Mature - Eva Tropschug - E-Book

Mature E-Book

Eva Tropschug

0,0

Beschreibung

In Maturea verschwinden immer wieder junge Mädchen. Bluebrain möchte das Rätsel um den Verbleib seiner Mitschülerinnen unbedingt lösen und die Schuldigen zur Rechenschaft ziehen. Doch um der Spur der Mädchen folgen zu können, muss er seine Kräfte in den Griff bekommen. Nur wenn er seine skrupellose Gegenspielerin Blackshaft endlich bezwingt, wird ihr nächstes Treffen nicht tödlich für ihn enden.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 267

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Für Emina, Elia und Emil

Inhalt

Kapitel 1: Fliehen

Kapitel 2: Zündeln

Kapitel 3: Erwachen

Kapitel 4: Erkennen

Kapitel 5: Entwischen

Kapitel 6: Umweben

Kapitel 7: Verloren

Kapitel 8: Verstehen

Kapitel 9: Vereinen

Kapitel 10: Abschied

Kapitel 11: Yellowrath

Kapitel 12: Entzweiung

Kapitel 13: Dr. Klein

Kapitel 14: Neuauflage

Kapitel 15: das wahre Gesicht

Kapitel 16: Phantom

Kapitel 17: Verkündung

Kapitel 18: Das Ende

Kapitel 19: Zwei Jahre später

Kapitel 20: Der Untergrund

Kapitel 21: Krieg

Kapitel 22: Rückzug

Kapitel 23: Gefahr

Kapitel 24: Erwachen

Kapitel 25: Befreiung

Kapitel 26: Wahrheit

Kapitel 27: Einsicht

Epilog

Mature

Für Elia

Kapitel 1: Fliehen

Bluebrain rennt über die Dächer Matureas. Ein Feuerball zischt nur knapp an seinem Ohr vorbei. Schneller. Er springt über die Häuserschlucht. Zwanzig Meter. Hoffentlich kann Blackshaft ihm nicht folgen.

What the? Sie hat es auch geschafft. Ihre Sprungkraft muss sich verbessert haben. Wieder verfehlt ihn ein Feuerball nur knapp. Diesmal kokelt sein linkes Hosenbein. Hektisch schlägt er das Feuer während des Rennens aus.

Nur noch wenige Meter, dann hat er es geschafft. Er hört ihn schon vor sich - seinen Rettungsanker - unten am Strip. Er springt und fliegt in die Tiefe. Punktsicher landet er auf dem Dachende des Zuges. Mit 300km/h rast er von Blackshaft davon.

Blitzschnell dreht Bluebrain sich um – da steht Sie - am Rande des Häusermeers. Ihre schwarze Hose glänzt im Licht der aufgehenden Sonne. Das Flammenoberteil glitzert und funkelt im Tau des Morgens. Ihr zerrissener, schwarzer Umhang und ihr langes, blondes Haar flattern im Wind. Ihre Hände leuchten glutrot. Die Augen glimmen grün. Wäre Blackshaft nicht seine erbittertste Feindin, könnte er sich glatt in sie verlieben.

Er lässt sich am Zugende hinunter und schlüpft ins Abteil. Erschöpft sinkt Blue in einen Sitz. Super. Die Hose ist hinüber. Er sollte sich diesmal wirklich eine feuerfeste Hose kaufen. Vielleicht die dunkelblaue, die er letzthin bei Loonys gesehen hat? Wenigstens haben sein Shirt und seine Jacke überlebt. Er wäre echt traurig, wenn sie etwas abbekommen hätten. Die Teile sind nichts Besonderes, aber seine Mutter hat sie ihm geschenkt. Kurz bevor sie starb. Eine einfache Jeansjacke mit einem Comicgehirn auf dem Rücken und passend dazu ein blaues Shirt mit Aufdruck „Brainmaster“. Die Sachen waren ihm damals noch viel zu groß, aber jetzt passen sie endlich.

„Bluebrain“ nannte sie ihn immer liebevoll. Weil er so schlau war. Und seine strahlend blauen Augen ihr so gefielen. „Schlaf gut Bluebrain“ waren die letzten Worte die er von hier hörte. Dann ging sie aus dem Zimmer und kam nie mehr wieder. Damals, in jener schicksalshaften Nacht, als seine Kräfte erwachten….

„Stopp – ich habe wichtigere Probleme.“

Seit zwei Jahren ist er nun im Einsatz für Maturea unterwegs. Er hat alle Schurken besiegt. Bürgermeister Pali hat ihm etliche Orden verliehen für seine Taten. Die Straßen könnten endlich wieder sicher sein. Wäre da nicht diese dumme Zicke Blackshaft.

„Immer wieder schafft sie es, mich zu dissen.“ Stößt er wütend aus und schlägt mit der Faust auf die hölzerne Armlehne. „Was bringt mir all meine Intelligenz, wenn ich mich von dieser Ziege so in Rage bringen lasse? - Fuck – jetzt tut mir auch noch die Hand weh!“ Schnell lässt er eine kleine Menge Eis in seine pochende rechte Hand fließen. Vor Erleichterung seufzend sinkt er in den Sitz zurück.

Dass seine bockige Gegenwehr, beim Gedisst werden, seine tödlichen Intelligenzstrahlen blockiert, ja das weiß er. Ist ja auch kein Wunder! Wie soll man einen Intelligenzstrahl erzeugen, wenn das ganze Gehirn in Komastarre liegt?

Er wirft seinen Kopf gegen die Lehne. „Alter, du bist so ein Vollhonk!“ wütet er vor sich hin. „Jedes Mal wieder!“ Er tritt mit dem Fuß gegen den Vordersitz. „Jedes!“ Wumm. „Verkackte!“ Wumm. „Mal!“ Wumm.

Und warum?

„Warum lässt du dich von dieser Schlampe jedes Mal wieder provozieren? Weil Baum.“

Er muss das Problem endlich in den Griff kriegen, sonst würde sie ihn das nächste Mal grillen! Was hat es ihn zu interessieren, wenn sie dumme Sprüche über ihn macht? Soll sie doch! Was nutzt ihm die höchste Intelligenz der Welt, wenn diese Tusse - mit ihrem Geplapper - ihn jedes Mal aufs Abstellgleis fährt?

Aber warum kann er in Blackshafts Gegenwart seine Eishände nicht aktivieren?

Die kleinen Fischerhäuschen von Bluepoint fliegen am Fenster vorbei – noch zwei Stationen, dann ist er da – in Cliffend. Matureas protzigstem Viertel. Dort lebt er. Ganz am Rand der Klippe. Wo das Ende der Welt steil in den tiefblauen, wogend-murmelnden Ozean abfällt. In dieser riesigen Villa von Robert. Seinem Ziehvater. Nein, Blue passte dort wirklich nicht hin.

Stopp – zurück zu den dringenderen Problemen.

Warum konnte er seine Eishände nicht mehr einsetzen wenn Blackshaft in der Nähe war? Das ist das einzige Rätsel dieser Welt, welches er noch nicht gelöst hat. Er ist jetzt schon mehrfach auf sie getroffen und anfänglich hat alles wunderbar geklappt. Doch schon beim zweiten Mal waren die Eisstrahlen weniger geworden. Statt perfekt damit zu fliegen, konnte er nur noch versuchen, sicher auf den Boden zu segeln. Beim dritten Mal langte die Energie gerade so aus, um ihre Feuerbälle abzuwehren - und heute? Ja heute, da ging gar nichts mehr. Nicht mal mehr das kokelnde Hosenbein konnte er löschen. Wie ein Normalo musste er es ausklopfen. Er rollt mit den Augen. Pffff. Das passierte ihm noch nie. Sonst sind die Strahlen super zuverlässig. Aber jetzt sind sie blockiert, sobald er Blackshaft näher als 50m kommt. Auf Distanz kann er sie einsetzen, ja – doch dann verlieren sie zu viel Energie und bringen nichts mehr gegen Blackshafts Feuerbälle. Die saugen sich während des Fluges mit immer mehr Energie voll.

Verzweifelt legt er die Hände an den Kopf und massiert sich die Schläfen.

Es muss an Blackshaft liegen! Irgendetwas muss es da geben. Er muss das herausfinden!

Der Zug hält quietschend im Bahnhof von Cliffend. Bluebrain steigt aus und schlendert den gewundenen Pfad an der Klippe entlang nach Hause. Immer höher baut die Klippe sich hier am Ende von Matureas Bay auf. Ragt wie ein untergehendes Boot aus dem dichten Dschungel hinter der Stadt hervor. Das hohe, feuchte Gras streift seine Arme. Die Luft riecht nach Salz und Tang. Eine leichte Brise vom Meer verstrubbelt ihm das kurze schwarze Haar. Die Möwen kreischen laut, streiten sich um einen Fisch. Die aufgehende Sonne kriecht glutrot über die dschungelüberzogenen Berge von Organa. Glutrot - so wie Blacks Feuerbälle.

Er bleibt kurz stehen und atmet tief durch. Noch ein letzter Blick zurück auf die Skyline hinterm Strip. Dort unten in der Bucht. Dort, wo sein zu Hause war.

Abrupt dreht er sich um und läuft den Kiesweg zum letzten Anwesen am Rand der Klippe hinauf. Eine herrschaftliche Villa aus dem vorigen Jahrhundert. Aber innen auf modernstem Stand. Mit allen Features die man sich nur vorstellen kann.

Sein Ziehvater wird sehr unzufrieden darüber sein, dass er vor Blackshaft fliehen musste. Robert wartet jeden Morgen auf ihn, in der Hoffnung, dass er Black endlich eliminiert hat. In der Hoffnung, ihm endlich, in einer großen Zeremonie, die höchste Auszeichnung der Stadt verleihen zu dürfen. Den goldenen Engel.

Er passiert den gusseisernen Torbogen, in welchem, mit feinen goldenen Lettern, der Familienname Pali eingewebt ist. Umrankt von einem Unendlichkeitssymbol aus Jiaogulan – dem Kraut der Unsterblichkeit.

Robert steht auf dieses Kraut.

Er liebt es, sich morgens mit einer Tasse Jiaogulantee auf die Terrasse zu setzen und über die Klippen auf seine Stadt zu blicken. Stolz auf Bluebrains Erfolge.

Gebannt lauscht er dann Blues Berichten über die Säuberung der Stadt.

All die Schurken, die dort seit wenigen Jahren ihre Spielchen treiben. Bis auf Blackshaft hat Blue sie alle erledigt.

Danach fährt Robert mit seinem Aufzug die 100m hinunter an seinen Privatstrand und geht schwimmen. Während Blue erschöpft in sein Bett sinkt und versucht noch ein paar Minuten Schlaf zu bekommen bevor er zur Schule und ins Training bei Robert gehen muss.

Zerknirscht betritt Blue die Villa.

Kaum schließt er die Tür, steht auch schon Robert auf der anderen Seite der Eingangshalle. An seinem Tee nippend. „Und?“ fragt er gespannt.

Bluebrain schüttelt den Kopf. „Hab mich dissen lassen“ murmelt er mit hängenden Schultern vor sich hin und schleift sich die geschwungene Freitreppe hoch. „Ich geh pennen“

Robert sagt nichts, aber die Enttäuschung ist ihm ins Gesicht geschrieben. Leise folgt sein vorwurfsvoller Blick Bluebrain die Treppe hinauf. Kurz bevor Blue seine Zimmertür schließt ruft Robert ihm noch gezwungenaufmunternd zu: „Komm um drei zu mir ins Büro. Wir trainieren weiter daran. Wir kriegen das sicher bald in den Griff!“

Kapitel 2: Zündeln

Blackshaft steht am Rande des Daches und blickt in die Tiefe. Clever dieser Bluebrain, das muss sie ihm lassen. Genau auf die Sekunde ausgerechnet, dass der Expresszug am Strip vorbeikommt.

Tja, für heute war‘s das. Kilian wird sie jetzt nicht mehr ausschalten können. Der hat sich jetzt in irgendein Loch verkrochen.

Ärgerlich, dass Blue sie unterbrochen hat, aber es wird sich eine andere Gelegenheit ergeben. Kilian kann sich nicht für immer vor ihr verstecken.

Sie genießt noch einmal den weiten Blick über das erwachende Maturea. Fühlt den salzig-frischen Wind auf ihrem Gesicht. Spätestens in ein paar Stunden wird es in ihrer Hütte am Stadtrand wieder unerträglich feucht und warm sein. Wenn der Dschungel ausdampft, als würden die Geister der Toten daraus hervorkriechen.

Sie legt den Kopf in den Nacken, breitet die Arme aus und lässt ihre Seele davonfliegen. Sie umspannt die ganze Bucht. Spürt die vorfreudigen Emotionen der Fischer auf dem Heimweg zu deren Frauen. Den Stress der Menschen auf dem Strip, die zur Arbeit hetzen. Die Freiheit der Vögel, die über der Bucht kreisen. Die unbändige Freude der Kinder, die auf dem Schulweg alles um sich herum vergessen haben und barfuß durch die Wellen hüpfen.

Das Rauschen der Brandung erweckt jedes Mal diese Sehnsucht nach Unendlichkeit in ihr. Diese Sehnsucht, sich fallen zu lassen, die Augen zu schließen und die Emotionen der ganzen Welt in sich aufzusaugen. Dieses bunte Meer an Gefühlen, welches für andere unsichtbar - für sie aber irisierend, faszinierend und leuchtend die ganze Welt umspannt.

Es tut gut, nach dem Kampf gegen Bluebrain, ihre Seele baumeln zu lassen.

Sie versteht das Ganze nicht, aber unerklärlicherweise hat sie eine extrem starke Bindung zu ihm. Ihre Fähigkeit emotionale Wellen zu erzeugen lässt sie bei normalen Menschen die Gefühle manipulieren. Bei Bluebrain kann sie diese Wellen nutzen, um dessen Eiskräfte zu blockieren. Am Anfang war es kompliziert, aber jetzt hat sie den Dreh raus. Er konnte nicht einmal sein Hosenbein löschen. Ein verschmitztes Lächeln umspielt ihre Lippen. „Ich habe ihn in der Hand.“

Zufrieden mit sich lässt sie ihre Seele noch weiter in den Himmel hinauf fliegen. Die Energie der Milliarden Emotionen der Stadt gibt Blackshaft Kraft. Lädt sie auf. Elektrisiert sie bis ihre Fingerspitzen kribbeln.

Schweren Herzens hält sie inne. „Ich habe einen Plan. Danach ist alle Zeit der Welt für Freiheit und Unendlichkeit. Ich bin kurz vor der Ziellinie.“

Widerstrebend zieht sie sich wieder in sich zurück und öffnet die Augen.

Dort hinten rechts, ganz am Ende des Kliffs, kann sie gerade noch Palis Villa ausmachen. Das Haus leuchtet blutig-glutrot in der Morgensonne. Glutrot wie das Leuchten ihrer Hände - blutig wie das, was an seinen Fingern klebt. Wie passend!

Sobald sie Kilian erledigt hat, wird sie sich seiner annehmen. Pali ist der letzte auf ihrer Liste. Bestimmt hat er schon Angst. Ein teuflisches Lächeln huscht über ihr Gesicht bei dem Gedanken daran, wie er sich in seiner protzigen Angebervilla in die Hosen scheißt. Zitternd vor ihr, dem kleinen Mädchen. Er weiß mittlerweile bestimmt, dass er der nächste auf ihrer Liste sein wird.

Das ist das Schönste an ihrem Plan. Die Angst der alten Säcke vor ihr da sie genau wissen: Blackshaft werden sie nicht überleben. Die ganze Stadt stank nach dieser Angst. Und als sich erst unter den feinen Herren des Zirkels herumsprach, dass es qualvoll für sie enden wird….

Ein schneller Tod war viel zu gut für diese Kotzbrocken. Da kroch die Angst jedem Einzelnen derart stark aus den Poren, dass es keine große Arbeit mehr war die richtigen Männer ausfindig zu machen.

Ein diabolisch-rotes Funkeln erleuchtet Blacks Augen. Diese reichen Säcke denken doch immer ihr Geld würde sie aus allem raus kaufen. Alles von ihnen fernhalten.

Schallend lachend dreht sie sich um, lässt die Dachkante hinter sich und schlendert dem Sonnenaufgang entgegen - Richtung Dschungel.

Vielleicht geht sie noch kurz über den Markt und holt sich so einen leckeren Blackberrycrumble zum Frühstück? So, wie sie es vor vier Jahren oft hatten. Als ihr Vater noch lebte und morgens wenn er von der Nachtschicht kam ab und an einen dieser buttrig-zuckrigen Brombeerkuchen mitbrachte.

Blackshaft läuft das Wasser im Mund zusammen. Schon allein der Gedanke an die im Mund platzenden Brombeeren, die sich dann mit den buttrig-zimtigen Zuckerstreuseln vermischen. Herrlich. Black kann den Kuchen schon förmlich auf der Zunge schmecken!

An ihrem elften Geburtstag hatten sie den letzten, gemeinsamen Blackberrycrumble. „Happy Bitchday meine süße Brombeere“ sagte ihr Vater lachend, als er ihr den duftenden Kuchen überreichte. Als Geburtstagskerze hielt er seine brennende Fingerspitze über den Crumble. Sie pustete den Finger aus, nur damit er ihn wieder aufflammen ließ. Bis sie ihm schließlich zickig und genervt gegen das Schienbein trat. Ihr Vater nahm es immer mit Humor, wenn sie zickig wurde. Er wusste ja, es kam ihr nur zu Gute.

Je zickiger Blackshaft ist, desto besser und stärker wird ihre Feuerkraft. Ein einfaches Prinzip und deswegen neckte er sie auf seine liebvolle Art, bei jeder sich ihm bietenden Gelegenheit.

Doch leider war man mit Superkräften nicht unsterblich. Und wie jeder ihrer Familie, verbrannte auch ihr Vater kurz nach ihrem elften und seinem dreißigsten Geburtstag an seiner inneren Hitze. Bisher hat niemand in ihrer Familie ein Heilmittel dagegen gefunden. Alle hatten ein kurzes aber dafür hochintensives Leben gehabt. „Mir bleiben ja noch fünfzehn Jahre!“

Fröhlich springt Blackshaft die letzten Sprossen der Feuerleiter hinunter. „Fünfzehn Jahre ist eine lange Zeit. Da kann ich noch vieles erleben - sobald ich diese Ekelpakete Pali und Kilian erledigt habe!“

Mit einem breiten Grinsen beginnt sie pfeifend und singend durch die erwachenden Gassen der Stadt zu mäandern. Immer der Sonne entgegen.

Sie liebt diese Stadt einfach. Sie pulsiert wie ein großes waberndes Wespennest. Immer laut. Immer grell. Immer lebendig. Ein elektrisierender Schmelztopf der Emotionen.

Ihre Fähigkeiten helfen ihr dabei Händler und Wirte zu manipulieren, so, dass sie ihr freudig alles schenken, was sie zum Leben braucht. Im Gegenzug lässt sie deren Sorgen und Probleme geringer erscheinen.

Schulbildung war unnötig. „Wozu sollst du unwichtigen Blödsinn lernen, wenn du eh mit dreißig tot bist?“ fragte ihr Vater lachend und achselzuckend, wenn sie sich wunderte, dass sie da nicht hingehen sollte. Dann warf er sie hoch in die Luft, wirbelte sie herum und versprach ihr, dass er seiner Lieblingsbrombeere alles beibringen wird, was sie zum Leben braucht.

So lernte sie von ihm Feuerbälle werfen, Emotionswellen aussenden und sich über die kleinen Dinge des Lebens freuen. Schmetterlinge. Sonnenstrahlen. Meeresrauschen. Brombeeren.

Brombeeren werden sie wohl für immer an ihn erinnern. Jedes Mal sieht sie seine lila strahlenden Augen vor sich, wenn sie eine in den Fingern dreht. „Ich vermisse dich!“ seufzt Black. „Es war so eine schöne Zeit mit dir. Hättest du doch noch ein bisschen länger leben können!“

Der Sinn darin, sie nicht auf die Schule zu schicken, war aber wohl, dass sie so niemand im System kannte. Damit war es ein leichtes gewesen dem staatlichen Kinderheim zu entgehen. Keiner kümmert sich um ein kleines Mädchen, das am Stadtrand in einer Dschungelhütte lebt. Gut genährt und unauffällig.

Blackshaft passiert das Lokal „Nachtschicht“. Sie lacht laut auf. Von wegen Nachtschicht. Nachdem sie auf sich gestellt war, fand sie heraus, was ihr Vater nachts trieb. Er zog los und brach in Villen ein um ihrer beider Leben zu bezahlen. Er war nicht der einzige Dieb. Im Außenrand von Maturea gehörte es noch bis vor kurzem zum guten Ton, sich so seinen Lebensunterhalt aufzubessern. Sie schüttelte den Kopf. Dass ihr Vater das ehrenvoller fand, als die Händler zu manipulieren, bleibt ihr bis heute unerklärlich.

Seit Bluebrain vor zwei Jahren aufgetaucht ist, werden diese Kleingauner aber immer weniger. Keiner traut sich mehr sein Leben für ein paar Cent mehr in der Tasche aufs Spiel zu setzten.

Blackshaft biegt rechts auf den großen Marktplatz ab und bummelt durch die Stände. Die Händler winken ihr fröhlich zu. Sie schenkt ihnen Freude und Heiterkeit.

Pietro gibt ihr ein Glas Vanillemilch. Ein paar Stände weiter tröstet Black Donna, die von ihrem Mann verlassen wurde, während Donna ihr eine Scheibe Erdbeermarmeladenbrot serviert. Donnas rotgetigerte Katze schmiegt sich an Blacks Bein und Blackshaft krault sie hinter dem Ohr, bis sie laut schnurrend als kleine Fellkugel am Boden zusammensinkt. So wie Blackshaft, wenn man sie krault. Dann verpufft all ihre Zickigkeit und sie rollt sich zusammen, wie ein kleines Kätzchen und liegt zahm schnurrend in der Ecke. Gut, dass das keiner weiß….

Wie schön war es damals, als ihr Vater sie noch jede Nacht in den Schlaf kraulte. Versonnen lächelt sie auf das Kätzchen hinab.

Nachdem Donna ihr Herz ausgeschüttet hat verlässt Black - beladen mit allerlei Leckereien und einem Blackberrycrumble - den Markt und wandert weiter gemütlich durch die nun kleiner werdenden Häuserzeilen Matureas.

Dort drüben in dem schicken Bungalow mit Garten, da war sie vor gut drei Jahren, nachdem sie versehentlich Markus umgebracht hatte.

Ja. Als sie alleine war ging es ihr gut. Ihr Vater hatte sie auf das Leben ohne ihn vorbereitet. Problematisch waren nur diese reichen Säcke, die immer mal wieder durch die Gassen des Armenviertels am Dschungelrand streiften und junge, hübsche Mädchen ansprachen. Viele gingen mit ihnen, in der Hoffnung auf ein besseres Leben – keine kam wieder.

Auch Blackshaft wurde immer wieder bedrängt. Sie solle doch nur mal kurz mit rüber in die Stadt kommen. Man würde da ein Fotoshooting planen. Es gäbe dort einen Filmdreh. Man suche noch ein Model genau wie sie. So hübsch und natürlich. Die Gage sei gut.

Kein Wort glaubte sie diesen Wixern. Die sahen wirklich vertrauenswürdig aus. Meistens Mitte dreißig. Reich, gepflegt und gut duftend. Schmeichelnde, aufmunternde Worte gemischt mit bewundernden Blicken. Väterliche Berührungen an der Schulter. Aber ihr Emotionstalent sagte ihr, da stimmt etwas nicht. Es roch nach Falschheit und Widerwärtigkeit.

Am Anfang sagte sie noch freundlich aber bestimmt, dass sie kein Interesse daran hat. Dann wurden die Männer aggressiver und bedrängender. Einer versuchte sogar, sie brutal in sein Auto zu zerren.

Ihr Vater sagte immer: „Setzte deine Fähigkeiten nicht grundlos ein. Manipuliere niemanden mehr als nötig. Es ist eine große Verantwortung, die auf uns liegt.“

Doch in dem Moment, als dieser wütende Mann sie an den Haaren packte und in sein Auto schleifen wollte, brach es aus ihr heraus. Sie manipulierte ihn und anstatt dass sie ihn dazu brachte, einfach von ihr abzulassen, ließ sie ihn vor den vorbeirauschenden Laster springen. Sie war so schockiert über sich selber. Das hatte sie so nicht beabsichtigt, aber ihr blieb in dem Moment nur noch die blanke Panik. Anstatt ihn einfach wegzuschicken, oder leicht anzukokeln, hatte sie völlig den Kopf verloren und ihn vor den Laster rennen lassen.

Sie nahm seinen Geldbeutel und Schlüsselbund mit und lief davon. Recherchierte über den Mann - Markus. Besuchte seine Villa. Fand alles über ihn heraus.

Nach und nach offenbarte sich ihr ein unglaubliches Grauen. Das Wissen darüber nahm ihr sämtliche Schuldgefühle und brachte die Erkenntnis, dass er noch viel zu gnädig gestorben war.

Und noch viel wichtiger, dass er nicht der Einzige in Maturea ist. Das es viele von ihnen gibt. Widerlich. Ekelhaft. Keiner weiß von diesem Zirkel. Niemand tut etwas dagegen.

Und ihr Anführer heißt Robert Pali.

Kapitel 3: Erwachen

„Wach auf du Sack“ rrrrrr „Wach auf du Sack“ rrrrrr Blue tastet nach seinem Phone. „Wach auf du Sack“ Schreit es wieder. Rrrrrrr hüpft es auf seinem Nachttisch. Fuck schon acht Uhr! Er muss los.

Er springt aus dem Bett. Sein Kopf brummt und pocht als säße ihm ein kleiner Gnom mit Hammer im Schädel und klopft fröhlich gegen seine Schädeldecke. Das Zimmer verschwimmt vor ihm. Er stützt sich auf den Stuhl und versucht sich zu fokussieren. Langsam wird die Welt wieder klarer.

Am besten trinkt er erst noch einen von Roberts gemixten Supershakes, die immer im Kühlschrank für ihn bereit stehen. Das wird ihn wieder fit machen.

Dann nix wie los, in die Schule. Ist zwar pure Zeitverschwendung, da er das sowieso alles kann. Eigentlich sollte er lieber mal die Lehrer unterrichten. Aber Robert besteht darauf, dass er für seine Zukunft einen offiziellen Schulabschluss vorweist – in einer halbwegs normalen Schulbesuchszeit. Er denkt, es sei nicht gut für ihn, nur als der hyperintelligente kleine Junge vom Strip gesehen zu werden. Könnte ihm einen Platz in irgendeinem Labor einbringen. Natürlich als Versuchsobjekt und nicht als Forscher….

Besser sei es, einfach nur als Schulbester normal abzuschließen und dann, weit weg von all dem Fame um ihn herum, zu studieren.

Von seinen Superkräften wusste keiner – ganz Maturea dachte, er hätte die Schurken durch Recherche und seine anerkannte, hohe Intelligenz überführt. Robert ist ein Genie darin, Bluebrain als berühmten, hochbegabten Stadthelden zu präsentieren und gleichzeitig seine besonderen Fähigkeiten zu verbergen. Bluebrain war gerade mal fünfzehn - aber er stand wohl schon jetzt auf ewig in Roberts Schuld. Er seufzte. Dieser Zwiespalt zwischen Dankbarkeit und Abhängigkeit, Leistungsdruck und Ranschmeißerei wuchs ihm langsam über den Kopf.

Noch ein kurzer Besuch im Bad – Spiegelbild? check – Duschen? Unnötig, Deo tut‘s auch – Pickel? Vorhanden (Gut. Was wäre ein Jugendlicher ohne leuchtenden Nasenpickel – seine Mum sagte immer augenzwinkernd: die haben Jungs damit man im Nebel den Weg zu ihnen findet) – Bartwuchs fehlt immer noch- jetzt noch einen ordentlichen Furz absetzten – Aaaaaaah das tut gut - uääääääh jetzt aber schnell raus aus dem Bad….

Auf dem Weg schnappt Blue sich seine Schultasche, rutscht elegant das Treppengeländer hinunter und rennt in die Küche.

Heut kommt ihm das ganze Schauspiel Schule endlich mal zu Gute. So kann er seine Mitschüler aus den anderen Stadtvierteln zu Blackshaft befragen. Unauffällig natürlich. Vermutlich versteckt auch sie ihre Feuerkraft vor ihren Mitmenschen. So wie er seine Eisstrahlen. Aber allein ihr Äußeres. Das Flammenshirt, das gute Aussehen und die ungewöhnlich hellen, blonden Haare sollten dem ein oder anderen bekannt vorkommen. Er wird einfach so tun als hätte er sie in der Stadt gesehen und sich verliebt. Irgendein romantischer Trottel wird ihm dann schon helfen wollen.

Er schüttelt seinen Shake auf. Heute Karamellgeschmack. Lecker. Robert hat ihm auch noch ein Nutellabrötchen geschmiert und hingelegt. ‚Irgendwie tickt der mich voll. Hätte nie gedacht, dass er mich mal so annimmt. Als wäre ich sein eigener Sohn!‘

Bluebrain tritt ans Fenster und betrachtet den sanften Regenschauer draußen über dem Ozean. Es ist schon toll, endlich einen Vater zu haben. Ja, er ist nicht sein echter Vater, aber trotzdem. Es ist anders als mit seiner Mutter. Robert versteht ihn besser in seinen Ängsten und Zweifeln, als seine Mutter es je gekonnt hätte. Endlich hat er einen Mann, mit dem er über manche Dinge offen reden kann. Dinge, die ihm vor seiner Mutter peinlich wären.

Das Licht der Sonne bricht sich in den tausend feinen Tröpfchen des Nieselregens und spannt einen breiten Regenbogen bis hinüber zum anderen Ende der Bucht. Wie eine riesige Brücke - von seiner neuen Welt - über seine alte Welt – bis in die Welt der Armut am Rande des Dschungels. „Sichtbar - aber trotzdem unüberwindbar.“ ruft er und weist ausladend mit seiner rechten Hand auf das Wunder vor seinem Fenster. „Was bin ich heut doch wieder poetisch.“ Er prostet seinem Publikum zu und verneigt sich vor diesem – den immerfort glotzenden Möwen auf der marmornen Balustrade am Abgrund und den beiden antiken Statuen am Poolende. Die Liebesgöttin Aphrodite und die Göttin der ewigen Jugend Hebe. Die Liebe und die Jugend. Vollgekackt mit Möwenscheiße.

Letztes Jahr ist er einmal heimlich ans Ende eines Regenbogens über die Bucht geflogen. Aber einen Topf Gold hat er dort drüben im Dschungel nicht gefunden. Er schmunzelt. Wie es der Zufall wollte, lag dort ein alter, verrosteter, leerer Eimer.

Mmmm. Der Shake schmeckt diesmal noch leckerer als sonst. Und das Nutellabrötchen ist noch leicht warm in der Mitte. Schnell schnappt Blue sich eine Packung Cracker für auf den Weg und läuft Richtung Bahn.

Er hat jetzt eine Woche lang im Internet und den Stadtarchiven recherchiert. Nichts. Im Meldeamt nachgefragt. Nichts. Die Schuldatenbank gehackt. Nichts. Blackshaft existiert einfach nicht. Zumindest im System. Aber sie wäre nicht das erste Kind, das dem System vorenthalten wurde. Es kommt immer mal wieder vor, dass Eltern es schaffen die Schwangerschaft und Geburt zu verstecken. Nicht jeder will sein Kind im System erfasst haben. Organa speichert seit fünfzig Jahren alle Daten der Neugeborenen. Fast alle Daten. Die Kinder der Eliteschicht sind befreit. Diese dürfen tun und lassen was sie wollen. Aber alle die nicht zu dieser kleinen Gruppe gehören, werden komplett erfasst. DNA. Noten. Fehlzeiten in der Schule. Prügeleien. Es ist schwer einen anderen Job zu bekommen, als den, der einem vom System zugewiesen wird. Nur die hochintelligenten haben eine gewisse Auswahl, alle anderen müssen eben das tun, was die Datenbank des Systems „empfiehlt“.

Angeblicher Sinn des Ganzen ist es, jedem den passenden Beruf auszuwählen um auf lange Sicht nur noch glückliche Bürger zu haben. Das soll die Kriminalitätsrate bis in dreißig Jahren gegen null sinken lassen. Bluebrain sieht darin lediglich einen Punkt mehr, um die Bürger komplett zu überwachen.

Wäre er Roberts richtiger Sohn, wäre er auch nicht im System, aber er kommt aus der Mittelschicht. Sein Vater ist unbekannt. Seine Mutter arbeitete im Büro. Robert tut was er kann, um ihn als eine der wenigen Ausnahmen in die Elite zu bekommen. Wenn er so weiter macht, sieht es gut aus. Dann werden all seine Daten gelöscht und er steht bis an sein Lebensende in Roberts Schuld.

Pünktlich kommt Bluebrain am gläsernen Bahnhof von Cliffend an und steigt in den Expresszug zur Stadt. Die Schule hat er nicht wechseln wollen. Die anderen Richies gehen alle hier in Cliffend auf das Eliteinternat – Robert hat Beziehungen und könnte ihn trotz der Systemzugehörigkeit dort unterbringen. Aber Blue will lieber bei seinen Freunden auf der öffentlichen Schule bleiben. Da ist es wenigstens nicht peinlich, wenn er mit seinem Brainmastershirt auftaucht. Heute hat er es wieder an. Er vermisst seine Mum gerade mal wieder total, da hilft ihm das Shirt ein wenig. Er hat auch ein bisschen ihres Parfums an die Kragenecke gesprüht, damit er sie riechen kann. Unauffällig und wenig. Nur einen Hauch. Nicht, dass die anderen es merken und ihn auslachen, weil er nach Weiberparfüm stinkt. Obwohl, so langsam gehört man ja zu den Coolen damit. Hat eine Tusse am Start, ist voll fly. Vielleicht kann er es ja demnächst großzügiger aufsprühen.

Nach kurzer Fahrt im Express springt er in der Stadt auf den Bahnsteig. „Ehrenmann“ grüßt ihn sein bester Kumpel. „Alter“

„Was macht die Jagd?“

„Nicht viel. Nur noch eine übrig.“

„Hab ich meiner Mum auch gesagt, aber sie hat immer noch Angst Lucy aus dem Haus zu lassen. Sie ist ja jetzt gerade elf geworden und genau im beschissenen Alter.“

„Ich kann deine Mum verstehen. Ich hab die schließlich alle aufgespürt und mit Bürgermeister Palis Spezialwaffe eliminiert.“ Robert hatte sich die Geschichte der Spezialwaffe ausgedacht, um Blues Eisstrahlen und seine Fähigkeit, tödliche Intelligenzwellen aus den Augen zu schießen, zu vertuschen. Angeblich konnte nur ein Normalo mit besonders hoher Intelligenz die Spezialwaffe abfeuern, so dass nur Bluebrain in Maturea dafür in Frage kam. Blue fand diese Geschichte so dumm und platt. Aber ganz Maturea war wohl zu froh, die Schurken loszuwerden, ohne sich selber gefährden zu müssen, als dass man sich darüber weitere Gedanken gemacht hätte. Jedenfalls funktionierte die Story und so erzählte er sie eben immer weiter. Erst wenn er frei vom System ist, wird er seine Kräfte zeigen können. Bei der Elite sind Superkräfte nicht ungewöhnlich. Aber, wie er kürzlich herausfand, zahlen sie dafür viel Geld um sich diese moderne Technik einpflanzen zu lassen. Keine echten Superkräfte also, sondern getunte Körperteile. Aber mit erstaunlichen Ergebnissen. Wusste nur keiner. Die Elite stellte es so dar, als seien sie eine bessere, göttlichere Rasse der Menschheit. Wenn alle Jahrzehnte mal ein Normalo aufgenommen wurde, dann bekam er eine „Impfung“ und diese sehr schmerzhafte Prozedur „überlebten“ nur wenige. Danach seien die Superkräfte „aktivierbar“ aber meist tötete die „Aktivierung“ die Anwärter oder sie hatte keinen „Erfolg“ und der Anwärter auf die Elite wurde wieder degradiert und dem System zugeführt. Das Ergebnis davon: Heute probiert keiner mehr in die Elite aufgenommen zu werden, aber die Elite bleibt offiziell für alle offen, die klug genug sind.

Nachdem sie den restlichen Weg schweigend und am Phone tippend hinter sich bringen, biegen die beiden Jungs gemütlich von der Hauptstraße nach links ab und betreten das backsteinerne Schulgebäude. Sie nähern sich widerwillig dem Chemiesaal – der Chemielehrer Herr Götzmann war alt und langsam. „Jedes Mal ein Erfolg wenn Götzi zum Stundenende noch wach ist“ witzelt Bluebrain. Und erntet schallendes Gelächter von der Klasse. Es gibt immer mal wieder den Gag, kurz vor Stundenende ein altmodisches Weckerklingeln auf dem Phone abzuspielen. Bringt stets wieder Freude darüber, wie Götzi dann panisch von der Tafel weg hüpft und sich erschrocken schüttelt.

„Hoffentlich kriegst du die Letzte bald. Lucy nervt mich ständig, weil sie auch mal raus will. Aber Mum erlaubt ihr nur den Schulweg. Mehr nicht.“

„Denk immer an Maria. Sie hat es erwischt als wir zwölf waren. Einfach so von einem Schurken ins Auto gezerrt und weg war sie. Ich kann es immer noch nicht glauben, dass diese Typen junge Mädchen essen um Superkräfte für ihre Einbrüche zu haben. Ich verstehe nicht, wie das funktionieren soll. Aber Fakt ist, die Mädchen verschwinden und die Einbrüche in den Häusern der Elite waren spektakulär. Von normalen Menschen nicht machbar.“

„Ich habe gestern in einem Post gelesen, dass sie das Superkraftgen der Elite geklaut haben, aber die Kräfte bei uns Normalos nicht dauerhaft halten. In jungen Mädchen ist wohl irgendein Hormon, dass die Abstoßung der Superkraft verhindert.“

Die Schulglocke klingelt und der Lehrer beginnt seinen Chemieunterricht.

Blue ist froh darüber. Er hat schon so viel Mist von seinen Mitschülern darüber gehört, warum diese Superschurken die Mädchen entführen und essen. Eines war jedenfalls Fakt. Die Schurken waren alle überführt worden - von ihm. Sie hatten alle – ohne Ausnahme - spektakuläre Einbrüche verübt und haufenweise Wertsachen in ihren heruntergekommen Buden am Stadtrand gebunkert. Die Einbrüche fanden an Stellen statt, an die normale Menschen nicht rankamen. Und es verschwanden immer wieder junge Mädchen.

Bis auf Blackshaft hat er alle Schurken eliminiert. Auch wenn keiner seine Kräfte gegen ihn eingesetzt hatte. Blackshaft stammt nicht aus der Elite und hat tatsächlich Superkräfte. So wie er. Warum die anderen ihre Kräfte nicht einsetzten war ihm ein Rätsel – aber sie waren alle immer so überrascht davon gewesen, wenn er sie einfror. Vermutlich waren sie dann einfach genauso paralysiert wie er, wenn Blackshaft ihn disste. Robert hatte ihm beigebracht direkt nach dem Einfrieren die Schurken mit seinem Augenstrahl zu töten, bevor sie sich besinnen konnten und zurückschlagen würden.

Das Einzige, was er an dem Gesamtgefüge nicht verstand, waren diese verschwundenen Mädchen. Er selber isst ja auch keine Mädchen um seine Superkräfte zu erhalten – oder wer weiß. ‚Was ist eigentlich in meinen Shakes?‘

Bis vor kurzem glaubte er einfach, was Robert, das Internet und die Menschen um ihn herum sagten. Aber so langsam zweifelt er diese ganze Geschichte doch ziemlich an. Sobald er mit Blackshaft fertig ist, wird er sich darum kümmern müssen, was es mit den verschwundenen Mädchen auf sich hat. Denn obwohl er bis auf Black alle Schurken eliminierte, verschwinden die Mädchen immer noch in gleicher Zahl. Auch wenn die Medien und seine Auszeichnungen als Stadtheld etwas anderes suggerieren. Es stimmt nicht. Er hat alle Schurken eliminiert und trotzdem verschwinden weiterhin die hübschesten, jungen Mädchen spurlos. Und wenn Blackshaft die alle essen würde, wär sie sicher eine kleine dicke Pummelfee und nicht so ein heißer Feger!

Die Glocke läutet und übertönt sein Lachen, das ihm herausrutscht als er daran denkt, wie Black als dicke Pummelfee hinter ihm herhecheln würde.