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Milliardär Jack Walcott ist waghalsig, unerschrocken … und offensichtlich lebensmüde! Als Rettungsschwimmerin Ondine den smarten Konzern-Erben nach einem Sprung von seiner Jacht aus dem Ozean zieht, ist sie mehr als wütend. Sie hat genug von selbstherrlichen Männern, die in ihrem Leben Chaos anrichten. Da will sie sich an diesem superreichen Bad Boy nicht die Finger verbrennen. Aber ein betörender Kuss von ihm, und Ondine ist wehrlos vor Sehnsucht. Was sie jetzt dringend retten muss? Ihr Herz! Denn Jack macht ihr ein sündhaft sinnliches Angebot …
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Seitenzahl: 207
IMPRESSUM
JULIA erscheint in der Verlagsgruppe HarperCollins Deutschland GmbH, Hamburg
© 2023 by Louise Fuller Originaltitel: „Her Diamond Deal with the CEO“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London in der Reihe: MODERN ROMANCE Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
© Deutsche Erstausgabe 2024 in der Reihe JULIA, Band 2633 Übersetzung: Grit Wölten
Abbildungen: Harlequin Books S. A, alle Rechte vorbehalten
Veröffentlicht im ePub Format in 01/2024 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.
E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 9783751524483
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
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Ondine streckte sich in dem blassgoldenen Sand aus und atmete tief durch. Dipper’s Beach war abschüssig und schmal, deshalb war dieser Strand bei den Touristen nicht so beliebt wie viele andere Buchten an der Küste Floridas. Abgesehen von den Möwen, die am Wassersaum entlangstolzierten und nach Krebsen Ausschau hielten, war es hier einsam.
Aber gerade das gefiel ihr.
Es war ihr erster freier Tag seit drei Wochen und sie hätte endlich einmal wieder ausschlafen können. Doch sie liebte die frühen Morgenstunden, wenn die Sonne über ihrem Strandhaus aufging und den Himmel in rosafarbenes Licht tauchte. Diese Zeit des Tages gehörte nur ihr.
Bei der Arbeit war nie Zeit für eine Pause. Immer wollte jemand etwas von ihr. Hier aber gab es nur die Sonne, den Himmel und das endlose blaue Meer. Die schimmernde Wasseroberfläche wurde eingerahmt vom Strandhafer, der in den Dünen wuchs.
Als Kind war sie in fast allem nur durchschnittlich gewesen. Das Wasser aber war immer schon ihr Element gewesen, in dem sie Superkräfte entwickelte. Jeden Tag trainierte sie schon vor der Schule und beinahe jedes Wochenende nahm sie an Wettkämpfen teil. Sie hatte sich schon auf dem Siegertreppchen gesehen, doch dann hatte ihre Verletzung all ihre Pläne zunichtegemacht. Inzwischen schwamm sie nur noch zum Vergnügen und als Rettungsschwimmerin im Whitecaps, dem exklusiven Strandhotel in Palm Beach, in dem die Reichen und Schönen Urlaub machten.
Hier hatte sie nur selten die Gelegenheit, zu zeigen, was sie konnte. Denn die meisten Hotelgäste sonnten sich an dem großen Pool, statt darin zu schwimmen. Und das galt auch für den privaten Strandabschnitt, der zum Hotel gehörte.
Es war Ondines zweites Jahr in diesem Hotel. Tagsüber arbeitete sie als Rettungsschwimmerin, an den meisten Abenden zusätzlich an der Bar und im Restaurant. Sie verzog den Mund. Eigentlich hatte sie sich ihr Leben anders vorgestellt. Zwei Jobs. Zwei Scheidungen. Eine gemietete Strandhütte, die kaum mehr war als eine Bretterbude …
Aber das Trinkgeld war phänomenal, und dank Vince, ihrem nichtsnutzigen zweiten Ex-Mann, war das wichtiger, als ihren Job zu lieben.
Wenn sie an die vielen Rechnungen dachte, die sich auf der Arbeitsfläche ihrer Küche stapelten, zog sich ihr der Magen zusammen. Manchmal, nach einer besonders anstrengenden Schicht, versuchte sie auszurechnen, wie viele Gläser und Teller sie noch würde abräumen müssen, bevor sie schuldenfrei wäre. Meistens aber war sie so erschöpft, dass sie nur noch ins Bett fiel.
„Hola, Ondine. Cómo está hoy?“
Ondine fuhr hoch und lächelte, als sie die ältere Frau erkannte, die auf sie zukam. Ihr graues Haar war wie immer perfekt frisiert. Dolores war ihre Nachbarin und trotz ihrer einundachtzig Jahre ging sie mit ihrem Chihuahua Herkules jeden Tag zweimal am Strand spazieren.
„Du hast heute frei, nicht wahr? Willst du schwimmen, chica?“
„Hola, Dolores. Hi, Herk.“ Sie küsste die alte Dame auf die Wangen, dann beugte sie sich hinunter, um den kleinen Hund hinter seinen samtigen Ohren zu kraulen. „Ich habe frei bis heute Abend. Aber ich war schon früh wach und dachte, ich gönne mir eine Runde im Meer. Jetzt bin ich froh darüber.“ Sie ließ den Blick über den menschenleeren Strand schweifen. „Es ist so schön und friedlich heute.“
„Gestern Abend war es nicht ganz so friedlich.“ Missbilligend schnalzte Dolores mit der Zunge, sodass ihr Hund sie erschrocken ansah. Mit einem Kopfnicken deutete sie auf die prachtvolle weiße Jacht, die vor der Küste ankerte. „Es war so laut. Bis tief in die Nacht lief die Musik, manche Menschen sind einfach rücksichtslos.“ Sie stieß einen missbilligenden Laut aus. „Egal, Hauptsache, du hast einen schönen Tag, chica.“
„Danke, Dolores. Wir sehen uns morgen. Tschüss, Herk.“ Sie lächelte, als Dolores die kleine Pfote des Chihuahuas hob und damit winkte.
Weiter draußen schaukelte die Jacht sanft auf den Wellen.
Früher hätte ihr ein solches Schiff imponiert, aber jetzt arbeitete sie in Palm Beach und hier gab es mindestens so viele Jachten wie Palmen.
Sie öffnete den Reißverschluss ihrer Kapuzenjacke, zog die Shorts und die Flip-Flops aus. Der Sand war warm und einen Moment lang stand sie einfach nur da und vergrub die Zehen in dem weichen Untergrund. „Wer an den einfachsten Dingen gefallen findet, ist ein reicher Mensch.“ Das hatte ihre Mutter immer gesagt, aber es war schwer, sich reich zu fühlen, wenn zu Hause ein ganzer Stapel unbezahlter Rechnungen wartete.
Sie hielt in der Bewegung inne. Es wäre ratsam gewesen, Vince nicht blind zu vertrauen. Sie hatte gewusst, dass er sehr locker mit Geld umging. Aber sie hatte sich nicht eingestehen wollen, dass sie einen Fehler wiederholt hatte – nämlich den, den falschen Mann zu heiraten.
Gedankenverloren betrachtete sie die Jacht. Ihr Herz schlug heftig, als sie daran dachte, wie ihre erste Ehe geendet hatte. Garretts Untreue war demütigend gewesen und hatte sie fast zerstört. Aber sie hatte es geschafft, sich von ihm zu trennen. Doch bevor sie den Mut aufgebracht hatte, ihren Eltern zu eröffnen, dass sie sich scheiden lassen würde, waren sie bei einem Autounfall ums Leben gekommen.
Plötzlich fröstelte sie trotz der Wärme. Quasi über Nacht war sie zur Waise geworden und hatte zudem noch die Verantwortung für ihren fünfzehnjährigen Bruder übernehmen müssen. Um in Olivers Nähe zu sein, war sie nach Florida zurückgezogen. Nur einen Monat später war sie Vince in einem Eisenwarenladen begegnet. Er hatte sie zum Lachen gebracht, und als er sie bat, mit ihm auszugehen, hatte sie es für einen Scherz gehalten. Schließlich hatte sie eingewilligt und sich in seiner Nähe sexy und begehrenswert gefühlt.
Es war die typische Flucht in eine neue Beziehung gewesen, doch das hatte sie nicht davon abgehalten, Vince’ Heiratsantrag anzunehmen. Ein Jahr später war auch diese Ehe am Ende. Zwar hatte sie dieses Mal ihren Stolz bewahrt, aber erneut ein Zuhause verloren. Und bis heute zahlte sie die Schulden ihres zweiten Mannes ab.
Zum Glück war das Geld, das ihre Eltern für Olivers Ausbildung angelegt hatten, unangetastet geblieben. Wenn sie an ihren kleinen Bruder dachte, wurde ihr leichter ums Herz. Im Gegensatz zu ihr wusste Oli genau, wie seine Zukunft aussehen sollte. Und er war klug und zielstrebig genug, um genau das zu erreichen. Im Moment absolvierte er ein Praktikum in einer Klinik in Costa Rica, im September würde er mit dem Medizinstudium beginnen.
Stirnrunzelnd sah sie erneut zu der Jacht hinüber.
Es war jemand an Deck. Ein Mann mit einem dunklen Sakko und dunkler Hose, das weiße Hemd am Hals lässig aufgeknöpft. Jetzt bückte er sich, griff nach einer Flasche, schüttelte sie und hob dann den Arm, als wollte er sie ins Meer werfen.
„Wag es ja nicht“, murmelte Ondine.
Als hätte er sie gehört, schaute der Mann auf. Es war, als träfe sein Blick sie direkt ins Herz. Sie spürte, wie ihr ein heißer Schauer über den Rücken lief.
Seine beeindruckend breitschultrige Silhouette zeichnete sich vor dem blauen Himmel ab. Das Sonnenlicht ließ seinen athletischen Körper golden schimmern, und er wirkte wie eine Figur aus einem Roman von F. Scott Fitzgerald.
Cool ließ er die Flasche zwischen seinen Fingern baumeln, dann stellte er sie ab, richtete sich auf und zog das Sakko derart lässig aus, dass sie unwillkürlich erstarrte. Sein Anblick löste Unbehagen in ihr aus.
Dennoch beobachtete sie ihn weiter. Ohne jegliche Vorwarnung sprang er plötzlich über die Reling. Nach einem beinah unwirklichen Moment absoluter Stille sah sie, wie er mit einem Klatschen in die Wellen eintauchte.
Was, um …?
Automatisch griff sie neben sich nach ihrem Board. Aber es lag nicht dort, denn an diesem Tag hatte sie frei.
Leise fluchend lief sie bis zur Wasserkante. Musste so etwas ausgerechnet heute passieren, wenn sie freihatte?
Während sie die Stelle im Auge behielt, an der der Mann untergetaucht war, schätzte sie die Entfernung ab. Er hätte längst wieder an die Oberfläche kommen müssen.
Ohne nachzudenken, rannte sie ins Wasser und begann zu schwimmen. Mit kräftigen Zügen kämpfte sie sich vorwärts durch die Wellen.
Immer wieder hatte sie für den Notfall trainiert, und jetzt, da er eingetreten war, blieb keine Zeit für Angst oder Panik.
Was war das?
Ganz kurz nur blitzte etwas Goldenes auf und schon war es wieder verschwunden.
Sie holte tief Luft und tauchte unter den Wellen hindurch. Da sah sie ihn. Sein weißes Hemd leuchtete unter der Wasseroberfläche, die Hände hatte er nach oben gestreckt.
Sekunden später hatte sie ihn erreicht. Automatisch umfasste sie seinen Brustkorb und tauchte mit ihm auf. Rücklings schwamm sie mit ihm Richtung Strand. Sobald sie wieder Boden unter den Füßen spürte, zog sie ihn schwer atmend auf den Sand. Dabei fiel ihr auf, dass sein Hemd nicht schlicht weiß war, sondern gepunktet.
Nein, das war kein Muster. Es war Blut.
Ihr Herzschlag dröhnte in ihren Ohren und übertönte fast die Stimme ihres Ausbilders, die sie sich ins Gedächtnis rief. Fang immer mit dem Notfall-ABC an. Atemwege freimachen, beatmen, Circulation, also eine Herzdruckmassage.
Das kalte Wasser und das Adrenalin, das durch ihre Adern rauschte, ließen sie am ganzen Körper zittern, doch im Kopf war sie völlig klar. Sie legte zwei Finger unter das Kinn des Fremden und schob seinen Kopf zurück. Dann hielt sie seine Nase zu, legte die Lippen auf seinen Mund und begann mit der Beatmung.
Der Mann hustete, und sofort drehte Ondine ihn auf die Seite, während er nach Luft rang.
„Alles okay, alles gut“, beschwichtigte sie ihn und tätschelte seine Schulter. „Sie sind in Sicherheit.“
War er das tatsächlich? Mit klopfendem Herzen betrachtete sie ihn. Die Blutflecken hoben sich erschreckend plastisch von dem weißen Baumwollstoff seines Hemdes ab. Mit bebenden Fingern begann sie, sein Hemd aufzuknöpfen, um sich die Verletzungen anzusehen.
„Was machen Sie da?“
Durch das Salzwasser, das er geschluckt hatte, klang seine Stimme heiser. Dennoch beruhigte es sie, ihn sprechen zu hören.
„Sie haben Blut auf dem Hemd. Ich muss …“
Doch er winkte ab. „Keine Sorge. Gestern Abend hat es einen Kampf auf dem Schiff gegeben, und ich habe versucht, die Gegner zu beschwichtigen.“ Vorsichtig betastete er seine Lippe, und Ondine sah eine aufgeplatzte Stelle, die ihr vorher nicht aufgefallen war. „Als Dank dafür habe ich einen Schlag abbekommen“, erklärte er.
Er legte den Arm auf die Stirn, um seine Augen von der Sonne abzuschirmen. Als sie bemerkte, dass er fror, legte sie ihren Hoodie auf seinen nackten Oberkörper.
„Ich hätte Sie da gestern gut gebrauchen können“, murmelte er. „Sie müssen verdammt stark sein, wenn Sie es geschafft haben, mich aus dem Wasser zu ziehen.“
„Das ist mein Job. Ich bin Rettungsschwimmerin.“
Dann tu jetzt auch endlich deine Pflicht, sagte sie sich und versuchte, den Blick von seinen sinnlich geschwungenen Lippen abzuwenden. Geschäftig griff sie nach seinem Handgelenk und fühlte seinen Puls. Er war langsam und gleichmäßig, wie sie erleichtert feststellte. „Haben Sie Alkohol getrunken oder Drogen genommen?“
„Was?“ Stirnrunzelnd sah er sie an. „Nein, nichts …“
Sie dachte an die Flasche in seiner Hand und schaute ihn misstrauisch an. Aber das war nicht mehr ihre Angelegenheit. Er atmete, sein Herzschlag war stabil. Und alles andere würde man im Krankenhaus checken.
„Okay, gut, alles ist in Ordnung. Sie müssen jetzt nur hier liegen bleiben. Ich hole Hilfe.“
Zwar wollte sie ihn nur ungern allein lassen, aber die Chance, dass hier am Strand Hilfe auftauchte, war verschwindend gering. Wenn sie doch wenigstens ihr Handy dabeihätte – aber das lag noch auf dem Küchentresen.
„Nein.“ Erstaunlich kräftig umklammerte er ihr Handgelenk. „Ich brauche keine Hilfe. Sie haben doch gesagt, Sie sind Rettungsschwimmerin.“
„Aber keine Ärztin.“ Sie sprach ruhig und bestimmt, wie sie es gelernt hatte. „Ich wohne gleich dort drüben. Lassen Sie mich schnell nach Hause laufen und einen Krankenwagen rufen.“
Sie war darauf eingestellt, dass er ablehnen würde. Das war eine recht häufige Reaktion, insbesondere bei Männern. Sie wollten nicht „gerettet“ werden. Doch nach so einem Unfall war eine ärztliche Untersuchung dringend nötig.
„Na gut. Meinetwegen.“ Er ließ sie los.
Hastig griff Ondine nach ihren Shorts, zog sie an und sprang auf. „In spätestens fünf Minuten bin ich zurück. Bleiben Sie einfach ruhig hier sitzen. Übrigens, mein Name ist Ondine.“
„Jack“, erwiderte er und lehnte vorsichtig den Kopf zurück in den Sand. Die Augen hatte er noch immer geschlossen. „Jack Walcott.“
Ich weiß, wer Sie sind.
Fast hätte sie es laut ausgesprochen und spürte, wie sie errötete.
Jack Walcott war der Erbe des Energieunternehmens Walcott – und Gast im Whitecaps. In diesem Hotel voller schöner, entspannter Menschen war er mit Abstand der attraktivste. Ein Millionär mit einem jungenhaften Gesicht, dunkelblondem Haar und beinahe absurd perfekten Zügen. Seine goldenen Augen erinnerten an das Funkeln eines Piratenschatzes.
Und er wusste, wie attraktiv er war.
Jack Walcott konnte es mit jedem Filmstar aufnehmen, sein Lächeln würde selbst die Arktis zum Schmelzen bringen.
Und er ist selbstverliebt, zügellos und arrogant, fügte sie in Gedanken hinzu und verzog den Mund. Bisher hatte er immer, wenn er in dieser hellblauen Badehose, die den Bronzeton seiner Haut perfekt zur Geltung brachte, am Pool gelegen hatte, einfach durch sie hindurchgesehen. Auch als sie ihm auf seine Bitte hin im Restaurant eine Extraportion Senf zu seinem Steak gebracht hatte, hatte er sie nicht wahrgenommen. Für ihn gehörte sie nur zum Personal. Eins der vielen unsichtbaren Wesen, die nur dafür da waren, seine Wünsche zu erfüllen.
Unwillkürlich betrachtete sie seine Bauchmuskeln, die sich unter der nackten Haut abzeichneten. Wie gern hätte sie einmal darübergestrichen …
Ihre Finger zuckten und schnell ballte sie die Hände zu Fäusten und stemmte sie in die Hüften.
„Ich bin gleich zurück, Jack“, sagte sie hastig. Er hielt die Augen geschlossen.
Sie rannte über den Sand, und als sie die Dünen erreicht hatte, sah sie sich noch einmal nach ihm um. Doch Jack Walcott lag nicht mehr dort, wo sie ihn verlassen hatte. Stattdessen schlenderte er ungerührt am Strand entlang. Ihren Hoodie hatte er sich über die Schultern gelegt. Seine Bewegungen waren geschmeidig und äußerst männlich. Fluchend lief sie zu ihm zurück.
„Hey.“
Er wandte sich zu ihr um. Sein blondes Haar fiel ihm in die Stirn.
„Haben Sie nicht etwas vergessen?“
Verständnislos sah er sie an.
„Ach so, ja, natürlich. Hier.“ Der goldene Siegelring an seinem kleinen Finger blitzte auf, als er ihren Hoodie von den Schultern nahm und ihn ihr reichte.
„Das habe ich nicht gemeint“, erwiderte sie schnippisch und jetzt endlich sah er sie direkt an. Sein Blick war so intensiv, dass sie sich plötzlich ihres eigenen Körpers bewusst wurde. Das Heben und Senken ihrer Brust bei jedem Atemzug, das schnelle Pochen ihres Herzens, die nackte Haut.
Ganz kurz schien er zusammenzuzucken, als hätte er ihre Reaktion wahrgenommen. Mehr noch – als würde auch er es spüren.
Im Nachhinein fragte sie sich, wer den ersten Schritt getan hatte. Vielleicht hatte er sich vorgebeugt, vielleicht aber war sie auch ins Straucheln gekommen. Auf jeden Fall berührten sich im nächsten Augenblick ihre Lippen, und ein Gefühl, wie sie es noch nie zuvor verspürte hatte, durchzuckte sie.
Sein Mund war weich und warm, seine Lippen neckten ihre. Sie spürte seine Hand auf ihrer Hüfte und eine unglaubliche Sehnsucht erfasste sie. Unwillkürlich drängte sie sich an seinen Körper, der nur aus harten Muskeln zu bestehen schien.
Mit der Zunge fuhr er über ihre Lippen und teilte sie. Ondine schmeckte Salz und spürte, dass er genauso erregt war wie sie. In diesem Moment warf sie all ihre Bedenken über Bord, gab sich seinem Kuss hin und …
Tief atmete sie ein und taumelte mit hämmerndem Herzen zurück. „Was, zum Teufel, tun Sie da?“
Ein guter Schachzug, befand sie. Denn jetzt musste sie sich nicht fragen, was sie sich dabei gedacht hatte, einen Mann zu küssen, den sie gerade aus dem Wasser gezogen hatte. „Sie können doch nicht rumlaufen und einfach Leute küssen.“
Er senkte den Kopf und sah sie an. „Um ehrlich zu sein, haben Sie mich zuerst geküsst“, widersprach er sanft.
„Das war eine Mund-zu-Mund Beatmung. Also, was tun Sie da?“, wiederholte sie atemlos.
„Ich gehe zurück zum Hotel.“
„Auf keinen Fall.“ Es gelang ihr, bestimmt zu klingen. „Ich hatte Ihnen doch gesagt, Sie sollen sich nicht von der Stelle bewegen.“
„Mir war langweilig“, gab er schulterzuckend zurück.
Langweilig?
Nur mühsam konnte sie sich beherrschen. „Sie müssen zum Arzt.“
„Ich bin in bester ärztlicher Behandlung.“ Kurz dachte er nach. „Oder zumindest war ich es – bis gestern.“ Amüsiert sah er sie an und ihr Herz setzte einen Schlag aus. „Allerdings bin ich nach gestern Abend ziemlich sicher, dass ich wieder Single bin.“
„Wenn Sie Ihre Beziehungen ähnlich leichtfertig aufs Spiel setzen wie Ihre Gesundheit, wundert mich das nicht“, platzte sie heraus, ohne nachzudenken.
Stumm sah er sie an. Sein Lächeln war verschwunden.
„Ich dachte, Sie sprechen von ärztlicher und nicht von psychologischer Behandlung“, erwiderte er verächtlich. „Sehen Sie, Odette, ich denke, Sie meinen es gut. Aber ich bin wirklich müde und möchte eigentlich nur noch ins Bett.“ Wie um seinen Worten Nachdruck zu verleihen, gähnte er und reckte sich wie eine Katze.
„Ich heiße Ondine, nicht Odette. Und Sie sollten jetzt nicht allein sein“, erwiderte sie steif.
Provozierend sah er sie an. „Im Bett?“
Ihre Wangen wurden heiß. Um ehrlich zu sein, schien ihr ganzer Körper in Flammen zu stehen.
„Ich nehme Ihr Angebot gern an.“ Wieder dieses neckische Lächeln. „Vielleicht sollten wir dann besser zu Ihnen gehen. Das ist näher.“
„Es gibt kein Angebot und auch kein Wir“, erklärte sie kühl.
„Ich wollte nur einen Witz machen“, ruderte er zurück.
„Weil das hier alles gerade so witzig ist?“ Aus funkelnden Augen sah sie ihn an. „Möglich, dass Sie sich gerade gut fühlen. Aber Lungenprobleme sind keine Seltenheit nach einem solchen Unfall und auch Herzrhythmusstörungen müssen ausgeschlossen werden.“
„Okay, okay.“ Beschwichtigend hob er die Hände. „Ich habe verstanden. Aber Sie müssen keinen Krankenwagen rufen. Ich habe einen Wagen am Hotel und fahre selbst.“
Am liebsten hätte sie die Augen verdreht, schüttelte aber nur den Kopf. „Nein, das geht nicht. Ich bringe Sie“, beschloss sie spontan.
Verständnislos sah er sie an. „Warum sollten Sie das tun?“
„Weil Sie zum Arzt müssen und ich Ihnen nicht traue.“
„Beeindruckend“, gab er zurück. „Normalerweise dauert es länger, bis die Menschen mich durchschauen.“
Ihre Blicke trafen sich und Ondine ignorierte ihren rasenden Puls. „Ich muss nur noch mein Handy aus dem Haus holen. Und ich bringe Ihnen Schuhe mit. Hier geht’s lang.“ Ohne abzuwarten, drehte sie sich um und ging den Weg zurück.
Fünf Minuten später fuhren sie in ihrem alten Honda Civic, der dringend eine Wäsche gebraucht hätte, über die mit Schlaglöchern übersäte Straße. Nur zu sehr war sie sich Jacks Gegenwart bewusst, der den Beifahrersitz mit seinen breiten Schultern und dem athletischen Körper komplett ausfüllte.
„Spätestens nach dieser Fahrt bin ich wirklich reif fürs Krankenhaus“, grummelte er und verzog in gespielter Panik das Gesicht, als sie beschleunigte, um einen Pizzaboten zu überholen. „Es fühlt sich an, als wäre ich mit einem Jetski in der Wüste unterwegs.“
„Der Wagen braucht neue Stoßdämpfer“, gab sie ungerührt zurück. „Aber wir sind gleich da.“ Das Solace Health, die Privatklinik für die Reichen und Schönen, war nicht weit vom Hotel entfernt. Auf dem Tresen der Rezeption standen üppige Vasen mit Orchideen und statt nach Desinfektionsmittel roch es hier nach Orangenblüten und Geld.
„Haben Sie vor, ins Solace zu fahren?“, erkundigte er sich stirnrunzelnd. „Gibt es kein anderes Krankenhaus in der Nähe?“
„Doch, aber es ist ein Stückchen weiter weg“, erklärte sie. „Und es ist keine Privatklinik. Dort werden Sie viel länger warten müssen.“
„Das macht nichts“, gab er zurück.
Genervt sah sie ihn an und dachte an sein impertinentes Fingerschnippen am Pool. Jetzt nahm er ihr, ehe sie etwas sagen konnte, die Sonnenbrille von der Nase und setzte sie selbst auf. Als seine Finger dabei kurz ihre Wange berührten, zuckte sie unwillkürlich zusammen.
„Im Solace kennt man mich und meine Familie. Und ich brauche nicht noch mehr Drama“, erklärte er.
Bisher hatte sie angenommen, dass die meisten Leute aufgrund seines Geldes und seines Auftretens so auf ihn reagierten, wie sie es taten. Doch als sie das Krankenhaus nach einer guten Stunde wieder verließen, wusste sie, dass Jack Walcott sogar in geliehenen Flip-Flops, Shorts und einer No-name-Sonnenbrille dieselbe Aufmerksamkeit erregte wie im Designeranzug. Er hatte einfach etwas an sich, das die Atmosphäre in jedem Raum veränderte.
Der Arzt, der ihn untersucht hatte – ein erschöpft wirkender Mann mit ergrauendem Haar –, war mit seinem Zustand zufrieden gewesen. Dann aber hatte er sich an Ondine gewandt. „Passen Sie auf Ihren Mann auf, Mrs. Walcott. Wenn Sie irgendwelche Veränderungen in seiner Atmung feststellen oder er plötzlich blass wird, kommen Sie sofort wieder her.“
„Das wird sie. Nicht wahr, Schatz?“ Mit vor Vergnügen blitzenden Augen sah Jack sie an. „Sie ist eine wundervolle Frau. Ich kann mich wirklich glücklich schätzen.“
Statt den Irrtum aufzuklären, nickte sie. „Ja, natürlich tue ich das“, versicherte sie dem Arzt.
Nachdem sie das Behandlungszimmer verlassen hatten, erklärte sie: „Ich bringe Sie jetzt nach Whitecaps zurück. Gibt es dort jemanden, der sich um Sie kümmern kann?“
Verwundert sah er sie an. „Woher wissen Sie, wo ich wohne?“
Am liebsten hätte sie sich die Zunge abgebissen, aber jetzt gab es kein Zurück mehr. „Ich arbeite dort“, erklärte sie schließlich und hielt seinem Blick stand.
„Jetzt weiß ich, warum Sie mir so bekannt vorkamen“, sagte er stirnrunzelnd.
„Ich gehöre zum Rettungsschwimmer-Team“, erklärte sie steif. „Wahrscheinlich haben Sie mich am Pool oder am Strand gesehen.“ Sie umklammerte das Lenkrad fester und konzentrierte sich auf den zunehmenden Verkehr. „Oder vielleicht auch im Restaurant.“
„Sie haben sogar Rettungsschwimmer im Restaurant? Wow!“ Er hob eine Augenbraue. „Offensichtlich sind die Suppenteller dort tiefer, als man denkt.“
Eigentlich wollte sie ihm nicht den Gefallen tun und über seinen Witz lächeln. Doch ihre Mundwinkel schienen ein Eigenleben zu führen.
„Ich arbeite dort abends im Service“, gab sie zurück.
„Haben Sie dann überhaupt mal frei?“
Eigentlich war dies eine simple Frage, doch die Umstände machten sie kompliziert. „Ja, heute zum Beispiel“, antwortete sie widerstrebend und bereute die ehrliche Antwort sofort, als sie sah, wie er sie erstaunt und prüfend musterte.
„Und Sie haben Ihren freien Tag für mich geopfert? Ich fühle mich geschmeichelt.“
„Das müssen Sie nicht. Ich hätte dasselbe für jeden anderen getan“, erwiderte sie hastig. Doch sie konnte nicht verhindern, dass ihre Finger zitterten, als sie den Knopf für die Klimaanlage drückte.
Es war die Wahrheit. Dennoch wurde sie rot. Und ihr war mehr als bewusst, dass Jack sie durchschaute. Aber das konnte sie nicht ändern.
„Wenn Sie es sagen“, erwiderte er schulterzuckend und streckte die langen Beine aus. „Warum haben Sie zwei Jobs? Das klingt irgendwie übertrieben. Ich meine … ich habe nicht mal einen.“
Hinter seinem lässigen Tonfall verbarg sich eine Schärfe, die sie nicht verstand. Aber das war unwichtig, ebenso wie die Tatsache, dass er ihre Beweggründe sicher nicht verstehen würde. „Ich habe eine Menge Kosten“, erwiderte sie daher bloß.
„Warum konzentrieren Sie sich nicht auf einen Job und machen Karriere?“ Er lehnte sich in den Sitz zurück und genoss offensichtlich die Sonne, die ihm direkt ins Gesicht schien. „Sie könnten aber auch den Chef heiraten“, schlug er vor und schob ihre Sonnenbrille auf seinem Nasenrücken hinauf.
Fassungslos starrte sie ihn an. Er sprach genau wie ein Mann, der es nicht nötig hatte, für seinen Lebensunterhalt zu arbeiten.
„Was für eine fortschrittliche Einstellung“, gab sie spöttisch zurück. „Aber ich will meinen Chef gar nicht heiraten.“ Sie wollte überhaupt nicht mehr heiraten und denselben Fehler ein drittes Mal machen. „Übrigens funktioniert die Ehe nur für Männer.“
„Nicht für mich.“ Ungerührt trommelte er mit den Fingerspitzen auf der Mittelkonsole herum. „Ich liebe meine Freiheit.“
„Das kann ich mir vorstellen. Ich wollte damit auch nur sagen, dass die Ehe für die Männer statistisch gesehen gut ist. Ihre Lebenserwartung steigt, und sie verdienen mehr Geld, weil man annimmt, dass sie engagierter, verantwortungsbewusster und reifer sind.“
Wer das behauptet, hatte allerdings meine Exmänner nicht kennengelernt, dachte sie und setzte den Blinker.