Meiner TageBücher - Arno Reis - E-Book

Meiner TageBücher E-Book

Arno Reis

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Beschreibung

Arno Reis ist in diesen tagebuchähnlichen Texten ein Fährtenleger und Mixer von Realität und Fantasie, Wunsch und Wirklichkeit, Verwirrung und Entwirrung, Traum und Realität.

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„Es soll Menschen gegeben haben, die, sogleich wenn sie einen Gedanken niederschrieben, auch sogleich die beste Form getroffen haben sollen. Ich glaube wenig davon. Es bleibt allemal die Frage ob der Ausdruck nicht besser geworden wäre, wenn sie den Gedanken mehr gewendet hätten, ob nicht kürzere Wendungen wären getroffen worden, ob nicht manches Wort weggeblieben wäre was man anfangs für nötig hielt, welches aber eigentlich doch nur unnütze Erläuterung war, wenigstens für den verständigen Leser.“

Quelle: Lichtenberg, Sudelbuch J, 1789-1794. [J 283]

Georg Christoph Lichtenberg (1742 - 1799), deutscher Physiker und Meister des Aphorismus

Inhalt

Prolog

Ich, der Bogenspanner,

Dialog

mein monatebuch

traum buch

Frachtbuch

Frau im Bild

Tagebuch 2010

oh miranda

zeittüre

Il n'y a pas d'amour heureux

Kanzone in Coelinblau

Istanbuler Tagebuch

nachtwanderung

In Memoriam der ewigen Endlichkeit

Die geheimen Aufzeichnungen des Adolf Brächte

Lautlos im Raum

Spätherbst

Barcelona:

La luz - la sombra / El ilum - l'ombra

Erinnerungsbilder

Über der Stadt

Traumpflücker

Ode an die Spaghetti

Schweigen

Zwilling

Trennbuch der Erinnerung

Grenzverlust

in der nacht von heute

Der Keinvogel stürzt

Meines langen Tages

Zimmer - entlegen

Diese Kladde, rostendrot,

Notate - umgesplittert

Epilog

ich, der bogengeschützte

Prolog

Ich, der Bogenspanner,

schrieb in meinem Sturm und Drang

vielleicht auch im vermeintlichen Jugendzwang

Texte in Sachen / emotionale / Lyrik,

/ gekurzte / Geschichten und / entschreckte / Dramen

wohl blicklos für die / mich umgebenden / Jungfräuleins und Jungdamen

bis die Wirklichkeit / im ehelichen und beruflichen Feld /

mich den frühmals kulturellen Leser und Schreiber

erdete in der täglichen Tage Leben

Ich, der Bogenspanner,

wende die Zeit und begegne ihm

dem Lebensfährmann

lasse mich führen verführen entführen

in stirnverborgene Welten

in die geheimen eines weiten

Glücks auf losen Fährten

Du, mein Fährtenmann

/ Weg / Begleiter in die Welten

im Innen im Außen im Geheimen

ich öffne mich / nicht sichtbar / für die Meinen

quere den / Lebens / Fluß nicht so selten

verhülle mich in der Tage Bücher

Dialog

mein monatebuch

meiner tage buch

blätter nur

tageblätter

digitalblätter

entwicklungsblätter

nur ich

ich nur weiß um die bearbeitungen

betonungen, betonnungen,

windungen verwindungen verschwindungen

über alle tage

nächte wochen

meiner eintextungen.

was möchte ich hinterlassen?

worte bilder kaskaden

frei gelassen entlassen

suche

du in meinen bildertexturen

kehr zurück du

in meiner monate buch

traum buch

du bist mein

buch mit allem.

drin und dran

mit blättern

buch staben zeilen seiten,

mit falz und kniff

bist mir verschlossen

bist mir offen

bist mein inhalt

ich lese: dich,

verstehe dich

interpretiere dich

analysiere dich.

stehe vor dir

geschlossen geöffnet.

du meine

phantasie mit allen

bildern und windungen

allen süchten

ich verstehe dich ohne denken

begreife dich ohne fassen

laß mich fallen in die höhen

laß mich steigen in die tiefen

bin geöffnet vor dir

im tiefen fall gelassen träumend

meine lust du

in meinen köpfen und körpern

unter gehen

will ich immer über all

tauchen will ich

ohne luft durch atmen

verschwimmen

in den unter gang

auf tauchen will ich

wachen im

traum buch

Frachtbuch

Lies in mir.

Dechiffrier meine Chiffren.

Chiffren meiner inneren Welten.

Welten meiner Ängste und Süchte.

Entkleide mich.

Entblöße meine Figuren.

Ertaste meine Figurinen.

Dechiffrier mich.

Spiegel mein Ich.

Wende mich. Schließe mich.

Laß mich ungeschlüsselt verbleiben.

Laß mir dieses Frachtbuch

meiner Gezeiten.

Frau im Bild

Der Sommer hat dich gefüllt

in der Frühe

mit der Fülle

überblühender Gärten von Bauern

die wir uns vorstellen

Essenz des frühen Sommers

gefangen im gepfählten Quadrat

Wieder bin ich gekommen

dich aufzunehmen

im Verblühn

im Gedenken

an das Verweilen der flüchtigen Schönheit

auf meiner Sinneshaut

Gefallen ist die Begrenzung

im Sinnesherbst

in neuer Jahreszeitenwelt

zur Blütenwiedertaufe

Du störst

du auf dem Stuhl

mitten im Bild

prangend lesend

vor meinem Jahreszeitengarten unerwartet

Verweile doch

in meinem Bild im Hier, im Jetzt, im Heute

will dich aufnehmen

im Verblühn gefüllt mit Erinnerung

des Herbstes jetzt

da die Stare auf den Feldern

klirrend sich sammeln

Tagebuch 2010

21.

Küsse

Verweht

gehaucht – gesimst

in zeitlosigkeit getaucht

der zeitklau will

gebändigt werden

22.

schließe die augen

sehe

steg und wasser

wasser und sand

sand und du

du und ich

ich und gefühle

und seeligkeiten

augen geschlossen

sehe wind

und nichts

ist verflogen

23.

wolkenpferde galoppieren

durch meine erinnerungen

während ich

auf dem rad

in den wolken träume

mit windeshand geführt

durch den horizont der unendlich und ich

treffe dich

irgendwo

im nirgendwo

24.

die erde hat mich wieder. wühle

auf meinem schreibisch

lese, sortiere, verwerfe. finde

erinnerungen, vergraben. finde

nicht dich darauf

liegend.

25.

Sündenfall

vögel bis die

schwarz geharnischten ritter

kommen mit

den heißen schwertern in

den tiefen scheiden.

schwefelgehörnte teufel

stehen wache. klatschen

mit ihren schwänzen

nur den eigentakt.

ritter adam steht vor dem baum

hat seine lust verloren. sieht

in fahlem abendneid auf die

rippe mit vögeln

auf der hand.

26.

Am See vorbei

- gewesen

- an Wasser gedacht. Keine

Chance auf

Eintauchen. Mehr

Hoffnung als Frust auf

neues Lieben.

27.

Auf der Wartburg sitzen

Ausschau halten.

Champagner steht bereit

lange gewartet.

Es ist spät

Champagner muß noch warten.

Morgen werden wir trinken.

28.

Der Milchglasmond weht

die Tageswärme deines

Körpers auf

meine Haut.

Gänsehaut erblüht

auf meinem Körper. Traumgedanken

suchen meine Lust. Fressen

meine Ängste. Hinterlassen

auf meiner Lustkarkasse

Bilder vom Morgenlicht auf dem wir

schlafen.

29.

sommersonnen

wind fegt durch mein haar, schließt

mir die augen

in meiner innerwelt greife ich

in die sterne, suche dich, funkellicht

weiß, du bist in der unendlichkeit

ein sommerglück

strahlst länger als

einen sommer.

30.

leben ist rund

in memoriam tante edda

salut an amelie

einmal die gefühlswelt umfahren

gegerbt mit blessuren im lebenswind

alleine von bord gehen und schon süchtig

auf ein neues stück leben

wieder den gefühlsäquator umrunden

runde um runde

in der todesbarke

willkommen im leben

im hier und heute

dränge nicht - du wirst

alles erfahren erleiden genießen

bis die letzte nacht anbricht

das ist leben

31.

mein milchglastraum umspült

deine knospenden lippen

/ sommerstrandtage /

öffne unseren champagner

und du

genieß meinen lippenstift länger

als ingmars sommer.

oh miranda

oh miranda

I like your tanga

oh mirando

I hate your tango

oh john

he is so long

oh janett

this is to forget

oh janett-miranda

he is so long in the nirvana

oh miranda-janett

your nirvana? I forget

oh john-anda

I love your longines and tanga

oh my nirvana-mirando

so long and a guiness after tango

zeittüre

abgeschlossen verriegelt vernagelt

/fremder davor/

verwirrt verlassen

jene zeit mit der stunden schlag

kriecht durch das verschlüsselte loch

im morgen in die nacht hinein

/kein fremder fesselt auf/

abverschlossen geriegelt zernagelt

vor die letzte tür

/entsetzt/

Il n'y a pas d'amour heureux

Ich liebe diese Nächte in

denen es um diese Zeit fast

noch hell ist. Du hörst derweil

Georges Brassens: Il n'y a pas d'amour heureux.

Ein Text von Luis Aragon . Berührt

er dich auf seine Art?

Es ist noch immer hell – fast hell. Und du hörst

„Glückliche Liebe gibt es nicht“? Ich weiß

eigentlich nicht, was Liebe ist. Aber

ich weiß, daß sie so viele Wandelsichter hat: Hass und

Glück,

Verstummen und Sprudeln, Umarmen und Verstoßen.

Kann

Liebe das Ausleben von Hass und

Wandeltraum sein?

Sag mir, bevor der Tag dunkelt,

sag mir, Liebste, magst du das

Leuchten in meinen Augen? Fast

hätte ich geschrieben „wie in deinen Augen“. Sagen

es dir Aragon und Brassens? Aber wie kann

ich dir sagen, daß du das Licht in

meiner Nacht bist? In der Nacht, die immer

den Tag bringt?

Wollen wir –

wollen wir versuchen zu sagen, es gibt sie doch:

Die glückliche Liebe?

Kanzone in Coelinblau

Du bist für mich

die schönste aller schönen Frauen

auch wenn die jungen, die voll

busigen, die high geheelten

meine Augen tanzen lassen.

Aber diese Frauen sind nicht du.

Für mich bist du

die bewußteste aller sich selbst bewußten Frauen

auch wenn viele ihre Köpfe höher tragen als hoch und

mich gekühlt umgarnen.

Trotzdem ist keine der Frauen du.

Du bist für mich

die klügste aller klugen Frauen

auch wenn die taffen Diplomösen und Professösen

mich mit ihrer Beschlagenheit beeindröseln.

Aber welche ist wie du?

Für mich bist du

mein Ein und mein Alles

auch wenn die Verlockungen locken

und ich mich verlockt sonne.

Doch keine Versuchung ist es wert.

Nur du bist

Sehnsuchtssonne ich die Erde,

Mondkühle, ich der Schatten,

Funkelstern, ich der Singer.

Du nur

Bist meines Lebens Glück.

Istanbuler Tagebuch

Spurensuche

21.05.

Berlin tummelt, wimmelt, dürstet

Die Flieger donnern ein und aus über

Hotel und Stadt. Kerosin am Himmel

über Berlin. Benzol in den Straßen von Berlin

und alle Linden grünen.

Im Kopf tummelt und wimmelt und dürstet Urlaubserwarten. Der Derwisch -

wird er tanzen?

22.05.

Über den Wolken, mein Lieber, ist

die Freiheit wohl grenzenlos nicht. Arm an Arm,

Lehne an Lehne, Bein an Bein. Genau so eng

wie unter Hidschab, Niqa oder Tschador. Verschleier

die Dieslichkeit gealterter Frauen. Verdrossen

schließe ich die Augen, sehne mich dir

auf unserer Horizontlinie entgegen,

koste die tiefblaue Unendlichkeit

über den Wolken. Und dann

erschlägt die Mittagshitzensschwüle

bei der Flugzeugentleerung.

Und später

Menschengewusel am Taksimplatz,

auf der Istikal und den Seitengassen. Nur

deine Geruchsspur kann ich

noch nicht aufnehmen.

23.05.

Stufen gegangen, geschritten, gestolpert. Treppen

abwärts, zur Hölle, gen Himmel. Auf den

seit Jahrhunderten ausgetretenen Stufen

alle Gerüche von Jahrhunderten,

nur deine nicht erschnüffelt.

Galathaturm aufwärts aseptisch, auf dem Umgang

ahne ich

Düfte verschleierter, gewägter, verliebter Frauen.

Nicht eine erinnert mich.

In der Hagia Sophia der Moder seit der Eroberung,

mir geruchlosfremd.

In der Blauen Moschee vermisse ich Weihrauch –

ob katholisch ob orthodox.

(Protestantisches Denken?)

Die Frommen reinigen sich vorher, waschen

ihre Sünden ab.

Geruchserinnerungslos zu Gott?

In mir weiß ich:

Dein Geruch strömt überall. Nur – ich will nicht wieder

50 Jahre warten. Laß mich

Al Pacino sein und den Duft

der Frauen finden.

24.05.

Am Vormittag schon Trüffelhund herausgelassen.

In der Bahn bis Sultanahmet dünstet neben mir

Lebensknoblauch – nicht meine Sehnsucht.

In den Pavillons des Topkapi hat die Revolution

alle Gerüche verweht.

Keine Erinnerung an Rosen, Jasmin, Neid, Haß oder Lust.

Nur Kacheln,

bunte, blaue, erinnerungslos. Keine Vorstellung

von geilen, verschlagenen, demütigen

Eunuchen. Kein Angstschweiß,

keine Schreie der Prinzen

die beseitigt werden müssen. Erinnerungslos

die vergangene Pracht. Kein Besucher

trägt deinen Duft - noch nicht mal den

der Seife Maja.

25.05.

Istanbul, du Multimillionenstadt, warum hast Du

in diesem Mai so wenige Gerüche?

Selbst die Abgase der wimmelnden, hupenden,

drängenden Autos,

der sich quetschenden Taxen, der Arbeitslaster,

der Müllabbelader am späten Abend

entschweben so schnell und wenig verbleibt

für den Erinnerungshauch.

Kurzzeitig der Geruch von Meer, Algen und Jod:

Frische Fische in den Auslagen. Ach ja:

Die Lösung ist so einfach -

Möwen.

Auf den Himmelslärchen vor meinem Balkon:

Möwen mitten in der Stadt

- bei mir zu Hause schreien die Tauben.

Das Goldene Horn, der Bosporus, das Marmarameer

prägen die Millionenstadt voller Winde.

Möwen die Meeresboten.

Deswegen sind alle Gerüche,

die lustvollen, die stressigen, die lässigen, die sinnlichen,

schneller verflogen als das Parfum auf der Haut.

Dolmabace-Palast: Türkische Adaption des

europäischen Pomps der Gründerjahre.

Will ich das sehen?

Ja, um deinen Dunst zu erahnen. Doch da liegt

die Samstagsschlange

vor der Kasse – ich verzichte.

Werde dich dort nicht finden.

Lieber mit dem Ausflüglerschiff von Kabatasch

zu den Prinzeninseln: Auch Prinzessinnen

sollen dort fern der Macht gehalten worden sein. Bist du

meine Prinzessin, die von meiner Duftsucht ferngehalten

werden soll?

Unterwegs

nur leiser Atem von Salz und Wasser. Dafür Liebende,

verschämt, glücklich, heimlich zusammen

bei´m Ausflug übers Wasser.

Wie schön ist das – mit Schleier, mit allem was

Muslimstrenge erwartet – aber

darunter ist Herz, ist Gefühl, ist Jungsein, Verliebtsein,

ist Menschsein.

Bist du meine

muslemische Prinzessin?

Zurück:

In der Nähe des Taksimplatzes:

Auflauf, Flucht, Verfolgung, Tränengas: Rote

Bannerträger skandieren. Versteckspiel

mit martialischer Polizei.

Aber diesen Tränengasreiz suche ich nicht.

Am Abend,

wie immer in diesen Tagen, sitzen,

essen, trinken, sehen, hören. Die Jungen

leben ihr säkulares Leben in Sommerzügen.

Geruchsbilder in meinem Kopf. Oh wär ich doch

Süßkinds Jean-Baptiste Grenouille.

26.05.

Sonntag - ganz Istanbul unterwegs - auf den Straßen,

in den Parks,

unter Bäumen. Beim Flanieren, beim Einkaufen.

Und in allem

Touristensehenswürdigkeit. Schlange um Schlange.

Und alle können warten,

haben wohl alle die Sonntagsmuße. Nur ich nicht.

Die unendliche Schlange vor dem "versunkenen Palast"

schreckt mich. Will keinen Hitzekoller.

Tröste mich damit, daß das Wasser der Zisterne

seit Kaiser Justitianus

keine Erinnerungsgerüche speichert. Und wenn doch –

wäre dein Duft nicht längst

verflogen?

Also jetzt Süleymaniye-Moschee. Die Vollkommene - auch

im Duft die vollkommene? Die Tücher vor der Moschee,

mit denen sich säkulare Frauen verhüllen –

könnte auch ich sie nehmen, mein Gesicht verhüllen,

im Stoff schnüffeln, tief einsaugen? Vielleicht ist

dein Geruch darin gefangen?

Aber zu viele

haben die Tücher inzwischen getragen. Wie soll ich dich

darin erreichen?

Will noch mal den Geruch im Großer Basar

aufnehmen - er verweigert sich.

Geschlossen.

Sonntag.

Beim Essen der süße aufdringliche Geruch

der Wasserpfeifen. Schnell verflogen.

Später: Neffen treffen, trinken im altehrwürdigen

englischen Hotel, dann

in Kochschule essen – Gewürze schnuppern –

kein sinnlicher Duft – ein Nichts.

Und die Derwische können wir auch nicht

in ihrer Trance sehen –

Emotion geschlossen.

27.05.

Sind meine Traumgeruchswünsche, meine Geruchsträume

von dir nur Spiegelung

meiner Wünsche in meinen Tagträumen? Gibt es dich

in meiner Wirklichkeit? Sollte ich lieber

schmecken, fühlen, tasten? Wie

kann ich meine Erinnerungen an dich finden? Vielleicht

bist du nur in meinen Innwelten

die sanftmilde Europäerin.

Also

setze ich über das Azurwasser des Bosporus - so blau

wie die Kacheln der berühmtesten Camii –

setze über nach Üsküdar. Hier beginnt doch

das unendliche Anatolien. Auch das animalische, bigotte,

geruchsverrückte, erinnerungsgefüllte. Und da werde ich -

endlich? -

deine Duftspur finden?

Nein, es ist alles anders: Meine Phantasien täuschen mich,

treiben ihr Spiel mit mir. Hier ist es nicht so hektisch,

Märkte mit körperlichsinnlichen

Obst- und Gemüseständen,

mehr traditionell verhüllte Frauen. Sie lassen

keinen Geruch an mich heran. Der Blick

vom Schamlika-Hügel über alle Gewässer

raubt mit den Atem. Istanbul und alle Moscheen

liegen mir zu Füßen als hätte ich

dich gefunden. Die vielen Menschen hier

verweilen - ach, das klassische Zitat. Entrückt. Dem

Himmelsseelenfrieden so nah –

Seelenfrieden, Inneres Glück - fast könnte ich

die Suche nach dir vergessen.

Träfe ich dich jetzt,

würde ich dich unter der Kleidung erkennen?

28.05.

Fast alle laufen mit Wasserflaschen, trinken ständig.

Es liegt was in der Luft - aber ich singe es nicht, erspüre es

nicht. Das Salz des Meeres

kann es nicht sein. Ist es scharf, ätzend, überaromatisiert?

Es ist nicht

der Duft, den ich mir erträume.Weiter

deine Düfte suchen. Im alten Griechenviertel Fenner.

Den Fährableger nicht gefunden, aber

ein Taxi bis zum Chora-Kloster. Beeindruckt

von der Glaubenspracht, die unter Putz und weißer Farbe

zu Zeiten der Moschee verborgen war.

Nur Touristen, Führer, Kameras - noch nicht mal

Geruch von Putz und Farbe und Restaurierung.

Neuer Taxifahrer - er zeigt das noch Unbekannte. Was

versteht er von Gerüchen?

Fahrt ans Ende des Goldenen Horns - oben

mit weitem Blick

wurde aus dem Kaffeehaus der romantischen Liebesgeschichte von Pierre Loti

ein Ausflugslokal - seine Liebe Aziyadeh

verstarb vor seiner Rückkehr – sie hinterließ literarische

Spuren. Und beide

hinterlassen Spuren an den Kaffeehauswänden –

Erinnerungpilgern

so vieler. Aber beide

erinnerungsgeruchlos.

Wer hinterläßt Geruchsspuren auf dem angrenzenden

Friedhof hinter der Wallfahrtsmoschee Eyp?

Immerhin: Dort soll Mohammeds Fahnenträger

begraben sein (auch wenn er schon beim ersten,

aber vergeblichen Eroberungsversuch 668 umkam.)

Sein Auffinden nach 8 Jahrhunderten - ein Wunder, bewirkt durch einem Engel,

einen geruchslosen? Nahm der Engel