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Dieser Band enthält eine Sammlung von teils poetischen, teils ganz persönlichen, inspirierten und belehrenden Texten, die zur Meditation oder Kontemplation anregen möchten. Den Tag abschließen, zu sich selbst finden – mit diesen Inspirationen wird der Leser sich in der Lage fühlen, die Ereignisse des Tages in ihrer Komplexität zu verstehen und zu bewältigen.
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Seitenzahl: 87
Safi Nidiaye
Meditationen für den Abend
Knaur e-books
In diesem Band sind Meditationen für den Tagesausklang versammelt: Den Tag abschließen, nach Hause finden zu sich selbst, den Abend feiern, zwischen Wachen und Schlaf und weitere Inspirationen. Die Texte möchten zur Meditation anregen: Der Leser wird sich in der Lage fühlen, die Ereignisse des Tages in ihrer Komplexität zu verstehen und zu bewältigen. Kurz und konzentriert, aber durchwegs poetisch verfasst, helfen sie ihm, die Zusammenhänge seines Lebens durch die in der inneren Versenkung gewonnenen Erkenntnisse neu zu begreifen.
Nach meinen Meditationen für den Tagesbeginn, »Im Licht des neuen Morgens«, sind dies meine Meditationen für den Abend und die Nacht. Diese Texte, teils Früchte meiner eigenen Meditationen, teils spontaner Inspiration oder Intuition, sind nicht dazu gedacht, als Meditationsanleitung befolgt zu werden, sondern sie sollen Sie zu eigenen Meditationen anregen. Ich stelle mir vor, dass Sie einen der Texte auswählen, der Sie gerade besonders anspricht, und ihn auf sich wirken lassen. Wenn Sie dann über dasselbe Thema meditieren möchten, können Sie sich vielleicht einfach die Überschrift zu Nutze machen, die in Kurzform das jeweilige Meditationsthema umreißt. Außerdem habeich in jedem Text einen Satz hervorgehoben, den Sie sich – falls er Sie inspiriert – in Ihre Meditation mit hineinnehmen können.Manche dieser Sätze eignen sich auch als »Merksätze«, die man in den Schlaf oder in den Tag mitnehmen kann, beispielsweise indem man sie auf Zettel schreibt, die man neben das Bett legt, ans Telefon oder zu den Dingen des Arbeitsplatzes. Andere wiederum, die Sie besonders hilfreich oder inspirierend finden, möchten Sie vielleicht weitergeben, indem Sie sie mit einem kleinen Gruß per SMS oder E-Mail oder Postkarte an jemanden schicken…
Natürlich können Sie die Texte des vorliegenden Buches auch einfach lesen und es dabei belassen. Meiner Erfahrung nach entfalten etliche von ihnen auch dann ihre Wirkung. Vielleicht ertappen Sie sich kurz darauf bei einer stillen Meditation oder einer vertieften Betrachtung des Themas, von dem der Text gehandelt hat, bei einer neuen Erkenntnis oder Sichtweise in diesem Zusammenhang oder dabei, wie Sie plötzlich überflüssige Termine aus Ihrem Kalender streichen, um Raum für Muße zu schaffen.
Der Abend ist von einer gänzlich anderen Energie erfüllt als der Morgen; die Themen, über die man am Abend meditiert, sind zwangsläufig andere, weil die Stimmung eine andere ist. Beim Schreiben, bei der Gliederung in Kapitel und der Auswahl der Themen habe ich vorwiegend an die Menschen gedacht, die vom Zeitablauf her ein normales Leben führen, das heißt, dass sie am Tage tätig sind und in der Nacht schlafen; Menschen, bei denen sich das umgekehrt verhält, müssen vielleicht meine Abendmeditationen am Morgen lesen, wenn sie von der Arbeit heimkehren, und meine Morgenmeditationen am Abend.
Der Morgen eignet sich naturgemäß dazu, sich auf den Tag vorzubereiten und einzustimmen, und je höher man mit dieser Einstimmung ansetzt, desto größer wird die Kraft und die Motivation, die in der Meditation für den Tag mobilisiert wird. Der Abend eignet sich naturgemäß dazu, einen Blick zurück zu werfen auf das, was am Tag geschehen ist, um sich Klarheit zu verschaffen, um Themen, die uns keine Ruhe lassen, tiefer zu betrachten, so dass wir sie loslassen können, um auf diese Weise psychisch-geistige Hygiene zu betreiben, die mindestens ebenso wichtig ist wie das Zähneputzen. Vor allem aber habe ich den Abend als Gelegenheit betrachtet, das zu tun, was einem im Allgemeinen am Tage nicht möglich war, nämlich ganz zu sich selbst heimzukehren, sich von Masken, Zwängen und Pflichten zu befreien, man selber zu sein, das zu tun, was seinem Herzen Freude macht, und auf diese Weise einen wahren »Feierabend« zu verbringen.
Wenn wir auf die in unserer Zeit und Kultur übliche Art leben, versäumen wir die Gelegenheit, zu erfahren, was Muße, was das reine Sein bedeutet; spätestens im Alter von drei Jahren machen wir damit ein für alle Mal Schluss. Wir liefern uns restlos den Anforderungen und den Reizen der Außenwelt aus, indem wir von der Arbeit zum Fernseh- oder sonstigen Unterhaltungs-, Ablenkungs- oder Aktivitätsprogramm übergehen. Wir lassen keine Freiräume mehr übrig. Selbst wenn wir Freiräume haben könnten – beispielsweise bei einer U-Bahn-Fahrt –, beschäftigen wir uns irgendwie, wir studieren die Zeitung, lesen ein Buch oder denken an unsere Arbeit. Das Einfach-nur-da-Sein haben wir verlernt.
Was einem bei dieser Lebensweise entgeht, ist so gewaltig, dass man keine Vorstellung davon hat, wenn man es nie anders versucht hat. Statt aus der Tiefe unseres Wesens, die eine unendliche Quelle von Energie, Inspiration, Erneuerung, frischen Ideen und frischer Motivation und neuen Fähigkeiten und Qualitäten ist, zu schöpfen, bewegen wir uns an der Peripherie unseres Wesens, stets in einem oberflächlichen Kontakt mit der Außenwelt, auf die wir ständig reagieren, anstatt aus unserer Mitte heraus zu agieren. Welten, die in unserem Innern schlummern, bleiben unerforscht, es sei denn, wir gestatten im Zuge unserer Tages- und Abendaktivitäten unserer Kreativität freien Lauf, indem wir aus unserem Innern Worte, Klänge, Gestalten oder Bilder auftauchen lassen, die wir in mehr oder weniger künstlerischer Weise ausdrücken – schreibend, malend, musizierend, gestaltend oder tanzend.
Der Schlaf, in dem wir uns regenerieren können und neue Kraft und Inspiration aus der Tiefe tanken könnten, ist dann im Normalfall mit Eindrücken überfrachtet, die verarbeitet werden müssen, weil wir auch am Feierabend nicht aufhören, unseren Geist zu füllen – mit Gesprächen, Informationen, Filmen, Bildern, Spielen, Aktivitäten.
Die vorliegenden Texte sollen Sie dazu inspirieren, hin und wieder am Abend eine schöpferische Pause einzulegen; einen Augenblick der Stille, der Rückschau, der einfachen Muße zu genießen; den Abend zu feiern, anstatt einen öden »Feierabend« vor dem Fernseher zu verbringen oder sonst einer Gewohnheit zu frönen; die Energie des Abends zu nutzen, um bestimmte Themen einmal tiefer zu betrachten, die in Ihrem Leben eine wichtige Rolle spielen und die sich gut am Abend betrachten lassen.