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Berend Bruhns segelte von 1992 bis 1996 mit seiner Yacht (OE32, schwedischer Spitzgatter) um die Welt. Die Ozeane überquerte er alleine. Bei kleineren Törns begleiteten ihn seine Frau, die beiden Töchter, seine Schwester und Freunde. Die Yacht "Anna" hatte er selbst ausgebaut und zusätzlich Blei gegossen, um den Kiel noch schwerer zu machen. Somit war der Langkieler ozeantauglich und überstand so manchen Sturm. Es ist ein zugleich spannender und humorvoller Erfahrungsbericht eines Einhandseglers aus einer Zeit, als das Internet den Seglern noch nicht zur Verfügung stand, in der es weder Mobilfunk noch moderne "Plotter" gab.
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Seitenzahl: 100
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Berend Janssen Bruhns wurde im November 1929 in Emden geboren und studierte Ingenieurwesen für Wasserbau in Hannover. Als Baudirektor war er zuständig für das Ausbaggern des Hafenbeckens und der Elbe beim Amt Stromund Hafenbau Hamburg. Mit seiner Frau Jutta zog er nach Maschen, Niedersachsen, wo sie mit ihren Töchtern Annette und Dorothee lebten. Von dort war es nicht weit zum Segeln auf Elbe, Nord- oder Ostsee.
Im Garten baute er seine Boote selbst aus, zuletzt die „Anna“, eine OE32, 9,89 m lang, mit hochseetauglichem Langkiel. Mit „Anna“ segelte er von 1992 bis 1996 um die Welt.
Wenn ich untergehe, macht ihr einen Flug über der Karibik
und werft ein paar Blumen ab.
Abfahrt von Hambug
Portugal
Kanaren
Gambia
Karibik
Panamakanal
Galapagos
Polynesien
Neuseeland
Australien
Indonesien
Madagaskar
Mosambik
Südafrika
Namibia
Azoren
Wie ich zum Segeln kam
Ich bin jetzt, im Jahr 2022, 93 Jahre alt. Vor 30 Jahren startete ich meine lang geplante Weltumsegelung ab Hamburg. Mit an Bord war am Anfang noch meine Frau Jutta, die mir bei allen Vorbereitungen aufopferungsvoll zur Seite stand. Im Hafen passierten wir einen „meiner“ Eimerkettennassbagger. Es wurde zurückgegrüßt, wohl nicht ahnend, dass hier ihr frisch pensionierter Chef seiner Freiheit entgegen segelte.
Ich hatte zwar das Einhandsegeln schon vorher trainiert, auch bei Tideströmung über den englischen Kanal zu den Channel Islands, aber für die Törns entlang stark befahrener Küsten hatte ich sicherheitshalber Begleitung geplant: Meine Frau Jutta bis Brest, also bis zum Ende der großen Ferien, denn Jutta war noch im Schuldienst. Von Brest nach Nordspanien mein alter Freund Gunther Spiegelberg; entlang der spanischportugiesischen Küste meine Tochter Annette und von der Algarve zu den Kanarischen Inseln meine zweite Tochter Dorothee. Beide Töchter sprechen Portugiesisch und Spanisch.
Die Reise nach Brest war von östlichen Winden begünstigt. Wir liefen verschiedene Häfen an, u.a. St. Peter Port auf Guernsey, besuchten dort einen alten Freund. Er wohnte als pensionierter Marine-Offizier in einem Schloss, hatte als Marineattaché dem Gouverneur der britischen Kanalinseln gedient. Sein Sohn war früher einmal mit uns von Maldon, Südengland, nach Hamburg gesegelt und hatte uns gebeten, seinen Vater auf Guernsey zu besuchen. Brest erreichten wir überpünktlich, holten Gunther vom Bahnhof ab. Da Juttas Ferien noch lange nicht zu Ende waren und wir eine günstige Wetterlage hatten, konnten wir Jutta überreden, den Sprung über die Biskaya mitzusegeln. Das Wetter hielt sein Versprechen, und wir kamen rasch in die Nähe von La Coruña. Dort empfing uns Spanien mit starkem Küstennebel. Schemenhaft überholten uns Fischkutter. Ich bat über UKW um Obacht auf meine SY Anna, da Anna nicht über ein Radar verfügte.
Es meldete sich bald eine englische Yacht, sie hatte Radar, der Skipper gab uns seine Position. Er wollte auf uns warten und zum Hafen von La Coruña geleiten. Er wartete sowieso schon auf eine norwegische Yacht, die auch kein Radar hatte. Zu dritt fuhren wir dann in den Hafen. Und feierten zusammen.
Jutta fuhr anschließend nach Hause. Tochter Annette war noch nicht da; sie hatte einen billigen Pilgerflieger nach Santiago de Compostela gebucht. Gunther und ich nutzten die Zeit und segelten in die Ria de Muros y de Noya. Ganz kommt man allerdings nicht nach Noya, das Wasser wird zu flach. Das muss im Mittelalter anders gewesen sein: die Gebeine des Heiligen Tiago sollen dort angelandet worden sein, ehe sie in das nahe Compostela kamen. Seetransporte von heiligen Gebeinen waren offenbar üblich: die des Heiligen Nikolaus, Bischoff von Myra, wurden von Piraten geraubt, auf der See gerieten sie in Unwetter. Der Geist der Gebeine soll den Sturm abgewendet haben und so wurde der Nikolaus nicht nur Wohltäter für Kinder, sondern auch Schutzheiliger der Seefahrer und -räuber. In einer kleinen Kirche nahe Myra steht noch sein leerer Sarkophag, verziert von einem großen Anker.
Vom nächsten Hafen Vigo fuhr ich mit der Bahn nach Santiago und fand meine Tochter auf der großen Treppe vor der Kathedrale sitzen.
Mit Annette segelte ich zur Algarve. Unterwegs stieg sie in Porto aus, um für ihre Sprachstudien die alte Universität von Coimbra aufzusuchen. Nahe Alveiro trafen wir uns wieder.
Der Weg nach Alveiro ist interessant: Von der Mündung führt ein großer Wasserlauf ins Landesinnere, dort wird über ein System von Kanälen und Gräben ein großes Gebiet mit Salzgewinnungsfeldern mit frischem Atlantikwasser versorgt. Das Salz wird von Hand gewonnen und in kleine spitze Hügel zum Trocknen gekarrt. Von weitem ergibt sich das Bild der Zeltstadt eines Heeres. Ich konnte nicht ganz nach Aveiro schippern, aber Annette fand mich trotzdem zwischen den Salzzelten. Dabei fand meine Reise noch in der Vor-Handy-Zeit ohne praktische WhatsApp-Standort-Weitergabe statt.
An der Algarve hatte ich eine gewisse Zeit, bis meine zweite Tochter Dorothee kam. Ich nutzte diese Zeit für einen Trip auf dem Grenzfluss zwischen Portugal und Spanien, dem Guadiana. Für „Liveaboards“ ist der Fluss beliebt als Winterdomizil. Man muss nur aufpassen, wenn es Starkregen im Oberlauf gibt, dann können Bäume angeschwommen kommen und sich in der Ankerkette verhaken.
Ich fuhr bis Alcoutim. Häuser und Kirchen beiderseits des Flusses waren voll von Storchennestern.
Grenzbeamte kamen auch an Bord, suchten nach Drogen, schnüffelten an meiner winzigen Dose mit Schnupftabak.
In Vila Real de San Antonio, an der Mündung des Guadiana, kam Dorothee an Bord für die Reise nach Madeira und Gomera.
Unterwegs dahin stellte ich fest, dass an einem luvwärtigen Want einige Kardele gebrochen waren. Ich wendete sofort auf den anderen Bug, um eine Notreparatur durchzuführen: Dafür wurde das untere Ende des Wants um eine passliche Kausch gebogen und mit zwei sogenannten Fröschen gesichert. Die dadurch entstandene Verkürzung musste ein Reservewantenspanner ausgleichen.
Ursächlich für den Bruch war eine fehlerhafte Verpressung der Endhülsen: Der Draht kam krumm aus der Hülse.
Jutta orderte für mich beim Mastenhersteller einen Satz neuer Wanten mit oberen Tellerterminals. Alles kam mit dem Flieger zu den Kanaren. Der dortige Takler wollte keine Garantie geben für einen korrekten Sitz der unteren Presshülse. Ich kaufte mir „Norseman terminals“: Damit kann man einen Augterminal ohne Presswalze selber anbringen. Für das Auswechseln der Wanten an Top und Salingen nutzte ich meine mastlange Jakobsleiter, ihre Stufen sind mit Mastrutschern versehen, die in die Hohlkehle am Mast passen. An den Sprossen entlang kann man dann ganz alleine, ohne fremde Hilfe, bis zur Mastspitze klettern.
Dorothees Wunsch, nach Gomera zu segeln, hatte seinen Grund: Ein Jahr zuvor war sie dort mit einem Freund hingefahren, um zu wandern. Doch gleich zu Anfang der Reise verletzte sie ihr Knie und das Wandern fiel aus. Das holten wir in diesem Jahr nach.
Bei Dorothees erstem Besuch lag ein Segler aus Hamburg im Südhafen von Gomera mit seinem Boot. Seine Mitseglerin hatte ihn verlassen, und alleine wollte er nicht weitersegeln. Als wir dort ankamen, war er immer noch da.
Drei Wochen später traf ich ihn jedoch auf Teneriffa wieder, wo er sein Boot an Land von starkem Bewuchs säuberte. Freudestrahlend berichtete er, dass er eine neue Mitseglerin gefunden hätte, zur Zeit sei sie noch in Berlin um ihren dortigen Haushalt aufzulösen. Ich dachte bei mir, hoffentlich bereut sie es nicht so schnell.
Für mich ging Einhandsegelei jetzt richtig los. Ich hatte es ja in heimischen Gewässern, auch im Englischen Kanal, schon geübt, aber es ist doch ein Unterschied, ob ein Törn auf Tage oder auf Wochen ausgelegt ist. Mein Ziel war Gambia, das ich über die Kap-Verde-Inseln erreichen wollte. Der Törn nach Mindelo auf den Kap Verden war richtig gemütlich; tagelang kam kein „feindliches“ Schiff in Sicht, so dass ich unbeschwert schlafen konnte, während „Anna“ mit Selbststeueranlage den Passatwind genoss.
Am Strand von Mindelo machte mir eine Jungenbande Sorgen, als ich dort mein Beiboot auf dem Weg zum Hafenmeister liegenlassen musste. Der Hafenmeister gab mir den richtigen Rat: Such dir den kräftigsten Burschen aus und mach ihn zu deinem Bootsmann. Das funktionierte auch, bis am Ende der Junge weiter mitsegeln wollte. Das kam für mich aber nicht infrage, ich wäre ihn nie wieder losgeworden. So bootete ich ihn aus.
Auf dem weiteren Weg nach Gambia erlebte ich einen kleinen Sturm, konnte rechtzeitig die Sturmbeseglung anschlagen und legte „Anna“ an den Wind. Sie bewegte sich damit recht gemütlich, so dass ich nicht auf meinen nächtlichen Schlaf verzichten musste.
Die Flussmündung des Gambia Rivers erreichte ich im Dunkeln bei Hochwasser. Unmittelbar vor Banjul stieg vor mir ein Schwall Funken in die Luft. Gerade noch rechtzeitig erkannte ich den Grund: Die Tiede kenterte gerade, die Pirogen der Fischer schwojten um ihre Anker und lagen quer im Strom. Aufmerksame Fischer hatten Glut aus dem Ofen hochgeschleudert, quasi temporäres Ankerlicht.
In Banjul gab es damals einen Vertreter von Trans Ocean (TO), einen Verein zur Förderung des Hochseesegelns, der weltweit viele Stützpunkte hat. Der damalige Vertreter in Banjul war mit diesem Verein unzufrieden, nicht einmal einen neuen Außenbordmotor habe man ihm gegeben. Bei seiner Bestallung als Stützpunktleiter hatte er den Begriff „Ehrenamt“ wohl überhört oder nicht gekannt. Er war dennoch recht hilfreich, begleitete mich zu den Behörden und wusste die Höhe der Trinkgelder richtig zu dosieren. Einen Permit brauchte ich nämlich auch für die Fahrt auf dem Gambia River. In der Flusskarte ist sogar vermerkt, wo man nicht anlegen darf, weil es dort eine Auswilderungsstation für Affen gibt.
Der Gambia River ist nicht nur schön, naturbelassen, sondern auch geschichtlich interessant. Kurz oberhalb von Banjul liegt eine kleine Insel, James Island, auf der schon 1851 ein Herzog von Kurland ein Fort zur Sicherung des Sklavenhandels errichtet hatte – nachzulesen in einem Beitrag des Arbeitskreises „Wehrforschung“ in dem Buch „Seemacht. Eine Seemachtsgeschichte von der Antike bis zur Gegenwart“, von Elmar Potter und Chester Nimitz.
Deutsche Flotten im 17. und 18. Jahrhundert sind darin als Stützpunkte in Afrika wie auch in Amerika dargestellt, dabei wird das Wort „Sklavenhandel“ peinlich vermieden. Neuere afrikanische Schreiberinnen wollen uns vermitteln, dass der Sittenverfall in Afrika ein Erbe des Kolonialismus sei. Dabei waren es schwarze Fürsten, die massenhaft ihre Nachbarn einfingen und versklavten, um sie dann zu verkaufen. Sie waren es auch, die laut gegen das Verbot der Sklaverei protestierten. Nordafrikanische Fürsten betrieben das Geschäft noch im 19. Jahrhundert, bis US-Amerika dem mit Waffengewalt (von Kriegsschiffen aus) ein Ende bereiteten.
Im Roman „Roots“, der auch verfilmt wurde, wird der Häuptlingssohn Junta Kinte im Dorf Jutture nahe James Island als Sklave verkauft. Jutture ist jetzt eine Art Wallfahrtsort geworden. Ich verzichtete auf einen Besuch. Ein Afrikaner, der in Deutschland Deutsch gelernt hatte, forderte einen unverschämt hohen Preis. „He is greedy“, sagte die Nachbarin.
Den Film „Roots“ über die Sklaverei brachte der Minister für Tourismus in Gambia mit zu einem etwas oberhalb gelegenen Touristencamp. Folkloristische Tänze und dieser Film wurden gezeigt. Ich hatte eine nette Unterhaltung mit dem Minister. Er fragte mich, was ich wohl dazu sagen würde, wenn er mich bäte, mich beim Segeln begleiten zu dürfen. Und war dann mit meiner Antwort zufrieden, dass ich zeigen wollte, dass man allein mit seinem Boot die Welt umsegeln könne. Er bat mich dafür zu werben, dass noch mehr deutsche Segler nach Gambia kämen.
Der Gambia Fluss ist sehr angenehm zu bereisen: Man nutzt die Tide zur raschen Fahrt und passt seine Ruhepausen der Gegentide an. Die Landesgrenze passt sich dem Flusslauf an, gemäß einem Vertrag zwischen England und Frankreich aus der Kolonialzeit. Die Landesgrenze liegt soweit von der Flussmitte entfernt wie ein Kanonenboot schießen kann.
Die Menschen sind sehr gastfreundlich. Überall wurde ich zum Essen eingeladen, in einem Dorf sogar dreimal: Das erste Mal, als ich dem Dorfhäuptling vorgestellt wurde, der gerade Besuch von einem bunt gekleideten Distriktshäuptling hatte. Der Empfang fand im Schlafzimmer statt. Der Gastgeber saß in seinem Bett, rund herum die Besucher. Allen, wie auch mir, wurde eine Mehlsuppe gereicht. Dabei wurde der Distrikthäuptling gefragt, was er aus New York von seinem Besuch bei der Uno mitgebracht hätte. Das zweite Essen gab es in der Schule, Schulspeise von der Unesco, die Kinder sahen nicht unterernährt aus. Das Essen bereitete die Frau des Rektors zu, während ihr Baby auf der vordersten Bank saß, die dann auch etwas nass wurde.