Meine Schriften, Band 2 - Jean Paul - E-Book

Meine Schriften, Band 2 E-Book

Jean Paul

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Beschreibung

Jean Paul (eigentlich Johann Paul Friedrich Richter) war ein deutscher Schriftsteller. Er steht literarisch gesehen zwischen Klassik und Romantik. Die Namensänderung geht auf Jean Pauls große Bewunderung für Jean-Jacques Rousseau zurück. Dieser erste von zwei Sammelbänden enthält seine Werke: Der Maschinenmann Museum

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Meine Schriften, Band 2

Jean Paul

Inhalt:

Jean Paul – Biografie und Bibliografie

Der Maschinenmann

Museum

Vorrede

I. Mutmaßungen über einige Wunder des organischen Magnetismus

§ 1

§2Das Sehen

§ 3Das Hören

§ 4Über den höheren Sinnenkörper oder Ätherleib

§ 5Gegen die neuere Rätsellösung durch das Nervenknoten-System; samt Aufstellung mehrer Rätsel

§ 6Über das Eisen

§ 7Magnetisieren durch Anblicken

§ 8Magnetisieren durch Wollen

§ 9Der magnetisierende Spiegel

§ 10Das magnetische Wasser

§ 11Das magnetische Ein-, Weit- und Vorausschauen

§ 12Wahnsinn in Beziehung des Magnetismus

§ 13Scheintod und Sterben in Beziehung des Magnetismus

§ 14Aussichten ins zweite Leben

II. Sedez-Aufsätze

Erste und zweite Lieferung

Vorrede

Öffentliche Gebäude

Die Kunst

Das Publikum

Deutschland

Erziehung

Rat an einen neuesten Sonettisten

Die Bildungen von außen und die von innen

Volkbildung

Preis der Kunst

Der langsame Wagen und die langsame Menschheit

Die Tonkunst

Bewegliche Handelhäuser

Zweierlei Anker

Verschiedenheit des Zanks

Dreiklang

Zwei Träume

Herder und Schiller

Schutzwehr der Jungfrau

Die Regenten der Menschheit

An angebetete Mädchen

Die Geschichte

Aufklärung der vornehmen Jugend

Schmücken des Schmuckes

Das Genie und der Fürst

Kraft der Worte

Die Begierden der Menschen

Das Welt-Rätsel

Das Streben hinter dem Tode

III. Frage über das Entstehen der ersten Pflanzen, Tiere und Menschen

§ 1

§ 2

§ 3

§ 4

§ 5

§ 6

§ 7

§ 8

§ 9

§ 10

§ 11

§ 12

§ 13

§ 14

§ 15

§ 16

§ 17

§ 18

Nachschrift

IV. Warum sind keine frohen Erinnerungen so schön als die aus der Kinderzeit?

V. Sedez-Aufsätze

Die Völker- Vergangenheit

2.Die Doppel-Zukunft des Menschen

3Religion als politischer Hebel

4Unterirdischer Schatz von Genies

5.Ehre im Unglück

6.Die letzten Schlachten

7.Hof und Handel

8.Volkruhm durch Fürsten

9.Der Mensch

10.Der rechte Mensch

11.Der alte Fürst

VI. Die Frage im Traum, und die Antwort im Wachen

VII. Bruchstücke aus der »Kunst, stets heiter zu sein«

2.

3.

4.

5.

6.

7.

8.

9.

10.

11.

VIII. Bemerkungen über den Menschen

Die poetischen Tugend-Virtuosinnen

2.Menschen-Schwächen gegen Menschen

3Das Ich gegen das Du

4.Über Weiber

5Zeit-Allerlei

IX. Programm der Feste oder Aufsätze, welche der Verfasser in jedem Monate des künftigen Morgenblattes 1810 den Lesern geben will

X. Des Gehurtshelfers Walther Vierneissel Nachtgedanken über seine verlornen Fötus-Ideale, indem er nichts geworden als ein Mensch

XI. Blick in die Traumwelt

§ 1 Irrige Erklärungen der Träume

§ 2Unterschied der Empfindbilder von den Vorstellbildern

§ 3Stufenreihe der Empfindbilder

§ 4Über den Schlaf als negative und positive Stärkung

§ 5Wunderbarer Übergang vom Schlafe ins Bewußtsein und von dem träumerischen in das wache

§ 6Die vier Mitarbeiter am Traume

Beschluß

Meine Schriften, Band2, Jean Paul

Jazzybee Verlag Jürgen Beck

86450 Altenmünster, Loschberg 9

Deutschland

ISBN: 9783849633028

www.jazzybee-verlag.de

[email protected]

Jean Paul – Biografie und Bibliografie

Eigentlich Jean Paul Friedrich Richter, unter dem Namen Jean Paul berühmt gewordener Schriftsteller, geb. 21. März 1763 in Wunsiedel als Sohn eines Rektors und Organisten, gest. 14. Nov. 1825 in Bayreuth, verbrachte seine Kindheitsjahre, seit 1765, in dem Dorfe Joditz bei Hof, besuchte erst seit 1776 in dem nahen Schwarzenbach, wohin sein Vater versetzt worden war, regelmäßig die Schule, gewann aber die wesentlichsten Anregungen aus einer von früh an lebhaft, freilich auch wahllos betriebenen Lektüre, über die er in dicken Folianten ausführliche Auszüge eintrug. Um Ostern 1779 bezog er das Gymnasium in Hof. Durch den bald darauf erfolgten Tod des Vaters und der Großeltern geriet er mehr und mehr in materielle Bedrängnis, die ihn aber nicht hinderte, Ostern 1781 die Universität Leipzig zu besuchen, um Theologie zu studieren. Doch nahm er es mit den Studien (nur der Philosoph Platner fesselte ihn eine Weile) nicht sehr ernst und wandte sich bald ausschließlich der literarischen Tätigkeit zu, durch die er sich auch leichter über die äußere Not hinweghelfen zu können hoffte. Von bekannten Schriftstellern wirkten jetzt außer Hippel, der schon auf der Schule sein Lieblingsautor gewesen war, Rousseau und die englischen Humoristen und Satiriker stark auf ihn ein. Für sein erstes Buch, das nach des Erasmus' »Encomium moriae« verfaßte »Lob der Dummheit«, in dem er die Dummheit redend einführt, fand er keinen Verleger (es wurde erst lange nach Jean Pauls Tode bekannt). Besser ging es den des Dichters Eigenart schon deutlich verratenden »Grönländischen Prozessen«, die wenigstens einen Verleger fanden (Berl. 1783), wenn sie auch von dem Publikum und der Kritik sehr kühl aufgenommen wurden. Um den drängenden Gläubigern zu entrinnen, begab sich R. Ende 1784 heimlich von Leipzig hinweg und traf vom Frost erstarrt in Hof bei der Mutter ein, von wo es ihm auch in den nächsten Jahren nicht gelingen wollte, literarische Beziehungen anzuknüpfen, die seiner Not hätten ein Ende machen können. Erst zu Anfang 1787 bot sich dem Dichter wenigstens ein Unterkommen als Hauslehrer dar, er übernahm den Unterricht eines jüngeren Bruders seines Freundes Örthel in Töpen. Seine dortige Stellung war jedoch unbehaglich, und schon im Sommer 1789 kehrte er nach Hof zurück. Inzwischen schrieb er neue Satiren u. d. T.: »Auswahl aus des Teufels Papieren« (Gera 1789), die ebenso wenig Aufsehen erregten wie Jean Pauls Erstlingswerk. Im März 1790 übernahm er aufs neue ein Lehramt. Einige Familien in Schwarzenbach beriefen ihn zum Unterricht ihrer Kinder, und jetzt betrieb der Dichter sein Amt in angenehmen persönlichen Verhältnissen mit wahrhaft begeisterter Freudigkeit. Die Sonntagsbesuche in Hof gewährten erquickliche Erholung, und in dem damals mit seinem dortigen Freund Otto immer inniger geschlossenen Herzensbund erwuchs ihm ein köstlicher Besitz für sein ganzes späteres Leben. Um jene Zeit entstanden einige kleinere Humoresken: »Die Reise des Rektors Fälbel und seiner Primaner«, »Des Amtsvogts Freudels Klaglibell über seinen verfluchten Dämon« und das »Leben des vergnügten Schulmeisterleins Maria Wuz in Auenthal«. Sogleich nach Vollendung des »Wuz« begann R. einen großen Roman, dessen Plan ihn schon länger beschäftigte. Während der Arbeit zwar verflüchtigte sich der ursprüngliche Plan, die »Unsichtbare Loge« (Berl. 1793, 2 Bde.) blieb unvollendet; »eine geborne Ruine« nannte der Dichter selbst sein Werk, in dem neben einzelnen unvergleichlich schönen Stellen bereits die ganze Unfähigkeit Jean Pauls zu plastischer Gestaltung, die maßlose Überwucherung der phantastischen Elemente und alles, was sonst den reinen Genuß an seinen Dichtungen stört, zutage trat. Gleichwohl bildet das Erscheinen des Buches in Jean Pauls Leben einen Wendepunkt günstigster Art. Im Herbst 1792 legte er seine Hand an ein neues Werk, den »Hesperus« (Berl. 1795), der sich gleich der »Unsichtbaren Loge« eines großen Erfolgs beim Publikum erfreute. Seit dem Frühling 1794 wieder in Hof bei der Mutter weilend, schrieb er in den nächstfolgenden Jahren: »Das Leben des Quintus Fixlein« (Bayr. 1796), ein humoristisches Idyll wie das »Leben Wuz'«, nur in breiterer Anlage; die »Biographischen Belustigungen unter der Gehirnschale einer Riesin« (Berl. 1796), ein Romantorso mit satirischem Anhang; die »Blumen-, Frucht- und Dornenstücke, oder Ehestand, Tod und Hochzeit des Armenadvokaten Siebenkäs« (das. 1796–97, 4 Bde.), in gewissem Sinne die beste Schöpfung des Dichters, der in den Persönlichkeiten des sentimentalen Siebenkäs und des satirischen Leibgeber die entsprechenden Elemente seiner eignen Natur zu verkörpern versuchte. Noch während der Arbeit an dem letztgenannten Roman empfing Jean Paul eine briefliche Einladung nach Weimar, von weiblicher Hand geschrieben. In der Ilmstadt, meldete die Briefstellerin, die sich Natalie nannte (welchen Namen der Dichter alsbald einer Gestalt im »Siebenkäs« anheftete), seien die besten Menschen von Jean Pauls Werken entzückt. Ohne Verzug folgte dieser dem Ruf. Seine Aufnahme übertraf alle seine Erwartungen; vor allen andern begegnete ihm Charlotte v. Kalb (die pseudonyme Briefschreiberin) mit glühender Verehrung. Jean Paul hat von ihr manche Züge für die Schilderung der hypergenialen Linda im »Titan« entlehnt. Zurückhaltender empfingen Goethe und Schiller den Hesperusverfasser, der sich in Weimar meist im Kreis des ihm wahlverwandten Herder bewegte. In jene Zeit fallen die Anfänge des »Titan«, die Abfassung des »Jubelsenior« (Leipz. 1797) und die Schrift »Das Kampanertal, oder: Die Unsterblichkeit der Seele« (Erfurt 1798). Im Sommer 1797 trat eine neue weibliche Gestalt auf die Lebensbühne des Dichters, Emilie v. Berlepsch, eine junge und schöne Witwe, mit der Jean Paul eine Reihe wunderlich exaltierter Szenen durchmachte. Fast hätte eine (vermutlich unglückliche) Heirat den dramatischen Abschluß gebildet. Im Oktober 1797 führte eine Reise nach Leipzig den nun berühmt Gewordenen auf den Schauplatz seiner einstigen Kümmernis, und jetzt drängten sich die Bewunderer um ihn. 1798 folgte auf Einladung der Herzogin Amalie ein abermaliger Besuch in Weimar. Nach einem kurzen Aufenthalt in Hildburghausen (Frühjahr 1799), wo er vom Herzog den Titel eines Legationsrats erhielt, ging Jean Paul nach Berlin, in der Absicht, sich dort dauernd niederzulassen. Im Mai 1801 verheiratete er sich daselbst mit der Tochter des Tribunalrats Meyer, aber eine vom König erbetene Versorgung blieb versagt. Von den damals entstandenen Werken sind hervorzuheben: »Palingenesien« (Gera 1798, 2 Bde.); »Jean Pauls Briefe und bevorstehender Lebenslauf« (das. 1799; unter den hier vereinigten kleinern Aufsätzen seien erwähnt: »Der doppelte Schwur der Besserung« und die »Neujahrsnacht eines Unglücklichen«) und die »Clavis Fichtiana« (Erfurt 1800), eine Satire auf den Fichteschen Idealismus; er widmete sie F. H. Jacobi, den er als den größten Philosophen der Zeit bewunderte. In Berlin behagte es dem Dichter nicht auf die Dauer; bald nach seiner Hochzeit nahm er seinen Wohnsitz in Meiningen, wo er zum Herzog Georg in vertraute Beziehungen trat und den »Titan« (Berl. 1800–03, 4 Bde.) vollendete. Doch schon im Mai 1803 verließ er Meiningen wieder und siedelte sich nach kurzem Aufenthalt zu Koburg in Bayreuth an, wo er bis zu seinem Tode wohnen blieb. Das nächste größere Werk des fortan in nur selten unterbrochener idyllischer Zurückgezogenheit lebenden Dichters war ein philosophisches, die »Vorschule der Ästhetik« (Hamb. 1805, 3 Bde.; Tübing. 1813), ein Buch voll geistreichster Einfälle, wertvoll in den über die Theorie des Komischen handelnden Abschnitten. Danach folgte die Abfassung der »Flegeljahre« (Tübing. 1804–05, 4 Bde.). Auch in diesem Roman, der zu den genialsten Schöpfungen Jean Pauls gehört und ihm selbst die liebste blieb, hat er die eigne Doppelnatur, die Gemütsinnigkeit und die humoristische Neigung seines Wesens, jene in dem weich gestimmten Walt, diese in dessen Zwillingsbruder Vult, zur Darstellung bringen wollen. In der »Levana, oder Erziehungslehre« (Braunschw. 1807, 3 Bde.; Stuttg. 1815, 4. Aufl. 1861; neue Ausg. von R. Lange, Langensalza 1893) sollten die in der »Unsichtbaren Loge«, im »Titan« und in den »Flegeljahren« in Romanform dargelegten Grundsätze theoretisch ausgeführt wiederkehren. Während der Zeit der französischen Fremdherrschaft schrieb Jean Paul zu eigner und seines Volkes Erheiterung die Humoresken: »Des Feldpredigers Schmälzle Reise nach Flätz« (Tübing. 1809) und »Doktor Katzenbergers Badereise« (Heidelb. 1809, Bresl. 1823), zwei Erzählungen von derbster Komik. Aber auch in ernsthafteren, wenngleich an satirischen Schlaglichtern reichen Schriften suchte er den gesunkenen Mut der Nation auszurichten, so in der »Friedenspredigt in Deutschland« (Heidelb. 1808) und den »Dämmerungen für Deutschland« (Tübing. 1809). Das letztere Buch, gedruckt in der Zeit, als Davout das Bayreuther Land besetzt hielt, legt auch deshalb ein schönes Zeugnis für Jean Pauls männlichen Mut und edlen Sinn ab, weil er es veröffentlichte, nachdem ihm soeben durch den ganz von dem französischen Imperator abhängigen Fürst-Primas v. Dalberg eine Jahrespension von 1000 Gulden ausgesetzt worden war. Nachdem diese Pension mit dem Großherzogtum Frankfurt 1813 zu Ende gegangen, bezog der Dichter seit 1815 einen gleichen Jahresgehalt von dem König von Bayern. Aus den spätern Lebensjahren Jean Pauls sind zu verzeichnen als bedeutendere Schriften: »Das Leben Fibels« (Nürnb. 1811), »Der Komet, oder Nikolaus Marggraf« (Berl. 1820–22, 3 Bde.), die beiden letzten größeren Arbeiten des Dichters in der komischen Gattung; ferner das Buch »Selina, oder: Über die Unsterblichkeit der Seele« (Stuttg. 1827, 2 Bde.) und endlich das Fragment einer Selbstbiographie, das unter dem im Gegensatz zu Goethe gewählten Titel: »Wahrheit aus Jean Pauls Leben« (Bresl. 1826) erschien und die Jugenderinnerungen des Dichters enthält. Einen tiefen Schatten warf auf Jean Pauls Lebensabend der Tod seines einzigen Sohnes, der 1821 als Student in Heidelberg starb. Seitdem kränkelte er und war zuletzt über Jahresfrist des Augenlichts fast gänzlich beraubt. König Ludwig I. von Bayern ließ ihm 1841 in Bayreuth ein Erzstandbild (von Schwanthaler) errichten.

Jean Paul nimmt eine eigentümliche und schwer zu bezeichnende Stellung innerhalb unsrer klassischen Literaturperiode und zwischen den sich drängenden Richtungen seit dem Beginn des 19. Jahrh. ein. Unzweifelhaft vom besten Geiste des 18. Jahrh., von dem »Ideal der Humanität«, beseelt, schloss er sich doch in seiner Darstellungsweise weit mehr an die frühern Schriftsteller als an Lessing, Goethe oder Schiller an. Die Engländer, vor allen Swift und Sterne, die Franzosen Voltaire und Rousseau, die ostpreußische Schriftstellergruppe Hamann, Hippel und Herder beeinflussten die Entwickelung seines Talents und führten ihn im Verein mit seinem eignen Naturell und seinem persönlichen Schicksal auf wunderliche Abwege. Gemeinsam mit unsern großen Dichtern blieben R. die Überzeugung von der Entwickelungsfähigkeit des Menschengeschlechts und ein freiheitlicher Zug; aber er gelangte niemals zu einer Entwickelung im höheren Sinne des Wortes. Der Abstand zwischen seinen frühesten und spätesten Werken ist ziemlich unwesentlich; die Widersprüche des unendlichen Gefühls und des beschränkten realen Lebens bildeten den Ausgangspunkt aller seiner Romane; aus ihnen gingen die weichen, wehmut- und tränenvollen Stimmungen hervor, über die er sich dann durch seinen unter Tränen hell lachenden Humor erhob. In der empfindsamen Zeit, in der Jean Paul auftrat, musste er den größten Erfolg haben; die schreienden Mängel seiner Darstellung wurden geleugnet; ja, sie scheinen in den meisten Kreisen gar nicht empfunden worden zu sein. R. gelangte nur in dem Idyll und in den besten Episoden seiner größeren Romane zu wirklich künstlerischer Gestaltung; meist wurden bei ihm Handlung und Charakteristik unter einer wuchernden Fülle von Einfällen, reflektierenden Abschweifungen, Episoden und fragmentarischen Einschiebseln verdeckt und erstickt. Verhängnisvoller noch ward für ihn die oben schon erwähnte Vielleserei, in der er ein Gegengewicht gegen die Enge seiner Verhältnisse gesucht hatte, und in ihrer Folge die leidenschaftliche Bilderjagd und Zitatensucht. Alle diese Mängel vereint drückten seinem Stil mit endlosen Perioden und unzähligen Einschachtelungen den Charakter des Manierierten auf, den der Dichter nur da abstreift, wo er von seinem Gegenstand aufs tiefste ergriffen und in innerster Bewegung ist. Gegenüber dem Enthusiasmus, der R. eine Zeitlang zum gefeiertsten Schriftsteller der Nation erhob, heftete sich die spätere Kritik wesentlich an die bezeichneten Unvollkommenheiten seiner Erscheinung. Während in seinen ausgedehnteren Werken, der »Unsichtbaren Loge«, dem »Hesperus«, dem »Titan« und »Komet«, nur einzelne glänzende Beschreibungen, humoristische Episoden oder jene zahlreichen »schönen Stellen« noch zu fesseln vermögen, von denen mehrmals besondere Sammlungen veranstaltet wurden, gewähren alle in ihren Hauptteilen idyllischen oder entschieden humoristischen Dichtungen einen weit reinern Genuss und lassen das Talent und die tieferen Eigentümlichkeiten besser hervortreten. Immer steht die liebevolle, reine Teilnahme bei ihm an allen Mühseligen und Beladenen, an den Armen, Bedrückten und Bedrängten im Vordergrund. Sein Blick für das Köstliche im Unscheinbaren, das Große und Ewige im Beschränkten ist tief und beinahe untrüglich; auch seine Naturliebe verleiht allen seinen Werken Partien von bestrickendem Zauber. Seine scharfe Beobachtung des Komischen wirkt unwiderstehlich, und alle diese Vorzüge erwecken lebhaftes Bedauern, daß dem Dichter das Erreichen klassischer, künstlerisch vollendeter Form versagt blieb. Richters Werke erschienen gesammelt in erster, aber ungenügender Ausgabe in 60 Bänden (Berl. 1826–38), besser in 33 Bänden (das. 1840–42; 3. Ausg. 1860–62, 34 Bde.) sowie in Auswahl in 16 Bänden (2. Ausg., das. 1865); ferner in der Hempelschen Ausgabe, mit Biographie von Gottschall (das. 1879, 60 Tle.; Auswahl 31 Tle.) und eine Auswahl in Kürschners »Deutscher Nationalliteratur« (hrsg. von Nerrlich, Stuttg. 1882 ff., 6 Bde.). Nach des Dichters Tod erschien noch »Der Papierdrache« (hrsg. von seinem Schwiegersohn Ernst Förster, Frankf. 1845, 2 Bde.). Von verkürzenden Bearbeitungen, die den Dichter der Gegenwart näher bringen wollen, sei erwähnt die des »Titan« von O. Sievers (Wolfenbüttel 1878). Von seinen Briefen sind zu nennen: »Jean Pauls Briefe an Friedrich Heinrich Jacobi« (Berl. 1828); »Briefwechsel Jean Pauls mit seinem Freund Chr. Otto« (das. 1829–33, 4 Bde.); »Briefwechsel zwischen Heinrich Voß und Jean Paul« (hrsg. von Abr. Voß, Heidelb. 1833); »Briefe an eine Jugendfreundin« (hrsg. von Täglichsbeck, Brandenb. 1858). Die »Briefe von Charlotte v. Kalb an Jean Paul und dessen Gattin« (Berl. 1882) und »Jean Pauls Briefwechsel mit seiner Frau und Christian Otto« (das. 1902) gab Nerrlich heraus. Aus der zahlreichen Literatur über R. heben wir hervor: Spazier, Jean Paul Friedrich R., ein biographischer Kommentar zu dessen Werken (Leipz. 1833, 5 Bde.); die Fortsetzung von »Wahrheit aus Jean Pauls Leben« von Otto und Förster (Bresl. 1826–33, 8 Hefte); E. Förster, Denkwürdigkeiten aus dem Leben von Jean Paul (Münch. 1863, 4 Bde.); Henneberger, Jean Pauls Aufenthalt in Meiningen (Meiningen 1863); Planck, Jean Pauls Dichtung im Licht unsrer nationalen Entwickelung (Berl. 1868); Vischer, Kritische Gänge, neue Folge, Bd. 6 (Stuttg. 1875); Nerrlich, Jean Paul und seine Zeitgenossen (Berl. 1876) und Jean Paul, sein Leben und seine Werke (das. 1889); Jos. Müller, Jean Paul und seine Bedeutung für die Gegenwart (Münch. 1894), Die Seelenlehre Jean Pauls (das. 1894) und Jean Paul-Studien (das. 1899); Hoppe, Das Verhältnis Jean Pauls zur Philosophie seiner Zeit (Leipz. 1901); Reuter, Die psychologische Grundlage von Jean Pauls Pädagogik (das. 1902): Allievo, Gian Paolo R. e la sua Levana (Tur. 1900); Czerny, Sterne, Hippel und Jean Paul (Berl. 1904); F. J. Schneider, Jean Pauls Altersdichtung Fibel und Komet (das. 1901) und Jean Pauls Jugend und erstes Auftreten in der Literatur (das. 1905). Eine begeisterte, formvollendete »Denkrede auf Jean Paul« verfaßte Börne (1825).

Der Maschinenmann

Wenn ich besonders darauf zu sehen habe, daß ich bei meinem Leben keinen Aufsatz unvollendet stehen lasse wie etwa Lessing seinen »Schlaftrunk«, weil ich das warnende Beispiel Lessings vor mir habe, daß die Mannheimer Bühne zwar einen Preis für den, der eine solche Antike ergänzt, aber nicht den Ergänzer selbst, der ihn verdient, bewilligen könne: so brauche ich das bloß bei diesem Aufsatz nicht – ich könnte ihn gar nicht machen, ich könnte ihn höchstens halb machen; denn eben nach dem Tode brauche ich ihn erst auszuarbeiten. Der ganze Aufsatz läuft nämlich auf eine Erzählung vom Maschinenmann hinaus, die für niemand im Grunde hörenswert ist als für Leute auf dem Monde, auf dem Saturn, auf dessen Trabanten, auf dessen Ringen. Denn bei uns auf der Erde muß dieser Mann so bekannt sein wie ein Pudelhund, aber auf dem Saturn gar nicht, und es ist ein rechtes Glück für diesen Planeten, daß ich – wenn er anders nach dem Tode mein neues Jerusalem wird, wie mir wegen der nähern Aussicht in andere Planetensysteme und wegen der größeren Entfernung von meiner Schwiegermutter auf Erden von Herzen zu wünschen ist – die Saturnianer in Bekanntschaft mit dem Maschinenmann bringen will. Ich biete dem Maschinenmann – so erzähle ich's den Saturnianern – einen guten Morgen und guten Abend, aber damit gut, denn ich kann ihn nicht ausstehen, wegen seiner verfluchten Narrheiten. Er tut alles durch Maschinen. Er hat kein Federmesser im ganzen Hause, sondern ein gewisses Instrument, von dem er sich seine Federn durch einen Druck vorschneiden läßt – er schreibt aber doch kein Jota damit. Denn in Wien, wo ihm alles gezeigt wurde, ließ man ihn auch die Schreibmaschine des Kaisers besehen, durch die man, indem man mit eigener Hand etwas schreibt, das nämliche dann doppelt und vielfach hingeschrieben hat. Er machte sich eine nach und führte nun mit seiner uneingetunkten Feder, die er in der Luft herumzog, der Maschine die repetierende Hand und Feder. Er meldete einmal, auf der Marterbank des Jammers sitzend, den Tod seiner Frau einem Freunde; aber der Brief war doch von der Maschine geschrieben, die er seinen Amanuensis und Sekretär nennt. Das bereute er oft und vor jedermann: »Denn ich hätte bloß«, sagte er, »einen leeren Bogen Trauerpapier schicken sollen, das am Rande schwarz gewesen wäre, aber weiter nirgends.« Seitdem schickte er, um seine zweite Ehe zu melden, einen leeren Bogen mit einem gelben Rande; – um seine zweite irdische Scheidung zu melden, sandte er einen mit einem grünen, und die Beerbung seiner leiblichen Mutter tat er durch einen Rand von ventre de Biche kund. Daher vermuteten einige oder mehrere Deutsche, er wäre ein Narr; aber vernünftige Pariser wußten recht gut, daß er ein Pariser sei und ihnen diese Diffusionsräume abgeborgt habe. Er verstand zwar nicht das Einmaleins, aber dafür das Rechnen ungemein gut, das er nicht wie eine Maschine, sondern durch eine Maschine betrieb; er drehte bloß die Rechenmaschine des Herrn Pastor Hahn ein paarmal um: so hatte er sein Fazit und Vergnügen obendrein. Ich habe mich daher oft ein wenig gewundert, woher es kommen mag, daß man ihn oder auch die Hahnische Maschine noch nicht als Rechnungsrevisor angestellt hat; es kann aber gar wohl doch nach meinem Tode auf der Erde geschehen sein.

Dies wird den Saturnianern genug gefallen; aber ich werde weitererzählen.

Der Maschinenmann legte allemal Proben seiner Beredsamkeit ab, wenn er auf das achtzehnte Jahrhundert deswegen loszog, weil es noch keine Maschine erfunden hätte, die einem ehrlichen haarigen Mann einen Zopf machen könnte, und er ließ sogar einmal ins Intelligenzblatt setzen: Man sucht allhier einen sauberen Friseur, der aus lauter Holz ist.

Er und sein Magen waren niemals an andere Tische zu bringen als an sogenannte Maschinentafeln, die stumme Knechte heißen, und er sagte, er hätte dafür seine guten Gründe. Ich und noch einige gute Freunde wollten einmal bei ihm essen und zwar mit den Zähnen; aber darüber erhob er die größten Händel, und ich werde daran denken. Er versicherte uns heftig, er könne unmöglich von uns glauben, daß wir sämtlich lebendige Nußknacker wären, sondern er wolle hoffen, daß wir niemals kauten, und mit unsern Zähnen außer den Dentalbuchstaben niemals etwas Gröberes zerschnitten. Unter diesen Versicherungen ließ er durch einen stummen Knecht ein Ding wie eine große Hanfmühle heraufheben. »Gott hat mir«, sagte er, »so viel Verstand gegeben, daß ich eine Kaumaschine ausgesonnen habe, mit der ich für mich und meine werten Gäste kauen kann und will. Wenn ich meinen Braten oder mein Gemüse zwei- oder dreimal wie Hanfkörner durch die Maschine durchgemahlen habe: so – denn eine Art kleiner Holländer oder Lumpenhacker, den Sie jetzt darin gehen hören, zerstößt jede Faser – darf ich's nur verschlucken und den Löffel dazu nehmen. Die Zähne ruhen dabei gar nicht, nämlich nicht meine, sondern die der Maschine, in die ich 32 Zähne, Weisheits-, Hunds- und andere Zähne eingepflöckt habe, weil ich ja an Zahnärzten und katholischen Heiligenbildern die Zähne haben konnte, wie ich sie wollte. Man zerschnitzt zwar auch mit Maschinen Nudeln, Bratwürstefleisch und Stroh fürs Rindvieh; aber ich befrage Leute, die ein Gewissen und Maschinenkunde haben, können sie meine Maschine für eine auch nur entfernte diebische Nachahmung von jenen ausgeben, und ist es ihr Ernst?« Er mahlte immer fort. »Sie sehen«, sagte er wieder, »es kann kein Bissen ganz bleiben zwischen solchen Prosektoren; in einem hypochondrischen Magen aber fängt ein einziger kompletter und zum Camnephez gehöriger Bissen allemal Teufelslärm an.« Er spie etlichemal in sein Fressen und winkte uns, mitzuspeien. »Warum speien Sie nicht mit? Der Speichel ist zum Verdauen unentbehrlich und eine Art vorläufiger Magensaft; für Leute von Stand, die die Quecksilberinokulierungen ohnehin so sehr ausschöpfen, sollte daher ein solcher Saft so gut wie Digestivpulver zu Kaufe oder wie Senf auf der Tafel stehen, und ich denke, in Holland setzt man die Spuckkästchen auf die Tafel doch aus keiner ändern Absicht.«

Wenn ich den Saturnianern das Abenteuer gar zu Ende erzählt habe, rücke ich mit der Schilderung des Maschinenmannes so fort:

Im Winter gab er Konzerte; allein, er tat's bloß, weil er alles so weit treiben konnte, daß weder der Komponist noch der Notenkopierer, noch der Taktschläger, noch die Spieler lebendig waren, manchen ging sogar die Menschengestalt ab. Der Komponist war ein paar Würfel, womit der Maschinenmann nach den im Modejournal gegebenen Regeln des reinen Satzes und einer Pariser Mode musikalische Fidibus zusammenwürfelte – der Notenkopierer war nicht Rousseau, sondern die Extemporisiermaschine oder das Setzinstrument, worauf er die erwürfelten Produkte abspielte, damit es sie aufschriebe – der Taktschläger war der von Renaudin in Paris erfundne Chronomètre. – Die Spieler waren (sie taten Wunder auf der Flöte, auf dem Klavier und auf einer Orgel mit kartenpapiernen Pfeifen) teils von Vaucanson, teils von Jaquet-Droz und Sohn gezimmert worden. »Aber«, sagte er am Ende des Konzertes zu uns, »so viel darf ich mir doch schmeicheln, daß man nirgends weiter eine Kapelle, einen Musiksaal, ein Orchester auftreibt, worin in der Wahrheit nichts anderes, weiter gar nichts anderes als Maschinen spielten.« – »Aber in solchen«, sagte ich, »saß ich doch, wo wenigstens nichts als Maschinen zuhörten und wo ein rührender Trommelschall allgemein die menschlichen Herzen bewegte, und zwar einmal einen Apollo von Stein dermaßen, daß er umkugelte.«

O ihr Saturnianer! wenn ich euch einmal das wirklich auf dem Saturn erzähle – und es geschieht wahrlich –, was werdet ihr von den Leuten und Winterkonzerten auf der Erde denken und auch von denen, die sich von allen dreien beurlaubt haben, um alles im Saturn auszuplaudern? Werdet ihr nicht zu mir sagen: »Der Mensch ist närrisch, dieser Spaß besonders, die Tage im Saturn sind außerordentlich kurz, die Jahre im Saturn sind außerordentlich lang, deine Erzählung auch; aber das ist eben ein schrecklicher Fehler, und in 15 Minuten muß sie aus sein.« Er plagte den russischen Residenten so lange, bis er ihm – eben meinem Maschinenmann – das Beträdlein der Kalmücken kommen ließ. Leute, die sehen, aber nicht erraten können, besonders der Klingelbeutelvater und der Organist, wollten mir versichern, er habe niemals für seinen reisenden Landesherren und für seine todkranke Frau ein Stoß- oder Schuß- oder anderes Gebet getan, sondern vielmehr im Tempel lustig etwas geschwenkt; aber das war eben seine Betmaschine und sein Gebrauch davon, und er tat damit der Reise seiner Frau und seines Fürsten die wichtigsten Dienste, wie man nachher erfahren.

Er hatte das Gelübde der Karthäuser getan, nicht zu reden; wie die Franziskaner das, kein Geld zu betasten; deswegen war ihm ein Sprecher, der seine Zunge vertrat, so sehr als jenen ein Mann vonnöten, der wie bei Blinden das Geld einstreicht – er hatte daher bekanntlich eine Kempelesche Sprachmaschine auf dem Bauche hängen. Ich sah ihn oft, wie er vor dem Beichtstuhl und vor dieser Maschine stand und seine Beichte abspielte – wie er als Bruder Redner in Freimaurerlogen Reden und Gefühle orgelte, die nachher meines Wissens in den öffentlichen Druck kamen – wie er einmal verflucht anlief, da er vor etlichen hundert Kirchenpatronen, nämlich Bauern, eine Probepredigt ablegen wollte, und die Patrone (er hatte kaum die Worte »Geliebte in Christo« und etwas vom Exordio gegriffen) ihn beinah wegen der Vermutung erschlugen, er verwahre und führe den Gottseibeiuns im Kasten und er predige – und überhaupt habe ich ja das Wichtigste von seiner Biographie, die ich jetzt mit wahrem Vergnügen dem Saturn mitteile, nicht aus seinem Munde, sondern aus seiner Hand, die mir alles aufrichtig vorspielte.

Zuweilen hob er sich auf dem Springstab des Enthusiasmus über die halbe Welt hinweg und in eine viel idealere hinein – und ich habe mir besonders folgenden Enthusiasmus treu aufgeschrieben: »Es ist wahr«, (sagte er, nämlich seine Maschine), »der Mensch tut in meinen Tagen einiges durch Maschinen – es will allerdings schon etwas sagen, daß ich keinen lebendigen Drescher oder Sämann bezahle, sondern die dafür ordinierten Maschinen, – daß ich, wenn ich mich duellieren will, statt meiner bloß die in Italien gewöhnliche köpfende Maschine schicken kann – es ist auch das gar nicht ganz ohne Wert, daß ich richtige Wetterbeobachtungen nach Mannheim abliefern kann, die niemand gemacht hat als mein neuer Barometrograph – und es ist ebensoviel, als hätte ich eine Magd, aber noch viel bequemer, daß ich am Morgen mich wecken, Licht und Feuer machen, die Bett- und die Fenstervorhänge aufzerren lassen kann, bloß von einem toten Wecker von der neuen Art, wie der Franziskaner Morgues sie zu Tausenden verarbeitet – und ich muß inne werden, daß es ebenso bequem und um die nämliche Tageszeit, obwohl nicht ebenso angenehm ist, daß die größten Großen, die alles durch Repräsentanten tun, und die daher so viele physische Ebenbilder von sich stets zu kreieren streben, im Kreieren aufhören und im Repräsentieren fortfahren und mit einem Worte Gemahlinnen haben, die gut wissen, was unser Jahrhundert ist und dessen unzählige Maschinen, und wo der Italiener oder Franzos zu haben ist, bei dem seinerseits wieder zu haben sind leblose Vikarien oder Charges d'affaires oder Agenten oder curatores absentis des lebendigen Ehemanns, welches alles (sagen die Gemahlinnen und die Italiener) lauter herrliche, den Eheherrn ohne Schaden repräsentierende Figuren wären, und zwar nur rhetorische und zwar bloß die Figur pars pro toto... Ich hab' es schon gesagt, man kann es nicht leugnen, daß das alles etwas ist. Aber ich will mir einmal das Vergnügen gestatten, mir einzubilden, der Mensch wäre schon auf eine viel höhere Stufe der Maschinenhaftigkeit gerückt, und ich will nur, da ich's einmal darf, mir gar vorstellen, er stünde auf der höchsten und hätte statt der fünf Sinne fünf Maschinen – er ginge vermittels des Gehwerks einer Maschine oder eines Laufwagens – er verfertigte, da er jetzt bloß seine Arme, Beine, Augen, Nase, Zähne von der Drechselbank abholt, auch alle übrigen Glieder und den ganzen Torso auf ihr und brächte eine Sackpfeife statt des Magens nicht auf (wie bisher), sondern in dem Bauche in gesunde peristaltische Bewegung und schnitte von einer Feuerspritze sich eine lederne Schlange zum Sack- oder Blinddarm los; – ich will mir vorstellen, er triebe es noch weiter, und er verrichtete durch ein hydraulisches Werk sogar seine Notdurft, nämlich die exzeptivische- er behielte nicht einmal sein Ich, sondern ließe sich eines von Materialisten schnitzen, welches aber besonders unmöglich wäre – nicht einmal die Tiere wären mehr lebendig, sondern, da wir ohnehin von Archytas, Regiomontan, Vaucanson künstliche Tauben, Adler, Fliegen, Enten haben, auch der übrige Inhalt der Zoologie würde petrifiziert und verknöchert und ganze Menagerien ohne Leben und ohne Futter aufgesperrt, und Kluge, die den Spener gelesen hätten, dächten deswegen, der jüngste Tag sei da oder schon vorüber – die Sache wäre verflucht arg, und die natura naturans verflöge endlich, und nichts bliebe da als die natura naturata und bloß die Maschinen ohne Maschinenmeister: – – – mit welchen Vollkommenheiten, frage ich, würde dann die Erde aufgeschmückt sein, die jetzt so in Lumpen und Löchern dasteht? Ich meine nämlich, wenn ein guter Kopf die Erde übersähe und ihre Vollkommenheiten überzählte und überhaupt schon wüßte, daß ein Wesen desto vollkommener ist, je mehr es mit Maschinen wirkt und je mehr es Arme, Beine, Kunst, Gedächtnis, Verstand außer seinem Ich liegend sieht und alles das nicht mit sich zu schleppen braucht, und daß eben deswegen das Tier, das ohne Maschinen tätig ist, auf der untersten, schmutzigsten Vollkommenheitsstufe liege, der Wilde, der einige bewegt, auf einer höhern, unser Bauer, der mehrere dreht, auf einer noch höhern, und der Große und Reiche, dem die meisten Maschinen ansitzen, auf der höchsten stehe; mit welchen Vollkommenheiten würde der überzählende Kopf die Erde dann wohl übersät finden? namentlich mit Fohismus, vollständiger Apathie, Quietismus, Rentierer- und Hofdamenleben, nichts sein und alles können, woran aber wirklich vor Deutschlands neunzehntem Jahrhundert gar nicht zu denken ist...«

Ganz natürlich fragen mich die Saturnianer: »Welches war denn das wahre Lebensjahrhundert deines Maschinenmannes?«

»Das achtzehnte«, sage ich.

»Aber wie heißt er denn eigentlich?« sagen sie.

»Eben so, nämlich das achtzehnte Jahrhundert, oder der Genius des achtzehnten Jahrhunderts«, sage ich.

»Und dies, wollt' ich wohl wetten, ist auch die einzige Ursache (setze ich noch hinzu), warum ich in meinen so zahlreichen und guten Büchern und Auszügen aus fremden Büchern diese Erzählung vom Maschinenmann bloß euch seligen Saturnianern und niemals (ich müßte denn mit dem Leben zugleich mein Gedächtnis eingebüßt haben, wie Philosophen von Verstande längst erhärtet) meinem geneigten Leser vorerzählt habe; denn ihr Saturnianer allzumal merkt doch wohl beim Henker, der Leser ist ja eben der – – Maschinenmann selbst.«

Museum

Vorrede

Die Vorrede hat als ein längeres Titelblatt hier nichts zu erklären als das vorstehende kurze.