Mediengenerationen - Klaus Beck - E-Book

Mediengenerationen E-Book

Klaus Beck

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Beschreibung

In der öffentlichen Debatte ist häufig von 'Digital Natives", der 'Handygeneration' oder der 'Fernsehgeneration' die Rede. Die Annahme, dass Mediennutzung und aneignung eine Frage der Generation sei und dass es Generationen sind, die Medieninnovationen voranbringen, findet sich auch im Fachdiskurs. Im Rahmen eines DFG-Forschungsprojektes haben die Autoren empirisch untersucht, ob es generationentypische Mediennutzungsmuster gibt und ob sich Generationen anhand bestimmter Medien identifizieren oder abgrenzen lassen. Theoretische Ausgangspunkte waren dabei Karl Mannheims 'Problem der Generationen' und die Habitus-Theorie Pierre Bourdieus. Mannheim unterscheidet die in der Forschung oft zugrunde gelegte Generationslagerung – also die bloße Nähe der Geburtenjahrgänge – von komplexeren Generationszusammenhängen. Angehörige einer Mediengeneration müssten demnach über parallele Medienlebensläufe sowie spezifische Mediennutzungsstile verfügen. Die Gemeinsamkeiten müssten ihren Ausdruck in einem ähnlichen medialen Habitus im Sinne Bourdieus finden, also in typischen Dispositionen und Medienbewertungen. Mithilfe von standardisierten Befragungen, medienbiografischen Interviews sowie Gruppendiskussionen wird ein differenziertes Bild gezeichnet: Es lassen sich zwar individuelle mediale Habitus ebenso erkennen wie kollektive Medienerfahrungen und -erinnerungen. Prägender scheinen aber Medienausstattung und individuelle Kompetenzen (mediales Kapital) sowie Familienkontexte und Lebensphasen zu sein, so dass es nur wenige Anzeichen für homogene Mediengenerationen gibt.

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Inhalt

Einleitung

Theorie der Mediengeneration

1.1 Einleitung: Generation und Mediengeneration

1.2 Generationentheorie

1.3 Medien: Dispositiv, Format, Narrativ

1.3.1 Die Medien der Mediengeneration

1.3.2 Mediendispositive

1.3.3 Medienformate

1.3.4 Mediennarrative

1.4 Das Feld der Medien, mediales Kapital und medialer Habitus

1.4.1 Einleitung: mediale Strukturen und mediales Handeln

1.4.2 Kapital und mediales Kapital

1.4.3 Das Feld der Medien

1.4.4 Habitus und Medienhabitus

1.5 Zusammenfassung und Schlussfolgerungen

Auf der Suche nach Mediengenerationen: Untersuchungsdesign und Methoden

2.1 Forschungsdesign im Überblick

2.2 Erhebungsinstrumente

2.2.1 Fragebogen

2.2.2 Leitfaden für die Interviews mit medienbiografischem Fokus

2.2.3 Medienmemory

2.2.4 Leitfaden für die Mehrgenerationengespräche im Familienkontext

2.2.5 Leitfaden für die altershomogenen Gruppengespräche

2.3 Sampling und Gewinnung der Teilnehmer

2.4 Durchführung und Verlauf der Erhebungen

2.5 Dokumentation, Datenmanagement und Auswertung

2.5.1 Auswertung der standardisierten Fragebögen

2.5.2 Transkription

2.5.3 Qualitative Inhaltsanalyse der individuellen Leitfadengespräche

2.5.4 Computerunterstützte Inhaltsanalyse

2.5.5 Personenbezogene Einzelberichte (»Habitus-Porträts«) und Vergleich innerhalb der Babyboomer

2.5.6 Inhaltsanalytische Auswertung der Gruppengespräche

Mediengenerationen: empirische Befunde

3.1 Der mediale Habitus einer Generation?

3.1.1 Zusammensetzung des medialen Kapitals und die individuelle Position im Feld der Medien

3.1.2 Ausdrucksformen des medialen Habitus

3.1.3 Generationenstil als kollektiver medialer Habitus

3.2 Parallele Medienbiografien

3.3 Generationslagerung und Generationszusammenhang: Mediengeneration als Konstrukt

3.3.1 Generationenspezifische Erinnerungen

3.3.2 Generationelle Identifikation und Distinktion

Zusammenfassung und Fazit

Anhang

Literatur

Einleitung

Gerade in Zeiten des von vielen Zeitgenossen1 als rasant oder revolutionär empfundenen Wandels taucht der Topos Generation regelmäßig auf und prägt die öffentliche Debatte wie den fachlichen Diskurs. Generation erscheint als probates Mittel der Erklärung dafür, dass man sich selbst als anders – vielleicht als Avantgarde, vielleicht als vom Wandel abgehängt – betrachtet und nun andere, die Nachfolgenden, die »junge Generation« das Ruder übernommen hat und das Sagen hat. Generation mag nicht nur eine vermeintliche Erklärung für eine Andersartigkeit bieten, sie kann auch entlastend wirken. Wenn andere ohnehin »das Sagen« haben, dann muss man auch nicht mehr mitreden. Wenn man sich selbst zu denen rechnet, die wissen wo es jetzt und künftig langgeht, dann muss man vielleicht auch keine Rücksicht mehr auf die »Ewig-Gestrigen« und »Nostalgiker« nehmen.

In einer Gesellschaft, die in hohem Maße medialisiert kommuniziert, spielt der Medienwandel eine herausgehobene Rolle. Von daher kann es kaum verwundern, dass auch in dieser Debatte der Generationen-Topos auftaucht und eine sich beschleunigende Konjunktur verzeichnen kann: Immer rascher lösen sich angeblich nicht nur die Hard- und Software-»Generationen« ab, ohne dass man jede neue Version wirklich zurecht als Fortschritt preisen müsste. Auch die Nutzer werden in immer rascher aufeinander folgende Generationen eingeteilt (vgl. Kap. 1.1), so als ob dies schon eine Erklärung von unterschiedlichen Medienpraktiken und Einstellungen zu den Medien darstellen würde. Die verschiedenen »Mediengenerationen« werden in konzertierter Aktion von Journalisten, Trend- und Marktforschern als Fernsehgeneration, Internet-, Smartphone-, Facebook-Generation etc. proklamiert, obwohl solche Ansätze einer soliden sozialwissenschaftlichen Fundierung entbehren. In der empirischen Forschung allerdings erscheinen Lebensalter, Geburtskohorte, Milieu und – meist unterdefiniert – Generation auf der Ebene aggregierter Individualdaten soweit miteinander konfundiert, dass offen bleibt, ob es überhaupt Generationeneffekte in Bezug auf das Medienverhalten gibt. Und selbst wenn diese sich identifizieren und valide beschreiben ließen, wäre noch nicht geklärt, was eigentlich wirkt, wenn das Generationen-Argument angeführt wird: Was meint »Generation als Ursache«? Meint Generation die bloße Zugehörigkeit zu einem Geburtsjahrgang? Dann wäre der Schritt zur astrologischen Bestimmung weiterer Details ein vielversprechender Weg. Nur: mit einer sozialwissenschaftlichen Erklärung, mit dem Verstehen unterschiedlichen Medienhandelns hat das nichts zu tun. Niemand, der sozialwissenschaftlich ernst genommen werden möchte, würde soziale Unterschiede am biologischen Geschlecht begründen. In der Genderforschung geht man zu recht von einer sozialen Geschlechterkonstruktion aus, die wirksam wird. Auch das (heutzutage: mehr oder weniger) natürliche Faktum eines Geburtszeitpunktes muss erst zu einer sozialen Tatsache werden, damit sich hierauf Erklärungen aufbauen lassen, denn auch die Generationenforschung bedarf sozialer Tatsachen als Grundlage.

Das Ziel unseres von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Vorhabens2 bestand darin, mehr Licht in den »Mythos Mediengeneration« zu bringen, zumindest aber zu prüfen, ob sich ein kommunikationswissenschaftlich tragfähiger und sozialwissenschaftlich begründeter Mediengenerationenbegriff entwickeln lässt, der tatsächlich zum Verstehen einer erst noch nachzuweisenden Unterschiedlichkeit von Medienhandeln beitragen kann. Neben der grundlegenden Theoriearbeit an dem durch den Alltagsgebrauch ausgefransten Mediengenerationenbegriff ging es konkret darum zu klären, wie sich biografisch stabile Mediennutzungsmuster und -präferenzen auf der Individualebene (Mikroebene) und der kollektivbiografischen Generationenebene (Mesoebene) empirisch valide beschreiben lassen und welche Bedeutung diese beiden Ebenen oder deren Wechselspiel für die Beschreibung und das Verstehen von Medienhandeln aufweisen. Ein solches tiefergehendes Verständnis könnte den Ausgangspunkt für eine erklärende Prognose künftigen Medienhandelns sein und damit auch für die langfristige Einschätzung der Entwicklung von Medieninnovationen, Medienmärkten und des Mediensystems insgesamt (Makroebene).

Zentral war für unsere Studie daher die Frage, welche Rolle die jeweilige individuelle Lebensphase (Lebensalter, Lebenslauf) und welche Rolle die kollektive Generationszugehörigkeit für das aktuell gezeigte Medienhandeln spielen. Sozialtheoretisch steht dahinter nicht nur die Aufgabe, einen soliden Generationenbegriff zu entwickeln, was hier im Anschluss an die Überlegungen von Karl Mannheim versucht wird (vgl. Kap. 1.2), und zu klären, was »Medien« in diesem Kompositum eigentlich meint (vgl. Kap. 1.3). Mindestens genauso groß ist das Problem der Vermittlung von sozialer Mikro- und Mesoebene, die nicht als einseitige Determination und empirisch nicht durch einfache Aggregation von Individualdaten modelliert werden kann (vgl. Quandt/ Scheufele 2011). Es bedarf vielmehr einer sozialtheoretischen Grundlage, eines heuristischen Modells der wechselseitigen Vermittlung von individualbiografischen und kollektivbiografisch-generationellen Prozessen. Grundsätzlich geeignet erscheinen hierfür handlungstheoretische bzw. wissenssoziologische und sozialkonstruktivistische Ansätze im Anschluss an Berger und Luckmann (1989), strukturationstheoretische Konzepte im Anschluss an Anthony Giddens oder der Habitus-Feld-Ansatz von Pierre Bourdieu, für den wir uns bei der Entwicklung eines heuristischen Modells entschieden haben. Bei der Explikation dieses Modells (Kap. 1.4) sollen unsere Grundannahmen und Ausgangsdefinitionen offen gelegt sowie die Anwendung Bourdieuscher Grundbegriffe wie Habitus, Kapital und Feld begründet werden. Zudem sollen unsere Forschungsfragen im Kontext des bisherigen kommunikations- und medienwissenschaftlichen Forschungsstandes formuliert werden.

Dabei geht es uns im Folgenden nicht um eine orthodoxe Interpretation des Werkes von Bourdieu und im Kern auch nicht um die Weiterentwicklung der Habitus-Feld-Theorie, sondern darum zu prüfen, ob und wie die Grundbegriffe auf unseren Erkenntnisgegenstand nutzbringend angewandt werden können und als wie tragfähig sie sich beim Verstehen und Erklären des Verhältnisses von individuellem und kollektivem (eventuell generationellem) Medienhandeln erweisen. Bourdieus Arbeiten und die seiner »Schüler« reichen als theoretische Grundlage für unser Modell nicht aus und müssen deshalb ergänzt werden: Dem Generationenbegriff wird bei Bourdieu nahezu gar keine und dem Lebenslauf (»sozialer Laufbahn«; »trajectoire«) nur eingeschränkte Aufmerksamkeit zuteil. Wir greifen deshalb ergänzend auf die soziologische Generationenforschung, insbesondere im Anschluss an Karl Mannheim, sowie die (medien)biografische Forschung zurück. In der Publizistik-, Kommunikations- und Medienwissenschaft wurde Bourdieu zwar von einigen Autoren adaptiert, vorwiegend jedoch im Feld der Journalismusforschung. Die von Bourdieu selbst bzw. seinen Schülern vorliegenden soziologischen Arbeiten mit Medienbezug sind hingegen breiter angelegt und befassen sich aus kultursoziologischer Sicht mit differenzieller Mediennutzung (Distinktionsfragen) und aus medienkritischer Sicht mit Kommerzialisierungs- und Machtfragen – bis hin zu Kampfschriften (»Über das Fernsehen«) von eher begrenzter kommunikationswissenschaftlicher Validität. Gleichwohl integrieren wir die vorliegenden Ansätze, wo dies möglich und sinnvoll erscheint, in unser theoretisches Konzept.

Der von uns eingeschlagene methodische Weg wird in Kap. 2 ausführlich dargestellt. Im Kern ging es um eine explorative qualitative Studie, die sich unterschiedlicher Methoden der Befragung bediente. Neben standardisierten schriftlichen Elementen standen ausführliche individuelle Leitfadengespräche mit medienbiografischem Fokus sowie verschiedene Formen von Gruppengesprächsrunden im Mittelpunkt. In dieser Studie ging es nicht um die Prüfung von Hypothesen, sondern um das Entdecken von Zusammenhängen sowie weiteren Aufschluss darüber, ob es sich bei dem Konstrukt Mediengeneration um ein sinnvolles Konstrukt handelt. Sinnvoll erscheinen sozialwissenschaftliche Konstrukte nur dann, wenn sie sowohl begrifflich klar gefasst und theoretisch wohl begründet sind, als auch empirisch operationalisierbar. Sie müssen zudem einen Erkenntnisgewinn auf der Grundlage theoretischer Erklärung und empirischer Beobachtungen bieten, wenn sie nicht rein intellektuelle Gedankenspiele bleiben sollen.

Welche Befunde und Zusammenhänge unser Konstrukt Mediengeneration liefert, beschreibt Kapitel vier ausführlich. Die Ergebnisse haben uns zunächst enttäuscht und dies dürfte auch vielen Lesern dieser Monografie ähnlich gehen. Gerne hätten wir ein perfektes Raster einer überschaubaren Zahl klar definierter Mediengenerationen in Deutschland geliefert, bei dem unstrittig ist, welche Faktoren die jeweilige Mediengeneration ausmachen und empirisch bestimmen, was die einzelnen Generationsvertreter geprägt hat und weshalb sie heute (und in Zukunft) auf ganz spezifischen Weise Medien nutzen. Alles das können wir nicht liefern!

Auf den zweiten Blick aber, und das sehen hoffentlich die meisten Leser ähnlich, ist der Gewinn dieser Studie auch nicht zu unterschätzen: Obwohl wir mit einem sehr sensiblen Sensorium auf die Suche nach generationellen Prägungen, Formen und Zusammenhängen von Medienhandeln und Mediendispositionen gegangen sind, bieten die empirischen Befunde nur sehr geringe Anhaltspunkte für das Wirken von so etwas wie »Mediengeneration«, ja sogar für die Möglichkeit auf der Grundlage nachprüfbarer Kriterien Mediengenerationen überhaupt zu unterscheiden. Das bedeutet selbstverständlich keine endgültige Falsifikation des Konzepts Mediengeneration, denn hierfür wären langfristige Panelstudien notwendig. Allerdings denken wir nach dieser Studie schon, dass es wenig sinnvoll sein dürfte, den Topos aus dem öffentlichen Diskurs und den Marketinghandbüchern der Medienindustrie in die Kommunikations- und Medienwissenschaft zu importieren. Wir können weder erkennen, wie sich Mediengenerationen sinnvoll bestimmen lassen sollten noch, was durch die Zugehörigkeit zu einer solchen Generation tatsächlich besser erklärt werden kann als durch medienbiografische und demografische Faktoren, wie sie in der Mediennutzungsforschung geläufig sind – auch wenn hier sicherlich noch Differenzierungsmöglichkeiten bestehen (vgl. Kap. 4).

Unser Forschungsprojekt zur Mediengeneration hat eine lange Vorgeschichte, in deren Verlauf wir vielfältige Anregungen und vielfache Unterstützung erhalten haben. Dafür sowie für die Förderung seitens der DFG und vor allem für praktische Hilfe im Projekt haben wir vielen Kolleginnen und Kollegen zu danken. Stellvertretend für alle hilfreichen Kritiker und kritischen Helfer möchten wir hier einige nennen: An erster Stelle ist Dörte Hein zu nennen, die maßgeblich an der Erstellung des Antrages mitgearbeitet hat. In einem frühen Stadium haben Michael Meyen und Alexander Görke eine Antragsversion gelesen und wertvolle Hinweise gegeben. Unser Dank gilt auch den studentischen Codierern der Einzel- und Gruppeninterviews – ohne diese Kärrnerarbeit wäre das Projekt nicht durchführbar gewesen. Und last but not least gilt unser Dank Claudia Hübner, die uns von der manchmal kniffligen Verwaltungsarbeit des mehrfach umstrukturierten Projektes entlastet und uns vor Formfehlern jeder Art sicher bewahrt hat.

1 Aus Gründen der besseren Lesbarkeit verzichten wir nicht nur an dieser Stelle auf die »Zeitgenossinnen«, sondern verwenden durchgehend die maskuline grammatische Form, wenn es nicht ausdrücklich um konkrete Personen weiblichen Geschlechts (unserer Befragten) geht. Das von uns gewählte generische Maskulinum mag aus genderpolitischer Sicht nicht die beste Lösung sein, wir halten sie hier jedoch für die am besten verständliche.

2 DFG-Projekt „Mediengenerationen: Biographische und kollektivbiographische Muster als Determinanten des Medienhandelns vor dem Hintergrund des demographischen Wandels (Förderkennzeichen BE3534/2-1).

1 Theorie der Mediengeneration

1.1 Einleitung: Generation und Mediengeneration

In der Öffentlichkeit ist vielfach die Rede von bestimmten Mediengenerationen, die meist als Impulsgeber und Innovatoren verstanden werden: Der kanadische Trendforscher und erfolgreiche Buchautor Don Tapscott hat diesen Topos in seinen Monografien sogar wiederholt aufgegriffen, zunächst 1998 mit »Net Kids: Die digitale Generation erobert Wirtschaft und Gesellschaft«, und rund zehn Jahre später erneut mit »Grown Up Digital: How the Net Generation is Changing Your World.« In Deutschland legte Thomas Feibel vor 15 Jahren den alarmistischen Titel »Die Internet-Generation. Wie wir von unseren Computern gefressen werden« vor, Lempp hat 2011 mit der »Generation 2.0« nachgelegt. Bereits lange vor der Verbreitung der Onlinemedien hatten Mitte der 1980er-Jahre Matthias Horx die »Chip Generation« (1984) verkündet, und Claus Eurich vor der Zerstörung der Kindheit in der Generation der »Computerkinder« (1985) gewarnt. Auch das Fernsehen (vgl. Wüllenweber 1994) oder pauschaler die Medien (vgl. Hörisch 1997) mussten als »Generationenbildner« herhalten. Edmunds und Turner (2002: 117-118) schreiben recht undifferenziert und ganz im Sinne von McLuhans Global Village dem globalen Fernsehen, aber auch dem Telefon und den Onlinemedien generationenbildende Wirkung: »Global communication is creating global generations« (Edmunds/ Turner 2002: 114; 12). Sie definieren Generationen aber letztlich anhand traumatisierender Erlebnisse oder Medienerfahrungen wie dem Anschlag vom 11. September 2001. Horst Opaschowski hat die »Generation@« mit einer »Medienrevolution« und einem neuen »Zeitalter« assoziiert – eine typische Verknüpfung die ganz auf Disruption setzt (manchmal mit apokalyptischer Tönung) und Kontinuität im Wandel ausblendet. Auch die seit rund 15 Jahren geführte Debatte über Digital Natives vs. Digital Immigrants spielt mit dem wenig hinterfragten Bild eines Generationenbruchs (vgl. Prensky 2001). Die pädagogische Sorge um einen möglicherweise medial bedingten Generationenbruch trieb sogar den 16. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft an (vgl. Gogolin/ Lenzen 1999).

Solche Beispiele ließen sich vermehren. Sprachlich gleichen manche der populären und populärwissenschaftlichen Schriften damit auffallend der Marketingrhetorik von Hard- und Softwareherstellern, tragen aber einer aus sozialwissenschaftlicher Sicht notwendigen differenzierten und reflektieren Verwendung des Generationenbegriffs (etwa in Abgrenzung zur Altersgruppe oder Geburtskohorte) kaum Rechnung. Unterstellt wird meistens, dass dieselben Medientechniken auf die jüngere Generation grundlegend andere Auswirkungen hätten als auf allen anderen ko-präsenten Generationen, dass diese Auswirkungen nahezu homogen die gesamte fragliche Generation erfassten und dass diese sich bereits heute klar identifizieren ließen. So ist dann die Rede davon, dass eine Generation kognitive Muster wie Multitasking, Networking oder Gaming ausprägt, weil das medientechnische Potential dies erleichtert. Eher selten wird die Überlegung angestellt, wie nachhaltig solche vermeintlichen Prägungen sein werden, ob es sich also um Altersgruppen- bzw. Lebensphaseneffekte handelt oder wirklich um generationelle (vgl. Aroldi 2011: 61-62).

Eine Mediengenerationentheorie, die wissenschaftlichen Kriterien gerecht würde, liegt bislang jedenfalls nicht vor: In der soziologischen Generationentheorie spielen die Medien keine nennenswerte Rolle, und umgekehrt ist »Generation« auch keine definierte Kategorie in der Medien- und der Kommunikationswissenschaft (vgl. auch Kübler 2012: 46-47). In der vorliegenden Fachliteratur wird der Topos Mediengeneration nur vereinzelt aufgegriffen: Bereits 1996 hat Peiser versucht, mithilfe einer Sekundäranalyse von kohortenbezogenen und aggregierten Mediennutzungs- und Medienbewertungsdaten zu klären, ob die sog. Fernsehgeneration tatsächlich existiert. Sein negativer Befund darf allerdings nicht überbewertet werden, weil der von Peiser verwendete Generationenbegriff unterkomplex ist: Als fragliche bzw. für das Konstrukt »Fernsehgeneration« relevante Gruppe werden die Geburtskohorten verstanden, die »mit dem Fernsehen aufgewachsen« sind (Peiser 1996: 14). De facto handelt es sich also um eine Kohorten- und keine Generationenstudie, denn nach weiteren Gemeinsamkeiten oder Binnendifferenzierungen wird schon deshalb nicht gefragt, weil die aggregierten Daten hierauf keine Antwort geben würden. Empirisch fallen beim Vorgehen Peisers, wie er selbst bemerkt, »die Dimensionen Altersgruppe und Geburtskohorte zusammen« (Peiser 1996: 11), sodass Lebensphaseneffekte und individualbiografische Faktoren oder Milieus nicht beobachtet werden können. Peiser fragt also weniger nach generationellen Mustern als den Nachweis zu führen, dass die Korrelation von Geburtskohorte und Fernsehdiffusion (den einzigen statistisch erfassten Gemeinsamkeiten der Individuen) nicht zur Erklärung besonderer Muster der Fernsehnutzung und -bewertung ausreicht. In einer späteren Publikation wird dies deutlicher, wenn Peiser von der »besondere[n] Bedeutung der Kohortensukzession für den sozialen Wandel« und einer höheren Innovationsbereitschaft »von jüngeren Menschen« (Peiser 1999: 486; 487) ausgehend auf die Diffusion von Medien (primär des Fernsehens) abstellt, und dabei weniger von medialen Erfahrungen und Prägungen einer Generation spricht. Peiser steht damit in der durch die demografische Forschung entwickelten Tradition der quantitativen Kohortenforschung. Deren Vorteil besteht, die Verfügbarkeit von Langzeitstudien vorausgesetzt, in der Möglichkeit die aggregierte Mediennutzung einer bestimmten Altersgruppe (z.B. der Teenager) über die Jahrzehnte hinweg oder die Mediennutzung unterschiedlicher Alterskohorten zu einem gegebenen Zeitpunkt zu vergleichen. Schwierig ist es allerdings, die Kohorten sinnvoll voneinander abzugrenzen oder die Dauer einer Kohorte (Umfang in Jahren) zu begründen. Aus generationensoziologischer Sicht ist die seit längerem verbreitete, eher pragmatisch motivierte Operationalisierung von Generationen als Kohorten allerdings zweifelhaft, weil Kohorten eine notwendige aber keine hinreichende Bedingung für Generationen sind (vgl. auch Schäffer 2009: 35-36; 40). So bemerkte Ryder (1965: 847):

»The attractive simplicity of birth cohort membership as signified by age cannot conceal the ways in which this identification is cross-cut and attenuated by differentiation with respect to education, occupation, marital status, parity status, and so forth. Every birth cohort is heterogeneous.«

Daher plädiert er für eine deutliche Unterscheidung bei der Verwendung der Begriffe Kohorte (cohort) für eine bloß altersmäßig definierte Menge von Personen, und Generation (generation) für eine »temporal unit of kinship structure« (Ryder 1965: 853).

Kohli (2007: 48) hat hierzu bemerkt, dass die »Suche nach klaren Generationsformationen, die man an der kulturellen oder sozialstrukturellen Realität ablesen kann, … nur in den seltensten Fällen Erfolg« verspricht. Bei der Suche nach Generationszusammenhängen »müßte [es] eher darum gehen, bereichs- und themenspezifische generationale Lagerungen zu identifizieren und ihre Überlagerung durch Lebenslaufstrukturen sowie ihre Reichweite im Hinblick auf spezifische soziale Gruppen zu klären. Mannheims bisher wenig ausgeschöpfter Begriff der ›Generationseinheiten‹ könnte dafür einen Ausgangspunkt bieten« (Kohli 2007: 49). An diesen Hinweis knüpfen wir im folgenden Kap. 1.2 auf der Grundlage sozialwissenschaftlicher Theorien an.

Das Kompositum »Mediengeneration« wirft aber noch eine zweite Definitionsfrage auf: So basiert Peisers »Fernsehgeneration« auf aggregierten Diffusionsdaten für Fernsehempfangsgeräte in den Haushalten und für die Fernsehnutzungsdauern (de facto also: Betriebsdauern eines Elektrogerätes). Präferenzen für bestimmte Formate und Narrative, komplexere Funktionszuschreibungen und Attribuierungen, habitualisierte Fernsehnutzungsformen, Medienrepertoires jenseits des Fernsehens u.v.a.m. lassen sich aus den vorliegenden Daten nicht erschließen. Der von Peiser ebenso wie in der öffentlichen Debatte über Mediengenerationen zugrunde gelegte Medienbegriff bezieht sich meist auf technische Medien (z.B. das Fernsehen oder gar noch apparatefixierter der Fernseher), seltener auf bestimmte Medienmarken (Facebook, Twitter), trägt aber in all diesen Fällen weder der kommunikationswissenschaftlichen Begriffsdifferenzierung noch der Komplexität des Medienhandelns im Alltag Rechnung. Generationelle Spezifika oder generationenspezifische Prägungen können grundsätzlich auf ganz unterschiedlichen Medien-Ebenen erfolgen: Es macht einen Unterschied, ob Menschen in ihren Verhaltensweisen, Handlungen und Einstellungen »vom Fernsehen«, vom »öffentlich-rechtlichen Fernsehprogramm« oder von konkreten Sendungen wie der »Tagesschau« oder dem »Tatort« geprägt werden. Nicht nur der Generationenbegriff (vgl. Kap. 1.2), auch der Medienbegriff ist also differenziert zu definieren (vgl. Kap. 1.3), wenn die Rede von Mediengenerationen überhaupt wissenschaftlich sinnvoll sein soll.

1.2 Generationentheorie

Der alltagssprachliche Begriff Generation weist eine doppelte Semantik auf: Zum einen bezeichnet er eine – mehr oder weniger gut abgrenzbare – Altersgruppe (mit einer kollektiven Identität und individueller Mitgliedschaft) oder gar einen kollektiven Akteur, zum anderen die Hervorbringung (das Generieren, Erzeugen) im genealogischen Sinne eines substantivierten Verbs (gr. »genesis«, lat. »generatio«). Das Konzept »Generation« setzt voraus, dass sich ihre Angehörigen qualitativ von den Angehörigen anderer Generationen unterscheiden, also eine kollektive Identität aufweisen und wahrscheinlich anders handeln oder sich verhalten als vorangehende oder nachfolgende Generationen. Die Differenzen zwischen den Generationen und ihre Abfolge – oftmals verbunden mit einer 30- oder 33-Jahresrhythmik – werden mitunter als Motor des sozialen Wandels oder gar revolutionärer Umbrüche vorgestellt.

In der Rede von Mediengenerationen vermischen sich mitunter die beiden Aspekte von Zugehörigkeit (Identität) und Hervorbringung, auch wenn die Implikationen recht unterschiedlich sind: Bringen (bestimmte neue) Medien tatsächlich (bestimmte neue) Geschlechter, also qualitativ von ihren Vorfahren (und Nachfahren) unterscheidbare Menschen hervor? Nach allem, was wir über Medienwirkungen wissen, scheiden Medien als kausale »Generatoren« (generatives Prinzip) von Mediengenerationen in einem solch emphatischen Sinne aus. Erweist sich ein solches Verständnis von Mediengenerationen aus kommunikationswissenschaftlicher Sicht im Unterschied zur populären Essayistik und Trendforschung rasch als überzogen, bleibt vor allem die schwächere, eher deskriptive Variante: Mediengenerationen wären demnach geprägt (aber nicht generiert) durch bestimmte Medien bzw. bestimmte Formen der Medienaneignung und des Medienhandelns. Es müssten sich also trotz individueller Varianz kollektive Muster des Medienhandelns und der Medienbewertung finden lassen.

Legt man die Systematik der Generationenkonzepte von Beate Fietze (2009: 52) zugrunde, dann ließen sich Mediengenerationen nach unserem Verständnis am ehesten als »historische Generationen« verstehen, freilich im »postheroischen« Sinn, nämlich weniger als kollektive soziale Akteure, sondern als altersabhängige »Interpretationsgemeinschaften.« Fietze nennt fünf weitere Generationenkonzepte:

Generation im Sinne einer biologisch und kalendarisch bestimmten

Geburtskohorte

und Teil einer demografischen Struktur;

Generation im Sinne von

Zeitgenossenschaft

aller gegenwärtig Lebenden, unabhängig von ihrem Lebensalter;

Abstammungsgenerationen

im Sinne familialer Generationenfolgen (Eltern – Kinder – Enkel…) oder ganzer Stämme und Völker;

Generationen im Sinne von

Lebensalter

, entweder im schon aus der Antike bekannten 30-Jahre-Rhythmus oder als persönliche Lebensphasen;

Generationen im Sinne von Altersgruppen und

Altersklassen

, bestehend aus den Individuen des mehr oder weniger selben Alters, die als Gruppe betrachtet werden.

Einige dieser Konzepte können sich partiell überlagern, denn Geburtskohorten können – wie Mannheim gezeigt hat (s.u.) – als notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung für historische Generationen betrachtet werden, die sich wiederum in Familiengenerationen spiegeln können usw.

Peter Sloterdijk hat das Denken in Generationen als typisch moderne Erscheinung analysiert und dabei vor allem auf diskontinuierliche, ja disruptive Generationenkonzepte bzw. -programmatiken hingewiesen. Die aktuelle Generation wird dann als rein gegenwärtig, allenfalls noch begrenzt zukunftsbezogen definiert, während alle Herkünfte und Traditionen, seien sie historischer oder familialer Natur, »abgeschnitten« werden (vgl. Sloterdijk 2014: 441-444).

Eine solch »antigenealogische« Konzeption von Generation steht im Einklang mit der (aus unserer Sicht äußerst fragwürdigen) programmatischen Metapher permanenter medientechnischer Revolution: Der »Hiatus« (Sloterdijk), der einen völligen Neubeginn setzt, scheint aber kaum vereinbar mit der biografischen Lebenswelt, in der Medienhandeln stattfindet. Hier gibt es nahezu immer ein »Vorher«, das die Voraussetzung schafft für das »Jetzt.« Wir beziehen daher biografische und familienbezogene Faktoren der Mediensozialisation in unsere theoretischen Überlegungen wie unsere empirische Forschung ein.

Bereits Friederich Schlegel hatte in seinen literaturgeschichtlichen Überlegungen Generation als wichtigen Einflussfaktor des geistigen Schaffens eingeführt und war davon ausgegangen, dass der herrschende Geist einer Epoche Schriftsteller vor allem in jungen Jahren prägen und bestimmen (vgl. Weigel 2006: 129). Auch Wilhelm Dilthey hatte sich mit dem Generationsbegriff aus einer qualitativen Sicht beschäftigt. Zunächst sei Generation »die Bezeichnung für einen Zeitraum, und zwar … eine von innen abmessende Vorstellung« (Dilthey 1964: 36), die von der Geburt etwa 30 Jahre umfasse und dann nahezu organisch (wie ein neuer Jahresring am Baum) durch die folgende Generation abgelöst werde. Generation ist aber auch »die Bezeichnung für ein Verhältnis der Gleichzeitigkeit von Individuen; diejenigen, welche gewissermaßen nebeneinander emporwuchsen, d.h. ein gemeinsames Kindesalter hatten« und zeitparallele Biografien. Dilthey bringt damit das Argument der Prägung durch gemeinsame Erlebnisse und Erfahrungen vor allem in einer frühen, empfänglichen Lebensphase ins Spiel, die ein »tieferes Verhältnis« und eine »Verknüpfung« der Personen einer Generation schaffe:

»Diejenigen, welche in den Jahren der Empfänglichkeit dieselben leitenden Einwirkungen erfahren, machen zusammen eine Generation aus. So gefaßt, bildet eine Generation einen engeren Kreis von Individuen, welche durch Abhängigkeit von denselben großen Tatsachen und Veränderungen, wie sie in dem Zeitalter der Empfänglichkeit auftraten, trotz der Verschiedenheit hinzutretender Faktoren zu einem homogenen Ganzen verbunden sind« (Dilthey 1964: 37).

Was schafft neben dem gemeinsamen oder doch zeitlich parallelen Heranwachsen die Gemeinsamkeit, was bringt eine Generation hervor? Für Dilthey sind es der »Besitzstand der intellektuellen Kultur«, auf den eine solche Generation trifft, also das kulturelle Erbe, und der »Einfluß … des umgebenden Lebens, gesellschaftlicher, politischer, mannigfach unterschiedlicher Kulturzustände, insbesondere neu hinzutretender intellektueller Tatsachen« (Dilthey 1964: 37). Mit den Überlegungen Diltheys halten geistige und soziale Faktoren Einzug in das Generationendenken; Generation unterscheidet sich damit grundlegend, und zwar qualitativ von der bloß quantitativ messbaren, und zudem schwer abgrenzbaren, Kohorte, die ein sozialstrukturelles Merkmal bleibt (vgl. auch Fietze 2009: 52).

An die explizit geisteswissenschaftlich-hermeneutische Sichtweise Diltheys knüpfte Karl Mannheim mit seinem Aufsatz an, der sich scharf vom Positivismus »französischer« Provenienz abgrenzt (Mannheim 1964: 514-516; vgl. auch Weigel 2006: 117). Generation ist für Mannheim wie für Dilthey keine natürliche, sondern eine Mentalitätskategorie. Während die positivistische quantitative Auffassung von Generation und Zeit sich am linearen Fortschrittsbegriff orientiere, so Mannheim (1964: 515), gehe es in der »deutsch-romantischen« Perspektive um die »qualitativ erfaßbare innere Lebenszeit« (Mannheim 1964: 515-516). Es geht nicht um »eine mystische Zahlenarithmetik« geteilter Geburtsjahrgänge, sondern um geteilte Erfahrung gleichzeitig aufwachsender Individuen, die insbesondere in ihren Jugendjahren eine gesellschaftlich bestimmte Prägung durch ihre individuellen Erlebnisse und Erfahrungen erhalten (vgl. Mannheim 1964: 516, 536). Dies legt unserer Ansicht nach eine individual- und kollektivbiografische Forschungsstrategie nah, deren Ziel nicht in einer kohortenbezogenen »Lebens(ve)rlaufsforschung« besteht, »die mit Hilfe quantitativer Verfahren eine objektive Ereignisgeschichte … analysiert« (Fietze 2009: 58; vgl. hierzu Kap. 2). Die angeeigneten Erinnerungen (Erfahrungen aus zweiter Hand) und die im Lebenslauf selbsterworbenen Erinnerungen können grundsätzlich individuell in der Narration rekonstruiert und kommuniziert werden, während dies für den »Zeitgeist« oder andere Aggregate nicht gilt (vgl. Fietze 2009: 114115).

Mannheim widerspricht denn auch den Vorstellungen eines alle Individuen prägenden »Zeitgeistes« oder einer quasi vorherbestimmten »Generationenentelechie«, ihm geht es vielmehr um die formalsoziologische Aufklärung derjenigen gesellschaftlichen Kräfte, die eine gemeinsame Erfahrung hervorbringen oder zumindest ermöglichen (vgl. Mannheim 1964: 523). In derselben chronologischen Zeit leben verschiedene Generationen und die »Generationsrhythmik« ist nicht »mit ein für allemal fixierbaren zeitlichen Intervallen« zu erfassen; er verwirft auch die verbreitetet 30-Jahres-Periodisierung, die intergenerationellem Zusammenleben und Interaktionen nicht gerecht wird (Mannheim 1964: 517, 521, 540).

Karl Mannheim begreift Generation als einen neuartigen soziologischen Zugang zur Erklärung vorhandener Kultur, und nicht im Sinne einer Fortschritts- oder gar Revolutionskonzeption als Erklärung für die Hervorbringung neuer Kultur(produkte) und einen kulturellen (bzw. medialen) Wandel (vgl. Mannheim 1964: 531). Er betont die Notwendigkeit des Tradierens und Übertragens »des erlebten Kulturgutes« zwischen den älteren und jüngeren, synchron zusammenlebenden Generationen. Die Weitergabe erfolgt dabei weniger durch gezielte und formalisierte pädagogische Programme und Maßnahmen als vielmehr durch ein »Einsickern«, es wird »unbewußt, ungewollt vererbt« und kommt zu einer »Milieuwirkung« (Mannheim 1964: 538).

Für Mannheim begründet die Zugehörigkeit von Individuen zu bestimmten Geburtsjahrgängen, also einer wie auch immer abzugrenzenden und kultur- bzw. sozialräumlich einzugrenzenden Kohorte, lediglich eine Generationslagerung und damit das Potenzial für eine Generationszusammenhang mit möglicherweise polaren, d.h. geistig-kulturell widersprüchlichen Generationseinheiten. Aus kultur- und wissenssoziologischer Sicht wird das Niveau einer »historischen Generation« (Fietze 2009) erst mit den beiden auf der Generationslagerung aufbauenden Phänomenen erreicht. In Anlehnung an Weigel (2006: 116) kann man die Dreiteilung Mannheims wie folgt auffassen:

Abb. 1: Differenzierung des Generationenbegriffs nach Karl Mannheim

BegriffsdimensionBezugsebeneSemantikGenerationslagerungvital (biologisch)Geburt, ExistenzGenerationszusammenhangsozialHandlung, ErlebnisGenerationseinheitgeistigVerarbeitung, Bewertung

Generationslagerung wird verstanden als durch natürliche Faktoren wie Geburt und Lebenslauf vergleichbare »Lagerung im sozialen Raum«, ohne dass damit ein individuelles oder kollektives Generationenbewusstsein verbunden sein muss. Die Zeitgenossenschaft, »Gleichaltrigkeit« (Fietze 2009: 42) bzw. zeitliche Nähe oder Parallelität der Lebensläufe begründet wissenssoziologisch einen potenziell ähnlichen »Spielraum möglichen Geschehens« (Mannheim 1964: 528, 536) und – wie man mit Blick auf die Bourdieu’sche Vorstellung von Feld und Habitus ergänzen kann – des möglichen Verhaltens und Handelns, vor allem im Unterschied zu anderen Generationen:

»Eine jede Lagerung schaltet also primär eine große Zahl der möglichen Arten und Weisen des Erlebens, Denkens, Fühlens und Handelns überhaupt aus und beschränkt den Spielraum des sich Auswirkens der Individualität auf bestimmte umgrenzte Möglichkeiten … im positiven Sinne eine Tendenz auf bestimmte Verhaltungs-, Gefühls- und Denkweisen« (Mannheim 1964: 528).

Eine Reduktion des Generationenbegriffs auf extern festgelegte, kalendarischzufällige Geburtskohorten greift daher zu kurz (vgl. auch Kohli 2007: 48), sogar für die Ebene der Generationslagerung. Mannheim (1964: 542) schreibt,

»daß die bloß chronologische Gleichzeitigkeit nicht einmal dazu ausreicht, eine verwandte Generationslagerung zu konstituieren. Man muß im selben historisch-sozialen Raume – in derselben historischen Lebensgemeinschaft – zur selben Zeit geboren worden sein.«

Die Zugehörigkeit zu einer Generationslagerung beruht nicht auf einer konkreten Gemeinschaft interagierender Individuen, deren bewussten Entscheidung (»Kürwillen« oder freiwilliger Mitgliedschaft) oder der extern aufgezwungenen Erfahrung eines historischen Großereignisses (vgl. Mannheim 1964: 528, 536 sowie Jureit 2006: 25), sie ergibt sich vielmehr aus dem biologischen Geburtszufall. Dieser gilt Mannheim als notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung, denn bereits für die »Generationslagerung« muss die vergleichbare sozialen Einbettung bzw. eine Position im selben sozialen Feld hinzukommen (vgl. Kap. 1.4.3). Mannheim spricht mit dem »gemeinsame[n] historisch-soziale[n] Lebensraum« (Mannheim 1964: 536) auch die topologische Nähe an, die eine Voraussetzung für soziale Interaktion und Kommunikation darstellt (vgl. Mannheim 1964: 542 sowie Schäffer 2003: 88). Die sozialräumliche Distanz muss dabei nicht unbedingt so groß wie im Beispiel Mannheims (zwischen China und Preußen) sein, die Unterschiede zwischen West- und Ostdeutschland erscheinen bereits relevant. Eine große Rolle spielen eine gemeinsame Perspektive im handlungstheoretischen Sinne Meads (vgl. Lüscher/ Liegle 2003: 57), ähnliche Bewusstseinsschichtungen und Erlebnisschichtungen: Mit dem ersten sind kollektive Wahrnehmungs- und Denkformen gemeint, mit dem zweiten eine ähnliche biografische Abfolge prägender Jugend- und späterer Erlebnisse. Damit erweist sich nach Mannheim die chronologische Nähe der Geburt oder des Lebensverlaufs als noch nicht einmal ausreichend zur Begründung eines Generationslagers als schwächste Form des Generationenphänomens. Zur zeitlichen muss die räumliche Nähe (aber keineswegs Gemeinschaft) kommen, die für Geburtskohorten nicht automatisch gegeben ist. Das »natürliche Weltbild« wird demnach durch die biografisch frühen Erlebnisse geprägt und behält eine »Prädominanz«, auch wenn diese ersten Eindrücke negativ bewertet werden (vgl. Mannheim 1964: 536-537) und als Folie der Distinktion im gesellschaftlichen oder familiären Generationenkontext dienen. Das soziale und – so unsere Annahme auch das mediale – (Um)feld und die (Medien-)Biografie werden damit zu wichtigen Kriterien bei der Beschreibung von Mediengenerationen. Konstitutiv dafür sind selbst aktiv erworbene Erinnerungen, und nicht die diskursiv und medial angeeigneten kollektiven Erinnerungen (vgl. Bohnsack/ Schäffer 2002: 253).

Generationeller Wandel einer Gesellschaft erfolgt nach Mannheim nicht disruptiv, sondern kontinuierlich. Das gilt auch für den Zusammenhang von Generation und Innovation, denn eine Generationslagerung muss sich keineswegs dadurch auszeichnen und unterscheiden, dass sie etwas völlig Neues als »Kulturträger« hervorbringt. Die »neuen Jahrgänge« zeichnen sich vielmehr oftmals durch einen »neuen Zugang« zum bereits Akkumulierten, durch einen »neuartige[n] Ansatz bei der Aneignung, Verarbeitung und Fortbildung des Vorhandenen« (Mannheim 1964: 531) aus. Die populäre Verknüpfung von »neuen Medien« mit einer »neuen Generation« ist folglich durch Mannheims Generationenbegriff keineswegs gedeckt. Die Analyse von Mediengenerationen muss stattdessen die spezifischen Formen der Aneignung, Nutzung und Bewertung von durchaus bereits vorhandenen Medien des gesellschaftlichen Medienrepertoires beschreiben (vgl. hierzu auch Jäckel 2010: 252).

Gleichzeitigkeit und Kontinuität der Generationen finden ihren Ausdruck im »steten Tradieren« von lebensweltlichem Wissen und »das Hineinwachsenlassen der neuen Generation in die ererbten Lebenshaltungen, Gefühlsgehalte, Einstellungen«, wie Mannheim (1964: 538) schreibt:

»Das bewußt Gelehrte ist demgegenüber quantitativ und der Bedeutung nach von beschränktem Umfange. Alle jene Gehalte und Einstellungen, die in der neuen Lebenssituation unproblematisch weiterfunktionieren, die den Fonds des Lebens ausmachen, werden unbewußt, ungewollt vererbt, übertragen; sie sickern ein«, sind Teil einer ›Milieuwirkung‹.«

Die Tradierung lebensweltlichen praktischen Wissens kann als Vererbung von »kulturellem Kapital« (vgl. Jureit 2006: 28; Lüscher/ Liegle 2003: 173) bzw. medialem Kapital (vgl. Kap. 1.4.2) begriffen werden. Die soziokulturelle Vererbung wird von Lüscher und Liegle (2003: 158, 172) als aktiver Prozess des »Ererbens« verstanden. Ganz im Sinne von Goethes »Faust« muss dabei das von der Vorgängergeneration »Ererbte« von der Nachfolgegeneration aktiv »erworben« werden, um es zu besitzen.

Über eine Generationslagerung hinaus kann ein Generationszusammenhang nach Mannheim dann entstehen, wenn insbesondere in Phasen des raschen gesellschaftlichen Wandels »reale soziale und geistige Gehalte … eine reale Verbindung zwischen den in der Generationslagerung befindlichen Individuen stiften« (Mannheim 1964: 543). Damit ist ausdrücklich noch keine reale soziale Gruppe aus interagierenden Individuen gemeint (vgl. Mannheim 1964: 546-547), wohl aber eine Erfahrungsgemeinschaft, oder »Gleichartigkeit« im Unterschied zur bloßen »Gleichaltrigkeit« (Fietze 2009: 42), die über eine bloß positionale Nähe (wie bei der Generationslagerung) hinausgeht. Die soziale Nähe findet ihren Ausdruck und ihre Grundlage in geteilten Werten, Wahrnehmungsweisen und Semantiken (vgl. Mannheim 1964: 546-547). Die Hürden, die Mannheim für das Entstehen eines neuen distinkten Generationszusammenhangs im Sinne einer historischen Generation errichtet, sind hoch: Nur wenn alltägliche, selbstverständliche Lern- und Adaptionsprozesse nicht mehr ausreichen, um gesellschaftliche oder geistige Veränderungen erfolgreich zu bewältigen, entwickeln nachfolgende Generationslager einen eigenen Generationszusammenhang (vgl. Fietze 2009: 80-81). Entscheidend für die Entstehung von Generationszusammenhängen sind von den Individuen geteilte, konjunktive Erfahrungen. Diese beanspruchen intersubjektive, aber keine objektive Gültigkeit und Mitteilbarkeit, sie basieren auf sozialer Teilhabe am Erfahrungs- und Erlebnisprozess, auf der Gemeinschaft des Erlebens und Interpretierens. Mannheim (1980: 207) spricht von einem »Fond, der unser Weltbild ausmacht.« Sprachlich findet dies nach Mannheim seinen Ausdruck im Personalpronomen »wir« (vgl. Mannheim 1980: 214226).

Innerhalb eines Generationenzusammenhangs können schließlich konkretere Generationseinheiten auftreten, die widersprüchlich oder gar antagonistisch denken, fühlen, handeln usw. Mannheim unterscheidet »führende«, »umgelenkte« und »unterdrückte« Typen von Generationseinheiten mit unterschiedlichem Einfluss auf den jeweiligen Zeitgeist der Epoche. Diese Generationseinheiten sind als »polare Form der geistigen und sozialen Auseinandersetzung« geprägt durch »weitgehende Verwandtschaft der Gehalte, die das Bewußtsein der einzelnen erfüllen« (Mannheim 1964: 544), erst sie können – im Gegensatz zu Generationslagerungen und -zusammenhängen – als »Erlebnisgemeinschaften« (Gries 2008: 236) verstanden werden.

1.3 Medien: Dispositiv, Format, Narrativ

1.3.1 Die Medien der Mediengeneration

Was genau meint »Medien« in den verschiedenen Beiträgen der Mediengenerations-Debatte? Und was könnten in einer empirischen Untersuchung Befragte unter den Medien verstehen, die sie individuell oder als Generation besonders geprägt haben? Die meisten Publikationen im Mediengenerationen-Diskurs thematisieren diese Fragen nicht explizit und halten den Medienbegriff offensichtlich für keiner weiteren Klärung über das alltagssprachliche Verständnis hinaus bedürftig. Implizit gehen sowohl die fachwissenschaftlichen Autoren, etwa Peiser mit der »Fernsehgeneration«, als auch die populäreren Autoren von einem primär technisch definierten Medium (Varianten der »Internet-Generation«) oder gar von einem Apparat bzw. Endgerät wie dem »Handy« aus. Das wird weder der Varianz alltagssprachlicher Verwendung des Medienbegriffs gerecht, noch der Komplexität der Medien. »Fernsehen« oder »World Wide Web« zeichnen sich ebenso wie die Printmedien durch eine Vielfalt von Inhalten aus, deren Rezeption durchaus einen Unterschied macht. Wie sinnvoll kann also die Rede von einer Fernsehgeneration sein, nur weil vergleichbare Fernsehempfangsgeräte in den meisten Wohnzimmern einer Geburtskohorte stehen, die Nutzungsdauern, -häufigkeiten sowie die Inhalte und deren Bedeutung für die Zuschauer aber völlig unterschiedlich sind. Um ein überzeichnetes Beispiel zu konstruieren: Wird der gelegentliche Arte-Nutzer mit einer wöchentlichen Nutzungsdauer von drei Stunden (selektiv, nur am Abend, ohne parallele Nebentätigkeiten) wirklich vom gleichen »Fernsehen« geprägt wie der Intensivnutzer mit nahezu vollständig tagesbegleitender Nutzung von RTL2? Auch diesseits solcher Karikaturen dürfte »Fernsehen« sich als deutlich zu grob geschnittene Kategorie für die Konstruktion von Mediengenerationen erweisen. Wir gehen davon aus, dass einige Befragte vielleicht »Fernsehen«, andere »Vorabendserien« und wieder andere eher einen bestimmten Serientitel wie »GZSZ« nennen werden, wenn man sie nach ihren persönlichen medialen Schlüsselerfahrungen oder nach solchen, die sie als »typisch für meine Generation« ansehen, fragt.

Technische Medien wie Mobiltelefonie oder das Internet beinhalten eine Vielzahl sehr unterschiedlicher Medien und Funktionalitäten, eröffnen hoch selektive und individuelle Aneignungs-, Gebrauchs- und Nutzungsformen. Die Nutzung des Handy als reines Sprachmedium im Not- oder Bedarfsfall bedeutet offenkundig etwas anderes als die permanente Fixierung auf das Smartphone-Display und die Nutzung von Ohrhörern und Freisprechmikrophon. Für die Vielfalt der Onlinemedien im Internet gilt, dass ein nicht unbedeutender Teil der Nutzer Chats, Blogs und Microblogs nicht einmal aus eigener Nutzung oder Anschauung kennt – sich also in einem ganz anderen »Internet« bewegt als andere Nutzer.

Zumindest die Vielfalt der Inhalte fällt einigen in der Mediengenerationendebatte auf. So weist Aroldi implizit auf die Notwendigkeit hin, verschiedene Ebenen und Funktionen von Medien zu unterscheiden: Zum einen seien sie als Alltagstechniken tief in unsere Lebensvollzüge eingebettet, zum anderen ergeben ihre fiktionalen wie faktischen Inhalte, »news, facts, imageries, characters, celebrities, emotions, rituals, icons, music and brands« eine »generational semantic« und ein Repertoire kollektiv geteilter Erinnerungen (vgl. u. zit. Aroldi 2011: 58).

Möchte man Mediengenerationen empirisch beschreiben, kommt man um eine Differenzierung des Medienbegriffs also nicht herum. Aus publizistik- und kommunikationswissenschaftlicher Sicht kann analytisch zwischen der technischen, semiotischen, organisatorischen und institutionellen Dimension von Medien unterschieden werden (vgl. Beck 2010: 85-89). Aus der Sicht der Nutzer hingegen dürfte eine andere Dimensionierung sinnvoll erscheinen, die dem lebensweltlichen Medienhandeln und den alltäglichen Medienerfahrungen stärker angemessen ist. Wir schlagen deshalb zur Erfassung und Beschreibung dieser Nutzersicht auf verschiedene Erlebnis- und Erfahrungsebenen von Medien eine Dreiteilung in Mediendispositive, Medienformate und Mediennarrative vor und werden bei unseren Auswertungen versuchen, die Auskünfte der Befragten entsprechend zuzuordnen.

1.3.2 Mediendispositive

»Dispositiv meint in der französischen Theorietradition, die maßgeblich durch Michel Foucault geprägt wurde, eine zweckbezogene »Vorrichtung« oder »materielle und ideelle Infrastruktur« für Diskurse. Als Beispiele werden ideelle Regulierungen wie Maßnahmenbündel, Regelwerke, Gesetze, Lehrsätze etc., also Institutionen, aber auch materialisierte Formen wie Artefakte, Gebäude usw. genannt (vgl. Bührmann/ Schneider 2008: 51-52). In den Worten Foucaults handelt es sich bei Dispositiven um

»ein entschieden heterogenes Ensemble, das Diskurse, Institutionen, architekturale Einrichtungen, reglementierende Entscheidungen, Gesetze, administrative Maßnahmen, wissenschaftliche Aussagen, philosophische, moralische oder philanthropische Leitsätze, kur: Gesagtes ebensowohl wie Ungesagtes umfasst. (…) Das Dispositiv selbst ist das Netz, das zwischen diesen Elementen verknüpft werden kann« (Foucault 1978: 119-120).

Bedeutsam sind nicht nur die einzelnen Elemente oder ihre Summe, sondern ausschlaggebend sind die Anordnungen und Beziehungen, ihre »Formation« (Foucault), weil diese denn Möglichkeitsraum für Praktiken aufspannen. Dispositive ergeben sich aus den Praktiken, werden also ausgehandelt und rahmen ihrerseits Handlungen nach bestimmten Regeln und Möglichkeiten. Dispositive erlangen formative Macht; dabei wirken sie nicht einfach restriktiv, sondern produktiv in dem Sinne, dass sie selbst etwas hervorbringen. Foucault zählt zu diesen möglichen Hervorbringungen »vor allem bestimmte Subjektivitätsformen bzw. -typen« (Bührmann/ Schneider 2008: 54). Es geht hier nicht allein um individuelle Subjekte, sondern um Formen und Typen, also kollektive Phänomene, die je nach Dispositiv variieren. Dispositive selbst sind, wie Deleuze betont, dynamische mehrdimensionale Gebilde aus variablen Linien; sie sind veränderbar und unterliegen einem historischen Wandel (vgl. Deleuze 1991: 57).

Bührmann und Schneider (2008: 72-73) stellen eine Verbindung zu Mannheims Wissenssoziologie und zu seiner Generationentheorie her: Dispositive (und damit auch Mediendispositive) sind Teil des »Seins« (also der institutionellen und materiellen intersubjektiven Welt), die das Bewusstsein prägen. Die Erfahrung des Subjektes, die durch Dispositive ermöglicht und begrenzt werden, sind kollektive Erfahrungen und begründen einen »konjunktiven Erfahrungsraum« mit spezifischen generationellen Prägungen. Konjunktive Erfahrungsräume sind keineswegs deckungsgleich mit welthistorischen Ereigniszeiträumen oder Epochen und Schlüsselereignissen; dies gilt umso mehr für die »postheroischen Generationen« der ausdifferenzierten Nachkriegsgesellschaft (vgl. Jureit 2006