Mein Freund, der Mörder - Arthur Conan Doyle - E-Book

Mein Freund, der Mörder E-Book

Arthur Conan Doyle

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Beschreibung

Ich brauche wohl kaum zu sagen, begann Herr Petrokin, daß Gustav Berger, der englische Agent, uns mit seiner Gegenwart beehrt. Er ist allerdings noch jung, Alexis, fuhr er zu meinem blassen Nachbar gewandt fort, und doch kennt ihn bereits ganz Europa. Na na, sachte, sachte! dachte ich und fuhr mit lauter Stimme fort: Wenn Sie mich meinten, so möchte ich dazu bemerken, daß ich allerdings ein englischer Agent bin, aber daß mein Name nicht Berger, sondern Robinson ist, Tom Robinson, wenn Sie gestatten. Alle brachen auf diese Worte in ein Gelächter aus ...

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Arthur Conan Doyle

Mein Freund, der Mörder

Kurzkrimis

idb

ISBN 9783961509591

Pastor Hopkins.

Er war im Lager als der »Pastor« Elias Hopkins bekannt, aber man wußte allgemein, daß dies nur ein Ehrentitel war, den er seinen vielen hervorragenden Eigenschaften verdankte, und daß er auf ihn keinen Anspruch erheben konnte, den er auf eine amtliche Ordination hätte stützen können. Doch, um ihm Gerechtigkeit widerfahren zu lassen: er behauptete niemals, daß er für sein Amt irgend welche Studien absolviert oder kirchliche Qualifikation erhalten habe. Wir arbeiten alle im Claim des Herrn, bemerkte er eines Tages, und es ist vollständig Wurst, ob wir in diesem Geschäft von anderen angestellt sind oder auf eigenes Risiko graben –, ein rohes Gleichnis, welches sich dem Verständnis in Jackmanns Gulch sehr geschickt anpaßte. Das ist ganz sicher, daß schon während der ersten paar Monate seiner Anwesenheit der ausschließliche Konsum von starken Getränken und noch schlimmeren Angewohnheiten, welche für das kleine Goldgräberlager charakteristisch geworden waren, ganz bedeutend nachließen. Unter seiner Obhut fingen die Leute an zu verstehen, daß ihre Muttersprache weniger hartnäckig und halsstarrig war, als sie bisher vermutet hatten, und daß es möglich war, Eindrücke mit großer Genauigkeit in Worte zu bringen, ohne die Rede mit einem Arsenal von Kernflüchen ausschmücken zu müssen.

Sicherlich hatten wir in Jackmanns Lager am Anfange des Jahres dreiundfünfzig einen Reformator nötig. Es waren damals in der ganzen Kolonie flaue Zeiten, aber nirgends waren die Verhältnisse flauer als hier. Unser materieller Wohlstand hatte einen schlechten Einfluß auf unsere moralische Verfassung gehabt. Das Lager war klein und lag wenigstens hundertzwanzig Meilen südlich von Ballarat, an einem Orte, wo ein Wildbach sich durch eine rauhe Bergschlucht auf seinem Wege zur Einmündung in den Arrowsmithfluß durchzwängt. Es läßt sich nicht mehr nachweisen, wer der Jackmann gewesen ist, nach dem das Lager seinen Namen hatte, aber um die Zeit, in welcher unsere Geschichte spielt, enthielt es an die hundert Erwachsene, unter denen nicht wenige waren, die sich diesen Zufluchtsort ausgewählt hatten, nachdem ihnen der Boden in anderen mehr zivilisierten Minendistrikten zu heiß geworden war. Es war eine rohe Bande von Gaunern, welche nur mühsam von den wenigen anständigen Elementen im Zaume gehalten wurde, die unter sie geraten waren.

Die Verbindungen von Jackmanns Gulch mit der Außenwelt waren unsicher und schwierig. Ein Teil des Busches zwischen Jackmanns Gulch und Ballarat war in der Gewalt eines gefürchteten Banditen namens Conky Jim, der mit einer kleinen, ebenso verzweifelten Rotte das Gebiet unsicher machte. Daher pflegte man im Lager den Goldstaub aus den Minen in einem eigens hiefür bestimmten Raume aufzubewahren, indem jeder darin einen mit seinem Namen bezeichneten Beutel zu diesem Zwecke besaß. Ein zuverlässiger Mann, Moburn mit Namen, wurde auserwählt, diese primitive Bank zu bewachen. Wenn der Betrag zu einer bestimmten Höhe angewachsen war, wurde ein Wagen gemietet und der gesamte Schatz nach Ballarat geführt unter dem Schutze einer Abteilung Polizei und einer Anzahl von Goldgräbern, die abwechselnd dies Amt übernahmen. Von Ballarat aus wurde das Gold mittels eines der regelmäßigen Goldwaggons nach Melbourne geführt. Infolge dieser Maßregel wurde das Gold oft monatelang im Lager aufbewahrt, bevor es weiterverarbeitet wurde, aber Conky Jim war schachmatt gesetzt, da die Eskorte für ihn und seine Rotte zu stark war, als daß er sie hätte angreifen können. Um die Zeit, von welcher ich berichte, hatte er offenbar einen Widerwillen gegen seine Beschäftigung gefaßt, und man konnte die Straße nach Ballarat selbst in kleineren Abteilungen ohne Gefahr benützen.

Den Tag über herrschte in Jackmanns Gulch verhältnismäßige Ordnung, da die Mehrheit der Bewohner mit Brecheisen und Spitzhacke in den Quarzlagern beschäftigt war oder am Ufer des Bachs Gold wusch. Wenn indes die Sonne unterging, entleerten sich nach und nach die Claims, und ihre ungekämmten Besitzer kamen lehmbespritzt und verlumpt ins Lager geschlendert, reif für Lumpereien jeglicher Art. Zuerst statteten sie Moburns Golddepot einen Besuch ab, wo das Ergebnis ihrer Tagesarbeit niedergelegt wurde, indem gleichzeitig die Höhe des Betrages in des genannten Verwalters Buch eingetragen wurde; immer jedoch behielt ein jeder Goldgräber soviel zurück, um die Ausgaben für den Abend bestreiten zu können. Hierauf aber hatte jegliche Entbehrung und Entsagung ein Ende, und jeder machte sich an die Arbeit, seinen Ueberschuß an Goldstaub mit der größtmöglichen Geschwindigkeit los zu werden. Die beste Gelegenheit hiezu bot die primitive Bar, welche den hochtrabenden Namen »Britannia-Trinksalon« führte und aus einigen Fässern bestand, die mit rohen Brettern eingefriedigt waren. Hier schenkte Nat Adams, der dicke Wirt, schlechten Whisky, das Glas zu zwei Schilling, die Flasche zu einer Guinee, während sein Bruder Ben als Croupier in einem rohen Holzschuppen dahinter funktionierte, der in eine Spielhölle verwandelt worden und jede Nacht gedrängt voll war. Die beiden hatten einen Bruder gehabt, aber ein unglückliches Mißverständnis mit einem Gast hatte sein Leben verkürzt. Er war zu sanft veranlagt, als daß er hätte lange leben können, bemerkte sein Bruder Nathaniel mit Gefühl bei Gelegenheit seines Begräbnisses. Wie oft hatte ich ihm doch gesagt: wenn du mit einem Fremden über den Kostenpunkt verhandelst, mußt du stets erst den Hahn spannen, dann verhandeln und dann schießen, sobald du erkennst, daß er eine blaue Bohne zwischen den Rippen nötig hat. Bill war aber zu unerfahren. Er mußte zuerst verhandeln und dann erst visieren, während er doch ebensogut wie der andere zuerst hätte den anderen können aufs Korn nehmen, bevor er mit ihm sich unterhielt! Diese liebenswürdige Schwäche des verblichenen Bill war ein Schlag für die Firma der Gebrüder Adams, welche übrigens schon vor den Tagen der Goldfunde hier bestanden hatte; infolgedessen konnte Nat Adams auch mit Fug und Recht sich als den ältesten Einwohner von Jackmanns Gulch bezeichnen. Diese Schankwirte an der Straße waren übrigens in jenen Zeiten eine eigene Menschenklasse, und es ist interessant zu hören, wie es ihnen gelang, beträchtliche Vermögen zu erwerben in einem Lande, wo nur selten Reisende sich fanden, und die Bewohner sehr spärlich waren. Es herrschte nämlich der Brauch, daß die »Buschleute«, das heißt all die Existenzen, welche bei den großen Herden meist als Hirten beschäftigt waren, einen Revers unterzeichneten, wonach sie sich für ein, zwei oder drei Jahre für so und so viel jährlich und eine tägliche Ration Nahrung verpflichteten. Nie waren darin irgendwelche Spirituosen inbegriffen, weshalb die Leute die ganze Zeit über gezwungenermaßen Totalabstinenzler waren. Erhielten diese Hirten nun am Ende der Zeit, für welche sie sich verpflichtet hatten, ihren Lohn, so wurden sie vom nächsten Wirt einer derartigen Schänke mit Beschlag belegt, oft durch allerlei List und Vorspiegelungen in ihre Bude gelotst, betrunken gemacht und in diesem Zustande durch fortwährende Alkoholzufuhr solange belassen, bis der armen Burschen Geld vertrunken war. Eines Morgens rüttelte dann der Wirt den Hirten auf: Dein Geld ist zu Ende; 's wäre Zeit, neues zu verdienen. So steckt denn Jimmy oder wie der Mann gerade heißt, seinen Kopf in einen Kübel mit kaltem Wasser, um etwas nüchtern zu werden, packt Decke und Feldkessel auf den Rücken und reitet wieder in den Busch zur Schafherde, wo er ein weiteres entbehrungsreiches Jahr dient, um sich nach diesem wieder für einen Monat lang zu betrinken.

Auf diese Weise hatte also Adams Geld verdient, bevor unsere arkadische Niederlassung entstand.

Es kam selten vor, daß diese Zuwachs bekam; den, welchen wir um die Zeit, in der unsere Geschichte spielt, erhielten, war noch um ein gut Stück roher und wilder als die ursprünglichen Bewohner des Lagers: es kam nämlich ein edles Paar von Spitzbuben, namens Phillips und Mannle eines Tags des Weges geritten, welches einen Claim auf der anderen Seite des Wildbachs in Arbeit nahm. Die beiden übertrafen alles bisher im Lager bekannte an Urwüchsigkeit und Geübtheit in der Anwendung von Kernflüchen, an Roheit in Rede und Betragen und an Mißachtung sämtlicher Gesetze, welche hier im Gebrauch waren. Sie behaupteten, von Bendigo zu kommen, und es waren nicht wenige unter uns, die bedauerten, daß Conky Jim nicht mehr die Straße besetzt hielt, um uns wenigstens ähnliche Besuche, wie diese beiden, vom Leibe zu halten. Nach ihrer Ankunft wurden die nächtlichen Unterhaltungen in der Britanniabar und in der Spielhölle dahinter ernster als je. Heftige Händel, die nur zu oft blutig endeten, waren an der Tagesordnung. Die mehr friedfertig gesinnten Gäste der Bar sprachen schon ernstlich davon, die zwei Fremden zu lynchen, welche die Hauptschuld an der Unordnung trugen. So standen die Dinge, als unser Evangelist, Elias Hopkins, ins Lager gehumpelt kam, müd von der Reise, mit zerrissenem Schuhwerk: er trug seinen Spaten quer über dem Rücken, und aus seiner Rocktasche sah die Bibel hervor.

Seine Gegenwart wurde anfänglich kaum bemerkt, so unscheinbar war der Mann. Sein Benehmen war ruhig und friedfertig; er hatte ein bleiches Gesicht und eine gebrechliche Gestalt. Wenn man ihn näher kannte, bemerkte man indes einen festen Zug um seinen glattrasierten Unterkiefer, und aus seinen großen blauen Augen sprach eine Intelligenz, die ihn zu einem Mann von Charakter stempelten. Er baute sich eine kleine Hütte und nahm einen Claim nahe bei dem in Arbeit, welcher von den zwei Fremden besetzt war, die vor ihm gekommen waren. Diesen Claim suchte er sich mit einer glänzenden Nichtkenntnis aller Gesetze des praktischen Goldgrabens aus, die sofort erkennen ließ, daß er ein Neuling in dieser Art von Handwerk war. Es war erbarmungswürdig, ihn zu beobachten, wie er alle Morgen, wenn wir zur Arbeit gingen, mit der größten Ausdauer schon grub und suchte, aber, wie wir alle wußten, nicht die mindeste Aussicht auf Erfolg hatte. Wenn wir vorbeikamen, pflegte er für einen Augenblick aufzuhören, sein blasses Gesicht mit einem baumwollenen Taschentuch abzutrocknen und uns einen kameradschaftlichen Morgengruß zuzurufen, um dann sofort wieder mit verdoppeltem Eifer zu seiner Arbeit zurückzukehren. Nach und nach aber kamen wir dazu, ihn halb mitleidig, halb verächtlich auszuholen, was er eigentlich hier finden wolle. »Ich hab's bis jetzt noch nicht erreicht, Jungens,« antwortete er dann heiter, indem er sich auf seinen Spaten stützte, »aber die Ader liegt hier herum in der Tiefe, und ich weiß, daß der Herr meinen Spaten führen wird, auf daß ich noch heute auf sie treffe.« Tag auf Tag gab er dieselbe Antwort mit unerschütterlicher Heiterkeit und felsenfestem Vertrauen.

Bald darauf begann er uns zu zeigen, zu was er das Zeug hatte. In einer Nacht ging es im Trinksalon ganz ungewöhnlich roh und gewalttätig her. Eine reiche Ader war an diesem Tage aufgefunden worden, und der glückliche Finder gab eine verschwenderische Bewirtung, welche die Folge gehabt hatte, daß drei Vierteile der Bevölkerung sinnlos betrunken waren. Eine Menge von den Gästen stand oder lag in der Bar herum; es wurde geflucht, getobt, geschrieen, getanzt, und hin und wieder feuerte einer aus reinem Uebermut seine Pistole in die Luft. Aus dem Inneren des hinteren Schuppens kam ein ähnlicher Lärm. Mannle, Phillips und ihre Freunde, die ihnen von Tag zu Tag in ihrem Benehmen näher gekommen waren, trieben es am ärgsten; alle Ordnung und Schicklichkeit war verschwunden.

Inmitten des Tumults von Fluchworten und Schreien hörte man plötzlich, daß durch all den Lärm sich ein ruhiges, monotones Geräusch bemerkbar machte, welches besonders bei den Pausen auffiel. Erst hörte es einer, dann zwei, bald waren es viele, schließlich begann nach und nach der Aufruhr sich zu legen, und unwillkürlich sahen alle nach der Richtung, von wo der ruhige Wortstrom sich ohne Unterbrechungen ergoß. Hier stand, auf einem Fasse, Elias Hopkins, der neueste Bewohner von Jackmanns Gulch, ein gutmütiges Lächeln auf seinem entschlossenen Gesicht. Er hielt eine Bibel geöffnet in der Hand und las mit ruhiger Stimme eine Stelle daraus vor, die er offenbar aufs Geratewohl herausgegriffen hatte, einen Auszug aus der Apokalypse, wenn ich mich recht erinnere. Die Worte hatten nicht die geringste Beziehung auf die Szene, welche sich vor ihm abspielte; aber er fuhr unbeirrt, mit großer Salbung in seiner Vorlesung fort, indem er mit der Linken sanft den Tonfall begleitete.

Bei dieser Erscheinung brach man auf allen Seiten in Gelächter und Beifallsklatschen aus, und Jackmanns Gulch sammelte sich mit Wohlwollen rings um das Faß, in der Meinung, dies sei ein ganz ausgesuchter Witz, und in der Erwartung, der Prediger werde jetzt das gelesene Kapitel verspotten oder parodieren. Als jedoch der Vorleser nach diesem Kapitel ruhig ein zweites anfing und hierauf mit einem dritten fortfuhr, kamen die Zuhörer zum Schlusse, daß der Scherz doch ein wenig zu lange sich hinauszog. Der Beginn jedes neuen Kapitels bestärkte sie in dieser Ansicht, und ein ärgerliches Geschrei erhob sich von allen Seiten, man solle den Vorleser durchprügeln oder von seinem Fasse herunterhauen. Trotz der Rufe und Drohungen fuhr Elias Hopkins unbeirrt in der Apokalypse fort, mit derselben heiteren Miene, und sah so befriedigt von seinem Erfolge aus, als sei der Lärm ringsum der dankbarste Beifall. Es dauerte nicht lange, da polterte von ungefähr ein Stiefel an Hopkins Faß und ein zweiter flog ihm am Gesicht vorbei; einige der geordneteren Elemente intervenierten zugunsten des Friedens und der Ordnung, welchen sich sogar die schon erwähnten Mannle und Phillips anschlossen, die für den Vorleser, vielleicht aus reiner Streitsucht, da die Mehrzahl gegen ihn war, Partei ergriffen. Der kleine Kaffer hat einen Sparren, erklärte der letztere, indem er seinen großen Körper, der mit einem roten Hemd bekleidet war, zwischen die Ansammlung und den Gegenstand seiner Protektion drängte. Seine Wege sind nicht unsere Wege, und wir können alle unseren Senf dazu geben, und von einem Faß herunterreden oder von sonstwo, wenn wir wollen. Was ich sage und was Bill sagt, ist, daß es ein Blödsinn ist, mit Stiefeln zu schmeißen, sag ich, statt zu antworten; und das sag ich, wenn der Kerl nicht recht hat, sag ich, so sagen wir ihm, was recht ist, sag ich, und dann weiß er, was recht ist.

Diese rednerische Leistung hatte den Erfolg, daß die mehr aktiven Erklärungen von Mißbilligung aufhörten und die Partei der Unordnung den Versuch machte, sich wieder ihrem Spiele hinzugeben und den Prediger zu ignorieren, der ihnen die Heilige Schrift so verschwenderisch mitzuteilen bestrebt war. Dieser Versuch war jedoch hoffnungslos. Die Betrunkenen schliefen vollends ein, und die anderen, mit manchem finsteren Blick auf den unerschütterlichen Redner, schlichen nach Hause, während er immer noch auf seinem Fasse stand. Als er mit den ordentlicheren unter der Gesellschaft allein war, machte er mit einem Bleistift einen Strich genau an der Stelle, wo er aufhörte, schloß die Bibel und stieg von seiner improvisierten Kanzel herab. Morgen nacht, Jungens, sagte er in seinem ruhigen Tone, werde ich die Vorlesung mit Kapitel 15, Vers 9 der Apokalypse fortsetzen. Ohne auf unsere Glückwünsche zu hören, entfernte er sich wie ein Mann, der eine schwierige Pflicht erfüllt hat.

Wir gelangten zu der Erkenntnis, daß seine Worte keine leere Drohung waren. Kaum hatte man sich am nächsten Abend versammelt, da erschien er wieder auf seinem Fasse und begann seine Vorlesung mit derselben eintönigen Festigkeit, um Kapitel auf Kapitel herunterzuschnurren. Man versuchte, ihn durch Gelächter, Drohungen, Nachäffen, kurz durch alle Mittel, außer direkter Gewalt, einzuschüchtern, aber alle hatten denselben – negativen – Erfolg. Bald merkte man, daß er mit Ueberlegung und System vorging: wenn es stille oder die Unterhaltung unschuldiger Art war, hörte er mit dem Vorlesen auf. Sobald aber ein Fluchwort ertönte, begann er wieder für eine Viertelstunde etwa, um dann so lange aufzuhören, bis ihn wieder eine ähnliche Herausforderung zur Vorlesung veranlaßte. Diese Nacht war sie ziemlich zusammenhängend, da die Unterhaltung sich noch in sehr freien Bahnen bewegte. Aber es war doch schon eine gelinde Besserung im Vergleich zur vorhergehenden Nacht zu verspüren.

Mehr als einen Monat führte Elias Hopkins diesen Feldzug. Hier saß er, Nacht auf Nacht, das offene Buch auf seinen Knieen: bei der geringsten Herausforderung ging er los, wie eine Musikdose, wenn man die Feder berührt. Das eintönige Vorlesen wurde unausstehlich, aber es konnte nur durch Unterwerfung unter des Predigers Vorschriften vermieden werden. Ein Gewohnheitsflucher wurde von der Allgemeinheit scheel angesehen, seitdem die Bestrafung für seine Uebertretungen sich auf alle erstreckte. Nach Verlauf von vierzehn Tagen konnte sich der Vorleser mehr als die halbe Zeit stille verhalten, und nach Verfluß eines Monats war seine Stellung ein Amt ohne Arbeit.

Nie vollzog sich eine moralische Revolution rascher und vollständiger. Unser Prediger suchte seinen Prinzipien sogar im Privatleben Geltung zu verschaffen. Ich habe ihn gesehen, wie er auf ein unbedachtes Wort von seiten eines Goldgräbers hin herbeistürzte, die Bibel in der Hand schwingend, den roten Lehmhaufen auf dessen Claim bestieg, in der ernstesten und eindrücklichsten Weise den Stammbaum am Anfang des Neuen Testamentes herunterschnurrte, als sei er gerade für diese Gelegenheit angebracht. Mit der Zeit hörte man nur selten noch ein Fluchwort unter uns; ebenso begann es mit der Trunkenheit zu gehen. Reisende, die zufällig durch das Lager kamen, wunderten sich über unser gesittetes Verhalten, und Gerüchte davon gingen bis Ballarat, wo sich die Leute die Köpfe darüber zerbrachen, da sie es sich nicht erklären konnten.

Unser Evangelist hatte gewisse Eigenschaften, welche ihn besonders für die Arbeit, die er sich vorgenommen hatte, befähigten. Ein Mensch, der gar keine Fehler an sich hatte, war nicht der richtige, um hier etwas zu erreichen oder sich Sympathien zu erwerben. Als wir dazu kamen, Elias Hopkins besser kennen zu lernen, entdeckten wir, daß er trotz seiner Frömmigkeit doch noch etwas vom alten Adam in sich hatte und sicherlich andere Tage gekannt hatte. Er war z. B. kein Abstinenzler. Im Gegenteil, er konnte seine Spirituosen mit Kennermiene aussuchen und sein Glas in nicht ungewandter Weise leeren. Ferner spielte er meisterhaft Karten: er und die zwei Erzgauner, Phillips und Mannle, spielten oft in völliger Eintracht stundenlang, außer wenn ein Mißgeschick im Spiele einem seiner Genossen einen Fluch entlockte. Zunächst warf dann der Prediger auf dies hin ein schmerzliches Lächeln und einen vorwurfsvollen Blick auf den Sünder. Dann aber griff er nach seiner Bibel, und mit dem Spielen war es aus für diesen Abend. Er zeigte uns auch einmal, daß er ein guter Revolverschütze war, denn als wir vor Adams Bar eines Tages uns an einer leeren Brandyflasche übten, nahm er das Pistol eines Freundes und schoß sie auf vierundzwanzig Schritte in Scherben. Es gab überhaupt wenig Dinge, die er nicht fertig brachte, mit Ausnahme des Goldgrabens: darin war er ein unverbesserlicher Pfuscher. Es war jämmerlich, den kleinen Sack zu sehen, der friedlich und leer mit seinen Namenszügen versehen, in Moburns Hütte lag, während alle anderen von Tag zu Tag an Inhalt Zunahmen; einige von den Säcken hatten schon eine gefällige Rundung angenommen, da die Wochen rasch verflossen waren, und es schon wieder an der Zeit war, einen Goldzug nach Ballarat loszulassen. Wir berechneten, daß der aufgestapelte Betrag damals der größte war, der je von Jackmanns Gulch abgegangen war.

Obgleich Elias Hopkins offenbar von dem wundervollen Umschwung, den er im Lager herbeigeführt hatte, ziemlich befriedigt war, so schien seine Freude doch nicht ganz vollständig zu sein. Ein Ding war ihm noch vonnöten. Eines Abends schüttete er uns sein Herz darüber aus.