Meine Schuld 2 – Romanzeitschrift -  - E-Book

Meine Schuld 2 – Romanzeitschrift E-Book

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Beschreibung

Meine Schuld Nr. 2 Alle 14 Tage neu! Diese Storys gehen wirklich jedem unter die Haut! Viele packende Erlebnisse und berührende Familiendramen, spannend von der ersten bis zur letzten Seite. Menschen wie du und ich berichten schonungslos offen und direkt aus ihrem Alltag. Kein Thema ist tabu! Geschichte 1: Vertraulich Ich hatte es schon aufgegeben, doch noch diesen einen Menschen zu finden, mit dem ich den Rest meines Lebens verbringen wollte. Doch dann traf ich Bernd – und mit ihm wurde alles anders. Welches dunkle Geheimnis er jedoch hütete, ahnte ich nicht… Eigentlich hatte ich mich immer auf meine Menschenkenntnis verlassen, war immer vorsichtig gewesen und hatte mich auch niemals auf One-Night-Stands oder dergleichen eingelassen. Vielleicht war das ja ein Grund, warum ich mit Anfang Vierzig immer noch allein war. Dabei sah ich gar nicht mal schlecht aus, die meisten schätzen mich wesentlich jünger, doch das war ich eben nicht mehr.

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Inhalt

Geschichte 1

Geschichte 2

Geschichte 3

Geschichte 4

Geschichte 5

Geschichte 6

Geschichte 7

Geschichte 8

Geschichte 9

Geschichte 10

Geschichte 11

Geschichte 12

Meine Schuld –2–

Was Frauen Berichten: Schonungslos - Indiskret

Roman von Diverse Autoren

Geschichte 1

Vertraulich

Roman von Marion L. (42)

Ich hatte es schon aufgegeben, doch noch diesen einen Menschen zu finden, mit dem ich den Rest meines Lebens verbringen wollte. Doch dann traf ich Bernd – und mit ihm wurde alles anders. Welches dunkle Geheimnis er jedoch hütete, ahnte ich nicht…

Eigentlich hatte ich mich immer auf meine Menschenkenntnis verlassen, war immer vorsichtig gewesen und hatte mich auch niemals auf One-Night-Stands oder dergleichen eingelassen. Vielleicht war das ja ein Grund, warum ich mit Anfang Vierzig immer noch allein war. Dabei sah ich gar nicht mal schlecht aus, die meisten schätzen mich wesentlich jünger, doch das war ich eben nicht mehr. Und so verhielt ich mich auch nicht. Ich war definitiv risikoscheu und auch, wenn ich vom Auswandern träumte, so wäre es mir doch nie eingefallen, meinen sicheren Job als Leiterin einer städtischen Bibliothek einfach so hinzuwerfen, um mich ins Abenteuer zu stürzen. Das machte mein Leben zwar schön sicher, aber eben auch ziemlich langweilig. Wirkliche Überraschungen gab es da eher selten. Mit Iris, meiner besten Freundin, fuhr ich zwei Mal im Jahr in den Urlaub: einmal Kultur, einmal Entspannung. Seit fast zwanzig Jahren. Einen Mann an unserer Seite hatten wir beide nicht, doch zumindest ich unternahm von Zeit zu Zeit gewisse Anläufe, daran etwas zu ändern. Egal, ob Internetportale oder Speed-Dating, ich hatte nahezu alles probiert. Mit niederschmetterndem Erfolg, denn die seltsamen Männer, die ich dabei traf, passten nicht mal ansatzweise zu mir.

»Vielleicht solltest du eher an einem Ort suchen, an dem du dich ohnehin ganz natürlich bewegst?«, schlug Iris vor, als ich ihr, mal wieder total enttäuscht, von meinem letzten Date erzählte.

»Eine Klettertour im Elbsandsteingebirge, also ehrlich, ich verstehe wirklich nicht, wie irgendein Mann darauf kommt, dass das die richtige Beschäftigung für ein Date sein soll! Ich meine, welcher Frau gefällt denn so was?«, echauffierte ich mich. »Mal davon abgesehen, dass so was kreuzgefährlich ist, habe ich ja auch noch Höhenangst!«

Iris jedoch lachte mich aus. »Du hast ihn bei dem Sportfest kennengelernt, auf das du mich zum Männerkennenlernen geschleppt hast!«, erinnerte sie mich. »Was glaubst du, was für Typen dort für gewöhnlich anzutreffen sind? Sportmuffel mit herausragenden Ambitionen für Kunst und Kultur eher nicht!«

Ich warf ihr einen vernichtenden Blick zu.

»Schön, und was schlägst du vor? Auf welchem Terrain bewege ich mich deiner Meinung nach?«

Iris sah mich spöttisch an. »Also, wenn du es partout nicht als glücklicher Single aushalten kannst, dann gib doch einfach mal eine Kontaktanzeige auf! Du liest jeden Tag die Zeitung, wer auch immer dir antwortet, tut das auch, ergo habt ihr schon mal was gemeinsam!«

»Zeitunglesen ist also schon eine Gemeinsamkeit in deinen Augen?«, hakte ich nach und war richtig erschüttert. Vor allem wohl aber, weil sie irgendwie recht hatte. Ich musste meine Strategie ändern, sonst kam und ging mein fünfzigster Geburtstag und ich war immer noch allein. Warum sollte ich also nicht einfach Iris' Vorschlag ausprobieren? – Der Text für die Annonce jedenfalls war schnell getippt.

*

Ich habe über vierzig Briefe bekommen!«, verkündete ich stolz. »Aber wenn ich ehrlich bin, gefällt mir nur einer wirklich!«, schränkte ich gleich ein. Iris nahm es gelassen und freute sich mit mir. Im Überschwang meiner Gefühle versank ich förmlich in dieser neuen Glückswelle.

»Er hält mich für die schönste Frau auf der ganzen Welt!«, schwärmte ich. »Und er schätzt auch meinen Verstand, meinen Sinn für Ästhetik und meinen Kunstsachverstand. Endlich einmal ein Mann, mit dem man sich auch richtig unterhalten kann!«

»Ich dachte, ihr schreibt euch nur Briefe?«, wunderte sich Iris. »Wie will er dich dann so genau einschätzen?« Ihr skeptischer Blick gefiel mir gar nicht.

»Das verstehst du nicht!«, fuhr ich sie recht unsanft an. Zu meiner Entschuldigung kann ich nur sagen, ich war verliebt und genoss die Komplimente, die mir Bernd machte, in vollen Zügen. Nicht, dass ich sonst keine bekam, aber bei Bernd war die Sache anders. Es war sofort Magie, und natürlich trafen wir uns auch schon.

»Du bist wirklich die zauberhafteste Person, die mir je begegnet ist!«, schwärmte er. Wenn Iris ihn doch nur hören könnte! Es klang ehrlich und von Herzen kommend, ich war mir absolut sicher, dass er wirklich fühlte, was er sagte. Ich verliebte mich von Mal zu Mal mehr und am liebsten hätte ich ihn abends auch noch vom Bett aus angerufen, doch das scheiterte schlichtweg an fehlender Technik.

»Hast du dir nicht mal Gedanken gemacht, wieso ein Mann heutzutage kein eigenes Telefon besitzt? Und kein Handy? Ich meine, ein Handy hat doch heute nun wirklich jeder!« Iris sah gleich wieder Gespenster. »Das ist doch sehr merkwürdig, oder?«

Ich zuckte die Schultern. »Wer weiß, vielleicht wurde er mal belästigt und hat es abgeschafft!«, mutmaßte ich. Doch Iris blieb skeptisch. »Pass bloß auf, dass er dich nicht in was Komisches hinein zieht!«

Immerhin rief Bernd mich ja an, und wir hielten so Kontakt. Dass ich seine Adresse nicht wusste, störte mich auch erst, als meine Freundin mich darauf hinwies.

»Du warst noch nie bei ihm?«, fragte sie überrascht. »Ihr kennt euch jetzt zwei Monate!«

»Na und?«, reagierte ich eingeschnappt. »Wir sind nicht mehr zwanzig, wo man sich beim dritten Date ins Bett verkrümelt! Wir gehen in Museen oder spazieren und unterhalten uns!«, erklärte ich ihr.

Sie hakte nach, und plötzlich fielen mir ein paar Sachen auf, die ich bis dahin in meiner Begeisterung schlichtweg übersehen hatte.

Dass er es vermied, mit mir in ein Restaurant zu gehen zum Beispiel. Und dass wir nur dann ins Museum gingen, wenn der Eintritt gratis war.

Hatte er vielleicht Geldprobleme? Ich rang mit mir, ob ich das Iris anvertrauen konnte, am Ende siegte unsere Freundschaft. Wir kannte uns unser halbes Leben, sie wusste alles von mir. Was wusste ich aber über Bernd?

»Lass ihn überprüfen!«, riet mir meine Freundin. »Nicht, dass du wieder eine böse Überraschung erlebst! Und bitte, bevor du dich unsterblich in ihn verliebst!«

»Zu spät!«, murmelte ich. Mein Verstand sagte mir in dem Moment ganz deutlich, dass da was nicht stimmte, doch mein Herz sehnte sich nach Bernd. Nicht mehr nach irgendjemandem mit dem ich mein Leben verbringen und der mich vor der allabendlichen Einsamkeit rettete, der aber ansonsten gesichtslos blieb. Nein, das war vorbei, ich wollte Bernd, das wusste ich genau.

Ich nahm all meinen Mut zusammen und sprach ihn bei unserem nächsten Treffen darauf an. Es war furchtbar.

*

Er ist aufgestanden und gegangen!«, schluchzte ich. Ich hatte mich zu meiner Freundin geflüchtet und war nun das heulende Elend.

»Da habe ich endlich die große Liebe gefunden, einen Mann, der mich so versteht und annimmt, wie ich bin, und ich mache mit meiner Fragerei alles kaputt!«

»Was hast du denn gefragt?«, wollte Iris wissen. Sie riss sich zusammen, mein Geheule ging ihr sichtlich auf die Nerven.

»Ob er finanzielle Probleme hat!«, gab ich zu. »Ich habe gesagt, dass ich so etwas gut nachvollziehen kann, aber dass ich trotzdem gern wüsste, wo er wohnt und was er so macht. Wenn ich ehrlich bin, weiß ich nur, was er studiert hat, was er mag und was nicht, aber eben nichts Konkretes. Ich habe ihn gefragt, wo er arbeitet. Aber er hat nur gesagt, dass er gehofft hatte, ich hätte mehr Geduld.

›Ich kann dir diese Fragen jetzt nicht beantworten, tut mir leid! Vielleicht sollten wir uns nicht wiedersehen! Das hat er gesagt!‹

Ich griff nach dem nächsten Kleenex, während Iris mich perplex anstarrte. »Das ist aber irgendwie komisch, findet du nicht auch?«

Natürlich fand ich das. Daran konnten auch Iris' ihre tröstenden Worte nichts ändern.

»Vielleicht solltest du froh sein, dass du ihn los bist!«, gab sie mir zum Schluss mit auf den Weg. »Dieser Mann hat irgendein Problem. Oder viele. Und du bist echt nicht der Typ, der mit so was umgehen kann! Also schreib ihn ab!«

Doch das war leichter gesagt als getan. Ich konnte es einfach nicht. Da ich weder eine Adresse noch eine Telefonnummer hatte, konnte ich noch nicht einmal Kontakt mit ihm aufnehmen, und bei der Zeitung nachfragen, ob sie meinen Brief weiterleiten würden, traute ich mich einfach nicht. Ich lief die nächsten Tage wie betäubt durch die Gegend, suchte alle Plätze auf, an denen wir uns getroffen oder die wir zusammen besucht hatten, umsonst.

»Gib es auf, Marion!«, riet mir Iris. »Komm schon, du findet einen neuen, ganz bestimmt!«

Doch ich wusste tief in meinem Herzen, dass das nicht stimmte. Und dass ich es nicht wollte. Vor meinem geistigen Auge ließ ich mein Liebesleben Revue passieren und kam zu dem einzig möglichen Schluss: Bernd war das Beste, was mir passiert war. Und ich hatte es vermasselt, weil ich mal wieder viel zu risikoscheu gewesen war! Warum hatte ich bloß alles ganz genau wissen wollen, ärgerte ich mich.

Da ich das Thema Bernd auch nach vier Wochen noch nicht abgehakt hatte, sah sich Iris genötigt, etwas zu unternehmen.

»Ich habe ihn gegoogelt!«, verkündete sie mir und schwenkte einen Stapel Papier. »Das hättest du auch mal machen sollen, dann hättest du dir eine Menge erspart!«

Sie arbeitete in einer Zeitungsredaktion, Recherche gehörte zu ihrem täglich Brot, aber dass sie sich jetzt auf Bernd gestürzt hatte, schockierte mich doch irgendwie. »Schätzchen, das ist heute, wie mir die jungen Kollegen versichert haben, absolut üblich, den anderen erst mal zu googeln, und zwar bevor man sich mit ihm verabredet! Die jungen Leute machen das ständig, also kann es nicht schaden, wenn wir beiden auch mal ein bisschen mit der Zeit gehen!«

»Was hast du herausgefunden?«, fragte ich und ahnte, das mir das Ergebnis nicht gefallen würde.

»Er saß im Gefängnis!«, verkündete sie knallhart. »Und zwar, weil er im Alkoholrausch einen Menschen umgefahren hat! Der andere ist tot, verstehst du? Ihm ist nicht viel passiert, aber er wurde wegen fahrlässiger Tötung verurteilt, aber sieh selbst. Er saß zwei Jahre im Knast, dann haben sie ihn vorzeitig freigelassen!«

Schockiert griff ich nach den Ausdrucken. Genau lesen konnte ich gar nichts, meine Gedanken purzelten nur so durch meinen Kopf.

»Er hat wohl irgendwie mildernde Umstände gekriegt, weil er abhängig war. Von Medikamenten und Alkohol!«, berichtete mir Iris weiter. »Und wegen der Sache ist wohl sein ganzes Leben zu Bruch gegangen, klar, die Frau hat ihn verlassen, seine Firma ging bankrott, ich schätze, er hat noch einen ganz schönen Haufen Schulden abzubezahlen!«

Ich verstand immer noch nur jedes dritte Wort. »Hier steht, dass dieser Unfall vor über fünf Jahren war!«, sagte ich. Iris nickte.

»Ja, er ist schon eine Weile wieder draußen. Fast drei Jahre oder so, ganz genau steht das da nicht!«

»Steht dort irgendwo seine Adresse?«, fragte ich.

»Nein!«, erklärte mir meine Freundin kategorisch. »Die steht da nicht. Und ich habe auch nicht danach gesucht, verstanden? Der Kerl ist nichts für dich! Ein windiger Charakter, der so viele Probleme hat, dass er dich damit mit ins Unglück zieht! Weißt du eigentlich, dass ein Alkoholiker niemals gesund wird? Er wird immer ein Alkoholiker bleiben, und der kleinste Schluck reicht aus, um ihn wieder in die Sucht zu treiben! Willst du dein Leben wirklich mit so jemandem verbringen?«

Am liebsten hätte ich laut Ja geschrien, aber ich wusste natürlich, was Iris meinte. Von Männern, die mehr Probleme hatten als ich selbst, hatte ich mich immer ferngehalten. Andererseits, hier ging es um Bernd!

»Kannst du nicht bitte, bitte seine Adresse herausfinden?«, flehte ich sie an. Doch Iris blieb hart. »Ich muss dich notfalls vor dir selbst schützen!«, sagte sie nur, bevor sie ging. Und mir den Stapel Papier da ließ.

*

In der folgenden Nacht tat ich kein Auge zu. Da ich selbst kein Genie im Internet bin, bekam ich natürlich auch keine Adresse oder Telefonnummer raus. Auch keine Arbeitsstelle oder so. Und einfach weitergoogeln wollte ich schon deshalb nicht, weil ich nicht noch mehr Dinge über ihn herausfinden wollte. Deshalb rief ich am nächsten Tag mein Patenkind an. Katja war mittlerweile zwanzig Jahre alt und studierte, soweit ich wusste, Informatik.

»Kannst du jemanden im Internet für mich finden?«, fragte ich sie zögernd. Sie war die Tochter meiner Cousine, und wir hatten eigentlich ein super Verhältnis. Deshalb hörte sie mir wohl an, dass es mir wichtig war.

»Klar, gib mir den Namen und sag, was du wissen willst!«, forderte sie mich auf. »Ich hab schon einen Stift in der Hand.«

Ich nannte ihr den Namen und überlegte kurz, ob ich sie bitte sollte, ihn nicht zu googeln, aber das ließ ich dann doch. Es würde sich ohnehin nicht vermeiden lassen, dass sie die ganzen Dinge über Bernd las, wozu sie also mit der Nase darauf stoßen. »Ich brauche die Adresse!«, sagte ich ihr.

»Klar, kein Problem. Ist wohl einer deiner Kunden, der unbekannt verzogen ist und noch ein wertvolles Buch von euch hat, was?«

Sie lachte, und ich ließ die Frage unbeantwortet. Wenn sie auf einer falschen Spur war, um so besser. Insgeheim wunderte ich mich über mich selbst. So abgebrüht war ich eigentlich gar nicht.

Zwei Tage später gab mir Katja eine Adresse durch. »Eine Telefonnummer konnte ich nicht finden, aber vielleicht hat er kein Festnetz. Hoffentlich kommst du mit der Adresse weiter!«

Ich bedankte mich und starrte auf die Anschrift. Ich kannte das Viertel nur vom Hörensagen. Keine besonders gute Gegend, eher eine, die für ihre billigen, aber heruntergekommenen Wohnungen bekannt ist. Eigentlich hätte ich jetzt Iris anrufen und sie bitten wollen mitzukommen, weil ich mich nicht so recht traute, dort allein hinzugehen. Aus verständlichen Gründen ließ ich das jedoch bleiben. Stattdessen setzte ich mich tapfer in meinen kleinen Mini und brauste los. Die Adresse zu finden war relativ einfach. Ich suchte mir eine Parklücke, atmete tief durch und stieg aus. Jetzt bloß nicht zögern, redete ich mir ein. Wenn er mein Traummann war, dann würde er verstehen, dass ich ihn nicht einfach abschreiben konnte, redete ich mir ein und drückte entschlossen auf das Klingelschild mit seinem Namen. Statt einer Antwort summte der Türöffner, eine Gegensprechanlage hatte das Haus augenscheinlich nicht. Um so besser, dann wusste er wenigstens nicht, wer da die Treppen hinauf marschierte. Ich musste bis in den fünften Stock und war tüchtig außer Atem, als ich oben ankam. Dort erwartete mich Bernd schon.

»Du, Marion?«, fragte er sichtlich fassungslos.

»So leicht lasse ich mich nicht abservieren!«, keuchte ich. »Erst sorgst du dafür, dass ich mich Hals über Kopf in dich verliebe, und dann schmeißt du mich einfach wieder aus deinem Leben, nur weil ich ein paar Fragen gestellt habe!« Ich war immer noch ganz außer Atem.

Bernd zog mich am Arm in seine Wohnung. »Komm erst mal mit und setz dich!«, sagte er, und ich meinte, ein Lächeln auf seinem Gesicht gesehen zu haben. Dankbar ließ ich mich aufs Sofa plumpsen.

»Tut mir leid, wir haben hier keinen Fahrstuhl, aber ich war froh, eine bezahlbare Wohnung gefunden zu haben!«, erklärte er mir unnötigerweise. Ich sah mich unauffällig um. Die Einrichtung war einfach, aber passend. Kein Schnickschnack, eine Männerwohnung eben, aber sauber und ordentlich.

»Meine Freundin hat alles Mögliche über dich herausgefunden!«, sagte ich dann. »Irgendwo im Internet hat sie das ausgraben. Dass du im Gefängnis warst und Alkoholprobleme hattest und all das. Warum hast du mir das nicht erzählt?«, platzte es dann aus mir heraus. Bernd starrte mich mit großen Augen an.

»Weil du mich dann sicher kein zweites Mal hättest treffen wollen!«, sagte er dann ganz knapp, und ich sah, wie ein wehmütiger Zug um seine Augen huschte.

»Ich habe das bei der Wohnungs- und Stellensuche doch oft genug erlebt in den letzten Jahren. Und ich kann es auch niemandem übel nehmen. Ich habe einen schweren Fehler gemacht und ich muss dafür bezahlen. Aber ich dachte wirklich, ich hätte auch ein kleines bisschen Glück verdient, deshalb habe ich auf deine Anzeige geantwortet. Dass man seine Vergangenheit nicht ewig verbergen kann, war mir am Anfang nicht klar. Und als es mir klar wurde, bin ich gegangen. Ich will dir nicht weh tun, aber ich will auch nicht immer wieder verletzt werden, Marion. Du bist eine wahnsinnig tolle Frau, die schönste und klügste, die ich je getroffen habe. Vielleicht ist das der Preis, den ich für meinen Fehler zahlen muss? Zu wissen, dass es dich da draußen gibt, und dich nicht haben zu können!«

»Was redest du denn da!«, unterbrach ich ihn. Woher ich den Mut nahm, weiß ich nicht, aber ich hatte jedenfalls wieder genug Luft zum Atmen. »Du hättest vielleicht erst einmal abwarten können, wie ich darauf reagiere?«

Bernd schüttelte den Kopf. »Hast du eine Ahnung, wie sehr ich mich schäme? Für meinen Fehler, für das, was ich Menschen, die mir viel bedeutet haben, angetan habe? Meine Mutter ist gestorben, als ich im Gefängnis war, mein Vater musste daraufhin in ein Pflegeheim, wo er kurz darauf starb, weil sich niemand mehr um ihn gekümmert hat. Meine Frau hat mich schon kurz nach dem Unfall verlassen. Ja, ich hatte damals Alkoholprobleme. Sie auch. Nur sie hat keinen Unfall verursacht, weil ich gefahren bin. Sie hat keine Schuld, das will ich nicht sagen, aber sie wollte danach auch nichts mehr mit mir zu tun haben. Keiner wollte das mehr. So was will ich nie wieder erleben!«

Seine Verzweiflung und Bitterkeit waren fast mit den Händen zu fassen. Ganz instinktiv zog ich ihn in meinen Arm und küsste ihn. Dass es unser erster richtiger Kuss war, fiel mir erst später auf.

»Ich habe mich unsterblich in dich verliebt!«, gestand ich ihm. »Und ich will, dass wir eine Chance haben!«

Bernd lächelte mich glücklich an. »Du bist zudem auch die mutigste Frau, die ich kenne! Ja, ich will eine Zukunft mit dir, nur zu gern!«

Wir redeten die halbe Nacht und die andere halbe Nacht taten wir das, was Verliebte so tun. Einmal im Leben habe ich etwas riskiert und es bis heute nicht bereut. Auch wenn manche Leute Bernd gegenüber Vorbehalte haben, wir sind ein Paar und werden es auch bleiben. Egal was die anderen davon halten!

– ENDE –

Geschichte 2

Ich schäme mich

Roman von Hanne N. (36):

»Um an das Geld zu kommen, täuschte ich einen Selbstmord vor.«

Ich hatte mich in eine ausweglose Situation manövriert. Als selbstständige Kosmetikvertreterin konnte ich meine Rechnungen nicht mehr bezahlen. Mein Konto war gesperrt. Eigentlich half nur noch der Gang zur Schuldnerberatung und die Privatinsolvenz. Doch dann hatte ich eine Idee, eine großartige Idee, wie ich damals dachte...

Tut mir leid, Frau Nontes, aber Ihre Bankkarte hat der Automat eingezogen, weil Ihr Konto gesperrt ist.« Der junge Mann am Schalter zog bedauernd die Schultern hoch.

Die Nachricht fuhr mir wie eine Faust in den Magen. Sofort fuhr ich in mein kleines Büro in der Stadt und sah die Post durch. Tatsächlich lag dort in der ungeöffneten Post eine Mahnung. Ich griff zum Telefon.

»Das mag ja alles sein, Frau Nontes«, räumte die junge Sekretärin ein. »Aber wir haben Sie mehrfach gemahnt. Und mit sechsundzwanzigtausend Euro sind die Rückstände ja auch kein Pappenstiel mehr. Sie haben die Ware bestellt, und sie muss bezahlt werden.«

Es stimmte. Ich hatte die teuren Kosmetika bestellt. Und ich hatte sie ja auch verkauft. Ich hatte gedacht, dass ich die besseren Chancen hätte, wenn ich sie zu einem geringeren Preis verkaufen würde als die anderen selbstständigen Vertreterinnen. Dass dann die Rechnung nicht mehr aufging und ich nicht einmal mehr meine Kosten damit decken konnte, hatte ich viel zu spät bemerkt.

Niedergeschlagen nahm ich meine Jacke und ging trotz des Regens spazieren. Ich musste den Kopf freibekommen, nachdenken. Es musste eine Lösung geben! In der Straße neben dem Stadtpark stand der Lieferwagen eines gemeinnützigen Vereins, der aufgelöste Haushalte leerräumte und die Sachen an Bedürftige verteilte. Am Hauseingang hatten sie eine kleine Kiste mit Büchern stehen gelassen. Neugierig sah ich mir die Titel an.

»Wenn Sie wollen, können Sie gern eins mitnehmen«, rief mir einer der Mitarbeiter zu. »Bücher werden wir bei uns sowieso schlecht los.«