Märtyrer oder Verbrecher? - Levin Schücking - E-Book

Märtyrer oder Verbrecher? E-Book

Levin Schücking

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Beschreibung

Irgendwann im 19 Jahrhundert in einem kleinen Dorf: Zwei katholische Geistliche leben in einem Haushalt: ein älterer Pfarrer und sein jüngerer Kaplan. Doch der Ich-Erzähler wird sich der Rolle der beiden nicht klar. Warum leben beide zusammen, wo sie doch nichts gemeinsam zu haben scheinen? Der ältere Pfarrer, gutmütig, bieder und leidlich engagiert; der Jüngere, streitbar, zweifelnd, politisch. Die Stimmung wird endgültig vergiftet, als herauskommt, das der junge Kaplan einst wegen einer unbewiesenen Anschuldigung versetzt wurde: die des Raubmordes. Angeblich soll der Kaplan an seiner alten Wirkungsstätte einen Geldeintreiber erschlagen und beraubt haben. Was ist nun wahr? Null Papier Verlag

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Levin Schücking

Märtyrer oder Verbrecher?

Historische Kriminalnovelle

Levin Schücking

Märtyrer oder Verbrecher?

Historische Kriminalnovelle

Veröffentlicht im Null Papier Verlag, 2019 1. Auflage, ISBN 978-3-954189-53-3

null-papier.de/443

null-papier.de/katalog

Inhaltsverzeichnis

1

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1

Als ich vor nun schon vie­len Jah­ren mei­nen jet­zi­gen Wohn­sitz in ei­nem von der von der Welt ab­ge­le­ge­nen Dor­fe be­zog, sah ich mich zur Be­frie­di­gung je­nes Ge­sel­lig­keits­be­dürf­nis­ses, das je­dem Sterb­li­chen in­ne­wohnt und ihm auch un­ter den ihm gleich­gül­tigs­ten Leu­ten treu bleibt, auf zwei Per­so­nen be­schränkt, wel­che mei­ne nächs­ten Nach­barn wa­ren. Es wa­ren die Be­woh­ner des Pfarr­ho­fes, in des­sen be­schei­de­ne Gar­ten­an­la­gen eine über den uns tren­nen­den Bach ge­schla­ge­ne Brücke führ­te.

Der pro­tes­tan­ti­sche Pfarr­hof spielt eine große Rol­le im Kul­tur­le­ben und in der geis­ti­gen Ent­wick­lung un­se­res lie­ben Va­ter­lan­des. Män­ner, wel­che aufs mäch­tigs­te in die­se Ent­wick­lung ein­ge­grif­fen ha­ben, ver­dan­ken ihm ihre Er­zie­hung und Bil­dung; sie sind auf ihm jung ge­wor­den, und ihre gan­ze We­sens­ausprä­gung hat nie den Ein­fluß ver­leug­net, wel­chen der Cha­rak­ter der Um­ge­bung, in der ihr Ge­dan­ken­le­ben auf­blüh­te, auf sie übte. Und vie­le an­de­re Män­ner wie­der ver­dan­ken ihm in rei­fe­ren Jah­ren die Ruhe und See­len­stil­le, wel­che sie zum Aus­tra­gen phi­lo­so­phi­scher An­schau­un­gen, zum Er­grün­den wis­sen­schaft­li­cher Pro­ble­me oder auch nur zur blo­ßen för­dern­den Li­te­ra­tu­r­ar­beit be­durf­ten! Wie vie­ler be­rühm­ten Men­schen Wie­ge stand auf ei­nem Pfarr­hof, wie vie­ler Dich­ter Lieb­lings­schau­platz für ihre Fik­tio­nen ist der Pfarr­hof; mit ei­nem Pfarr­hof-Idyll pflegt der jun­ge Au­tor zu be­gin­nen, der sei­nen ers­ten Ge­nie-Aus­bruch schäu­mend von Freund­schafts- und Lie­bes­ge­füh­len sich er­gie­ßen läßt.

Es steht an­ders um den ka­tho­li­schen Pfarr­hof, und von ei­nem sol­chen soll hier die Rede sein. Die Rol­le, wel­che er in der Li­te­ra­tur spielt, ist gar klein; Ini­tia­ti­ve und Pro­pa­gan­da neu­er Ge­dan­ken ver­dankt die Welt ihm nicht in er­heb­li­chem Maße; und als Mit­tel­punkt dich­te­ri­scher Fik­ti­on zu die­nen, ist er we­ni­gen ge­eig­net er­schie­nen, wenn auch Don Ab­bon­dio, der wür­di­ge Cu­ra­to von den Ufern des Co­mo­sees, mit sei­ner Per­pe­tua und sei­nem Heim­we­sen aufs be­weg­lichs­te von Ales­san­dro Man­zo­ni ab­ge­schil­dert ist.

Über die­se Un­an­ge­tas­tet­heit sei­nes stil­le­ren Da­seins wird sich der ka­tho­li­sche Pfarr­hof nun frei­lich nicht be­kla­gen. Bene vi­xit qui bene la­tuit.1 Und in der Tat, es lebt sich ganz gut auf ihm. Was aber den Stoff zur dich­te­ri­schen Be­hand­lung an­geht, so steht er an Reich­tum dar­an si­cher­lich dem pro­tes­tan­ti­schen we­ni­ger nach, als man wohl glaubt. We­nigs­tens sind Dra­men des Her­zens­le­bens, in­ne­re Ge­müts­kon­flik­te und schwe­re Ge­dan­ken­kämp­fe, wel­che in hoff­nungs­lo­sem Rin­gen sich in tie­fes Schwei­gen hül­len muß­ten, auf ihm si­cher­lich mehr durch­lebt, er­lit­ten und zu tra­gi­schem oder gu­tem Ende ge­führt wor­den als auf je­nem; und die Fik­ti­on, wel­che den ver­tief­ten Er­schei­nun­gen all­ge­mei­nen, Men­schen­lo­ses nach­geht, könn­te eine Fül­le der Ge­stal­ten voll rea­lis­ti­scher Wahr­heit und voll tiefer­re­gen­der Macht auf un­se­re Phan­ta­sie und un­se­re Emp­fin­dun­gen ent­de­cken, wenn sie sich hei­misch zu ma­chen wüß­te an dem fla­ckern­den Her­de, an dem der wür­di­ge Mann Got­tes mit dem er­grau­ten Haar sei­ne mü­den Füße aus­streckt, nach sei­nen Wan­de­run­gen und Gän­gen durch Wet­ter und Wind und durch »des Pfar­rers Wo­che«.

Es wa­ren zwei geist­li­che Her­ren, wel­che den mir be­nach­bar­ten Pfarr­hof be­wohn­ten. Der Pfar­rer, ein mit­tel­großer, ziem­lich be­leib­ter und be­jahr­ter Mann mit ei­nem of­fe­nen, über­aus gut­mü­ti­gen und blü­hen­den Ge­sicht und ei­nem ziem­lich lee­ren Aus­druck der großen, was­ser­blau­en Au­gen, of­fen­bar ein über­aus ru­hi­ges und fried­li­ches Ge­müt, das das Le­ben, sei­ne Auf­ga­ben und sei­ne Pf­lich­ten so auf­nahm und ge­treu­lich er­le­dig­te wie sei­ne Ho­ren, Epis­tel­frag­men­te und Lek­tio­nen in sei­nem Bre­vier, wie sie eben nach­ein­an­der nach den Jah­res­zei­ten und Ok­ta­ven ge­reiht so da­stan­den, von Leu­ten, die wohl ihre Grün­de dazu ge­habt ha­ben muß­ten, so ne­ben­ein­an­der­ge­stellt und nicht an­ders. Ich habe ihn nie über et­was kla­gen oder et­was in sei­ner Le­bens­ord­nung an­ders wün­schen hö­ren; nur über sei­ne Haus­häl­te­rin klag­te er, die sei­ne Lie­be zu Tie­ren nicht teil­te und zu­wei­len mör­de­ri­sche Ein­grif­fe in sei­nen Hüh­ner­hof mach­te, ohne auf sei­ne Pro­tes­t­ak­tio­nen und die in­tel­lek­tu­el­len Ent­wi­cke­lun­gen der selbst­ge­züch­te­ten jun­gen Hähn­chen Rück­sicht zu neh­men, über de­ren Ge­dei­hen er so recht ei­gent­lich ab ovo ge­wacht. Zu­wei­len tauch­te in den Re­den des gut­mü­ti­gen Herrn frei­lich wohl, wie ein plötz­lich auf­zu­cken­des und rasch wie­der ver­lö­schen­des Licht­blin­ken, ein Wort, eine Äu­ße­rung auf, die ver­riet, daß auf dem Grun­de sei­ner See­le auch der grü­beln­de Ge­dan­ke lie­ge, das klei­ne stil­le Korn, das in so man­chem Pries­ter lie­gen mag, aber das er nicht kei­men und wach­sen las­sen darf. »Es trägt so man­cher«, sag­te er wohl, »sei­ne mo­ra­li­schen Tu­ber­keln in sei­ner See­le mit sich her­um, aber im Lauf der Jah­re sind sie ver­kap­selt und un­schäd­lich für sei­ne Ge­sund­heit ge­wor­den«, oder ein an­de­res Mal: »Den Hund, der un­se­ren Herr­gott an­bellt, den Zwei­fel, ha­ben wir wohl alle ein­mal in uns in Dres­sur neh­men müs­sen, bis er ku­schen ge­lernt hat.« – »Die Phi­lo­so­phen«, sag­te er auch, »bil­den sich ein, der Ma­gen der Mensch­heit ver­tra­ge den Glau­ben nur noch in ho­möo­pa­thi­schen Do­sen, als ob der Glau­be eine Me­di­zin wäre und nicht eine un­um­gäng­li­che Nah­rung der ar­men Men­schen­kin­der.«

Ei­gen­tüm­lich war des Pfar­rers Ver­hält­nis zu sei­nem jün­ge­ren Hilfs­geist­li­chen, ei­nem Mann von etwa fünf­und­drei­ßig Jah­ren und ei­ner ziem­lich auf­fal­len­den äu­ße­ren Er­schei­nung. Er war eine hohe, schlan­ke, mehr ma­ge­re als vol­le Ge­stalt mit ein we­nig vor­ge­beug­ter Hal­tung; sein dunkles Haar war län­ger, als man es ge­wöhn­lich bei dem Man­ne aus dem Kle­rus sieht, und well­te sich ge­kräu­selt über den auf­fal­lend stark über den Schlä­fen vor­ge­wölb­ten Schei­tel­tei­len, die den Sitz des Idea­lis­mus bil­den sol­len; ein großes, leuch­ten­des, brau­nes Auge un­ter hoch­ge­schwun­ge­nen Brau­en und ein re­gel­mä­ßig ge­zeich­ne­ter, schwel­len­der Mund, des­sen Lip­pen oft auf­zuck­ten, als woll­ten sie in ein ver­ach­tungs­vol­les Lä­cheln über­ge­hen, zu dem es dann doch sel­ten kam, der gan­ze tief­erns­te Aus­druck des Ge­sichts, al­les das mach­te ihn auf den ers­ten An­blick an­zie­hend und deu­te­te auf eine un­ge­wöhn­li­che In­di­vi­dua­li­tät.

Die­se aber schi­en nicht von ei­ner Art zu sein, die sich dem Pfar­rer an­zie­hend oder auch nur be­hag­lich ge­macht hat­te, so leicht es auch schei­nen muß­te, des gut­mü­ti­gen al­ten Herrn Freund­schaft zu ge­win­nen und mit ihm auf den Fuß ei­ner war­men und über For­men sich hin­weg­set­zen­den Rück­halt­lo­sig­keit des Ver­kehrs zu kom­men. Ich fand bei mei­nen Be­su­chen nie bei­de zu­sam­men; erst mein Er­schei­nen brach­te den einen oder an­de­ren her­bei, und als­dann noch be­hielt das Ge­spräch et­was Ge­teil­tes, als ob sie wech­sel­sei­ti­ge An­re­den ver­mie­den und vor­zö­gen, alle Ge­dan­ken­äu­ße­run­gen sich ein­an­der in­di­rekt und wie an mich ge­rich­tet zu ma­chen. Die bei­den geist­li­chen Her­ren schie­nen ent­we­der durch ir­gend­ei­nen Ha­der, den sie zu­sam­men ge­habt, aus­ein­an­der­ge­kom­men oder durch ir­gend et­was, des­sen zwie­späl­ti­ge Auf­fas­sung sie ein­an­der fern­hielt, in­ner­lich ge­trennt zu sein. Es ging mich nichts an, was es war, und moch­te ja auch im Grun­de sehr un­er­heb­li­cher Na­tur sein, nur durch die Ein­sam­keit, durch den Man­gel an grö­ße­ren oder hö­he­ren In­ter­es­sen, der aus so man­chen Mücken Ele­fan­ten wach­sen läßt, zu ei­nem Et­was ge­wor­den, was die bei­den Män­ner nicht zu ei­nem ge­müt­li­chen Ver­kehr in ei­ner Le­bens­la­ge kom­men ließ, in wel­cher sie doch so sehr dar­auf an­ge­wie­sen wa­ren.

Im üb­ri­gen schi­en mir die Schuld, wie ich mir nach ei­ni­ger Beo­b­ach­tung sa­gen muß­te, nicht auf der Sei­te des jün­ge­ren Man­nes, we­nigs­tens nicht in sei­nem Ver­hal­ten ge­gen den äl­te­ren, zu lie­gen. Er zeig­te sich ge­gen die­sen von ei­ner kühl förm­li­chen, doch be­flis­se­nen Auf­merk­sam­keit; er war im­mer in der Hal­tung, wel­che das Be­wußt­sein des Un­ter­ge­bens­eins be­reit­wil­lig zur Schau trägt; sein gan­zes We­sen war ja über­haupt das ei­nes Man­nes, der aus ei­ner Welt gu­ter, ge­sel­li­ger For­men in die­se länd­li­che Welt ge­kom­men. Da­mit stimm­te denn ja auch, daß ich ei­nes Ta­ges – er be­geg­ne­te mir auf sei­ner Rück­kehr aus der nächs­ten klei­nen Stadt – ein schwarz­wei­ßes klei­nes Band, ein Or­dens­band, durch sein Knopf­loch schim­mern sah. So et­was ist et­was höchst Au­ßer­ge­wöhn­li­ches bei un­sern Kle­ri­kern; er hat­te es sich in ei­nem Feld­zu­ge als Kran­ken­pfle­ger ver­dient. Üb­ri­gens muß­te die Art von Frei­wil­lig­keit, wel­che er in die durch sei­ne Stel­lung ihm auf­ge­zwun­ge­ne Rück­sicht­nah­me ge­gen den Vor­ge­setz­ten zu le­gen wuß­te, ihm nicht eben ganz leicht wer­den. Denn es konn­te ihm das Be­wußt­sein nicht feh­len, daß er die­sen Vor­ge­setz­ten an Kennt­nis­sen, all­ge­mei­ner Bil­dung und an Schär­fe des Ur­teils um Kop­fes­län­ge über­rag­te; wie of­fen­bar auch der Kreis, dem er durch sei­ne Ge­burt an­ge­hört hat­te, ein ge­bil­de­te­rer ge­we­sen war als der der ehr­li­chen Bür­gers­leu­te, von de­nen der Pfar­rer ab­stam­men moch­te.

Als ich ihm da­mals bei sei­ner Rück­kehr aus der Stadt be­geg­ne­te und ich mich für den Heim­weg ihm an­ge­schlos­sen hat­te, trug er ein paar Bü­cher un­ter dem Arm, und als ich ihn frag­te, wel­che Lek­tü­re er sich mit heim­ge­bracht, zeig­te er sie mir. »Es sind nur äl­te­re Bü­cher«, sag­te er, »die ich mir habe neu bin­den las­sen müs­sen …«

»Weil Sie sie als Ihre Lieb­lings­au­to­ren arg zer­le­sen hat­ten?«, ant­wor­te­te ich, nach den Ti­teln schau­end. Ich fand Bul­wers »Eu­gen Aram« und Burck­hardts »Kul­tur der Re­naissance«, ein we­nig über­rascht über die­se Be­stand­tei­le ei­ner länd­li­chen Ka­plans­bi­blio­thek. »Sagt Ih­nen ›Eu­gen Aram‹ so zu?«

»Er sagt mir nicht zu, aber er fes­selt mich«, gab er mit ei­nem ge­wis­sen Zö­gern, mit ei­nem Ton von Gleich­gül­tig­keit zur Ant­wort.

»Die­ser Ver­such, uns das Un­mög­li­che mög­lich zu zei­gen?«

»Un­mög­lich? Was ist un­mög­lich?«

»In der Wirk­lich­keit viel­leicht nichts. Für den Dich­ter, den Künst­ler vie­les.«

»Auch eine Ge­stalt wie Eu­gen Aram?«

»Ja. Die dich­te­ri­sche Ver­wer­tung des Ver­bre­chens scheint mir nur da mög­lich, wo eine ge­wis­se Grö­ße in der Tat liegt, weil sie eine Tat per­sön­li­cher Auf­op­fe­rung ist, oder wo der spon­ta­ne Af­fekt ei­ner be­rech­tig­ten Lei­den­schaft zu ihr hin­riß. Bei­de Mo­men­te feh­len Eu­gen Aram, und so scheint mir, daß der Au­tor mit sei­nem Buch nur ›Öl und Mü­he‹ ver­lo­ren.«

Er schwieg dar­auf, um nach ei­ner Pau­se zu sa­gen: »Sie mö­gen recht ha­ben, daß das ent­schul­di­gen­de Mo­ment, die uns ver­ständ­li­che, un­se­re Sym­pa­thi­en an sich rei­ßen­de Lei­den­schaft, ihm fehlt. Er hat nur die Ent­schul­di­gung des ›Der Zweck hei­ligt die Mit­tel‹, und die­se reicht in sei­nem Fall bei wei­tem nicht aus.«

»Gibt es Fäl­le, wo sie aus­reicht?«

»O si­cher­lich«, ant­wor­te­te er jetzt mit ei­ner ge­wis­sen Leb­haf­tig­keit. »Mir scheint nichts tö­rich­ter als der Sturm, der sich so­fort er­hebt, wenn man die­sen Satz ver­tei­di­gen will. Die Hälf­te von al­lem, was ge­schieht, die Hälf­te un­se­rer In­sti­tu­tio­nen be­ruht auf die­sem Satz, muß durch ihn sei­ne Recht­fer­ti­gung fin­den. Der Arzt gibt mir Gift ein, wenn er da­durch mei­ne Ge­ne­sung hofft; so ist das gan­ze Le­ben mit Gift durch­tränkt, das zur Auf­recht­er­hal­tung sei­ner Ge­sund­heit nö­tig ist; der Krieg, die To­dess­tra­fe, die Ein­trei­bung der Steu­er vom Ar­men, alle die Be­schrän­kun­gen un­se­rer na­tür­li­chen an­ge­bo­re­nen Frei­heit, de­nen wir uns zu un­ter­wer­fen ha­ben! Wir lü­gen dem Kin­de vor, dem die Wahr­heit nicht taugt, wir be­trü­gen den Ir­ren, den wir in eine Heil­an­stalt lo­cken wol­len …«

»Pa­ter Gury wür­de Sie mit Ver­gnü­gen plä­die­ren hö­ren«, un­ter­brach ich ihn lä­chelnd.

»Ken­nen Sie ihn?«

»Nein.«

»De­sto bes­ser. Er ist eine der Spit­zen je­ner ganz falschen Rich­tung in der Kir­che, die nicht spricht, der Zweck hei­ligt die Mit­tel, son­dern das Mit­tel hei­ligt den Zweck. Durch das hei­li­ge Mit­tel des Glau­bens wird der Zweck, die Fes­se­lung des Geis­tes­le­bens und sei­ne Un­ter­wer­fung, ge­recht­fer­tigt. Sie se­hen mich er­staunt an, weil ich sol­che Ge­dan­ken aus­spre­che?«

»In der Tat, es über­rascht mich …«