Mein Herz schlägt Hund - Katharina Marioth - E-Book

Mein Herz schlägt Hund E-Book

Katharina Marioth

0,0
20,99 €

oder
-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Jeder Hund kann lernen. Lebenslang. Es ist also egal, ob Sie einen Leinenrambo, einen Angsthasen, einen Clown oder einen Skeptiker zu Hause haben. Die täglichen Herausforderungen für den Hund in Zusammenarbeit mit seinem Menschen zu bewältigen, bedeutet individuelle Bedürfnisse zu erkennen und zu lenken. Katharina Marioth gibt Hundehaltern für jede Situation das passende Werkzeug an die Hand oder an die Leine. Mit emotional stabiler Souveränität, Freude und 100 % gewaltfrei durch den Alltag spazieren – das ist der Anspruch des »KEML Prinzips«.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Unsere eBooks werden auf kindle paperwhite, iBooks (iPad) und tolino vision 3 HD optimiert. Auf anderen Lesegeräten bzw. in anderen Lese-Softwares und -Apps kann es zu Verschiebungen in der Darstellung von Textelementen und Tabellen kommen, die leider nicht zu vermeiden sind. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Impressum

© eBook: 2024 GRÄFE UND UNZER VERLAG GmbH, Postfach 860366, 81630 München

© Printausgabe: 2024 GRÄFE UND UNZER VERLAG GmbH, Postfach 860366, 81630 München

GU ist eine eingetragene Marke der GRÄFE UND UNZER VERLAG GmbH, www.gu.de

Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck, auch auszugsweise, sowie Verbreitung durch Bild, Funk, Fernsehen und Internet, durch fotomechanische Wiedergabe, Tonträger und Datenverarbeitungssysteme jeder Art nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlages.

Projektleitung: Vanessa Lotz

Lektorat: Sylvie Hinderberger

Bildredaktion: Petra Ender; Natascha Klebl (Cover)

Covergestaltung: ki 36 Editorial Design, Bettina Stickel, Petra Schmidt

eBook-Herstellung: Liliana Hahn

ISBN 9783833895982

1. Auflage 2024

Bildnachweis

Coverabbildung: Thomas Koy

Illustrationen: KØI studio (koistudio.de)

Fotos: Josephine Winkler; Getty Images; stock.adobe.com; Thomas Koy; Tierfotoagentur; Trio Bildarchiv

Syndication: Bildagentur Image Professionals GmbH, Tumblingerstr. 32, 80337 München, www.imageprofessionals.com

GuU 8-9598 09_2024_02

Unser E-Book enthält Links zu externen Webseiten Dritter, auf deren Inhalte wir keinen Einfluss haben. Deshalb können wir für diese fremden Inhalte auch keine Gewähr übernehmen. Für die Inhalte der verlinkten Seiten ist stets der jeweilige Anbieter oder Betreiber der Seiten verantwortlich. Im Laufe der Zeit können die Adressen vereinzelt ungültig werden und/oder deren Inhalte sich ändern.

Die GU-Homepage finden Sie im Internet unter www.gu.de

www.facebook.com/gu.verlag

LIEBE LESERINNEN UND LESER,

wir wollen Ihnen mit diesem E-Book Informationen und Anregungen geben, um Ihnen das Leben zu erleichtern oder Sie zu inspirieren, Neues auszuprobieren. Wir achten bei der Erstellung unserer E-Books auf Aktualität und stellen höchste Ansprüche an Inhalt und Gestaltung. Alle Anleitungen und Rezepte werden von unseren Autoren, jeweils Experten auf ihren Gebieten, gewissenhaft erstellt und von unseren Redakteur*innen mit größter Sorgfalt ausgewählt und geprüft.

Haben wir Ihre Erwartungen erfüllt? Sind Sie mit diesem E-Book und seinen Inhalten zufrieden? Wir freuen uns auf Ihre Rückmeldung. Und wir freuen uns, wenn Sie diesen Titel weiterempfehlen, in ihrem Freundeskreis oder bei Ihrem Online-Kauf.

KONTAKT ZUM LESERSERVICE

GRÄFE UND UNZER VERLAG Grillparzerstraße 12 81675 München

Wichtiger Hinweis:

Die Gedanken, Methoden und Anregungen in diesem Buch stellen die Meinung bzw. Erfahrung der Verfasserin dar. Sie wurden von der Autorin nach bestem Wissen erstellt und mit größtmöglicher Sorgfalt geprüft. Sie bieten jedoch keinen Ersatz für persönlichen kompetenten medizinischen Rat. Jede Leserin, jeder Leser ist für das eigene Tun und Lassen auch weiterhin selbst verantwortlich. Weder Autorin noch Verlag können für eventuelle Nachteile oder Schäden, die aus den im Buch gegebenen praktischen Hinweisen resultieren, eine Haftung übernehmen.

VORWORT

Wenn ich in meine Bücherregale schaue, sehe ich dort über 300 Bücher zum Thema Hund – und keines spricht über das Allerwichtigste: die emotionale Kommunikation mit diesen wunderbaren Tieren. Sprechen, Zuhören und Verstehen ist jedoch die Grundvoraussetzung für alles, was wir gemeinsam mit ihnen unternehmen, trainieren und erleben. Und dabei ist es übrigens völlig egal, ob Sie einen Welpen an Ihrer Seite haben, einen pubertär hormonell komplett übersteuerten Teenager oder einen Hund, der schon etwas älter ist. Lernen findet immer statt, ein Leben lang.

Ich möchte Ihnen mit diesem Buch dazu viele leicht umsetzbare und klar strukturierte Inhalte, Hintergründe und Anleitungen mit auf den Weg geben. Sie sollen Ihnen in jeder Lebenslage helfen, Ihren Hund anzusprechen und auf sich zu fokussieren. Sie werden einfache Methoden kennenlernen, mit denen Ihre gemeinsame Zeit Tag für Tag an Qualität gewinnt. Und ich wünsche mir, dass Sie dieses Buch immer wieder zur Hand nehmen, wenn Sie einmal Rat brauchen.

Ich hätte mir früher auch einen Ratgeber wie diesen gewünscht, der mir mit klaren Überschriften, kurzen Anleitungen und ohne viel Schnickschnack erklärt, wie man es denn besser machen kann. Wie man schneller zum Ziel kommt und vor allem: wie man sich mit seinem Hund wirklich besser versteht. Ohne Umschweife, ohne Gewalt, dafür mit Gefühl und fundiertem Wissen. Eben genau das, was man zwischen zwei Gassirunden braucht. Gleichzeitig ist mir wichtig, dass Sie beim Lesen und Anwenden immer ein Lächeln auf den Lippen haben. Denn manches ist deutlich leichter, wenn man es mit einem humorvollen Blick betrachtet.

Dieses Buch ist allen Menschen und ihren Hunden gewidmet, die Lust haben, etwas zu entdecken, sich etwas einzugestehen und zu verbessern. Ich verspreche Ihnen, dass Sie mit einfachen Mitteln und Wegen Veränderungen mit großer Wirkung in Ihnen und Ihrem Hund erwirken können.

Vielleicht kennen wir uns bereits persönlich oder Sie folgen mir auf Social Media oder kennen mich aus dem TV. Vielleicht kennen wir uns auch noch gar nicht. Dann dies vorab: Wenn Sie nur lesen wollen, dass bereits alles prima ist mit Ihrem Hund, oder wenn Sie wie in so vielen anderen Büchern eine reine Abfolge von Trainingsanleitungen erwarten, dann nutzen Sie die Chance und legen Sie dieses Buch gleich wieder weg. Denn für mich ist dieses Buch eine Hommage an all die wunderbaren, verhaltensoriginellen, individuellen Charaktere, die mit uns zusammenleben – und deren Leben wir gestalten dürfen und müssen. Es geht um Qualität statt Quantität. Es geht um echtes Wissen und nicht um Ideologien. Es geht um Sie und Ihren Hund! Deshalb sind meine Anleitungen klar und transparent und niemals von oben herab. Das hat in der Bindungserfahrung zu Ihrem Hund und in Ihrer Beziehung zueinander nämlich rein gar nichts verloren. Emotionale Kommunikation beginnt mit einem Lächeln!

Ich möchte Sie mitnehmen in eine Welt, in die wir immer tiefer eintauchen dürfen, je mehr wir wissen und je mehr wir wissenschaftlich fundiert interpretieren können. »Mein Herz schlägt Hund« darf Sie entführen in eine Welt, in der sich Kompetenz mit Empathie vereint und in der Motivation und Leistung sich ergänzen. Ich werde Sie tief in mein Herz und meinen Kopf schauen lassen. Sie werden vielleicht ab und zu lächeln, vielleicht auch einmal weinen, vor allem aber werden Sie für Ihren eigenen Trainingsalltag profitieren.

»Ich wünsche mir, dass am Ende dieses Buches auch Ihr Herz noch mehr Hund schlägt.«

WIE EIN HUND MEIN LEBEN VERÄNDERTE

Als mein Hund Helmut bei mir einzog, dachte ich, ich wüsste eigentlich bereits genug über Hundetraining und Motivation und Feedback. Schließlich war ich lange Jahre Führungskraft und keiner meiner Hunde hatte mich bisher vor große Herausforderungen gestellt. Doch dann kam Helmut. Er war anders.

Helmut war sensibel und unglaublich nervtötend zugleich. Er hatte in wenigen Lebenswochen bereits mehr erlebt als der durchschnittliche Hund.

Helmut stammt aus einer amtlichen Beschlagnahmung. Er wurde illegal »gezüchtet« und wuchs mit seiner Mutterhündin und den Wurfgeschwistern in einem WC-Raum von knapp eineinhalb Quadratmetern auf. Mit etwa sechs Wochen wurden die Welpen beschlagnahmt und kamen ins Berliner Tierheim. Nur er und eins seiner Wurfgeschwister überlebten, so schlecht war die vermeintliche »Aufzucht«. Helmut hatte das Glück, dann schnell in eine Pflegestelle zu kommen. Aber für so einen jungen Hund war das bereits viel zu viel – und er wurde viel zu früh von der Mutterhündin getrennt. Als wir ihn übernehmen durften, zeigte er vieles, vor allem aber Stress. Er kam kaum zur Ruhe, fraß wirklich alles und schluckte es ab – ganze Zimmerpflanzen, alles an Unrat – was irgendwie zerkau- und schluckbar war, schlang er herunter. Er war draußen massiv gestresst, und das über Monate und Jahre hinweg. Er hatte Furcht vor Händen, vor lauten Stimmen, vor Alkoholgeruch in Putzmitteln. Zwar zeigte er nie aggressives Verhalten, doch er war einfach ständig auf der Flucht. Drinnen wie draußen. Gleichzeitig war er sehr sensibel und reagierte auf die leisesten Emotionen. Jede neue Straße, jede neue Umgebung war schlichtweg zu viel für ihn. Im Training zeigte er sehr kurze Aufmerksamkeitsspannen, auch wenn er mit voller Begeisterung dabei war, insbesondere bei Tricks. Kurzum: Helmut war durch und durch ein gestresster Hund, der viel, viel zu lernen hatte – genauso wie ich.

Helmut hat mein Leben ganz schön auf den Kopf gestellt – wegen ihm bin ich heute Hundetrainerin. Dafür war er bis zu seiner »Rente« mein Trainingspartner auf vier Pfoten.

Ich war verzweifelt und fand mich den ein oder anderen Tag weinend auf dem Sofa wieder, weil ich diesem Hund aus irgendwelchen Gründen einfach nicht gerecht werden konnte. Dabei wollte ich doch nur »helfen«. Also tat ich, was die meisten Hundebesitzer tun: Ich suchte einen Hundetrainer auf. Allerdings musste ich zuerst einmal jemanden finden, der uns überhaupt ins Training nahm. Denn die Standardabsage war: »Diese Rasse nehmen wir nicht.« Irgendwann fand ich endlich einen Trainer und einen Sportverein: Doch die Tipps, die ich dort bekam, zeigten nicht nur keinerlei Wirkung, sie waren sogar kontraproduktiv – und vor allem fühlten sie sich alles andere als gut an. Letztendlich ging es nur um »Dem musst du mal eine Grenze setzen« oder »Dann pack ihn dir mal ordentlich in die Seite, der veräppelt dich nur« und »Mit dem musst du viel, viel mehr machen«. Ich sollte unter anderem mit Ketten werfen und mit Wasser spritzen.

Nichts davon brachte mich weiter, im Gegenteil, ich hatte einen Hund, der sowieso schon Angst hatte vor Händen, dem mehr Spaziergänge nicht mehr Umweltsicherheit brachten, sondern zusätzlichen Stress bereiteten, und der trotz Ersthund namens Schmidt zu Hause unter massiver Trennungsangst litt. Wie hat sich das geäußert? Helmut lief und lief und lief – fast bis zur Erschöpfung. Er zeigte einzig und allein das Verhalten Flucht – weiter, immer weiter. Erst wenn er wieder in seiner gewohnten Umgebung war, wurde er ein wenig entspannter.

Sein Fell war überzogen mit Schuppen und er brauchte unzählige Kauartikel zum Stressabbau. Wenn er auch nur für fünf Minuten alleine bleiben sollte, suchte er sich Dinge, auf denen er herumkauen oder die er zerstören konnte, darunter zwei Sofas, diverse Fernbedienungen und ein Festnetztelefon. Irgendwann stieß ich auf das Video eines Zoos, in dem Tiger darauf trainiert wurden, auf ein rein optisches Signal ihr Maul so lange offen zu halten, bis man eine vollständige Zahnkontrolle durchgeführt hatte. Wildkatzen! Ohne Betäubung! Und das allein mit der Grundidee von positiver Verstärkung! Gewaltfrei! »Und ich soll meinen wenige Monate alten Hund drangsalieren?«, dachte ich in dem Moment nur – und beschloss, meine bisherige Karriere an den Nagel zu hängen, um selbst Hundetrainerin zu werden. Ich wollte diese Tiere besser verstehen und ihren Zweibeinern die Kommunikation mit und den Zugang zu ihnen erleichtern. Denn ich wusste: Da muss noch mehr gehen! Ich wollte ein Training, das auf mehr Verständnis, Wissen und Kompetenz basiert und auf mehr Empathie. Aus dieser Motivation heraus habe ich schließlich das KEML-Prinzip entwickelt (siehe >). Mittlerweile habe ich Tausenden von Mensch-Hund-Teams geholfen, sich gegenseitig zu verstehen und ohne Zwang, Angst und Strafe den gemeinsamen Weg zu finden.

Ich lade Sie ein, in eine für Sie vielleicht neue Art der Kommunikation mit Ihrem Hund zu treten und mit fundierten Plänen und guter Laune Ihren Hund genau dort abzuholen, wo er im Augenblick steht. Damit Sie endlich das Team werden, das Sie sich schon immer gewünscht haben.

Herzlich, Ihre

DAS KEML-PRINZIP – DIE SÄULEN MEINER ARBEIT

Das KEML-Prinzip definiert sich durch gewaltfreies Training, durch Respekt und Humor. Statt Schreckreize und Machtausübung, statt Wasserflasche, körperlichen Zwang und Raumbegrenzungen setzt es darauf, mit kompetenter Empathie die individuelle Motivation zu erkennen und in Leistung umzuwandeln. Alles, was es dazu braucht, ist der Wunsch, etwas zu verändern.

KEML, das steht für …

K wie Kompetenz

… durch die zertifizierte IHK-Ausbildung, den Besuch zahlreicher internationaler Seminare und Fortbildungen, das ständige Studieren von Fachzeitschriften und Studienveröffentlichungen zum Thema Hund und, last but not least, mein Daily Business. Ich bin ständiges Mitglied in der ARGE Odorologie – die Arbeitsgemeinschaft rund um die Wissenschaft der Nasenleistung unserer Hunde. Die behördliche Anerkennung nach §11 Tierschutzgesetz und die behördliche Ernennung zur Sachverständigen des Landes Berlin für gefährliche Hunde und den Hundeführerschein runden mein Portfolio ab.

E wie Empathie

… und zwar für Mensch und (!) Hund. Die meisten meiner Klienten, egal ob Zwei- oder Vierbeiner, haben schon einiges erlebt und erfahren. Das hat sie geprägt und sie haben häufig einen hohen Leidensdruck. Empathisch gegenüber Hunden zu sein, bedeutet vor allem, Verständnis für das von ihnen gezeigte Verhalten aufzubringen. Eine Schlüsselformulierung lautet daher »Ein Hund zeigt ein Verhalten« – im Gegensatz zu »Ein Hund ist so oder so«.

M wie Motivation

…, denn sie ist die Grundlage, auf der wir das Training aufbauen, egal, ob sie dabei als soziale Motivation, Futtermotivation oder jagdliche Motivation daherkommt. Es geht aber genauso auch darum, meinen Klienten die nötige Motivation mitzugeben, die es braucht, um die Schritte Richtung Veränderung zu gehen und das Erreichte danach auch langfristig zu festigen. Motivation ist DER Beweggrund, also: einatmen, ausatmen, den Hund anlächeln und loslegen.

L wie Leistung

… die stets mit einem ersten Schritt beginnt und mit einem Ergebnis endet. Trotzdem ist Leistung immer individuell – und sie zeigt sich am schnellsten, wenn der Plan stimmt. Der Trainingsplan ist das Instrument, um jeden Schritt anzuleiten, nachzuvollziehen und leistbar zu machen.

DAS FUNDAMENT EINER HARMONISCHEN BEZIEHUNG

Viele Missverständnisse zwischen Menschen und Hunden entstehen nur deshalb, weil wir nicht so mit unseren Vierbeinern kommunizieren, dass sie uns auch verstehen können. Und das betrifft nicht nur den täglichen Spaziergang, sondern beginnt bereits viel früher …

»Aber ich habe doch nur draußen ein Problem, drinnen funktioniert alles eigentlich ganz gut.« Diesen Satz höre ich in meiner täglichen Praxis ständig und trotzdem mache ich gerne zuallererst einen Hausbesuch bei meinen Kunden. Denn meiner Erfahrung nach beginnen die meisten Missverständnisse bereits zu Hause. Allerdings muss ich Sie an dieser Stelle gleich mal vorab enttäuschen: Ich werde Ihnen nicht sagen, wer zuerst durch die Tür gehen muss oder zuerst zu Abend essen darf. Wenn es so einfach wäre, bräuchte es keine Hundetrainer oder -verhaltenstherapeuten. Allerdings hätten Sie dann auch keinen Hund, sondern eher einen Untergebenen, den Sie in überholter Tradition durch die Gegend scheuchen, wann immer es Ihnen passt.

TEAMARBEIT BEGINNT ZU HAUSE

Die Mehrzahl der Hundehalter beschäftigt die Erziehung drinnen nur zur Welpenzeit, wenn Themen wie Stubenreinheit, Alleine-zu-Hause-Bleiben oder Nichtsanknabbern oberste Priorität haben. Manche versuchen es in dieser Zeit vielleicht auch mit einem ersten »Sitz« oder »Platz«. Aber das war es dann meistens auch schon. Dabei könnte man den Alltag in den eigenen vier Wänden für so viel mehr nutzen – auch weil hier durchaus ein paar grundlegende Missverständnisse entstehen können, die das Zusammenleben unnötig erschweren.

Es beginnt damit, dass viele ihren Hund im Haus oder in der Wohnung so gut wie nie aus dem Blick lassen und seinen Namen inflationär oft gebrauchen, gerne in verschiedenen Tonlagen, weshalb er nur raten kann, was man eigentlich von ihm will. Beides kann drinnen keine großen Auswirkungen auf das Zusammenleben haben, draußen jedoch durchaus zum Problem werden. Warum? Wenn wir unsere Hunde nie richtig zur Ruhe kommen lassen und sie stattdessen den ganzen Tag mit Aufmerksamkeit und einem schier nicht enden wollenden Redeschwall überschütten, können wir nicht erwarten, dass sie draußen noch aufnahmefähig und schnell auf uns reagieren.

»Der Name Ihres Hundes wird Sie beide ein ganzes Hundeleben lang begleiten. Passen Sie also gut drauf auf.«

Hängen Sie sich zu Versuchszwecken doch mal ein leeres Blatt Papier an den Kühlschrank und machen Sie für jeden (wirklich jeden!) Blick, den Sie Ihrem Hund schenken, einen Strich darauf. Erschreckend, oder? Jeder dieser Blickkontakte, und sei er noch so liebevoll gemeint, ist aus der Sicht Ihres Hundes eine Gesprächsaufnahme. Und jetzt überlegen Sie mal ehrlich, wie oft Sie ihn danach ins Leere laufen lassen. Aha!

Lernen findet immer statt und wir senden die meiste Zeit über Signale, die das fördern oder behindern können. Fangen wir mit dem häufigsten an:

DER NAME: EIN WIRKSAMES SIGNAL

Eines der wichtigsten Signale, die Sie Ihrem Hund geben, jeden Tag unzählige Male, und das meist auch noch, ohne sich dessen bewusst zu sein, ist sein Name. Ein Thema, das zu Unrecht sehr stiefmütterlich behandelt wird. Der Name ist das wichtigste akustische Signal für uns und unseren Hund. Weiß Ihr Hund wirklich, wie er heißt? In den meisten Fällen würde ich auf Nein tippen. Das Problem: Wenn der Hund seinen Namen nicht wirklich kennt oder dieser nicht gut verknüpft wird, fehlt es draußen am Grundlegendsten: der Ansprache und Orientierung. Wir brauchen den Namen des Hundes für jede Situation – sei es für ein Stopp auf Entfernung, zum Beispiel an einer Straße, für eine erste Rückorientierung zu Ihnen in einer brenzligen Situation, für eine höfliche Deeskalation in Hundebegegnungen. Vor allem aber brauchen wir den Namen, um dem Hund nach der Ansprache mitteilen zu können, was wir als Nächstes von ihm möchten: die Seite wechseln, zu uns kommen, genau dort bleiben, wo er ist, und vieles mehr. Für all das müssen Sie den Namen bewusst einsetzen. Und das beginnt bereits im Haus.

Ein Hund, zehn Namen

Wie Sie Ihren Hund nennen, ist in vielen Mensch-Hund-Teams einer der zentralen Fehler in der Kommunikation. Das können Sie sich nicht vorstellen? Dann schreiben Sie doch einmal auf, wie viele Namen Ihr Hund so hat. Also, ich kann Ihnen sagen, bei meinem Helmut komme ich locker auf zehn: Helmut, Schatzi, Arschi, Na-mein-Schatz, Schelmchen, Helmchen, Nee, Lord Helmchen, Maus, Herzchen – und ich habe bestimmt noch einige, die mir gerade nur nicht einfallen. Als Welpe und in den Pubertätsphasen kamen häufig noch Namen dazu wie Nein-Helmut, Aus-Helmut, Komm-Helmut und Pfui-Helmut. Kommt Ihnen das auch bekannt vor? Sehr gut, dann sind Sie ein ganz normaler Hundebesitzer. Alles in Ordnung.

KOMMANDO ODER SIGNAL – WO IST DER UNTERSCHIED?

Wenn man im Duden nachschaut, ist es ganz einfach: Ein Kommando, steht dort, ist »ein kurzer [in seinem Wortlaut festgelegter, militärischer] Befehl«, das Signal dagegen ein »[optisches oder akustisches] Zeichen mit einer bestimmten Bedeutung«.

Und vermutlich merken Sie bereits beim Lesen, dass es einen Unterschied macht, ob ich über Kommandos spreche oder über Signale, die mit einer Bedeutung verknüpft wurden. Vielleicht empfinden Sie das aber auch als etwas spitzfindig. Doch mir ist dieser Unterschied sehr wichtig. Schließlich haben wir es bei Menschen und Hunden mit sozialen Lebewesen zu tun und da kann schon der Körper ein Signal sein. Denken Sie nur mal an ein einfaches Verhalten wie »Sitz«. Das bedeutet: »Senke deinen Po auf die Erde und lass die Vorderpfoten stehen.« Die meisten Menschen trainieren dies frontal mit Gesicht zum Hund, gerne mit erhobenem Zeigefinger und dem Wort »Sitz«. Streng genommen ist laut Definition hier das Wort »Sitz« das Kommando. Aber ist es auch das Signal, das der Hund verknüpft hat? Das lässt sich genau überprüfen: Lassen Sie den Finger weg und sagen Sie nur »Sitz«. Klappt? Super! Dann drehen Sie sich doch mal mit dem Rücken zum Hund und sagen wieder »Sitz«. Klappt nicht? Dann ist Ihre frontale Stellung zum Hund Teil des derzeit verknüpften Signals.

Aber sprechen wir doch mal darüber, was der Name eigentlich sein sollte: ein Aufmerksamkeitssignal. Man möchte, wenn man ihn ausspricht, die volle Aufmerksamkeit seines Hundes haben – egal, wo er gerade ist, was er gerade tut oder was er gerade anschaut. Denn wenn das gelingt, braucht es im Anschluss für alles andere viel weniger Signale. (Ich verwende hier ganz bewusst nicht das Wort Kommando – zum einen, weil es den Gesetzen der Lerntheorie widerspricht, und zum anderen, weil ich kein Oberstleutnant bin, der Gehorsam und Disziplin fordert, sondern ich mit meinem Hund einen Sozialpartner habe, mit dem ich gemeinsam durchs Leben gehen und kommunizieren möchte.)

»Hunde lernen ihren Namen dann am schnellsten, wenn er ihnen zuverlässig etwas Gutes ankündigt.«

Positive Verknüpfungen schaffen

Der Name ist in der akustischen Kommunikation mit einem Hund das zentralste Signal. Das Wichtigste dabei ist, dass er grundsätzlich etwas Positives ankündigen sollte. Auf diese Weise legen Sie den Grundstein für eine gute Ansprache – drinnen wie draußen. Und genau das können Sie üben und so jederzeit auch neu trainieren beziehungsweise neu aufbauen:

Sagen Sie den Namen Ihres Hundes …

›… und geben Sie ihm dann sofort ein Leckerli (Leckerli bedeutet für mich immer eine Futterbelohnung, diese sollte klein und gut schluckbar sein).

›…, wenn er auf Sie zurennt (ein Leckerli, wenn er bei Ihnen ankommt, schadet übrigens nie).

›…, wenn er Sie zufällig anschaut.

›… immer mit vergnügter Stimme und freundlichem Gesicht. Ich würde mal sagen, dass das mit das Wichtigste ist. Denn Fakt ist: Optik geht in der Kommunikation mit Ihrem Hund immer vor Akustik.

Wenn Sie am Ball bleiben, lernt Ihr Hund so ganz schnell, dass es sich lohnt, auf Ihre Ansprache prompt zu reagieren. Unsere Vierbeiner sind schließlich immer bestrebt, ihren eigenen Zustand zu verbessern. Diese Tatsache sollten Sie unbedingt für Ihr Training nutzen.

Was man auch bedenken darf: Viele Hunde haben ihren Namen zwar irgendwann gelernt, aber im Laufe der Zeit verwässert sich seine Bedeutung – ich erinnere nur an meine zig Namen für Helmut. Belohnen Sie Ihren Hund also ruhig alle paar Tage, wenn er prompt auf seinen Namen reagiert. Das hilft.

Zum Abschluss noch eine kurze Übung für Sie:

Versuchen Sie die nächsten zwei Tage Ihren Hund ausschließlich mit seinem Namen anzusprechen, wenn Sie wirklich etwas von ihm möchten.

Und dann ziehen Sie ein Fazit: Wie oft ist Ihnen das gelungen?

Hunde verstehen sich ohne große Worte. Sind die Positionen geklärt, kann jeder seines Weges gehen.

Für so ein friedliches Miteinander brauchen sie von uns allerdings Ruhe, Klarheit und Sicherheit.

DIE MACHT DER BLICKE

Dass in der Signalwahrnehmung und -ausführung zwischen Hund und Mensch die Optik vor der Akustik bewertet wird, wird besonders schnell deutlich, wenn Sie Ihren Vierbeiner einfach mal in der Kommunikation mit seinen Artgenossen beobachten. Zwei oder mehr Hunde laufen nämlich nicht die ganze Zeit bellend oder Laut gebend umeinander herum. Vielmehr beobachten sie sich vorwiegend leise, zeigen Zunge oder Zähne und setzen ihre Mimik oder gleich den ganzen Körper ein, um sich zu »besprechen«.

Aus diesem Grund ist nicht nur der Name des Hundes beziehungsweise sein Gebrauch von entscheidender Bedeutung, was die Aufmerksamkeit des Vierbeiners angeht, sondern auch jeder Blickkontakt. Schließlich kommunizieren wir darüber genauso wie über die Sprache – jede Kommunikationsaufnahme beginnt mit einem Blick. Wenn wir uns draußen mehr Ansprechbarkeit wünschen, sollten wir drinnen auch diesbezüglich »leiser« werden. Leiser im Sinne der hündischen Kommunikation.

Kleiner Exkurs: Ich habe zwei imaginäre Verwandte, sie heißen Onkel Bernd und Tante Hildegard. In meiner Fantasie sehen sie aus wie das Pärchen in Loriots »Pappa ante Portas« – in der Szene im Zug, in der sie beschwören, wie »einig« man sich stets sei. Sie wissen schon …

Onkel Bernd und Tante Hildegard zählen zu den Menschen, die man im Bus, in der Bahn oder auf einer Familienfeier trifft. Und wenn man sie einmal kennengelernt hat, sieht man bei der nächsten Gelegenheit zu, dass man möglichst viel Abstand zu ihnen einhält. Denn Onkel Bernd und Tante Hildegard sind mit anderen Menschen häufig so wie wir zu unseren Hunden.

Stellen Sie sich folgende Situation vor: Sie sitzen am Tisch, rechts von Ihnen sitzt Onkel Bernd und links von Ihnen Tante Hildegard. Sie möchten sich mit Ihrem Gegenüber unterhalten. Doch von links redet Tante Hildegard ohne Unterlass auf Sie ein und von rechts gibt Onkel Bernd seinen Senf dazu. Und damit nicht genug! Mit jedem halben Satz tippen die beiden ihnen auch noch den Zeigefinger in den Oberarmmuskel – mal pikst es von links, mal von rechts. Wie lange halten Sie diese Situation wohl aus, bis Sie entweder aufstehen und den Platz wechseln oder die Feier unter irgendeinem Vorwand frühzeitig verlassen – um sich bei der nächsten Familienfeier vorher dreimal zu überlegen, ob Sie die Einladung annehmen?

Aber zurück zu den Hunden. Weil sie auch über Blickkontakt kommunizieren, sind wir die nervigen Verwandten, die sie unbewusst immer wieder mit dem ausgetreckten Finger in die Schulter tippen, um am Ende doch nichts von ihnen zu wollen. Oder anders gesagt: Unsere ständigen Blicke sind wie die Fingerstupser von Onkel Bernd und Tante Hildegard.

Denken Sie an die Strichliste: Wie oft schauen Sie Ihren Hund drinnen an, ohne etwas von ihm zu wollen? Und jetzt fragen Sie sich: Möchte ich wirklich Onkel Bernd oder Tante Hildegard sein – und bleiben? Nein? Gut, denn Sie brauchen später draußen die volle Aufmerksamkeit Ihres Hundes – und die beginnt zu Hause.

Gerade am Anfang fällt es vielen Hundehaltern schwer, das eben Gesagte umzusetzen. Wenn Sie anfangen wollen, Ihren Hund weniger zu »nerven«, schauen Sie einfach häufiger mal an die Zimmerdecke. Das hat übrigens nichts mit dem Thema »Ignorieren« zu tun, sondern wird lediglich dazu führen, dass Ihr Hund versteht: Blickkontakt heißt: »Mein Mensch möchte wirklich etwas von mir und geht mit mir ins Gespräch. Kein Blickkontakt bedeutet, dass ich Pause habe und mich entspannen kann.«

Vermutlich das am meisten unterschätzte Hilfsmittel bei der Erziehung: der Ruheplatz. Doch nur ein ausgeruhter und entspannter Hund kann sich auch aufs Lernen konzentrieren.

OFT UNTERSCHÄTZT: DER RUHEPLATZ

Zum Thema Entspannung gehört auch der Liegeplatz des Hundes. Und hier zuallererst: Es ist in den meisten Fällen nicht wichtig, ob Ihr Hund aufs Sofa oder ins Bett darf. Ja, es gibt durchaus individuelle Fälle, wo ich aus professioneller Sicht sagen muss: »Dieser Hund darf nicht mehr aufs Sofa oder aufs Bett« – und zwar immer dann, wenn der Mensch seinen Hund von dort nicht runterschicken kann, wenn der Hund seinen Liegeplatz verteidigt oder wenn er Menschen auf dem Sofa verteidigt (oft gegen andere Familienmitglieder). In solchen Fällen muss ich als Profi einschreiten und neue Regeln für das Zusammenleben aufstellen. Der Hund hat aber nicht automatisch mehr Achtung für Sie, wenn Sie »erhöht« sitzen oder Ähnliches. Auch wenn man das immer wieder liest.

Ein fester Liegeplatz ist für Ihren Hund von großer Bedeutung, weil es enorm wichtig ist, dass er sich mindestens 16 Stunden am Tag – ein Welpe sogar 18–22 Stunden – entspannen kann und sich ausruhen darf. (Ganz nebenbei vermutet man, dass es auch einen Zusammenhang gibt zwischen genug Ruhephasen und der Langlebigkeit unserer Hunde.) Eine wichtige Rolle spielt in diesem Zusammenhang das Stresshormon Cortisol. Man weiß mittlerweile aus zahlreichen Studien, dass Hunde, die im Schnitt zwei Stunden aktiv arbeiten oder trainieren, entsprechend längere Ruhephasen benötigen, damit sich die Hormone wieder regulieren und der Cortisolspiegel wieder sinkt.

Das gemeinsame Ruhen oder Sichausruhen hat, was viele nicht wissen, auch einen signifikanten Einfluss auf die Bindung. Denn ein ausgeruhter Hund kann sich voll und ganz auf die gemeinsame Interaktion mit seinem Menschen konzentrieren. Und dann ist da noch das für beide Seiten so wichtige »Bindungshormon« Oxytocin. Es ist gewissermaßen der Gegenspieler des Cortisols und kann seine Wirkung nur dann entfalten, wenn dessen Spiegel flach genug ist. Ist das Stresslevel dagegen zu hoch, was sich übrigens nicht unbedingt immer durch Unruhe zeigen muss, sondern sich sehr oft auch durch häufiges Lefzenlecken, Blickvermeidung und (Achtung, häufige Quelle der Fehlinterpretation) Schwanzwedeln äußert, dümpelt der Oxytocinspiegel irgendwo im untersten Bereich vor sich hin.