziellen Geschäften. Lupus war klein und zierlich, hatte säuberlich geschnittenes, dunkles Haar, war sehr viel fröhlicher als sein jüngerer Gefährte Corvus und hatte den Neuankömmling in dem gemeinsamen bescheidenen Wohnquartier herzlich willkommen geheißen. Die Zelle, die sie sich teilten, war kaum mehr als zehn Fuß lang und vier Fuß breit. Durch einen schmalen Fensterschlitz weit oben in der Wand drang von der Straße ein schwacher Lichtstrahl herein. Corvus und Lupus schliefen an dem am weitesten von der Tür entfernten Ende der Zelle, Seite an Seite auf zerlumpten Schlafsäcken. Man händigte Marcus einen ähnlich zerschlissenen Schlafsack aus und erklärte ihm, er hätte bei dem schmalen Eingang der Zelle zu schlafen.
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