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Weihnachten - das ist das Fest der Geburt des Erlösers und ein Anlass, uns wieder auf unser Verhältnis zu Gott, zum Nächsten und zu uns selbst zu besinnen. Aber stimmt das heute wirklich noch, ist es nicht längst zu einem Fest von Konsum, Lärm und Hektik verkommen? Der vielseitige bayerische Schriftsteller Helmut Zöpfl hat sich in seinen zahlreichen Prosa- und Gedichtbeiträgen, unterhaltsamen Geschichten und Szenen zum Thema Gedanken gemacht. Er findet viele nachdenkliche und viele ermutigende, aber auch kritische Worte, die doch mit ihrem augenzwinkernden Humor immer versöhnlich bleiben. Ein ausgezeichnetes Lesefutter für lange Winterabende!
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LESEPROBE zu Vollständige E-Book-Ausgabe der im Rosenheimer Verlagshaus erschienenen Originalausgabe 2010
© 2015 Rosenheimer Verlagshaus GmbH & Co. KG, Rosenheimwww.rosenheimer.com
Titelillustration und Illustrationen im Innenteil: Sebastian Schrank, München Satz: Bernhard Edlmann Verlagsdienstleistungen, Raubling
Helmut ZöpflMein großes Weihnachtsbuch
Weihnachten – das ist das Fest der Geburt des Erlösers und ein Anlass, uns wieder auf unser Verhältnis zu Gott, zum Nächsten und zu uns selbst zu besinnen. Aber stimmt das heute wirklich noch, ist es nicht längst zu einem Fest von Konsum, Lärm und Hektik verkommen? Der vielseitige bayerische Schriftsteller Helmut Zöpfl hat sich in seinen zahlreichen Prosa- und Gedichtbeiträgen, unterhaltsamen Geschichten und Szenen zum Thema Gedanken gemacht. Er findet viele nachdenkliche und viele ermutigende, aber auch kritische Worte, die doch mit ihrem augenzwinkernden Humor immer versöhnlich bleiben.
Ein ausgezeichnetes Lesefutter für lange Winterabende!
Das Schicksal hatte es nicht so gut gemeint mit dem kleinen Pauli. Seine Eltern waren im alten Schlesien Gutsverwalter gewesen. Da war es ihm und seinen zwei älteren Brüdern zuerst noch einigermaßen gut gegangen. Aber es tobte damals schon der Zweite Weltkrieg. Der Vater, der nicht mehr der Gesündeste war und deswegen zunächst vom Wehrdienst verschont blieb, wurde ganz zum Schluss noch zum Volkssturm eingezogen und fiel kurz darauf.
Ja, und der Rest der Familie musste kurz darauf fliehen. Auf der Flucht wurden sie von einer bösen Seuche heimgesucht. Die zwei Brüder fielen ihr zum Opfer. Der Pauli überlebte zwar, aber er stürzte unterwegs so unglücklich, dass er sich das Becken brach. Die ärztliche Versorgung ließ damals natürlich zu wünschen übrig. Man legte ihn in Gips und brachte ihn und seine Mutter in ein Auffanglager. Da lag er viele Wochen lang, nur notdürftig versorgt und ohne besondere ärztliche Betreuung. Als das Lager aufgelöst wurde, brachte ihn ein Krankentransport, immer noch im Gipsbett, in seine neue Heimat: einen kleinen Ort in Bayern. Endlich kümmerten sich Ärzte um den kleinen Buben. Als sie ihm den Gips abnahmen, schüttelten sie aber den Kopf: »Da ist nicht mehr viel zu machen«, stellten sie fest. Der Fuß sei verkorkst. Irgendwie sei alles falsch zusammengewachsen und das eine Bein werde wohl für alle Zeiten kürzer bleiben. Der Mutter teilte man in dem damals üblichen, recht rüden Sprachgebrauch mit, ihr Sohn werde wohl ein »Krüppel« bleiben.
Als der Krieg zu Ende war, arbeitete Paulis Mutter auf einem Bauernhof als Magd. Die beiden wohnten in einer winzigen Kammer. Trotz der großen Armut war es für den Buben eine schöne Zeit, denn seine Mutter kümmerte sich rührend um ihn und versuchte ihm, so gut es ging, das Gehen beizubringen. Ein Knecht am Bauernhof zimmerte dem Buben eine Krücke, mit deren Hilfe er sich immer besser fortzubewegen lernte.
Bald suchte der inzwischen Fünfjährige Kontakt zu den Kindern des Ortes. Er wurde als Spielgefährte durchaus anerkannt, doch das hinderte die anderen nicht daran, ihn hin und wieder »Hinkebein« zu heißen. Bei den meisten Spielen war er kein vollwertiger Akteur, aber der Pauli begnügte sich auch dankbar mit der Rolle einer Randfigur. Wenn die anderen Fußball spielten, machte er den Linien- oder Schiedsrichter und manchmal, wenn der Torwart fehlte, stellte man ihn sogar zwischen die, in der Regel durch zwei Ziegelsteine markierten »Torpfosten«.
Pauli hatte zwei große Hobbys: Zeichnen und Basteln. In der Adventszeit malte er stundenlang mit seinen Farbstiften Bilder oder bastelte aus Papier Weihnachtsschmuck, vor allem Sterne. Denn die Sterne hatten es ihm besonders angetan. Immer wieder wollte er von seiner Mutter die Geschichte von den Heiligen Drei Königen hören, die der Stern zur Krippe des Christkindes geleitet hatte.
»Weißt du«, sagte er einmal zu seiner Mutter, »irgendwie verstehe ich diese drei Könige nicht ganz.« – »Wieso?«, fragte die erstaunt zurück. – »Die haben dem kleinen Jesulein doch Gold, Weihrauch und Myrrhe gebracht?« – »Ja und?«, meinte die Mutter. – »Weihrauch, Gold und Myrrhe, was soll denn ein kleines Kind mit so was anfangen? Da hätte ich mir schon etwas Besseres gewusst«, behauptete er. – »Was hättest du denn mitgebracht?«, wollte die Mutter wissen. – Darum war er nicht verlegen: »Vielleicht eine Tafel Schokolade, einen Vanillepudding oder Gummibärchen. Und auf alle Fälle was zum Spielen, einen Teddybären oder einen Ball. – Du«, sagte er plötzlich, »ich würde mir nichts sehnlicher wünschen, als dass ich einer der drei Könige gewesen wäre.«
Diese Idee setzte sich im Kopf Paulis immer mehr fest. Liebevoll malte und bastelte er zum nächsten Weihnachtsfest für die bescheidene Krippe, die sie schon hatten, die drei Weisen aus dem Morgenland mit einem prächtigen Gefolge, samt Kamelen und Elefanten. Von seiner Mutter wünschte er sich ein paar bunte Tücher, die er dann kunstvoll zu einem Königsgewand drapierte. Und natürlich fertigte er auch für jeden der drei eine hübsche goldene Krone an.
In den Tagen darauf saß er oft stundenlang vor einem Blatt Papier und versuchte ein Gedicht zu schreiben, das er den König sagen lassen wollte. Es dauerte, bis er mit dem Ergebnis endlich zufrieden war. Er schrieb alles fein säuberlich mit seiner schönsten Schrift auf ein buntes Blatt und verzierte es mit Sternen. Zum Geburtstag hatte er sich eine Mundharmonika gewünscht, und seine Mutter hatte es tatsächlich fertiggebracht, ihm diesen Wunsch auch zu erfüllen. Ganz allein brachte er sich ein paar Lieder bei und dachte sich sogar eigene Melodien aus. So versuchte er nun auch zu seinem Gedicht die passende Musik zu komponieren. Glücklich spielte und sang er nach einiger Zeit seiner Mutter das alles vor. Die schaute erstaunt: »Wo hast du denn das her?« – Stolz erzählte ihr Pauli, dass er sowohl der Dichter als auch der Komponist sei. »Meinst du, das Christkind hätte sich über das Lied gefreut, wenn es ihm der Balthasar beim Besuch an der Krippe vorgetragen hätte?« – »Da bin ich mir ganz sicher«, lächelte seine Mutter. »Sing es aber auf jeden Fall heuer dem Jesulein in der Krippe unter unserem Christbaum vor.«
Das Weihnachtsfest, das Pauli mit seiner Mutter in dem kleinen Zimmer feierte, war zwar bescheiden, aber doch wunderbar. Die Mutter hatte das Bäumchen, das sie von ihrem Bauern geschenkt bekommen hatte, kunstvoll geschmückt, sie hatte die besten Plätzchen der Welt gebacken – so empfand es der Pauli –, und doch tatsächlich den Karl-May-Band, den sich der Pauli gewünscht hatte, in einer uralten Ausgabe erstanden. Er seinerseits hatte für seine Mutter ein herrliches Bild gemalt und ein buntes Armband gebastelt.
Zwischen Weihnachten und Heilig Drei König ereignete sich auf dem Hof des Bauern, bei dem sie wohnten, etwas, was für Pauli höchste Bedeutung bekommen sollte. Die zwei Knechte am Hof, der Hartl und der Leo, beschlossen, mit einem Kollegen aus der Nachbarschaft, dem Ludwig, am Dreikönigstag als Sternsinger von Hof zu Hof zu ziehen. Sie taten das, anders als es heute üblich ist, nicht für einen guten Zweck, sondern ausschließlich zum eigenen Wohl. Das war damals weithin üblich, und keiner dachte sich etwas dabei.
Pauli, der Zeuge ihrer Abmachung wurde, fragte schüchtern, ob er nicht auch mitgehen könne. – »Du als heiliger Dreikönig?«, lachte der Knecht vom Nachbarhof hämisch. »Ich kann mich nicht erinnern, dass einer von denen eine Krücke hatte.« – Traurig wollte Pauli sich davonmachen, da rief ihm der gutmütige Hartl nach: »Pauli, lass den Kopf nicht hängen. Weißt du, wir sind ja schon drei. Aber vielleicht könntest du ja den Stern vor uns hertragen. Aber denk dran, dass es sehr anstrengend sein wird, durchs ganze Dorf zu ziehen und überall anzuklopfen.«
Der Ludwig murmelte etwas von unnötiger Belastung, gab dann aber doch nach, und so machten sich die vier am Dreikönigstag auf ihre Sternsingertour. Der Pauli hatte einen wunderschönen Stern gebastelt und trug das bunte Gewand, freilich unter Verzicht auf eine Königskrone.
Die Sternsinger wurden von allen freundlich aufgenommen. Sie sagten dann ihre üblichen Verse auf: »Die Heiligen Drei Könige sind wohlgeborn. Sie reiten daher mit Stiefel und Sporn …« Oder auch: »Die Heiligen Drei König’ mit ihrigem Stern, die essen und trinken und zahlen nicht gern …«
Ja, und dann hielten sie den so Heimgesuchten noch einen Hut hin, in den sie bald mehr, bald weniger Geld hineingelegt bekamen. Manche gaben auch Naturalien in Form von Kletzenbrot, Lebkuchen oder da und dort mal ein Stück Geräuchertes. Auch der Pauli bekam das eine oder andere zugesteckt und verstaute es in einem Säcklein, das er vorsichtshalber mitgenommen hatte.
Der Tag neigte sich. Die drei Könige meinten, dass es allmählich Zeit wäre, das Sternsingen zu beenden. Es hatte zu schneien begonnen, und trotz eines gelegentlichen Schluckes aus einer Flasche mit Obstler, den sie bei einem ihrer Besuche bekommen hatten, froren sie immer mehr. »Aber wir müssen doch noch zu den Zirkusleuten«, monierte der Pauli.
Seit ein paar Wochen hatte ein kleiner Zirkus draußen vor dem Dorf sein Winterlager aufgeschlagen. In ein paar Wohnwägen versuchte die Familie mit den Tieren mehr schlecht als recht über den Winter zu kommen.
»Bist narrisch wordn?«, schimpfte der Ludwig. »Noch zu der herglaufnen Bagage hinzurennen bei der Kältn. Bei denen ist nichts zu holen, die haben doch selber nichts.« Auch die anderen zwei Knechte winkten ab und meinten, dass es jetzt genug sei. »Wir gehen noch auf ein Schlückerl zum Alten Wirt und zählen einmal nach, ob sich die Bethlehem-Rallye gelohnt hat«, meinte der Ludwig. – »Komm mit, Pauli«, rief der Hartl. »Ich geb ein Limo für dich aus.« – »Nein, danke«, antwortete der, »ich komm schon nach Hause. Danke fürs Mitnehmen.« Während die drei eilig das Wirtshaus aufsuchten, machte sich der Pauli aber nicht auf den Nachhauseweg, sondern ging trotz immer stärker werdenden Schneetreibens zielstrebig auf das Notlager der Zirkusleute zu. Er war schon sehr erschöpft. Sein krankes Bein schmerzte und an der Hand, mit der er die Krücke hielt, hatten sich einige Blasen gebildet. Dennoch hielt er tapfer durch.
An einem der Wohnwägen sah er noch Licht und klopfte an. Eine Frau mit einem kleinen Kind auf dem Arm machte vorsichtig die Tür auf. Als sie den Buben mit dem Stern erblickte, huschte ein Lächeln über ihr Gesicht. »Komm doch rein«, rief sie. »Du darfst aber nicht erschrecken, uns geht’s zurzeit nicht sehr gut.«
Dem Pauli bot sich ein recht trauriges Bild. Zwei größere Kinder lagen mit rotem Kopf im Bett, an dem der Vater saß und ihnen einen Tee einflößte. Der Pauli erinnerte sich an sein Lied und begann mit klarer Stimme zu singen:
»Und ein Stern, der hat gleucht’
so hell überm Stall,
dass sein Schein und sein Glanz
warn zu sehn überall.
Aus der Ewigkeit rüber
in die Zeit, in die Welt,
ist’s gekommen, das Leuchten,
hat das Dunkel erhellt.
Hat nie mehr so hell
wo aufg’scheint ein Stern
wie in Bethlehem damals
zur Geburt unsres Herrn.«
Die Kinder und ihre Eltern hörten ihm andächtig zu. »Wir würden dir gern was geben, aber wir haben zurzeit selber nicht das Nötigste«, meinte der Mann. »Aber vielleicht macht dir das eine kleine Freude«, sagte er und kramte aus seiner Hosentasche einen kleinen bunten Stein heraus. »Der schaut doch ganz schön aus. Schau hin, wie er funkelt. Ich hab ihn irgendwann selber von einem Besucher unseres Zirkus geschenkt bekommen, dem unser Programm offensichtlich besonders gefallen hat.« – »Vergelt’s Gott«, bedankte sich der Pauli. »Ich hab euch im Übrigen etwas mitgebracht. Die Heiligen Drei Könige hatten ja auch ein Mitbringsel.« Und er leerte sein Säcklein auf dem Tisch aus. Es hatte sich ansehnlich mit guten Dingen gefüllt – sogar eine Tafel Schokolade war dabei. Dann machte er sich auf seinen Nachhauseweg. Die Mutter erwartete ihn schon ängstlich. Als er ihr alles erzählt hatte, schloss sie ihn in die Arme und streichelte liebevoll seinen Kopf.
Viele Jahre sind seither verstrichen. Der Pauli ist mit seiner Mutter in die Stadt gezogen und hat eine Lehre als Buchbinder gemacht. Bald konnte er sich dann auch eine Prothese für seinen Fuß kaufen, die ihm eine gewisse Erleichterung brachte. Mit seiner Mutter zusammen hat er sich dann sogar das Geld für eine kleine Eigentumswohnung zusammengespart.
Mit bewundernswerter Energie schaffte es der Pauli, in fortgeschrittenen Jahren noch den Führerschein zu machen, vielleicht in erster Linie, um seine Mutter in ihren späten Jahren mit kleinen Fahrten Freude zu bereiten. An Weihnachten vertraute diese ihrem Sohn ihren großen Wunsch an: »Glaubst du, es ist möglich, dass wir noch einmal an den Ort fahren, wo wir einst gewohnt haben?« Selbstverständlich erfüllte der Pauli seiner Mutter den Wunsch. Am Ziel mussten sie feststellen, dass alles anders geworden war. Der Bauernhof war an irgendeinen reichen Bankdirektor verkauft worden, der ihn zum Wochenendsitz umgebaut hatte. Sie gingen dann zum Abendessen in den Alten Wirt, der aber inzwischen zu einer Pizzeria geworden war.
Als es schon dunkelte, machten sie sich auf den Heimweg. Nach ein paar Minuten begann ein so dichtes Schneetreiben, dass Pauli kaum mehr ein paar Meter sehen konnte. Zu allem Unglück begann der Motor zu stottern. Pauli fuhr an den Straßenrand, stellte den Motor ab und versuchte das Auto nach ein paar Minuten wieder zu starten. Vergebens. Da war guter Rat teuer. »Es bleibt wohl nichts anderes übrig«, sagte Pauli zu seiner Mutter, »als dass ich ins Dorf zurückgehe und Hilfe hole. Gott sei Dank habe ich für alle Fälle im Kofferraum noch eine Decke für dich.« Die Mutter widersprach zunächst, meinte aber dann doch nach einiger Zeit: »Vielleicht ist es wirklich das Beste. Pass aber gut auf dich auf!«
So stapfte der Pauli also durch den Schnee in Richtung Dorf. Bald spürte er die ersten Schmerzen an seinem Bein, das natürlich eine solche Belastung nicht gewohnt war. Schon wollte er wieder umkehren, da erblickte er eine winzige offene Scheune. Er schleppte sich in sie hinein. »Ich ruh mich ein paar Minuten aus«, murmelte er und legte sich seufzend ins Heu. Auf einmal schreckte er hoch. Ein paar Gestalten kamen aus dem Schneetreiben heraus näher und näher. Aber was war denn das? Hinter einem kleinen Buben, der einen leuchtenden Stern vor sich hertrug, folgten doch tatsächlich die Heiligen Drei Könige. Sie blieben vor ihm stehen. Pauli glaubte seinen Ohren nicht zu trauen. Der Sternträger sang mit heller, klarer Stimme: »Und ein Stern, der hat gleucht’ so hell übern Stall, dass sein Glanz und sein Schein warn zu sehn überall …«
Als der Kleine zu Ende gesungen hatte, reichte ihm einer der Könige eine Feldflasche mit einem heißen Getränk. Dann zogen sie weiter.
Pauli verfiel, ohne dass er das wollte, in einen tiefen Schlaf. Er wurde durch einen lauten Motorenlärm aufgeweckt. Ein Mann im Lodenmantel stieg aus seinem Jeep aus. »Was machen Sie denn da?«, rief er, »da komme ich wohl zur rechten Zeit.«
Pauli, der noch immer die warme Flasche in der Hand hielt, schaute ihn erstaunt an.
»Nie und nimmer«, sagte der Mann, »wäre ich heute bei einem solchen Wetter nochmals rausgegangen. Aber als ich zum Fenster rausgeschaut habe, habe ich da hinten im Wald einen ganz merkwürdigen hellen Schein gesehen. Wissen Sie, ich bin der Förster hier. Ja, und da hab ich mich ins Auto gesetzt und wollte nachschauen, was los ist. Man weiß ja nie.«
Pauli erzählte dem Förster seine Geschichte. »Bitte fahren wir gleich zu meiner Mutter!«
Sie holten die halberfrorene Frau aus dem Auto und fuhren gemeinsam in das Haus ihres Retters, der ihnen selbstverständlich eine Schlafstelle zur Verfügung stellte. »Gut«, meinte er vorm Zubettgehen, »dass Sie die Flasche mit heißem Tee dabei hatten, diese hat Ihnen vielleicht das Leben gerettet. – Übrigens, dieser sonderbare Schein war, sobald ich Sie gefunden habe, verschwunden. Ob ich mich vielleicht bloß getäuscht habe? Merkwürdig, merkwürdig«, murmelte er. »Fast wie bei den Heiligen Drei Königen seinerzeit …«
DAS TELEFON LÄUTET.
IGERL: Hier Igerl.
STIMME: Hier Büro des Ministerpräsidenten. Herr Igerl, Sie sind ja der Vorstand des Kleingartenvereins »Flora«.
IGERL: Zweiter Vorstand bloß. Der Erste Vorstand ist der Hirschvogel-Mane, aber der hat eine künstliche Hüfte kriagt und ist jetzt zur Rehabilitation in Bad Endorf.
STIMME: Gut, dann bestellen Sie ihm, auch im Auftrag des Ministerpräsidenten, unsere besten Genesungswünsche. Es geht um die Weihnachtsfeier Ihres Gartenvereins Flora. Da Sie dieses Jahr Ihr hundertjähriges Bestehen feiern und der Urgroßvater unseres Staatssekretärs der Begründer war, hat der Ministerpräsident schon vor einem Jahr zugesagt, dass er heuer ein kurzes Grußwort zu dieser Feier sprechen wird.
IGERL: Ja, i habs fast net glauben können, wia i’s ghört hab. Eine solchene Ehre!
STIMME: Ja, unser Herr Ministerpräsident steht zu seinem Wort. Nun geht’s um das Grußwort. Wir hatten Sie ja schon vor einiger Zeit angeschrieben und gebeten, ein kleines Gedichtchen zu verfassen, das er vorlesen könnte. Wir hatten nämlich erfahren, dass Sie Mundartdichter sind und sogar Träger des Wiggerl-Landerer-Preises.
IGERL: Ja, das ist mir eine große Ehre. Es hat gheißen, dass es nur ein paar Zeilen sein sollen, weil der Herr Ministerpräsident natürlich wenig Zeit hat.
STIMME: Richtig. Ich habe Ihren Entwurf vor mir liegen. Zunächst einmal herzlichen Dank für Ihre Mühe. Sie haben folgendes geschrieben:
Ihr liaben Leut,
zur Weihnachtszeit
ich gratulier.
Genau wie ihr
lieb ich d’ Natur
lieb Wald und Flur,
lieb Pflanze, Tier.
Drum bin ich hier,
mit euch zu feiern
im schönen Bayern.
Das Allerbest
zu Jubel-und Weihnachtsfest.
Und Gottes Segen
auf euren Wegen.
Das haben Sie doch geschrieben, Herr, äh, Igerl.
IGERL: Ja, weil’s gheißen hat, es sollt möglich kurz sein, weil der Herr Ministerpräsident gleich danach wieder einen wichtigen Termin hat.
STIMME: Stimmt. Er muss sofort im Anschluss daran nach Berlin zur Frau Merkel.
IGERL: Und? Können S’ des Gedicht brauchen? Der Herr äh Ministerpräsident wird ja bestimmt noch etwas, äh Persönliches, äh einfügen.
STIMME: Im Prinzip ja, der Ministerpräsident hat nur ein paar Anmerkungen und Bitten, ob Sie das noch berücksichtigen könnten. Also, zunächst der Satz »lieb Wald und Flur, Planze, Tier«. Es besteht wohl kein Zweifel, dass unser Ministerpräsident ein großer Natur- und Tierfreund ist. Das hat er auch vor kurzem mit seiner Aufsehen erregenden Rede über seinen Garten bewiesen, wo er sagte, dass er gleich am frühen Morgen immer wieder neu seine Blumen hinrichtet. Aber Sie wissen ja, wie problematisch es gerade jetzt ist, etwas über Wald und Tiere zu sprechen. Denken Sie dran, dass wir es in den letzten Jahren schon mit Wölfen und Problembären zu tun hatten … Da wollen wir keine Emotionen erzeugen. Könnten Sie in Ihrem Gedicht nicht lieber was über den erfolgreichen Pisa-Ländervergleich sagen, und dass wir inzwischen auf dem besten Weg sind, Österreich einmal wieder einzuholen? Auf »frohes Fest« ließe sich doch leicht »Pisa-Test« reimen, wenn ich Ihnen einen Vorschlag machen darf.
IGERL: Ja mei, aber …
STIMME: Außerdem wär natürlich ganz wichtig, darauf zu verweisen, dass wir in Bayern das High-Tech-Land schlechthin sind und große Fortschritte bei der Entwicklung eines serienreifen wasserstoffbetriebenen Autos gemacht haben.
IGERL: Ja scho, aber …
STIMME: Und zumindest müsste doch der Jahrhundertgag auftauchen, dass Bayern das Land ist, das Laptop und Lederhosn vereint und die wenigsten Schulden in der Republik hat.
IGERL: Ja, aber wissen S’ …
STIMME: Haben Sie gehört, dass es schon wieder ein neues Jahrhundertwort aus unserer Staatskanzlei gibt: »Die solidarische Leistungsgesellschaft«. Könnten Sie wenigstens diesen fulminanten Ausdruck unterbringen?
IGERL: Ja, mei, wissen S’, mit der Politik hab ichs halt net so.
STIMME: Mir fehlt auch der Bezug zum Sport. Sie müssten aber wissen, dass unser Ministerpräsident ein großer Sportfachmann ist und als Vorstandsmitglied des FC Bayern immer die treffendsten Sprachbilder aus der Fußballsprache bezieht. Können Sie nicht ein wenig was von der brasilianischen Spielfreude unterbringen? Ein bisserl den Ronaldo, Ronaldinho oder Lúcio durchdribbeln lassen?
IGERL: Und des alles in dene paar Zeilen, wo’s ihm doch so pressiert. I werd’s amal probieren. Moment. Wia waar’s mit folgende Zeilen:
Mit’m Wasserstoffauto,
da komm ich her
und kann euch sagen:
Ich freue mich sehr.
Ich kann euch heut vor allen Dingen
die frohe Weihnachtsbotschaft bringen.
Wir haben grad im Pisatest
gewonnen gegn der Welt ihrn Rest.
Im Gegensatz auch zu Berlin
steckt Bayern nicht in Schulden drin.
Denn ich geh brasilianisch vor,
schieß wie Ronaldo Tor um Tor.
Mal mit mal gegen Angela:
Mit meinem Laptop bin ich da.
Die Lederhose ist mein Dress.
Im Garten bau ich ab den Stress.
Drum freu ich mich, bei euch zu sein,
im Flora-Kleingartenverein.
Dazu wünsch ich auf euren Wegen
zum Weihnachtsfest auch Gottes Segen.
STIMME: Großartig, Herr Igerl. Bloß eines: Am Schluss müssen wir ein wenig vorsichtiger sein. Sie wissen ja: Multikulti. Drum schlage ich vor:
»Ich wünsch, was wohl das Wichtigst’ ist, ob Muslim, Jude, Christ, Buddhist – da stimmen alle überein – Gesundheit euch für den Verein.«
Sind Sie damit einverstanden?
IGERL: Von mir aus gern. Bloß, wenn’s so guat waaren und ausrichten könnten: Ganz langt des mit der Gesundheit aa net. Denn gsund warn s’ seinerzeit eigentlich alle auf der Titanic.
Schaug naus ausm Fenster: es schneibt!
Schau nur hi, wias d’ Flockn treibt,
wias es wurlt und wias es draht,
wias as Weiße wirbelt und waht.
Und schaugst dann a kloans bissl zua,
na bist no amal der kloa Bua,
denkst ans Schneeballwerfa,
ans Schlittnfahrnderfa,
ans Schneewalznrolln,
ans Bravseisolln
zwengs an Gschenkakriagn,
an a knarzade Stiagn,
ans Kettnklirrn,
ans Herzklopfaspürn,
an d’ Kerzn, wias riacht,
ans Sternwerferliacht,
ans Glanzn und Klinga,
ans »O Tannenbaum«-Singa …
Doch scho nach einiger Zeit,
bist halt dann wieder im Heut,
und as Schneibn duad di bloß no moniern:
Morgn muasst dir de Winterreifn montiern!
Frische Kirschen und Bananen,
T-Shirts, FC-Bayern-Fahnen,
Büchsenöffner, Hängematten,
Spargelschäler und Krawatten,
Kugelschreiber, Tintenex –
Videos mit Gruppensex,
Rheumawäsche, Hosenträger,
Küchenrollen, Tennisschläger,
Zahnpasta, Enthaarungscreme,
Einlagsohlen, ganz bequeme,
Ostereier, Faschingskrapfen …
Liegn dazwischen Tannenzapfen,
Silber- und Lamettafäden
in den Schaufenstern der Läden,
sind wir in der staaden Zeit,
Weihnachten ist nicht mehr weit.
Durch die Lautsprecher Reklame,
Werbesprüche, einprägsame,
Billigsonderangebote,
Intimsprays, besondre Note,
Reifenquietschen, Schimpfen, Fluchen,
schnell Last-minute-Urlaub buchen …
Tönen dazu Glockenklänge,
Hirtenlieder, Dreigesänge,
sind wir in der staaden Zeit,
Weihnachten ist nicht mehr weit.
ALFONS IGERL (SELBSTGESPRÄCH): Man darf einfach nix herleihen. Wenn ich wenigstens wüsst, wem ich die Schallplatte geliehen hab. Wahrscheinlich seh ich sie nimmer, die Schallplatte vom Valentin mit dem »Buchbinder Wanninger« und dem »Christbaumbrettl« drauf. Ja mei, da kann man halt nix machen, muss ich mir halt a neue besorgen. Die müsst’s doch in jedem Schallplattengeschäft geben. Schau ma halt im Telefonbuch nach: S-, Sch-, Scha-, Schalk- Schall-, … Jetzt müsst’s kommen: Schaller-, Schallreuther … Ja gibt’s des auch, kein einziger Schallplattenladen. Unter was die jetzt wohl die Schallplattenläden versteckt haben? Ach, macht nix, ruf ma halt die Auskunft an. IGERL WÄHLT UND HÖRT EINE AUTOMATENSTIMME.
AUTOMATISCHE ANSAGE: Hier Fernsprechauskunft Weiden. Bitte bleiben Sie am Apparat!
IGERL: Ha? Wer ist da? Weiden, oh jeggerl naa, des kommt mich schön teuer. Sie, Fräulein, ich möchte Sie wegen der Schallplattn fragen. Weil ich hab da nämlich eine wunderschöne Schallplatte vom Valentin ghabt mit dem »Buchbinder Wanninger« und dem »Christbaumbrettl« drauf. Jetzt hab ich die Schallplattn einem Freund gliehen, und ich weiß ums Verrecken nicht mehr, wer das war. Vielleicht ist es auch gar kein Freund nicht, weil ein Freund, ein echter Freund, hätt ja die Schallplattn zurück’geben. Und da wollt ich Sie eben fragen …
AUTOMATISCHE ANSAGE: Hier Fernsprechauskunft Weiden. Bitte bleiben Sie am Apparat!
IGERL: Ja, ich weiß schon. Wissen S’, ich hab nämlich grad im Münchner Telefonbuch nachgschaut, und da ist unter »Sch« überhaupt nix von Schallplattn gstanden. Da hab ich mir halt denkt, jetzt ruf ich Sie an, ob Sie nicht …
FERNSPRECHAUSKUNFT (STIMME): Hier Ferniprechauskunft Weiden …
IGERL: Ja, ich hab’s Ihrer Kollegin schon ein paar Mal erzählt, des wegen der Schallplattn. Ob’s nicht doch da in München einen Schallplattenladen gibt, aber im Telefonbuch steht keiner drin, und da möchte ich Sie halt um Auskunft bitten. Wissen S’, es geht drum, dass auf der Plattn auch das »Christbaumbrettl« droben ist. Ich bin doch der Kassier vom Kleingartenverein Flora, und da hat jedes Jahr auf unserer Weihnachtsfeier der Treidinger-Schorsch die »Heilige Nacht« vom Ludwig Thoma vorgelesen. Aber heuer kann er nicht, weil er bei den Barmherzigen Brüdern eine künstliche Hüfte bekommen hat und jetzt auf Rehabilitation ist in Bad Endorf. Und jetzt wollt ich als Hüftersatz, Schmarrn, als Ersatz vom Treidinger vom Valentin das »Christbaumbrettl« vortragen, wenn Sie’s kennen. Verstehn S’?
FERNSPRECHAUSKUNFT: Moment, wenn ich Sie recht verstehe, suchen Sie einen Schallplattenladen in München.
IGERL: Ja, genau, sehr richtig. Vielen Dank. Könnten Sie mir bittschön die entsprechende Telefonnummer sagen?
FERNSPRECHAUSKUNFT: Da muss ich Sie leider enttäuschen, wir können Ihnen die Nummer lediglich bei der Nennung des entsprechenden Namens durchgeben. Kennen Sie den Namen des Schallplattenladens? Dann such ich Ihnen gerne die Nummer heraus.
IGERL: Ja, nein, das ist es ja eben. Deswegen hab ich Ihnen ja angerufen. Ja, weil ich eben nicht weiß, wie der Laden heißt, der wo noch Schallplatten verkauft.
FERNSPRECHAUSKUNFT: Das wissen wir leider auch nicht. Da müssen Sie sich bei der Branchenauskunft erkundigen … Vielen Dank für Ihren Anruf!
IGERL: Oh jeggerl naa, jetzt ruf ich da extra bis nach Weiden ’nauf, und dann krieg ich die Auskunft, dass ich keine Auskunft nicht kriegen kann. Branchenauskunft? Gut, dann schau ma halt noch amal im Telefonbuch nach.
ER BLÄTTERT IM TELEFONBUCH.
IGERL: Br-, Brachvogel, Brasche-, Braschen- … Da steht ja auch nix da. Ja, Herrschaftszeiten, wer könnt denn das dann wissen? Wer hat denn mit Schallplatten zu tun? – Ja, natürlich, der Bayerische Rundfunk. Aber wenn’s die auch net wissen, dann weiß ich wirklich nimmer weiter. Da hilft dann bloß wieder der heilige Antonius. Schau ma amal. Bayerischer Rundfunk … Hab ihn schon: 59 000!
IGERL WÄHLT.
AUTOMATISCHEANSAGE: Hier Bayerischer Rundfunk. Bitte bleiben Sie am Apparat.
ES ERTÖNT DIE ERKENNUNGSMELODIE »So LANG DER ALTE PETER …« IGERL HORCHT EINE ZEIT LANG ZU UND BEGINNT DANN VOR SICH HIN ZU MURMELN.
IGERL: Ja, ja, so lang der alte Peter am Petersbergl steht, so lang geht die Gemütlichkeit net aus. Aber bei mir geht s’ jetzt bald aus.
AUTOMATISCHE ANSAGE: Hier Bayerischer Rundfunk.
IGERL: Ja, entschuldigen S’ bitt schön, ich hab’s Ihrer Kollegin in Weiden schon ein paar Mal gsagt, ich hab da nämlich ein Problem, wegen der Schallplattn vom Valentin seinem »Buchbinder Wanninger« und dem »Christbaumbrettl« drauf, die wo ich nämlich ausgeliehen hab, vielleicht …
EINE STIMME UNTERBRICHT IHN.
STIMME: Ach ja, dann verbind ich Sie jetzt mit der »Leichten Musik«.
AUS DEM TELEFONHÖRER ERTÖNT JETZT EIN ENGLISCHES LIED. IGERL HÖRT EINE WEILE SCHWEIGEND ZU UND SCHIMPFT DANN LOS.
IGERL: Des is’ typisch, so a englischs Gsangerl. Weil mir fei’ keine deutschen Lieder mehr habn. Mei, was habn wir in unserer Jugend noch für schöne Lieder glernt und gsungen. Zum Beispiel beim Kaplan Hausladen in der Pfarrjugend.
ER SINGT DAS LIED »Ein Jäger aus Kurpfalz, der reitet durch den grünen Wald« laut in den Hörer hinein.
PLÖTZLICH ERTÖNT EINE STIMME.
STIMME: Jawohl, ich verbinde Sie mit der Abteilung für »Naturfreunde und Bergsteiger«.
IGERL: Nein, bitt schön net, ich wollt doch bloß wegen der Schallplattn fragen, die wo ich dem Buchbinder Wanninger gliehen hab, Schmarrn, ich mein’, die Schallplattn vom Buchbinder Wanninger mit dem Christbaumbrettl drauf zwegns der Weihnachtsfeier im Flora.
EINE ANDERE STIMME MELDET SICH.
STIMME: Redaktion »Naturfreunde und Bergsteiger«.
IGERL (ÜBERRASCHT): Was, Sie haben gar kein eigenes Lied nicht? Ich wollt eigentlich, weil ich’s schon so gewöhnt bin im Bayerischen Rundfunk, dass man ein Lied spielt …
STIMME: Dann sind Sie hier falsch. Ich verbinde Sie mit der »Volksmusik«.
IGERL: Nein, bitt schön nicht. Es ist bloß wegen der Schallplattn und dem Treidinger seinem Hüftgelenk bei der Weihnachtsfeier …
AUTOMATISCHE ANSAGE: »Volksmusik«. Bitte bleiben Sie am Apparat!
DANN ERTÖNT DAS LIED »Auf die Alma, da gibt’s Kalma«. Igerl hört eine Zeit andächtig zu, dann seufzt er zufrieden auf.
IGERL: Ja, endlich amal was Gscheits! A so a schöne Melodie und ein wunderbarer Text, vor allem so wirklichkeitsnah, da könnt ich stundenlang zuhorchen.
STIMME: Volksmusikabteilung, was kann ich bitte für Sie tun?
IGERL: Schad, dass Sie sich schon melden, weil ich eigentlich das Lied, das wo Sie grad gespielt haben, gern zu Ende ghört hätt, aber weil Sie jetzt schon da sind, ich ruf wegen unserer Weihnachtsfeier an, und weil doch der Treidinger die »Heilige Nacht« nicht lesen kann, und da hätt ich eben meine Schallplattn mit dem Christbaumbrettl zur Unterhaltung in der Flora vorlesen wollen.
STIMME: Einen Moment bitte, ich verbinde zur »Unterhaltung Wort«.
IGERL: Was is’? Halt, nein! Bittschön, dann spieln S’ mir wenigstens noch die zweite Strophe von dene Alma und de’ Kalma vor, wenn des ging!
AUS DEM TELEFON ERTÖNT JETZT DIE ANSAGE MIT DEN NEUESTEN WASSERSTANDSMELDUNGEN.
AUTOMATISCHEANSAGE: Pegel Ingolstadt: 203, plus drei …
IGERL: Ja, Kruzitürken, wo bin ich denn jetzt gelandet?
DIE MELDUNGEN GEHEN WEITER. NACH EINIGER ZEIT ERTÖNT EINE STIMME.
STIMME: Hier Bayerischer Rundfunk.
IGERL: Ja, Sie, bitt schön entschuldigen S’, ich ruf da schon seit einiger Zeit an wegen dem Buchbinder Wanninger und seinem Christbaumbrettl. Und jetzt bin ich sogar bei den Wasserstandmeldungen gelandet.
STIMME: Und wen wollen Sie sprechen?
IGERL: Ja, das weiß ich eben nicht, weil ich die Schallplattn von dem Buchbinder …
STIMME: Ach so, Sie haben ein Buch für den Bayerischen Rundfunk gebunden, da verbind ich Sie mal mit unserer Honorarabteilung.
IGERL: Nein, halt! Ich will kein Honorar, die Schallplattn, die wo ich wieder haben möcht mit dem Christbaumbrettl drauf, bräucht ich.
AUTOMATISCHE ANSAGE: Verehrter Anrufer. Sie haben die Honorarabteilung des Bayerischen Rundfunks gewählt, rufen aber außerhalb unserer Bürozeiten an. Dieselben sind: Montag bis Freitag von 9 bis 10 Uhr. Wir verbinden Sie zurück zu unserer Zentrale.
IGERL: Herrschaftszeiten, jetzt reichts, jetzt werd ich aber bald pelzig!
AUTOMATISCHE ANSAGE: Hier Bayerischer Rundfunk. Bitte bleiben Sie am Apparat.
WIEDER ERTÖNT: »So lang der alte Peter«.
IGERL: Mit meiner Gmüatlichkeit ist’s jetzt vorbei, bei mir ist der Ofen aus.
STIMME: Bayerischer Rundfunk, Zentrale. Was kann ich für Sie tun?
IGERL: Ja, entschuldigen S’ bitt schön, Fräulein, ich wollt doch lediglich des Christbaumbrettl zwegns unserer Weihnachtsfeier und der Schallplattn …
STIMME: Sind Sie sicher, dass Sie die richtige Nummer gewählt haben? Hier ist der Bayerische Rundfunk.
IGERL: Natürlich. Ich wollt doch nur wegen der Schallplattn fragen, die wo ich ghabt hab und jetzt nicht mehr hab.
STIMME: Aha, dann haben Sie also etwas verloren, da sollten Sie wohl besser jemand im Fundbüro anrufen.
IGERL: Nein, ich hab sie ja gar nicht verloren, sondern irgendeinem Freund geliehen, der wo mir jetzt nicht einfällt. Vielteicht war’s der Pfanzelt-Maxe, aber der sagt auch, dass er sie nicht hat. Und die bräucht ich jetzt dringend, weil da das Christbaumbrettl drauf ist und der Treidinger heuer die »Heilige Nacht« nicht lesen kann, sozusagen aus gesundheitlichen Gründen.
STIMME: Ach so, Sie haben eine Frage an unsere Gesundheitsredaktion, ich verbinde.
IGERL: Nein, bitte nicht! – Aber wenn’s so weitergeht, brauch ich wirklich noch einen Notarzt. Ich glaub, ich krieg einen Herzkasperl.
STIMME: Gesundheitsredaktion, Guten Tag. Wie kann ich Ihnen helfen?
IGERL: Ja, helfen könnte mir eigentlich nur der Buchbinder Wanninger oder vielmehr die Schallplattn, wo er drauf ist, aber weil Sie jetzt schon dran sind: Ich hab da in der letzten Zeit so ein Ziehen in meinem linken Fuß, könnt des mit meinem Reiß-Matthias Zusammenhängen, den wo ich immer spür in der kalten Jahreszeit? So um die Zeit vom Kathreintanz herum geht’s jedes Mal an. Bei mir stimmt sozusagen der alte Spruch: »Kathrein stellt den Tanz ein.« Ha, ha, ha.
STIMME: Kathreintanz? Ach so, Sie wollen die Redaktion für Brauchtumspflege. Ich verbinde Sie mit unserem Experten für bayerisches Brauchtum: Olaf Knut Klawuttke.
KLAWUTTKE: Hallo, Tachchen, hier ist die bayerische Brauchtumspflege, Klawuttke am Telefönchen, wat hamwa denn für’n Problemchen? Wo drückt uns denn der Haferl-Schuuah?
IGERL:(MURMELND) Ja, mich leckst! (LAUT) Ich brauchert koa Brauchtum, sondern die Schallplattn vom Buchbinder Wanninger.
KLAWUTTKE: Granninger? Ach so, warum sagen wir dat nich gleich, juter Mann, dann verbinde ich Sie mit unserem Pförtner Granninger. Tschüsschen.
IGERL: Halt, halt, halt, nix Granninger – Wanninger! Ich buchstabiere: W – wie Weißwurscht, A – wie Antn, N – wie Noagerl, und nochmal a Noagerl …
INZWISCHEN IST DIE VERBINDUNG HERGESTELLT.
STIMME: Ja, hier ist die Pforte des Bayerischen Rundfunks.
IGERL: Naa, naa, nix Pforte. Ich wollt gar nicht mit Ihnen sprechen, aber euer Knut-Olaf hat mich falsch verstanden. Ich wollt gar nicht zu dem Herrn Granninger, sondern zu dem Herrn Wanninger. Das heißt, eigentlich …
STIMME: Der Herr Granninger ist leider im Urlaub, ich verbinde Sie mit seinem Vertreter.
IGERL: Ich brauch keinen Vertreter nicht, ich brauch den Buchbinder, das heißt, eigentlich nicht den Buchbinder, sondern die Schallplattn, wo er mit dem Christbaumbrettl drauf ist.
INZWISCHEN IST WIEDER EINE NEUE VERBINDUNG HERGESTELLT.
HIRSCHVOGEL: Hier Hirschvogel.
IGERL: Ja, hier Igerl.
HIRSCHVOGEL: Ja, da verreck! Igerl? Jetzt sag bloß, oder sagn S’ bloß, dass Sie oder du aa no’ Alfons hoaßen oder hoaßt!
IGERL: Ja, warum?
HIRSCHVOGEL: Ui, so ein Zufall! Ich bin’s, der Hirschvogel-Manni.
IGERL: Der Hirschvogel-Manni? Ja, sag amal, was tust denn du beim Bayerischen Rundfunk? I’ hab mir denkt, du bist scho’ längst pensioniert.
HIRSCHVOGEL: Bin i’ aa, aber mein Schwager, der Granninger, hat mich sozusagen reaktiviert, den vertret ich jetzt.
IGERL: Ja, so was, der Hirschvogel-Manni.
HIRSCHVOGEL: Und womit kann ich dem Herrn dienen?
IGERL (LACHEND): Herr is’ guat! Gib amal Obacht. Aber ich glaub, du wirst mir auch nicht helfen können. Vor einiger Zeit hab ich irgendeinem Bekannten die Schallplattn mit dem »Buchbinder Wanninger« und dem »Christbaumbrettl« gliehn, und mir fällt net um viel Geld mehr ein, wer des gwesen sein könnt. Ich weiß grad noch, dass des damals im Volkarteck-Stammtisch war.
HIRSCHVOGEL: Des kann ich dir schon sagn: Dem Scherm-Max hast sie gliehen.
IGERL: Richtig, der Scherm-Max war’s. Der Gischpel, der! Warum rührt sich der denn nimmer? Den ruf ich jetzt gleich an.
HIRSCHVOGEL: Den Anruf kannst dir sparen, ich hab s’ mir nämlich vom Scherm-Max ausgliehen, aber wennst willst, dann bring ich s’ dir halt am nächsten Dienstag zum Stammtisch mit. Entschuldigung, da läut’ schon wieder ’s Telefon. Also, Servus, alte Wurschthaut, bis zum Dienstag!
IGERL: Ich glaub, ich spinn, des darf doch net wahr sein! Des hätt ich nimmer ’glaubt, dass ich die Schallplattn jemals wieder z’rückkrieg. Da muss ich gleich dem heiligen Antonius mei’ versprochene Spende ’neinwerfen. Auf den ist halt noch immer Verlass. Die Weihnachtsfeier ist gerettet! Guat, dass sich der heilige Antonius mit der modernen Telefontechnik auskennt!
»Jeds Jahr desselbe um de Weihnachtszeit rum.
Jeds Jahr desselbe, des is doch zu dumm.
Mia fallt nix’n ei, so sehr i nachdenk,
was i des Jahr meiner Frau wieder schenk.«
»Ja kauf ihr doch einfach an Schmuck, a Kettn, an Ring.
A Brosch mit Brillanten, a wertvolles Ding!«
»An Schmuck, wo daadsn den hi dann ja mei,
de hat doch koan Finger, koa Handglenk mehr frei!«
»Wia waars mit am Buid aus der Kunstgalerie?«
»A Buidl ja mei, wo hängtsn des hi?«
»Wia waars mit am Pelzmantel, teuer und toll?«
»Ah mei, bei ihr is doch wirklich a jeder Schrank voll.«
»Dann stift ihr a Reise an irgendan Ort!«
»An welchen, de war doch schon überall dort,
an jedem bsondern Punkt auf der Welt.«
»Na woaß i fei nix mehr. Doch gib ihr a Geld!«
»Bloß einfach a Geld daad ma ztiafst widerstrebn,
und außerdem wollt i so vui aa net ausgebn.«
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Pleiten, Pech und Tannen
eISBN 978-3-475-54359-3 (epub)
Die besinnliche Jahreszeit mit Wolfgang Schierlitz – garantiert ein lustiges Ereignis! Mit viel Witz und Humor erzählt er im ersten Band seiner Weihnachtsgeschichten von abenteuerlichen Christbaumkäufen, spektakulären Krippenspielen und digitalen Wunschzetteln.
Das Buch stimmt auf Weihnachten ein und erheitert auch das gestresste Gemüt. Für alle, die Weihnachten lieben, und jene, die dieser Zeit auch mit einem Augenzwinkern entgegensehen.
O Pannenbaum!
eISBN 978-3-475-54513-9 (epub)
Der Nachfolger von »Pleiten, Pech und Tannen«: Wolfgang Schierlitz zeigt uns, wie es rund um Weihnachten so zugehen kann! Katastrophen und Pannen, urkomische Missgeschicke und amüsante Zwischenfälle säumen den Weg zum Fest. In seinem unverwechselbaren Stil erzählt er von etwas sonderbaren Feuerwehreinsätzen, völlig verrücktem Christbaumschmuck und der obligatorischen Beziehungskrise während der Feiertage.
Mit einem gehörigen Augenzwinkern stimmt er uns erneut auf die schönste Zeit des Jahres ein und stellt fest, dass niemand perfekt ist.
Christmond
eISBN 978-3-475-54380-7 (epub)
Christmond wurde einst der Dezember genannt. Alfred Landmesser entdeckt diesen besonderen Namen für eine besondere Zeit neu. In vielen Kurzgeschichten entführt er uns auf eine Reise durch die Weihnachtszeit und erzählt, was rund um das Weihnachtsfest alles passieren kann.
Zarte Liebesbande werden geschmiedet, das Jesuskind verschwindet aus der Krippe und der geliebte Hund Felix kehrt zu seinem Frauchen zurück. Alfred Landmesser blickt auch in die Vergangenheit und wendet sich ernsten Themen zu. So gelingt ihm eine einstimmende Sammlung besinnlicher, aber auch humorvoller Geschichten über diesen wunderbaren Monat, den Christmond.
Weihnachtsstern
eISBN 978-3-475-54379-1 (epub)
Hans-Peter Schneider entdeckt die unterschiedlichen Facetten des Weihnachtsfestes neu und bringt sie in besinnlichen, heiteren und nachdenklichen Geschichten und Gedichten zum Ausdruck. Er erzählt von der kleinen Marie, die davon überzeugt ist, dass ihr Opa nur mit Sauerkraut und Bratwurst ein schönes Weihnachten haben kann – selbst wenn er schon im Himmel ist. Von einem Vater, der die Weihnachtsgans beim Metzger vergessen hat und es trotzdem schafft, seiner Familie ein ganz besonderes Fest zu bereiten. Dass nicht jeder in Wohlstand lebt, zeigt der Autor in der Geschichte des kleinen Florian, der stehlen muss, um seinem Vater ein Geschenk machen zu können. Lustig, berührend und einstimmend – dieses Buch bringt uns den Wert von Weihnachten nahe.
Zöpfls Weihnachtsbuch
eISBN 978-3-475-54550-4 (epub)
Jetzt, wenn die Glöckerln und d’Markln klingerln, de staadn Weisn vom Lautsprecher dringerln, Reklamechöre weihnachtlich singerln, de silbernen Kugerln und glanzerlten Ringerln, de rauschgoldgwanderten, lieblichen Engerln inmitten der duftenden Wurstwaren hängerln, se d’Leut in d’volle U-Bahn neizwängerln, konns sei, dass mia oft nimmer vor Geschenkerln and Geschenk von jener Heil’gen Nacht denkerln.
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