Mein Freund, der Mörder. Klassische Kriminalgeschichten - Arthur Conan Doyle - E-Book

Mein Freund, der Mörder. Klassische Kriminalgeschichten E-Book

Arthur Conan Doyle

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Beschreibung

Um dem Galgen zu entgehen, hat Maloney, der berühmte Bandenchef, seine Kameraden verraten. Jetzt erzählt er dem Gefängnisarzt seine abenteuerliche Fluchtgeschichte, die ihn um die halbe Welt geführt hat, wobei er immer nur an einem Ort vor denen sicher war, die ihn tot sehen wollten: hinter Gittern. In den fünf unterhaltsamen Geschichten dieses Bandes ermittelt ausnahmsweise kein Sherlock Holmes. Doyle erzählt von einem verkappten Pfarrer, einer nihilistischen Verschwörung oder einer Schachtel, die unter Bombenverdacht gerät.

  • Ausnahmsweise ohne Holmes!
  • Von einem der größten und wahrscheinlich vielseitigsten Autoren der Welt!
  • Conan Doyle war auch: Fußballer, erster Langläufer Englands, (Schiffs-)Arzt, Journalist, Kriegsberichterstatter, Sportreporter u.v.m.

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Seitenzahl: 157

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Arthur Conan Doyle

Mein Freund, der Mörder

Klassische Kriminalgeschichten

Aus dem Englischen von Adolf Gleiner

Anaconda

Diese Sammlung erschien zuerst ohne Jahr (ca. 1910) unter dem Titel Mein Freund der Mörder und andere Geschichten im Verlag Robert Lutz, Stuttgart. Alle Texte wurden überarbeitet und den Regeln der neuen deutschen Rechtschreibung angepasst; vom Übersetzer zuweilen vorgenommene, kleinere Kürzungen wurden nicht ergänzt.Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.Der Verlag behält sich die Verwertung der urheberrechtlich geschützten Inhalte dieses Werkes für Zwecke des Text- und Data-Minings nach § 44 b UrhG ausdrücklich vor. Jegliche unbefugte Nutzung ist hiermit ausgeschlossen.Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet unter http://dnb.d-nb.de abrufbar.

© 2024 by Anaconda Verlag, einem Unternehmen der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Straße 28, 81673 München

Alle Rechte vorbehalten.

Umschlagmotiv: Discovery of a victim of Jack the Ripper, Whitechapel, 1891, Privatsammlung, Bildnachweis: Stefano Bianchetti / Bridgeman Images

Umschlaggestaltung: www.katjaholst.de

Satz und Layout: Uhl + Massopust, Aalen

ISBN 978-3-641-31860-4V001

www.anacondaverlag.de

Inhalt

Pastor Hopkins

Wie Braxton die Buschklepper fing

Mein Freund, der Mörder

Auch ein Kornhandel

Das geheimnisvolle Kästchen

Quellenverzeichnis

Pastor Hopkins

Er war im Lager als Pastor Elias B. Hopkins bekannt, aber man wusste allgemein, dass dies nur ein Ehrentitel war, den er seinen vielen hervorragenden Eigenschaften verdankte, und dass er auf ihn keinen Anspruch erheben konnte, den er auf eine amtliche Ordination hätte stützen können. Doch um ihm Gerechtigkeit widerfahren zu lassen: Er behauptete auch niemals, dass er für sein Amt irgendwelche Studien absolviert oder eine kirchliche Berechtigung erhalten habe. Wir arbeiten alle im Claim des Herrn, bemerkte er eines Tages, und es ist vollständig wurst, ob wir in diesem Geschäft von anderen angestellt sind oder auf eigenes Risiko graben – ein derbes Gleichnis, das sich den Sitten in Jackman’s Gulch sehr geschickt anpasste. Das ist ganz sicher, dass schon während der ersten paar Monate seiner Anwesenheit der exzessive Einsatz harter Getränke und noch härterer Sprüche, die für das kleine Goldgräberlager charakteristisch geworden waren, ganz bedeutend nachließen. Unter seiner Obhut fingen die Leute an zu verstehen, dass ihre Muttersprache gar nicht so begrenzt war, als sie bisher vermutet hatten, und dass sich Eindrücke mit großer Genauigkeit in Worte fassen ließen, ohne das Gesagte mit grellen Flüchen ausschmücken zu müssen.

Sicherlich hatten wir in Jackman’s Gulch am Anfang des Jahres ’53 neuen Schwung nötig. Es waren damals in der ganzen Kolonie flaue Zeiten, aber nirgends waren die Verhältnisse flauer als hier. Unser materieller Wohlstand hatte einen schlechten Einfluss auf unsere moralische Verfassung gehabt. Das Lager war klein und lag wenigstens hundertzwanzig Meilen nördlich von Ballarat an einem Ort, wo sich ein Wildbach auf seinem Weg zur Einmündung in den Arrowsmith-Fluss durch eine raue Bergschlucht zwängt. Es lässt sich nicht mehr nachweisen, wer der Jackman gewesen ist, nach dem das Lager seinen Namen hatte, aber um die Zeit, in der unsere Geschichte spielt, umfasste es an die hundert Erwachsene, unter denen sich nicht wenige diesen Zufluchtsort ausgewählt hatten, nachdem ihnen der Boden in anderen, zivilisierteren Minendistrikten zu heiß geworden war. Es war eine rohe Bande Gauner, nur mühsam im Zaum gehalten von den wenigen anständigen Elementen, die unter sie geraten waren.

Die Verbindung von Jackman’s Gulch mit der Außenwelt war unsicher und schwierig. Ein Teil des Busches zwischen Jackman’s Gulch und Ballarat war in der Gewalt eines gefürchteten Banditen namens Conky Jim, der mit einer kleinen, ebenso hoffnungslosen Rotte das Gebiet unsicher machte. Daher bewahrte man im Lager den Goldstaub aus den Minen in einem eigens hierfür bestimmten Raum auf, in dem jeder einen zu diesem Zweck mit seinem Namen bezeichneten Beutel besaß. Ein zuverlässiger Mann, Woburn mit Namen, wurde auserwählt, diese primitive Bank zu bewachen. Wenn sich genügend angesammelt hatte, wurde ein Wagen gemietet und der gesamte Schatz nach Ballarat geführt unter dem Schutz einer Abteilung Polizei und einer Anzahl von Goldgräbern, die abwechselnd dieses Amt übernahmen. Von Ballarat aus wurde das Gold in einem der regelmäßigen Goldwaggons nach Melbourne befördert. Infolge dieser Maßregel blieb das Gold oft monatelang im Lager, bevor es verschickt wurde, aber Conky Jim war schachmatt gesetzt, da der Geleitschutz für ihn und seine Rotte zu stark war. Um die Zeit, von der ich berichte, hatte er offenbar die Lust an seinem Treiben verloren, und man konnte die Straße nach Ballarat selbst in kleineren Abteilungen ohne Gefahr benutzen.

Den Tag über herrschte in Jackman’s Gulch verhältnismäßige Ordnung, da die Mehrheit der Bewohner mit Brecheisen und Spitzhacke in den Quarzlagern beschäftigt war oder am Ufer des Bachs Gold wusch. Wenn indes die Sonne unterging, entleerten sich nach und nach die Claims, und ihre ungekämmten Besitzer kamen lehmbespritzt und zerzaust ins Lager geschlendert, bereit für Unfug jeglicher Art. Zuerst suchten sie Woburns Golddepot auf, wo das Ergebnis ihres Tagwerks ordentlich verwahrt wurde, wobei der Verwalter die Menge in sein Buch eintrug und ein jeder Goldgräber immer noch so viel zurückbehielt, um die Ausgaben für den Abend bestreiten zu können. Danach aber ließ man jegliche Zurückhaltung fahren, und jeder machte sich daran, seinen Rest Goldstaub so schnell wie möglich loszuwerden. Die beste Gelegenheit hierzu bot die primitive Bar mit dem hochtrabenden Namen »Britannia Trinksaloon«, die aus einigen Fässern mit Brettern darauf bestand. Hier schenkte Nat Adams, der dicke Wirt, schlechten Whisky aus, das Glas zu zwei Shilling, die Flasche zu einer Guinee, während sein Bruder Ben in einem rohen Holzschuppen dahinter, der in eine Spielhölle verwandelt worden und jede Nacht gedrängt voll war, als Croupier fungierte. Die beiden hatten noch einen Bruder gehabt, aber eine dumme Misshelligkeit mit einem Gast hatte sein Leben verkürzt. »Er war zu sanft veranlagt, um lange leben zu können«, bemerkte sein Bruder Nathaniel gefühlvoll anlässlich seiner Beisetzung. »Wie oft habe ich ihm gesagt: Wenn ein Fremder mit dir über den Preis reden will, musst du immer erst den Hahn spannen, dann verhandeln und schießen, sobald du erkennst, dass er selbst gleich abdrückt.«

Bill war aber zu unerfahren. Er wollte verhandeln und dann erst zielen, wo er doch ebenso gut erst den anderen aufs Korn hätte nehmen können, bevor er mit ihm redete! Diese liebenswerte Schwäche des verblichenen Bill war ein Schlag für die Firma der Gebrüder Adams, die übrigens schon vor den Tagen der Goldfunde hier bestanden hatte; Nat Adams konnte sich denn auch mit Fug und Recht als den ältesten Einwohner von Jackman’s Gulch bezeichnen.

Diese Schankwirte waren in jenen Zeiten eine eigene Menschenklasse, und es mag interessieren, wie es ihnen gelang, beträchtliche Vermögen zu erwerben in einem Land, das nur selten bereist wurde und die Bewohner sehr weit verstreut lebten. Es war nämlich Brauch, dass die »Buschleute«, das heißt all die Existenzen, die bei den großen Herden meist als Hirten beschäftigt waren, einen Revers unterzeichneten, wonach sie sich für ein, zwei oder drei Jahre für soundso viel Geld jährlich und eine tägliche Ration Nahrung verpflichteten. Nie war Alkohol darin inbegriffen, weshalb die Leute die ganze Zeit über zur völligen Abstinenz gezwungen waren. Erhielten diese Hirten nun am Ende der Zeit, für die sie sich verpflichtet hatten, ihren Lohn, so wurden sie vom nächsten Wirt einer derartigen Schänke mit Beschlag belegt, oft durch allerlei List und Tücken in ihre Bude gelotst, betrunken gemacht und durch fortwährende Alkoholzufuhr so lange in diesem Zustand belassen, bis das Geld der armen Burschen vertrunken war. Eines Morgens rüttelte dann der Wirt den Hirten auf: Dein Geld ist aus; wird Zeit, neues zu verdienen. So steckt denn Jimmy oder wie der Mann gerade heißt seinen Kopf in einen Kübel mit kaltem Wasser, um etwas nüchtern zu werden, packt Decke und Feldkessel auf den Rücken und reitet in den Busch zur Schafherde, wo er ein weiteres entbehrungsreiches Jahr dient, um sich danach wieder einen Monat lang zu betrinken.

Auf diese Weise hatte also Adams Geld verdient, bevor unsere idyllische Siedlung entstand. Es kam selten vor, dass diese Zuwachs bekam; der, den wir um die Zeit erhielten, in der unsere Geschichte spielt, war noch um ein gut Stück roher und wilder als die ursprünglichen Bewohner. Es kam nämlich eines Tags ein edles Paar Spitzbuben namens Phillips und Maule des Weges geritten, das einen Claim auf der anderen Seite des Wildbachs in Arbeit nahm. An Heftigkeit und Geübtheit im Fluchen, an Rohheit in Rede und Betragen und an Missachtung sämtlicher Gesetze übertrafen die beiden alles bisher im Lager Bekannte. Sie behaupteten, von Bendigo zu kommen, und nicht wenige unter uns bedauerten, dass Conky Jim nicht mehr die Straße besetzt hielt, um uns wenigstens Gäste wie diese beiden vom Leib zu halten. Nach ihrer Ankunft wurde das nächtliche Geschehen in der Britanniabar und der Spielhölle dahinter ausschweifender denn je. Heftige Händel, die nur zu oft blutig endeten, waren an der Tagesordnung. Die friedfertigeren Gäste der Bar sprachen schon ernstlich davon, die zwei Fremden zu lynchen, die an all der Unordnung die Hauptschuld trugen. So standen die Dinge, als unser Evangelist Elias B. Hopkins ins Lager gehinkt kam, müde von der Reise, mit zerrissenem Schuhwerk: er trug seinen Spaten quer über dem Rücken, und aus seiner Rocktasche sah die Bibel hervor.

Seine Anwesenheit wurde zunächst kaum bemerkt, so unscheinbar war der Mann. Sein Benehmen war ruhig und friedfertig; er hatte ein bleiches Gesicht und eine gebrechliche Gestalt. Wenn man ihn näher kannte, bemerkte man indes einen festen Zug um seinen glattrasierten Unterkiefer und eine Klugheit in seinen großen blauen Augen, die ihn als einen Mann von Charakter auswiesen. Er baute sich eine kleine Hütte und nahm einen Claim in Arbeit nahe dem der zwei Fremden, die vor ihm gekommen waren. Diesen Claim wählte er sich mit abstruser Unkenntnis sämtlicher Regeln im Goldgraben, die sofort erkennen ließ, dass er in diesem Handwerk ein Neuling war. Es war erbarmungswürdig, ihn zu beobachten, wie er jeden Morgen, wenn wir zur Arbeit gingen, schon mit der größten Ausdauer grub und suchte, aber, wie wir alle wussten, ohne die mindeste Aussicht auf Erfolg. Wenn wir vorbeikamen, hörte er für einen Augenblick auf, trocknete sein blasses Gesicht mit einem baumwollenen Taschentuch ab und rief uns einen kameradschaftlichen Morgengruß zu, um dann sofort mit doppeltem Eifer zu seiner Arbeit zurückzukehren. Bald aber begannen wir ihn halb mitleidig, halb verächtlich zu befragen, was er eigentlich hier finden wolle. »Ich hab’s noch nicht erreicht, Jungs«, antwortete er dann heiter, auf seinen Spaten gestützt, »aber die Ader liegt hier herum in der Tiefe, und ich weiß, dass der Herr meinen Spaten führen wird, auf dass ich noch heute auf sie treffe.« Tag für Tag gab er mit unerschütterlicher Heiterkeit und felsenfestem Vertrauen dieselbe Antwort.

Bald darauf begann er uns zu zeigen, zu was er das Zeug hatte. Eines Nachts ging es im Trinksaloon ganz ungewöhnlich roh und gewalttätig her. An diesem Tag war man auf eine reiche Ader gestoßen, und der glückliche Finder hatte derart großzügig einen springen lassen, dass am Ende drei Viertel der Siedlung sinnlos betrunken waren. Um die Bar standen oder lagen besoffene Faulenzer in Menge; es wurde geflucht, getobt, geschrien, getanzt, und hin und wieder feuerte einer aus reinem Übermut seine Pistole in die Luft. Aus dem Inneren des hinteren Schuppens kam ein ähnlicher Lärm. Maule, Phillips und die Raubeine, die nach ihnen gerieten, trieben es am ärgsten; von Ordnung und Anstand keine Spur mehr.

Inmitten des Tumults von Flüchen und Schreien bemerkte man plötzlich durch all den Lärm ein ruhiges, monotones Geräusch, das besonders in den Pausen auffiel. Erst hörte es einer, dann zwei, bald waren es viele, schließlich legte sich der Aufruhr nach und nach, und unwillkürlich sahen alle nach der Richtung, von wo der ruhige Wortstrom sich ohne Unterbrechung ergoss. Hier stand auf einem Fass Elias B. Hopkins, der neueste Bewohner von Jackman’s Gulch, ein gutmütiges Lächeln auf seinem entschlossenen Gesicht. Er hielt eine Bibel geöffnet in der Hand und las mit ruhiger Stimme eine Stelle daraus vor, die er offenbar aufs Geratewohl herausgegriffen hatte, einen Auszug aus der Offenbarung, wenn ich mich recht erinnere. Die Worte hatten nicht die geringste Beziehung zu der Szene, die sich vor ihm abspielte; aber er fuhr unbeirrt mit großer Geste in seiner Vorlesung fort, indem er mit der Linken sanft den Tonfall begleitete.

Bei dieser Erscheinung brach man auf allen Seiten in Gelächter und Applaus aus, und Jackman’s Gulch sammelte sich beifällig rings um das Fass, in der Meinung, dies sei ein ganz ausgesuchter Witz, und in der Erwartung, der Prediger werde jetzt das gelesene Kapitel verspotten oder parodieren. Als jedoch der Vorleser nach diesem Kapitel ruhig ein zweites anfing und hierauf mit einem dritten fortfuhr, kamen die Zuhörer zu dem Schluss, dass sich der Scherz doch ein wenig zu lang hinauszog. Der Beginn jedes neuen Kapitels bestärkte sie in dieser Ansicht, und ein ärgerliches Geschrei erhob sich von allen Seiten, man solle den Vorleser durchprügeln oder von seinem Fass herunterhauen. Trotz der Rufe und Drohungen fuhr Elias B. Hopkins unbeirrt in der Offenbarung fort, mit derselben heiteren Miene, und wirkte so befriedigt von seinem Erfolg, als sei der Lärm ringsum der dankbarste Beifall. Es dauerte nicht lange, da polterte von ungefähr ein Stiefel an Hopkins’ Fass und ein zweiter flog ihm am Gesicht vorbei; einige der gesitteteren Bewohner intervenierten um des Friedens und der Ordnung willen, welchen sich sogar die schon erwähnten Maule und Phillips anschlossen, die für den Vorleser Partei ergriffen, vielleicht aus reiner Streitsucht, da die Mehrzahl gegen ihn war. »Der kleine Kauz hat einen Sparren«, erklärte der letztere, indem er seinen großen, mit einem roten Hemd bekleideten Körper zwischen die Ansammlung und den Gegenstand seiner Protektion drängte. »Seine Wege sind nicht unsere Wege, und wir alle können unsere Meinung sagen und von einem Fass herunterreden oder von sonst wo, wenn wir wollen. Was ich sage und was Bill sagt, ist, dass es nicht angeht, mit Stiefeln um sich zu werfen statt mit Worten; und das sag ich, wenn der Kerl nicht recht hat, dann fahren wir ihm dazwischen, sag ich, und dann weiß er, was recht ist.«

Diese rednerische Leistung hatte den Erfolg, dass die heftigeren Zeichen von Missbilligung aufhörten und die Krawallmacher sich wieder dem Spiel hinzugeben und den Prediger zu ignorieren versuchten, der die Heilige Schrift so üppig auf sie hinabregnen ließ. Dieser Versuch war jedoch aussichtslos. Die Betrunkenen schliefen vollends ein, und die anderen, mit manch finsterem Blick auf den unerschütterlichen Redner, schlichen nach Hause, während er immer noch auf seinem Fass stand. Als er mit den ordentlicheren unter der Gesellschaft allein war, machte er mit einem Bleistift einen Strich genau an der Stelle, wo er aufhörte, schloss die Bibel und stieg von seiner improvisierten Kanzel herab. Morgen Abend, Jungs, sagte er in seinem ruhigen Ton, werde ich die Vorlesung mit Kapitel 15, Vers 9 der Offenbarung fortsetzen. Ohne auf unsere Glückwünsche zu hören, entfernte er sich wie ein Mann, der eine schwierige Pflicht erfüllt hat.

Es zeigte sich, dass seine Worte keine leere Drohung waren. Kaum hatte man sich am nächsten Abend versammelt, da erschien er wieder auf seinem Fass und begann seine Vorlesung mit derselben eintönigen Festigkeit, um Kapitel auf Kapitel herunterzuschnurren. Man versuchte, ihn durch Gelächter, Drohungen, Nachäffen, kurz durch alle Mittel außer direkter Gewalt einzuschüchtern, aber alle hatten denselben – negativen – Erfolg. Bald merkte man, dass er mit Überlegung und System vorging: Wenn es still oder die Unterhaltung harmloser Art war, hörte er mit dem Vorlesen auf. Sobald aber ein Fluchwort ertönte, begann er für etwa eine Viertelstunde, um dann so lange aufzuhören, bis ihn ein ähnlicher Anlass wieder zur Vorlesung trieb. Diesen Abend war sie ziemlich durchgehend, da die Unterhaltung noch sehr freizügig verlief. Aber es war doch schon eine gelinde Besserung im Vergleich zum Vorabend zu verspüren.

Mehr als einen Monat führte Elias B. Hopkins diesen Feldzug. Nacht für Nacht saß er da, das offene Buch auf seinen Knien: Bei der geringsten Provokation ging er los wie eine Musikdose, wenn man die Feder berührt. Das eintönige Vorlesen wurde unausstehlich, aber vermeiden ließ es sich nur durch Unterwerfung unter des Predigers Gesetz. Ein Gewohnheitsflucher wurde von der Allgemeinheit missbilligend angesehen, seit die Bestrafung für seine Übertretungen sich auf alle erstreckte. Nach Verlauf von vierzehn Tagen konnte sich der Vorleser mehr als die halbe Zeit still verhalten, und nach Ablauf eines Monats war seine Stellung ein Amt ohne Arbeit.

Nie vollzog sich eine moralische Revolution rascher und vollständiger. Unser Prediger suchte seinem Grundsatz sogar im Privatleben Geltung zu verschaffen. Ich habe ihn gesehen, wie er auf ein unbedachtes Wort eines Goldgräbers hin die Bibel in der Hand schwingend herbeistürzte, den roten Lehmhaufen auf dessen Claim bestieg und in höchst ernster und eindrücklicher Weise den Stammbaum am Anfang des Neuen Testamentes herunterschnurrte, als sei gerade er für diese Gelegenheit angebracht. Mit der Zeit hörte man nur selten noch ein Fluchwort unter uns; ebenso begann es mit der Trunkenheit zu gehen. Reisende, die zufällig durch das Lager kamen, wunderten sich über unser gesittetes Verhalten, und Gerüchte davon gingen bis Ballarat, wo sich die Leute die Köpfe darüber zerbrachen, da sie es sich nicht erklären konnten.

Unser Evangelist hatte Eigenschaften, die ihn für die Arbeit, die er sich vorgenommen hatte, besonders befähigten. Ein Mensch, der gar keine Fehler an sich hatte, war nicht der richtige, um hier etwas zu erreichen oder sich Sympathien zu erwerben. Als wir dazu kamen, Elias B. Hopkins besser kennenzulernen, entdeckten wir, dass er trotz seiner Frömmigkeit doch noch etwas vom alten Adam in sich hatte und sicherlich andere Tage gekannt hatte. Er war zum Beispiel kein Abstinenzler. Im Gegenteil, er konnte seinen Drink mit Kennermiene aussuchen und sein Glas kompetent leeren. Ferner spielte er meisterhaft Karten: Er und die zwei Erzgauner Phillips und Maule spielten oft in völliger Eintracht stundenlang, außer wenn ein Missgeschick im Spiel einem seiner Genossen einen Fluch entlockte. Zunächst warf dann der Prediger ein schmerzliches Lächeln und einen vorwurfsvollen Blick auf den Sünder. Dann aber griff er nach seiner Bibel, und mit dem Spielen war es für diesen Abend aus. Er zeigte uns auch einmal, dass er ein guter Revolverschütze war, denn als wir uns eines Tages vor Adams’ Bar an einer leeren Brandyflasche übten, nahm er die Pistole eines Freundes und schoss sie auf vierundzwanzig Schritte in Scherben. Es gab überhaupt wenig Dinge, die er nicht fertigbrachte, mit Ausnahme des Goldgrabens: Darin war er ein unverbesserlicher Stümper. Es war jämmerlich, den kleinen Sack zu sehen, der friedlich und leer mit seinem Namenszug versehen in Woburns Hütte lag, während alle anderen von Tag zu Tag an Inhalt zunahmen; einige der Säcke hatten schon eine gefällige Rundung angenommen, da die Wochen rasch verflossen waren und es wieder an der Zeit war, einen Goldzug nach Ballarat zu entsenden. Wir berechneten, dass der angehäufte Betrag damals der größte war, der je von Jackman’s Gulch abgegangen war.