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Eigentlicher Anlaß dieses Bandes war die Aktualisierung von "Wir sind Fremde - fast überall". Doch dann schlagen Corona, die Pandemie und Quarantäne, voll zu. Und es kommt die Erinnerung an Boccaccio il decamerone. In Anlehnung an Boccaccio eine komplette Neukonzeption: 10 Themen mit je 10 Texten. Jedem Thema wird eine Fotografie oder Bild oder Grafik vorangestellt - damit konzeptioneller Anschluß an die Foto-Lyrik des Bandes "Wir sind Fremde - fast überall". Hier liegt jetzt die zweite, erweiterte Auflage vor.
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Seitenzahl: 47
Die Freiheit ist immer die Freiheit des Andersdenkenden.
Rosa-Luxemburg
(Die Russische Revolution)
In Zeiten der Quarantäne
Am 13. Juli 1977
coronata
Auf einen Calvados
was bleibt
Markgrafenheide coronata
heilige corona
Tagebuch 30.04
echokammer
Verschwörung
… und ich sauge Lyrik
Liebestraum
In diesen Dunkelnächten
Lippen
Linea nocturna
die liebe die nicht sterben will
Mein Stern
kleines gedicht zum traumbaum
Himmelstango
Über die Zeiten
Einheit in Zweiheit
Wolf
auf bruch
Blühende Landschaften
Wandelbaum
Es hätte anders kommen können
Auferstanden aus Ruinen
vor dem überseehafen
Grenzverlust
unter der brücke vereinigt /sich/
Zeittüre
mi triste amor cubano
La Habana: Mi amor
Kubanische Flamingos
Una Cuba libre?
No es fácil
Lacrimas y sueňos
Nebukadnezar
schüttele
Ich sterbe und La Habana bleibt
Ibrahim y quizas
Verunsicherter Stern, buntlos auf Rot
Flucht und Fremde
verborgen
Kein Erzählzauber
Angst in der Luft
frauentrauben
Europa der Risse
danach
fremde – fast überall
ofenwind
Ende der Worte
Europa du vergeßliche du
Dunkelgedanken
hinter der nebelwand
Nachtasyl
aufgehoben
Ein Geheimnis
aufbruch
Wende
Schmerzensfieber
im stachelschutz
Mi Corazón
Dein Aufbruch:
Schattensprung?
Nonsens und Wortgespiel
zauberspruch
Das Einhorn
Ich zieh sie nieder
Mir juckt die Feder – ich verschweigs
oh miranda
Weihnacht
Im Gras da riecht der kleine Hüpfer
auf ein neues
Spiel mir
Kochen wollte ich
graupensuppe
sand und mehr
Markgrafenheide
exclave
In diesen Dunkelnächten
Gebet zum Hühnergott
orpheus
Mövennebel
herbststurm
seebestattung
Verloren im Sand
Schneestand im Bild
alle sinne
Abendgedanken
du schöne
melancholie
Über Tag, da lebt
Kochen und Schreiben - Essen und Lesen
mohn – mon amour
irre / lust
Ode an die Spaghetti
ertränke deine gedanken worin
Verführung
nullum diem sine mea
Salut an L
leben ist rund
An Amelie
Beim Betrachten meiner Bibliothek
Oh du unsere Malou
Hexenzeit
brennendes herz
Für Max
ich habe keine zeit
In Memoriam HSch
Lebensbogen
Am 13. Juli 1977 gingen in New York um 21.36 Uhr die Lichter aus.
Horden marodierten, plünderten Geschäfte, setzten ganze Häuserblocks in Brand. Der finanzielle Schaden reichte in die Milliarden.
Und Eheleute - sie hatten sich nichts mehr zu sagen, der Fernseher hatte Mattscheibe - begaben sich ins Bett. Und neun Monatespäter war der Babyboom sichtbar. Heißt es.
Die Pandemie nach dem Ende des Ersten Weltkriegs, die Spanische Grippe, raffte je nach Zählweise zwischen 25 und 50 Millionen dahin. Der Erste Weltkrieg soll dagegen „nur“ 20 Millionen Tote gehabt haben.
Man hatte keine wirksamen Medikamente gegen die Spanische Grippe, erst recht keine Impfung. Es blieb die Quarantäne bis alle Überlebenden immun waren.
Pandemien wie der Schwarze Tod, Pest, Pocken, Fleckfieber gab es in der Geschichte immer wieder. Die Bevölkerung wurde dezimiert, die kräftigsten überlebten. Arbeitskräfte wurden knapp, sie konnten deswegen bessere Einkommen aushandeln. Die Schere zwischen Armen und Reichen schloß sich so lange, bis es wieder einen Überhang an Arbeitskräften gab.
Giovanni Boccaccios Il Decamerone ist vielleicht noch in Erinnerung: Im Sommer des Jahres 1348 wütet die Pest in Florenz – Boccaccio beschreibt alles sehr detailliert und manches erinnert an unser derzeitige Pandemie.
Sieben junge Frauen und drei jungen Männer (von wegen männliche Dominanz), fliehen aus Florenz in ein nahe gelegenes Landgut. Begleitet werden sie von ihren Bediensteten. Die zehn jungen Leute erzählen sich in zehn Nächten hundert Geschichten mit denen sie die Leidenschaften und das Leben feiern: Liebeserzählungen, Überlebenserzählungen, sinnliche Erzählungen.
Die alte heilige Zahl Zehn ist das Gliederungsgerüst – an die Zehn Gebote erinnern wir uns manchmal – Ungläubige nennen sie lieber die Zehn Verbote. Boccaccio orientierte sich wohl an Dantes Göttliche Komödie, die in hundert Gesänge gegliedert ist. Damals galt die Hundert als vollkommene Zahl.
Boccaccio`s Novellensammlung ist eine frühe literarische Aufarbeitung der Quarantäne durch Flucht vor einer Epidemie, einer Pandemie.
Die Geschichten in Il Decamerone haben oft eine erotische Essenz, besonders der Klerus, Nonnen, Patres, zu alte Ehemänner und sinnliche junge Frauen bekommen da ihr Fett weg.
Deswegen landete Il Decamerone auf dem Index der verbotenen Bücher. Der italienische Dominikaner Savonarola ließ alle Exemplare, die er erlangen konnte, verbrennen – es nutzte nichts.
Erzähle ich heute eine solche Geschichte, heißt es naserümpfend „Du mit deinen Fantasien“ oder zumindest „ Träum nur weiter“.
Die vor über 100 Jahren erschienene Novelle „Tod in Venedig“ von Thomas Mann kennt die Cholera: Seine Figur Aschenbach verfällt der obsessiven Liebe zu dem Jungen Tadzio, verbindet sein Schicksal mit dem der untergehenden Stadt und dieser stirbt konsequenter Weise dort.
Jetzt haben auch wir eine Pandemie. Den Coronavirus, korrekt Covid-19. Und sind freiwillig-unfreiwillig zu Hause eingesperrt.
Also wieder Quarantäne auch wenn sich inzwischen alles gelokkert. Abstand und Masken sind angesagt. Statt sich des Über-Lebens zu freuen, rottet man sich gegen die vermeintliche Beschneidung der bürgerlichen Freiheiten zusammen.
In manchen Familien nahmen die Aggressionen bis hin zu körperlicher Gewalt zu. Für andere wurde es eine Zeit der Hinbesinnung, der Umbesinnung, der Hirnbesinnung, der Wie-derbesinnung, der Endbesinnung, vielleicht auch der Schlußbesinnung.