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Alle 14 Tage neu! Hier sind die dramatischen Geschichten aus dem wahren Leben, authentisch und voller Emotionen! Jede Menge ergreifende Schicksale und aufregende Bekenntnisse – aktuell, ehrlich und persönlich. Jetzt wird endlich mal deutlich Klartext geredet! Geschichte 1: Schicksalsreport "Der Mann meines Lebens: Es war mein Bruder!" Im Urlaub lernte ich einen jungen Mann kennen und verliebte mich in ihn. Genau wie ich war er als Baby adoptiert worden. Als wir uns in Deutschland wieder sahen, stellte sich heraus, dass er mein Zwillingsbruder war. Ich hatte Massimo im Urlaub kennen gelernt. Ich hatte eine Woche Toskana als Busreise gebucht. Mehr konnte ich mir damals nicht leisten. Bei einer Strandparty stand plötzlich ein junger Mann neben mir, der mir auf Anhieb sympathisch war. Er lud mich zu einem Drink an die Bar ein. Wir redeten und redeten und entdeckten immer mehr Gemeinsamkeiten. "So was ist mir noch nie passiert!", sagte Massimo.
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Seitenzahl: 152
Veröffentlichungsjahr: 2017
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Geschichte 1
Geschichte 2
Geschichte 3
Geschichte 4
Geschichte 5
Geschichte 6
Geschichte 7
Geschichte 8
Geschichte 9
Geschichte 10
»Der Mann meines Lebens: Es war mein Bruder!«
Im Urlaub lernte ich einen jungen Mann kennen und verliebte mich in ihn. Genau wie ich war er als Baby adoptiert worden. Als wir uns in Deutschland wieder sahen, stellte sich heraus, dass er mein Zwillingsbruder war.
Ich hatte Massimo im Urlaub kennen gelernt. Ich hatte eine Woche Toskana als Busreise gebucht. Mehr konnte ich mir damals nicht leisten. Bei einer Strandparty stand plötzlich ein junger Mann neben mir, der mir auf Anhieb sympathisch war. Er lud mich zu einem Drink an die Bar ein. Wir redeten und redeten und entdeckten immer mehr Gemeinsamkeiten.
»So was ist mir noch nie passiert!«, sagte Massimo.
Ich wusste, was er meinte. Wir hatten fast in allem die gleichen Ansichten. Noch nie hatte ich mich mit einem Gleichaltrigen so gut unterhalten.
Als meine Freundin zum Aufbruch drängte, verabredete ich mich mit Massimo für den folgenden Tag.
»Du hattest ja nur noch Augen für ihn«, staunte Susanne. »Mich hast du völlig links liegen lassen.«
»Entschuldige.«
»Schon gut.« Sie winkte ab. »Ich habe mich auch amüsiert.« Sie mus-terte mich. »Hast du dich verliebt?«
»Nein!«, rief ich. »Das ist es nicht.«
»Was dann?«
Ich wusste es nicht. Ich fühlte mich zu Massimo hingezogen, aber ich war nicht verliebt. Oder doch?
Als ich ihn am nächsten Vormittag am Strand traf, schlug mir das Herz bis zum Hals. Er umarmte mich und gab mir einen Kuss auf die Wange. »Ich freue mich, dass du gekommen bist. Wollen wir was unternehmen?«
»Gern.«
Er nahm mich bei der Hand und ging mit mir zum Hafen. Als er dort eine schnittige Segeljacht betrat, blieb mir vor Staunen der Mund offen stehen.
»Gehört nicht mir«, sagte er lachend und bat mich, die Schuhe auszuziehen.
An Bord stellte er mich einem jungen Mann vor. »Mein Bruder Marco und seine Freundin Chiara.«
Ich begrüßte die beiden und erfuhr, dass die Jacht ihrem Vater gehörte. Während Marco die Jacht aus dem Hafen manövrierte, erzählte mir seine Freundin von der Familie. Der Vater war Deutscher, die Mutter Italienerin. »Aber sie leben in Deutschland.«
Und sind reich, vermutete ich. Wer sich ein Haus am Meer und eine Jacht leisten konnte, musste Geld haben. Dass ich recht hatte, erfuhr ich am selben Abend im Haus der Familie Holzner. Massimo hatte mich mitgenommen und seinen Eltern vorgestellt. Die luden mich zum Essen ein, und so saß ich mit der Familie auf der Terrasse über dem Meer und kam aus dem Staunen nicht heraus.
Susanne hatte ich angerufen und gebeten, allein zu essen. »Geht in Ordnung«, sagte sie. »Amüsier dich.«
Aber ich war viel zu verkrampft, um mich zu amüsieren. Dabei waren Massimos Eltern nett, sehr nett sogar. Sie ließen mich nicht spüren, dass ich nicht zu ihren Kreisen gehörte. Als sie mich nach meinen Eltern fragten, musste ich passen. Vater lebte schon lange nicht mehr. »Meine Mutter ist vor zwei Monaten gestorben.«
»Das tut mir leid«, sagte Massimo sofort mitfühlend.
Da war plötzlich alles wieder da. Der Schmerz und der Schock. Erst nach Mutters Tod hatte ich erfahren, dass ich als Baby adoptiert worden war. Warum ich Massimos Eltern jetzt davon erzählte, wusste ich selbst nicht.
»Vielleicht hilft Ihnen das Gespräch, den Schmerz zu verarbeiten«, meinte Massimos Mutter. Und dann erzählte sie mir, dass auch Massimo ein Adoptivkind sei.
Ich schaute Massimo an. Lächelnd nickte er. »Ich weiß es schon lange. Ist kein Problem für mich.«
»Für mich schon«, gab ich zu. »Deshalb suche ich jetzt nach meinen leiblichen Eltern.«
»Und?«, fragte Massimo. »Weißt du schon was?«
Ich schüttelte den Kopf. »Natürlich gebe ich nicht auf.«
»Ist doch klar.« Er nahm meine Hand, und ich fühlte mich so geborgen wie schon lange nicht mehr.
Massimos Vater brachte die gegrillten Steaks, und wir fingen an zu essen. Für einen Abend vergaß ich meine Sorgen. Und als Massimo mich auf dem Heimweg küsste, erwiderte ich seinen Kuss. Ich hatte mich verliebt.
*
Hab ich’s doch geahnt«, sagte Susanne, als ich ihr davon erzählte. »Habt ihr – hast du mit ihm…«
»Nein«, sagte ich. »So schnell geht das bei mir nicht. Wir haben uns ja erst gestern kennen gelernt.«
»Ja, aber wir sind nur noch drei Tage da«, erinnerte mich meine Freundin.
Ich seufzte. Massimos Familie lebte zwar in Deutschland, aber in Frankfurt. Ich wohnte in Südbayern.
»Ist doch kein Problem«, meinte Susanne. »In fünf Stunden bist du in Frankfurt oder er bei dir. Und wenn Massimo so verliebt ist wie du, werdet ihr euch bestimmt wiedersehen.«
Genau das versprach Massimo mir schon am nächsten Tag. »Wir bleiben noch drei Wochen hier, dann müssen wir auch zurück.«
Wir verbrachten den ganzen Tag zusammen, badeten, segelten und lagen in der Sonne. Am Abend lud Massimo mich zum Essen ein. »Aber nicht zu meinen Eltern«, sagte er grinsend. »Ich möchte mit dir allein sein.« Er schlug vor, in ein Fischrestaurant am Hafen zu gehen.
Ich war einverstanden.
Nach dem Essen schlenderten wir den Strand entlang, und plötzlich saß ich neben Massimo im Sand.
»Ist das nicht romantisch?«, fragte er. »Vollmond auf dem Meer. Ich könnte ewig hier sitzen und das anschauen.«
Gemeinsam blickten wir aufs Meer hinaus. Aber nicht lange. Als Massimo anfing mich zu streicheln und zu küssen, ahnte ich, was kommen würde.
»Wir haben nur noch zwei Tage«, flüsterte er mit heiserer Stimme und zog mir das T-Shirt aus. Das heißt, er wollte. Eine Gruppe junger Leute hinderte ihn daran. Sie zogen lachend und singend vorbei und setzten sich fünf Meter neben uns in den Sand.
Unwillig stand Massimo auf. »Lass uns woanders hingehen.«
Wir schlenderten weiter und erreichten wieder eine einsame Stelle. Erneut setzten wir uns in den Sand. Wieder fing Massimo an mich zu küssen, und wieder wurden wir gestört. Diesmal waren es zwei finstere Gestalten, die uns Angst machten. Wir standen auf und verschwanden.
»Lass uns was trinken gehen«, schlug Massimo genervt vor.
Wir setzten uns in eine Strandbar und redeten. Kurz vor zwölf brachte Massimo mich zu meinem Hotel.
»Bis morgen.« Er gab mir einen letzten Kuss.
*
Am nächsten Tag machten wir einen Segeltörn. Ich nahm Susanne mit. Massimo war einverstanden, da außer uns noch ein paar junge Leute mitfuhren. Es wurde ein wunderschöner Tag. Auch wenn ich nicht mit Massimo allein sein konnte, war ich er mir doch sehr nahe. Mit jedem Blick und jeder Geste zeigte er mir, wie sehr er mich mochte.
»Ich freue mich auf heute Abend«, flüsterte er mir zu. »Meine Eltern sind nicht da; wir haben das Haus für uns.«
Als wir an Land gingen, schlug Massimos Bruder vor, im Garten zu grillen. Massimo verzog das Gesicht, erklärte sich aber einverstanden.
»Irgendwann gehen sie auch wieder«, sagte er leise zu mir.
Aber sie gingen nicht. Kurz vor Mitternacht saßen wir alle immer noch auf der Terrasse, lachten, redeten und tranken Rotwein. Nur Massimo und ich saßen schweigend in der Hollywoodschaukel.
»Na endlich!«, murmelte Massimo, als die Gäste aufbrachen. Da war es fast ein Uhr.
»Wann kommen deine Eltern zurück?«, fragte ich leise.
Massimo verzog das Gesicht. »Eigentlich müssten sie schon da sein. Komm!« Er zog mich mit in sein Zimmer.
Dort küssten wir uns leidenschaftlich. Aber als Massimo anfing, mich auszuziehen, fuhr draußen ein Auto vor. Massimos Eltern kamen zurück. Ich nahm meine Tasche und ging zur Tür.
»Du könntest trotzdem bleiben«, sagte Massimo halbherzig.
Doch ich schüttelte den Kopf. »Nicht mit deinen Eltern im Haus. Das verunsichert mich.«
»Na gut«, seufzte er und brachte mich zur Tür. Dort begegneten wir seinen Eltern.
»Hier war ja mächtig was los«, meinte Massimos Vater.
»Das war nicht meine Idee«, verteidigte sich Massimo.
»Macht ja nichts«, sagte seine Mutter schnell. »Hauptsache, ihr räumt morgen auf.«
»Machen wir«, versprach Massimo und brachte mich zu meinem Hotel. Ein letzter Kuss – und weg war er.
Susanne war noch wach, als ich unser Zimmer betrat. »Das ging aber schnell.«
»Massimos Eltern sind zurückgekommen. Da bin ich gegangen.«
»Verstehe. Den Grillabend hätten wir wohl besser ausfallen lassen«, meinte sie mit schuldbewusstem Gesicht.
»Du kannst ja nichts dafür.« Ich setzte mich zu ihr aufs Bett. »Vielleicht ist es auch ganz gut so.« Ich gehörte nicht zu den Frauen, die gleich mit einem Mann ins Bett sprangen. Mit Massimo hätte ich es getan, obwohl wir uns erst so kurz kannten.
Zweifelnd schaute Susanne mich an. »Morgen Abend geht unser Bus«, erinnerte sie.
Ich nickte. »Ich verbringe die letzten Stunden mit Massimo, wenn du nichts dagegen hast.«
»Natürlich nicht.« Susanne streichelte meine Hand. »Das verstehe ich doch.«
Der letzte Tag verging viel zu schnell. Wir trafen uns am Vormittag, machten einen Strandspaziergang, gingen zum Mittagessen und danach an Bord der Jacht.
»Wir segeln nur ein kleines Stück hinaus«, schlug Massimo vor. Ich war einverstanden.
Aber als er draußen die Segel einholen wollte, kam Wind auf. Und dann hörten wir die Sirene.
»Sturmwarnung«, sagte Massimo. »Wir müssen zurück.«
Keine Zärtlichkeiten mehr, keine Umarmung. Massimo war voll damit beschäftigt, die Jacht in den Hafen zurückzubringen.
*
Zwei Stunden später standen wir vor dem Bus und küssten uns ein letztes Mal. Susanne saß schon drin, alle anderen auch.
»Einsteigen«, rief der Busfahrer. »Wir müssen los.«
»Ich rufe dich an«, versprach Massimo und schaute mir in die Augen. »Ich habe mich in dich verliebt!«, flüsterte er, als ich mich schon umgedreht hatte, um einzusteigen.
Ich auch, wollte ich sagen. Da war die Tür schon zugegangen.
Susanne nahm meine Hand, als ich mich setzte. »Er hat doch deine Telefonnummer. Und du seine.« Sie wollte mich trösten, was ihr auch gelang. Wir würden uns wiedersehen, das wusste ich.
*
Wieder zu Hause, packte mich der Alltag mit Gewalt. Ich angelte einen Stoß Post aus dem Briefkasten, bedankte mich bei der Nachbarin fürs Blumengießen und rief meine Arbeitskollegin an. »Muss ich morgen schon kommen oder kann ich noch einen Urlaubstag anhängen?«
»Du musst kommen.« Meine Kollegin stöhnte. »Hier ist der Teufel los. Sommergrippe in der Buchhaltung und ein Berg von Bestellungen.« Ich arbeitete in einem Versandhandel.
»Morgen früh bin ich da«, versprach ich, legte auf und widmete mich dem Rest von meiner Post.
Der letzte Brief war eine Nachricht vom Standesamt. Ich dürfe Einsicht nehmen in das Taufregister. Mein Herzschlag verdoppelte sich. Ich würde erfahren, wer meine Mutter war. Endlich!
Schon am nächsten Vormittag nahm ich mir eine Stunde frei. Dass mein Vorgesetzter sauer war, ignorierte ich. Der große Moment war gekommen, da konnte ich nicht mehr warten.
Ich fuhr zum Rathaus. Ein halbe Stunde später stand ich wieder draußen. Zitternd. Mit einem Zettel in der Hand, auf dem ein Name stand. Ein Name und eine Adresse. Katharina Zimmermann. Der Name sagte mir nichts. Die Adresse war eine Kleinstadt in Österreich. Nach all der Spannung verspürte ich eine riesengroße Leere. Was jetzt? Nach Österreich fahren? Katharina Zimmermann gegenübertreten? Sie fragen, warum sie mich weggegeben hatte?
Ich schleppte mich zurück ins Büro und stürzte mich in die Arbeit. Am Abend rief ich Susanne an und erzählte ihr alles.
»Was hast du denn erwartet?«, fragte sie nüchtern. »Natürlich bekommst du nur einen Namen und, wenn du Glück hast, eine Adresse. Sei froh, dass die Adresse in Österreich ist. Schließlich könnte deine Mutter auch in Amerika oder Australien leben.«
Das stimmte. »Und was soll ich jetzt machen?«
»Keine Ahnung. Irgendwann nach Österreich fahren?«
Ich überlegte und begriff, dass ich den Weg weitergehen musste, den ich eingeschlagen hatte. »Ja«, sagte ich leise. »Irgendwann werde ich wohl nach Österreich fahren müssen.«
*
Nur zehn Tage später passierte etwas, das mich vollends aus der Bahn warf. Ein Freitag-nachmittag. Ich wollte gerade meine Haustür aufschließen, als plötzlich ein junger Mann neben mir stand. Ich schrie leise auf. Es war Massimo. Er umarmte mich so stürmisch, dass mir die Luft wegblieb.
»Wo kommst du denn her?«, fragte ich atemlos.
»Direkt aus Frankfurt«, sagte Massimo. »Wir sind vor zwei Tagen zurückgekommen.«
Und da war er sofort zu mir gefahren. Ich nahm seine Hand. »Wie lange kannst du bleiben?«
»Das ganze Wochenende und noch ein bisschen länger, wenn du willst. Mein Semester fängt erst in zwei Wochen wieder an.« Massimo studierte Jura.
Vor Freude wusste ich nicht, was ich sagen sollte. Aber Massimo hatte auch nicht vor, viel zu reden. Kaum standen wir in der Wohnung, da nahm er mich in die Arme und küsste mich so leidenschaftlich, dass ich fast ohnmächtig wurde. Meine Handtasche fiel auf die Couch, dabei rutschte der Zettel mit dem Namen meiner Mutter heraus.
Massimo zog mich auf die Couch, doch plötzlich erstarrte er. Ich folgte seinem Blick und sah den Zettel. Massimo hob ihn auf, las den Namen und schnappte nach Luft. »Woher…«
Ich wollte den Zettel an mich nehmen, doch Massimo hielt ihn fest. »Wer ist das?« Seine Stimme war nur noch ein Flüstern.
Ich holte tief Luft. »Das ist der Name meiner leiblichen Mutter.«
»Nein!« Ein Schrei war das, ein fast tierischer Schrei.
»Doch«, sagte ich eingeschüchtert. »Den habe ich vom Standesamt bekommen. Ich habe dir doch erzählt…«
Weiter kam ich nicht, weil Massimo aufsprang und aus dem Zimmer rannte. Ratlos lief ich ihm nach und fand ihn würgend neben der Toilettenschüssel.
»Großer Gott! Massimo…«
Stöhnend richtete er sich auf und taumelte zum Waschbecken. Dort warf er sich kaltes Wasser ins Gesicht. Ich gab ihm ein Handtuch. Er trocknete sich das Gesicht ab und schaute mich an. Ein Hauch von Unheil streifte mich. Fast körperlich spürte ich, dass etwas Entsetzliches passiert war. Aber was? Fragend hob ich Schultern und Augenbrauen.
Massimo ließ sich auf den Deckel der Toilettenschüssel sinken. »O Gott«, stöhnte er. »Das darf doch nicht wahr sein!«
Er sah aus, als würde er jeden Moment anfangen zu weinen. Vorsichtig legte ich meinen Arm auf seine Schulter.
Da zog Massimo mich an sich und weinte tatsächlich. »Lisa«, schluchzte er und klammerte sich an mich.
Ich zog ihn ins Wohnzimmer auf die Couch. »Was ist passiert, Massimo? Was hat dich so erschreckt?«
Mit tränenblinden Augen schüttelte er den Kopf.
»Rede mit mir«, drängte ich.
Er öffnete den Mund und – schloss ihn wieder. Dann schaute er mich an. Mit einem Blick, der mir durch und durch ging. »Warum bist du so verzweifelt, Massimo?«
»Ich habe dir doch erzählt, dass ich auch adoptiert wurde.«
Ich nickte.
»Ich kenne meine leibliche Mutter«, fuhr Massimo fort und erzählte mir, wie er mit fünfzehn erfahren hatte, dass er adoptiert worden war. »Meine Mutter kannte den Namen meiner leiblichen Mutter.« Massimo schluckte.
»Weiter«, drängte ich.
Er holte tief Luft. »Wir fuhren zu meiner Mutter…« Er konnte nicht weitersprechen, und ich wartete.
»Sie heißt Katharina Zimmermann«, sagte Massimo leise.
»Waaas?« Ich merkte nicht, das sich schrie.
Massimo nickte. Er sah plötzlich unendlich traurig aus. »Sie hat vor zweiundzwanzig Jahren Zwillinge geboren und zur Adoption freigegeben.« Er schaute mich an. »Du bist meine Zwillingsschwester.«
Ich spürte, wie mir schlecht wurde. »Nein!«, krächzte ich.
»Doch«, sagte Massimo und nahm meine Hand. »Damals wollte ich nach meiner Zwillingsschwester suchen, doch Vater riet mir davon ab.«
Ich schloss die Augen, weil sich das Zimmer um mich drehte. Massimo mein Bruder. Mein Zwillingsbruder! Der Mann, in den ich mich unsterblich verliebt hatte.
»Das darf doch alles gar nicht wahr sein!«, krächzte ich.
Massimo nickte. »Deshalb habe ich mich sofort zu dir hingezogen gefühlt.«
Ich dachte an unser erstes Treffen. Auch ich hatte mich sofort zu Massimo hingezogen gefühlt. Hatte gespürt, dass wir Seelenverwandte waren. Jetzt wusste ich, warum. Ich schaute Massimo an, meinen Bruder. Zögernd streckte ich die Hand nach ihm aus, berührte tastend seine Finger. Eine Träne fiel auf meine Hand. Massimos Träne.
»Lisa«, schluchzte er und nahm mich in die Arme.
Ich weiß nicht mehr, wie lange wir eng umschlungen und verzweifelt so saßen. Als wir uns endlich voneinander lösten, bat ich Massimo, mir von unserer Mutter zu erzählen. »Ich möchte sie kennen lernen.«
Doch Massimo schüttelte den Kopf. »Lieber nicht. Es würde dich nur traurig machen.«
»Warum?«
Massimo fing an zu erzählen. Von einer Frau ohne Wärme, ohne Mitgefühl. »Sie ist mit einem steinreichen Mann verheiratet. Der darf nicht wissen, dass sie zwei Kinder geboren und zur Adoption freigegeben hat.«
»Warum nicht? Ist sie…«
Massimo nickte. »Das war ein Seitensprung. Um ihr luxuriöses Leben nicht aufgeben zu müssen, hat sie die Schwangerschaft verheimlicht und auch unsere Geburt. Ihr Mann war damals lange im Ausland. Als er zurückkam, war alles schon vorbei. Er hat nie von unserer Existenz erfahren.« Massimos Blick verlor sich in der Ferne.
»Und als du ihr gegenüber stan-
dest?«, fragte ich. »Was hat sie da gesagt?«
»Gar nichts«, sagte Massimo trocken. »Was ich will, hat sie mich gefragt. Eiskalt und ohne Gefühl. Ich solle ihr Leben nicht durcheinanderbringen und verschwinden. Also bin ich gegangen. Ich habe sie nie wieder gesehen.« Plötzlich hatte Massimo den Blick eines uralten Mannes.
*
Wir redeten die ganze Nacht. Am nächsten Tag fuhr Massimo zurück nach Frankfurt und nahm mich mit. Ich wollte nicht, aber er bestand darauf. Und seine Eltern luden mich ein, bei ihnen zu wohnen und zu leben. Als ihre Tochter. Ich bat um Bedenkzeit, wusste aber schon damals, dass ich nach Frankfurt ziehen würde.
Zurück in Bayern kündigte ich meine Wohnung und meinen Job. Vier Monate später zog ich nach Frankfurt. Massimos Vater hatte mir eine Anstellung in seiner Firma gegeben.
Heute gehöre ich zur Familie, und ich bin sehr glücklich. Massimo ist mein Bruder und mein allerbester Freund.
– ENDE –
Nach dem Tod meines Mannes habe ich mich endlich entschlosssen, den Führerschein zu machen. Natürlich brauchte ich in meinem Alter eine ganze Menge Fahrstunden. Aber das war mir nur recht, denn der Fahrlehrer gefiel mir von Stunde zu Stunde besser.