Memento - Matt Basanisi - E-Book

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Matt Basanisi

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Beschreibung

Ein Toter mit brisanten Informationen und eine nukleare Bedrohung unerreichten Ausmaßes – Band 2 der packenden und von wahren Ereignissen inspirierten Thriller-Reihe mit David Keller

Bern, 2004: Nach seiner Rückkehr in die Schweiz ermittelt David Keller im Fall eines ermordeten UNO-Diplomaten in Genf und wird in den Schweizer Nachrichtendienst versetzt. Als Geheimagent wider Willen macht sich Keller auf die Jagd nach Abdul Qadeer Khan, dem Vater der pakistanischen Atombombe und fanatischen Anführer eines geheimen Netzwerks von Nuklearwaffenhändlern. Unvermittelt findet sich Keller in einer globalen Schattenwelt skrupelloser Geschäftsmänner, Diktatoren und Geheimdienste wieder. Als Keller selbst zur Zielscheibe der CIA wird, beginnt ein Wettlauf gegen die Zeit. Beim Versuch, eine nukleare Katastrophe zu verhindern, tauchen plötzlich die Geister der Vergangenheit wieder auf – jene, die er bereits für tot erklärt hatte.

Die Realität schreibt die spannendsten Geschichten! Lesen Sie auch »Skorpion« (Band 1).

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Seitenzahl: 466

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Buch

Bern, 2004: Nach seiner Rückkehr in die Schweiz ermittelt David Keller im Fall eines ermordeten UNO-Diplomaten in Genf und wird in den Schweizer Nachrichtendienst versetzt. Als Geheimagent wider Willen macht sich Keller auf die Jagd nach Abdul Qadeer Khan, dem Vater der pakistanischen Atombombe und fanatischen Anführer eines geheimen Netzwerks von Nuklearwaffenhändlern. Unvermittelt findet sich Keller in einer globalen Schattenwelt skrupelloser Geschäftsmänner, Diktatoren und Geheimdienste wieder. Als Keller selbst zur Zielscheibe der CIA wird, beginnt ein Wettlauf gegen die Zeit. Beim Versuch, eine nukleare Katastrophe zu verhindern, tauchen plötzlich die Geister der Vergangenheit wieder auf – jene, die er bereits für tot erklärt hatte.

Autoren

Matt Basanisi, geboren 1966, wuchs als Kind einer deutschen Mutter und eines italienischen Vaters am Bodensee in der Schweiz auf. Basanisi ist ausgebildeter Polizist und Kriminologe. Im Anschluss an einen Militäreinsatz für die Schweizer Armee im Kosovokrieg zur Jahrtausendwende trat Basanisi der Abteilung Organisierte Kriminalität der Schweizer Bundeskriminalpolizei bei, ab 2005 dann für mehrere Jahre dem internen Ermittlungsdienst der Vereinten Nationen. Matt Basanisi ist Absolvent der Masterclass AutorIn / SchriftstellerIn der Buch Akademie Berlin.

Gerd Schneider kam 1974 als jüngstes Kind eines Polizisten und einer Küsterin zur Welt. Er studierte Katholische Theologie in Bonn und Wien und bereitete sich auf das Priesteramt vor. Nach dem Diplom begann er ein Regiestudium an der Filmakademie Baden-Württemberg. Sein Spielfilmdebüt »Verfehlung« über den Umgang der katholischen Kirche mit sexuellem Missbrauch feierte 2015 seine Kinopremiere und gewann zahlreiche nationale und internationale Preise. Gerd Schneider dreht TV-Filme und arbeitet derzeit an einem neuen Kinoprojekt.

Matt Basanisi & Gerd Schneider

MEMENTO

Thriller

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.Der Verlag behält sich die Verwertung der urheberrechtlich geschützten Inhalte dieses Werkes für Zwecke des Text- und Data-Minings nach § 44 b UrhG ausdrücklich vor. Jegliche unbefugte Nutzung ist hiermit ausgeschlossen.Dieses Buch ist ein Roman und kein Tatsachenbericht. Das Beschriebene hat sich so nicht ereignet. Trotz der von den Autoren in künstlerischer Freiheit gewählten fiktiven Handlungsabläufe mögen im Einzelfall Anklänge an Verhaltensweisen lebender oder verstorbener Personen oder an öffentlich bekannte Unternehmen nicht immer vermeidbar gewesen sein; dies ist aber von der grundgesetzlich geschützten Freiheit der Kunst umfassend geschützt.

Copyright © 2024 Matt Basanisi und Gerd Schneider

Copyright 2024 by Blanvalet in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 München

Redaktion: René Stein

Umschlaggestaltung: Johannes Wiebel | punchdesign; unter Verwendung von Motiven von stock.adobe.com (kichigin19; INTERPIXELS)

JaB · Herstellung: DiMo

Satz: Uhl + Massopust, Aalen

ISBN 978-3-641-30192-7V001

www.blanvalet.de

»Ich weiß nicht, welche Waffen im Dritten Weltkrieg zum Einsatz kommen, aber für den Vierten kann ich es mit Sicherheit sagen – Steine!«

Albert Einstein (1879–1955), theor. Physiker, geb. in Ulm, 1896–1901 staatenlos, ab 1901 Schweizer Bürger, ab 1940 auch Bürger der USA. Forschungen zu Materie, Raum, Zeit und Gravitation; Hauptwerk ist die 1915 publizierte Allgemeine Relativitätstheorie. Nobelpreis für Physik 1921.

Das Buch ist durch wahre Ereignisse inspiriert.Einige Figuren, Namen, Unternehmen, Begebenheiten und Orte wurden aus dramaturgischen Gründen fiktionalisiert.

Prolog

Entebbe, Uganda September 2004

Er lag auf dem Rücken und sah hoch in den stahlblauen Himmel. Ein Schwarm Bergdohlen zog seine Kreise über dem verschneiten Tal. Plötzlich stob die Gruppe auseinander – ein mächtiger schwarz gefiederter Geier hatte sich unter die Gruppe gemischt.

Er konnte die wärmenden Sonnenstrahlen auf seinem Gesicht spüren. Aber wieso war ihm dann so furchtbar kalt? Und wenn er die Augen öffnete, traf ihn das grelle Licht mit jedem Mal schmerzhafter.

Und weshalb war er plötzlich so schrecklich müde?

Wieder öffnete er die Augen. Noch immer war der Geier da, noch immer auf der Suche nach Aas. Verschwinde!, rief er ihm zu, aber der Vogel stürzte sich mit gestreckten Krallen und laut kreischend auf ihn herab. Dann tauchte plötzlich Julie neben ihm auf, der Raubvogel drehte endlich ab und verschwand. Julie ließ sich in den Schnee fallen, zog ihre Jacke aus und deckte ihn sanft zu. »Hier, du Dummkopf!« Sie lachte. Dann nahm sie seinen Kopf und bettete ihn auf ihren Schoß. »Alles gut, du musst jetzt schlafen, David.«

1

Bern, fünf Monate zuvor

Kim Jong-nam sah David Keller mit einem selbstgefälligen Lächeln an, das dem Schweizer schon seit Beginn des Gesprächs auf die Nerven ging. Annähernd so schlimm war Jong-nams schlecht sitzender grauer Anzug mit zu breiten Schulterpolstern.

»Mister Keller. Ich kann mich nur wiederholen: Ich glaube nicht, dass die Botschaft der Demokratischen Volksrepublik Korea Ihrer Behörde weiterhelfen kann.«

Keller tat einen tiefen Atemzug, auch zum wiederholten Mal. An der Wand hinter dem Schreibtisch des hageren Kim Jong-nam hing das Porträt des ungleich fülligeren Kim Jong-il, des Obersten Führers Nordkoreas. Auch der Oberste Führer lächelte, als wäre er zweifelsohne zufrieden mit der Arbeit seines Untertans.

»Herr Botschafter, wenn Sie sich die beiden Fotos vielleicht noch mal genauer ansehen würden? Denn dann würden Sie zum selben Schluss kommen wie wir: Dass der Verstorbene auf der Aufnahme der Genfer Gerichtsmedizin hier …« – Keller schob die schmucklose Nahaufnahme des Ermordeten wieder in Richtung des Diplomaten und legte ein vergrößertes Ausweisbild des Schweizer Außenministeriums daneben – »… Pak Pong-ju ist in der Schweiz als Erster Kulturattaché Nordkoreas akkreditiert. Mit anderen Worten, Ihr Mitarbeiter.« Keller sah sein nordkoreanisches Gegenüber mit Nachdruck an. »Dieselbe kleine Narbe über dem linken Auge? Die identischen zwei Muttermale auf der Wange links? Nein?« Die Mitteilung in Kellers Blick war klar: Verkauf mich bloß nicht für blöd, du Arschloch.

»Ich sehe keine Übereinstimmung. Tut mir leid.«

Keller lächelte, eine andere Antwort hatte er auch gar nicht erwartet. Für Sekunden zeigte die Miene des Botschafters keinerlei Regung, sein starrer Blick war auf Keller gerichtet, der ihn auf gleiche Weise erwiderte. Dann zuckten die Augen des Nordkoreaners nach unten, huschten über die Aufnahmen auf der Tischplatte – die morbide Anziehung der Leichenfotos war stärker, und es funktionierte fast immer.

»Sie bleiben also dabei? Der Ermordete ist nicht Mister Pak Pong-ju?«, setzte er deshalb nach.

»Es gibt keinen Grund, mich Ihrer Schlussfolgerung anzuschließen.«

»Nun, es wäre Mister Pong-ju tatsächlich zu wünschen, dass er nicht das Opfer auf den Fotos ist. Was dann ja bedeutet, dass einem Treffen mit Mister Pak nichts im Weg stehen sollte, nicht wahr?«

Wieder verlor der Botschafter kurz die Kontrolle über seine Augen, was seinen Blick durch die Brille, Modell 1983, noch schmaler erscheinen ließ. Ein erfolgreicher Pokerspieler wäre aus Kim Jong-nam jedenfalls nicht geworden, ebenso wenig wie ein erfolgreicher Lügner. Doch im Gegensatz zu einem gewöhnlichen Staatsbürger, der eines Mordauftrags beschuldigt wurde, zählte dies mit Sicherheit zu Botschafter Kims geringsten Sorgen, denn nach Artikel 31 des Wiener Übereinkommens über diplomatische Beziehungen würde er selbst dafür nie vor Gericht erscheinen müssen.

»Mister Pong-ju ist nach Pjöngjang abgereist.«

Keller hob die Augenbrauen. »Oh, wie bedauerlich. Und wann erwarten Sie ihn zurück?«

»Über diplomatische Entsendungen entscheidet das Zentralkomitee für außenpolitische Dienste in Pjöngjang, unter Leitung unseres Großen und Geliebten Führers.«

»Ich verstehe«, meinte Keller gereizt. »Und wann rechnen Sie mit seiner Rückkehr?«

»Unser Großer und Geliebter Führer wird das Zentralkomitee mit seinen weisen Worten zu einer richtigen Entscheidung führen.«

Keller nickte stumm. Der Große Führer zum Zweiten.

»Anders gesagt, Herr Botschafter: Mister Pak Pong-ju wird also nicht mehr in die Schweiz zurückkehren? Ist es das, was Sie meinen? Was unter den gegebenen Umständen tatsächlich keinen Sinn ergeben würde.« Keller hatte sich da bereits erhoben und begann, die Fotos des Ermordeten auf dem Schreibtisch einzusammeln. »Wieso auch? Wofür einen toten Kulturattaché nochmals auf Dienstreise schicken?«

Botschafter Kim faltete die Hände auf der Schreibunterlage und blickte Keller nur stumm an – das Gespräch war beendet.

Keller verließ den Raum grußlos, eine förmliche Verabschiedung hatte sich seiner Meinung nach erübrigt. Zügigen Schrittes ging er den kurzen Flur entlang, die Stufen hinunter ins Erdgeschoss und trat ins Freie. Noch bei seiner Ankunft war er durch Botschaftspersonal empfangen worden. Nun schien das Gebäude wie verlassen, was allerdings kaum den Tatsachen entsprach, denn ohne Zweifel waren in Kims Büro Mikrofone installiert und das Gespräch in einem Nebenraum aufmerksam verfolgt worden. Und so, wie ihre Unterredung geendet hatte, schien man jetzt auf nordkoreanischer Seite ebenfalls auf jedwede Höflichkeitsgeste verzichten zu wollen.

Noch war der Frühling ein paar Wochen entfernt, die Wolken hingen tief, aber zumindest hatte es aufgehört zu regnen. Draußen angekommen, blieb Keller auf dem Vorplatz stehen und steckte sich eine Zigarette an. Das Botschaftsgebäude lag in einem ruhigen Wohnquartier im Süden Berns, in einem zweistöckigen Herrschaftshaus aus dem Neoklassizismus, dem eine gründliche Renovierung mehr als gutgetan hätte. Die steinerne, von Rissen durchzogene Grundstücksmauer war noch zusätzlich von mannshohen Thujasträuchern umstanden, die jeden Blick von außen auf das Gelände unmöglich machten. Die Politik der radikalen Abschottung galt auch für die diplomatischen Vertretungen des totalitären Landes. Im ebenfalls nicht sonderlich gepflegten Innenhof standen ein Apfelbaum und eine mächtige, zwanzig Meter hohe Tanne.

Das pechschwarze Gefieder eines Kolkraben schimmerte durch das Geäst im Wipfel des Nadelbaums. Es war eigentümlich still um ihn herum, nur der Vogel beäugte ihn aus glänzenden Knopfaugen und stieß ein Krächzen aus, einmal, zweimal, dreimal.

Keller konnte die Blicke in seinem Rücken spüren und sah zum Botschaftsgebäude hoch. Am geschlossenen Fenster seines Büros im ersten Stock stand Botschafter Kim, neben ihm eine zweite Person. Während Kim ihn, David Keller, starr betrachtete, sprach der zweite Mann angeregt ins Telefon.

Es war wohl an der Zeit, nordkoreanisches Territorium zu verlassen. Keller nahm einen letzten Zug, entsorgte die Kippe in einem zerbrochenen Tongefäß neben den Eingangsstufen und betrat durch das schmiedeeiserne Tor Schweizer Boden.

Ein Zeitungsbote war auf die spärlich befahrene Pourtalèsstraße eingebogen und begann mit der Zustellung der neuesten Nachrichten an die Nachbarschaft. Die Botschaft Nordkoreas wurde nicht bedient.

Die Haltestelle Muri der Tramlinie 6 lag nur wenige Gehminuten nordöstlich. Keller machte sich auf den Weg und schickte Pius eine Textnachricht.

Nichts …

Die zweigeteilte Antwort kam sogleich.

War ja klar, und dann: Haben dafür das Okay aus Wienm

Es war in der Tat eine gute Nachricht.

Der Kulturattaché war an einem kalten Dienstagmorgen vor zwei Wochen erdrosselt aufgefunden worden, zusammengesunken auf einer Parkbank im Botanischen Garten im Genfer Stadtteil Pregny-Chambésy, in Sichtweite des Völkerbundpalasts, dem UNO-Hauptquartier. Seinen Namen kannte da noch niemand. Ein Mann, offensichtlich asiatischer Herkunft, vielleicht fünfzig Jahre alt, aber ohne irgendwelche Dokumente bei sich. Auch seine Fingerabdrücke waren in keiner Datenbank gespeichert. Ein Zeugenaufruf der Genfer Polizei blieb bisher ohne Ergebnis.

Die Todesursache, Atemstillstand durch Erdrosseln, war noch am selben Tag festgestellt worden. Eine erste Andeutung, dass die Hintergründe der Tat von größerer Tragweite sein könnten, kam nur Stunden später: Beim Entkleiden des Opfers im Vorfeld der Obduktion stellten die Gerichtsmediziner fest, dass im Hosenbund des Ermordeten ein daumengroßer Gegenstand eingenäht war: ein USB-Stick.

Nur drei Tage später hatte sich eine Delegation von Genfer Staatsanwaltschaft und Polizei auf den Weg nach Bern gemacht, im Gepäck die Auswertungen der Daten auf dem Datenträger mit der entscheidenden Einschränkung: Soweit die Genfer Behörden überhaupt in der Lage waren, die Informationen zu bewerten – denn nebst diversen Lieferverträgen, Bankdokumenten und Überweisungsbelegen befanden sich auch hochkomplexe technische Zeichnungen darunter, für eine Strafverfolgungsbehörde nicht einzuordnen. Auf den vagen Verdacht hin, die Daten auf dem USB-Stick könnten in irgendeiner Weise im Zusammenhang mit Nukleartechnologie stehen, wurde ein erster Kontakt zum Conseil Européen pour la Recherche Nucléaire hergestellt, kurz CERN, ebenfalls mit Sitz in Genf.

Von da an ging alles sehr schnell: Die Wissenschaftler der Europäischen Organisation für Kernforschung bestätigten den Anfangsverdacht der Genfer Behörden und wiesen auf die ihrer Meinung nach erhebliche Brisanz der Unterlagen hin. Vermutlich handle es sich unter anderem auch um Baupläne für Vakuumpumpen zur Hochanreicherung von Uran, sprich waffenfähigem Uran, dessen einziger Verwendungszweck im Bau von Atomsprengköpfen liege. Als letzte Empfehlung rieten die CERN-Wissenschaftler, sich mit dem Material an die IAEA in Wien zu wenden, und zwar umgehend.

Weshalb auch immer der Asiate sterben musste, weshalb er diese sprichwörtlich explosiven Informationen bei sich trug und wer auch immer hinter der Tat steckte – in einem Punkt bestand für die Genfer Strafverfolgungsbehörden kaum Zweifel: Der Mord musste mit diesem Datensatz in Zusammenhang stehen, und damit war der Fokus für die Mordermittlung gelegt: die Verbreitung von nuklearen Massenvernichtungswaffen. Und diese Thematik fiel in die Zuständigkeit der Bundesbehörden in Bern.

Dass der Bundesanwalt die Untersuchung an die frühere Genfer Staatsanwältin Danielle Gonnet übertrug, war nur logisch. Fast genauso vorhersehbar schien, dass es Pius Moser getroffen hatte, den Gonnet nach Durchsicht der Akten bat, sich doch bitte unverzüglich bei ihr zu melden.

Dass Pius nach der Besprechung mit Gonnet grinsend im Türrahmen von David Kellers noch karg eingerichtetem Büro aufgetaucht war – dafür gab es allerdings mehrere Gründe.

Keller warf einen Blick auf die Uhr. Seinen nächsten Termin hatte er mit Pius, ein Mittagessen. Es war kurz nach zehn Uhr, allemal Zeit genug für einen Kaffee. Das Wetter hatte aufgeklart, und er beschloss, bereits am Helvetiaplatz aus der Tram zu steigen. Sein Ziel befand sich auf der anderen Aare-Seite, am Ende der fast 250 Meter langen Kirchenfeldbrücke mit ihren jedes Mal aufs Neue beeindruckenden, majestätischen Doppelbögen.

Keller betrat das behagliche Adrianos Café, bestellte einen Espresso mit Butterhörnchen und setzte sich an den Ecktisch neben der Zeitungsauslage. Sein Blick fiel auf eine Schlagzeile von Italiens pinkfarbener Sportzeitung La Gazzetta dello Sport:

0:0 contro Irlanda! Brasile, che beffa!

Kellers Meinung nach ein etwas sehr hysterischer Aufmacher, dass Brasilien sich zum Gespött gemacht hatte, handelte es sich doch um ein Freundschaftsspiel. Aber eben: Brasilien war bei der WM 2002 in Südkorea und Japan vor zwei Jahren Fußballweltmeister geworden, Italien im Achtelfinale rausgeflogen, und das gegen Südkorea! Italiens gequälte Fußballseele tröstete sich im Spott.

David überflog den kurzen Spielbericht, amüsiert erst, doch unweigerlich glitten seine Gedanken fort, zurück an den Ort, an dem er noch bis vor wenigen Wochen eine Zukunft gesehen hatte; aus der nichts geworden war, weil es letztlich eine Flucht gewesen war, vor sich selbst und ohne Ziel.

Seine Rückkehr nach Brasilien, in die Favela Chapéu Mangueira zu Davinho und zu Ana, hätte der Beginn von etwas Neuem sein können, so glaubte er zumindest. Das tödliche Ende der Jagd nach dem Narcos-Geldwäscher Walter Baumann, Julie Banks Verrat und noch dazu von seiner eigenen Regierung hintergangen worden zu sein – all das hatte ihn schwerer getroffen, als er wahrhaben wollte. Er hatte nur noch weggewollt, wollte etwas anderes versuchen. Was genau, das hatte er selbst nicht gewusst.

Und so war er einfach mit Davinho und Ana mitgelaufen, hatte sie bei ihrer Arbeit in Chapéu Mangueira und Babilônia begleitet, jenem trostlosen Armenviertel in den steilen Hügeln rund um die glitzernde Copacabana, wo Gewalt und Stärke alles, Recht und Gesetz hingegen nichts bedeuteten.

Er hatte Rafael, den sechzehnjährigen Anführer einer Jugendgang kennengelernt, ein Kind noch, der seinen ersten Mord mit zwölf begangen hatte; sieben weitere waren dazugekommen. Im Gefängnis hatte der Junge noch nie gesessen, die Polizei hatte die Favelas sich selbst überlassen, der Staat längst kapituliert. Dann waren da die Väter und Mütter, Brüder und Schwestern der Opfer, die trotz allem die Hoffnung auf ein besseres Leben nie aufgegeben hatten. Es waren Dinge, von denen er gehört und gelesen hatte, tägliche Tragödien im Leben von Menschen, aber fernab seines eigenen. Nun hatte er sie gesehen. Und er würde sich sein Leben lang an sie erinnern.

Sosehr diese Erlebnisse tiefen Eindruck bei ihm hinterlassen hatten, so großartig er Davinhos und Anas Arbeit fand – womit er nicht gerechnet hatte oder nicht so bald, war die kaum erklärbare Leere, die sich nach und nach bei ihm eingestellt hatte. Irgendwann wusste er, er vermisste sein altes Leben, seinen alten Job und das, was ihn an der Ermittlungsarbeit am meisten befriedigte und erfüllte: die geistige Herausforderung und der Nervenkitzel. Und am Ende kam auch noch das Heimweh hinzu.

So hatte er bei einem seiner sporadischen Kontakte mit Pius Moser dessen Werben, wieder in den Dienst einzusteigen, nachgegeben, seine Sachen gepackt und war nach Bern zurückgekehrt.

Den Abschied von Ana hatte er bewusst kurz gehalten, so als würde er lediglich die Wohnung wechseln, was dem Moment jedoch nichts von seinem brutalen Schmerz genommen hatte. Sie fehlte ihm fürchterlich. Und nicht zum ersten Mal hatte er sich schuldbewusst gefragt, wie moralisch er eigentlich selbst handelte. Und welchen Preis er irgendwann dafür zahlen würde.

Mit Pius hatte er sich im Restaurant Lorenzini verabredet, auf der anderen Straßenseite direkt gegenüber. Bis dahin blieb ihm eine gute Stunde Zeit. Für seine neue Bleibe brauchte er noch so ziemlich alles, was eine Wohnung ausmachte, Bett und Tisch mit zwei Stühlen ausgenommen. Um die Ecke befand sich das Möbelhaus Pfister, also konnte er dort noch kurz vorbeischauen.

Keller ging zur Theke und zog den Geldbeutel hervor. »Na, ein paar Pfund zugelegt?«, meinte Adrian, der Lokalbesitzer, mit spöttischem Blick.

»Eineinhalb, wenns dich interessiert.« Die Wahrheit lag wohl eher bei drei oder vier, so genau wusste er es nicht. Für das seelische Wohlbefinden war Brasilien die Reise wert gewesen, und solange er sich keine neue Kleidung besorgen musste, waren ihm auch die Pfunde reichlich egal.

An einem der Bistrotische neben der breiten Fensterfront erhob sich ein Mann, der kurz nach David das Café betreten hatte. Der Mann trug einen teuren Wintermantel und feine Lederhandschuhe. Ruhigen Schrittes kam er zur Bar, legte eine gefaltete Zeitung auf den Tresen und verließ das Lokal. Adrian schaute erst dem Gast hinterher und dann zu David.

»Ist die für dich?«

»Die Zeitung? Ich dachte, die ist von hier, ist doch dein Laden.«

»Nee. Und abgesehen davon – die New York Times führen wir nicht. Zu teuer.«

Die New York Times? Tatsächlich. David fragte sich, welcher Zeitgenosse sich wohl die Mühe machte, eine Originalausgabe der New York Times zu kaufen, nur um sie dann an einer Bar zurückzulassen. Während er vergebens nach einer überzeugenden Antwort suchte, blieb sein Blick auf dem zur Hälfte gefalteten Blatt hängen, bei einem einspaltigen Artikel, dessen Titelzeile mit einem Stift eingekringelt war. Er zog das Blatt näher heran, überflog den Text, stutzte, las ihn nochmals, dann traf es ihn wie ein Schlag. Verdammt! Er rannte los, vorbei an erschrockenen Gästen und hinaus unter die Arkaden der wuseligen Fußgängerzone. Suchend sah er in alle Richtungen, dann eilte er hinaus auf die Straße, wo ihn das aufgeregte Gebimmel der Straßenbahn von den Schienen scheuchte. Aber nichts. Der Mann war verschwunden.

»Welches Pferd hat dich denn geritten? Ist doch nur eine Zeitung«, meinte Adrian verwundert, als David wieder am Tresen stand.

»Ich weiß, dafür ganz schön teuer. Sagtest du doch.« David legte einen Zehn-Franken-Schein auf die Theke, schnappte sich die Times und verabschiedete sich.

»Und du bist dir sicher, du hast den Mann noch nie gesehen?« Pius sah fragend zu David, während er sich lustvoll die letzten Spuren Pannacotta in den Mund schaufelte, ein selten gewordener Moment, nachdem seine Frau ihn kürzlich auf einen strengen Diätplan gesetzt hatte, selbst wenn seine Karriere als Meisterschwinger von nationalem Rang schon Jahrzehnte zurücklag. »Mhm … einfach köstlich!«

»Zum dritten Mal: Nein! Kein Asiate, kein Afrikaner, kein Latino, kein Inder. Er war weiß, das kann ich sagen. Leider hat er auch kein Wort gesagt. Mit Absicht würde ich behaupten.«

Pius gab dem Kellner ein Zeichen für zwei Espressi sowie die Rechnung und lehnte sich im Stuhl zurück.

»Dann bleibt noch … was? Ein Europäer?«

David rollte mit den Augen. »Himmel, Pius! Vermutlich. In Rio habe ich Brasilianer getroffen, die sehen deutscher aus als jeder Deutsche. Oder Schweizer. Oder Engländer.«

Pius gab sich geschlagen. »Ist ja gut, ist ja gut … ich frag ja nur.« Danach verfielen beide in nachdenkliches Schweigen.

»Soll ich die für Sie entsorgen?«, meinte der Kellner mit fragendem Blick auf die Times, als er mit dem Kaffee zurückkam.

Zum wiederholten Mal betrachtete David die schwungvoll markierte Schlagzeile:

»PAKISTANMAYHAVEAIDEDNORTHKOREA A-TEST«

Der Unbekannte in Wintermantel und Handschuhen hatte Keller die Freitagsausgabe von letzter Woche überlassen, dem 27. Februar 2004. Darin hatte die New York Times die Frage aufgeworfen, ob Pakistan und Nordkorea zusammen atomare Waffentests durchgeführt haben könnten. Ausgelöst worden sei die hitzige Debatte unter Experten der US-Geheimdienste und des Los Alamos National Laboratory vergangenen Monat, so die Reporter der einflussreichen Tageszeitung, nachdem Pakistans führender Nuklearwissenschaftler Dr. Abdul Qadeer Khan die Öffentlichkeit mit der Behauptung schockiert hatte, sein Wissen mit Nordkorea, Libyen und dem Iran geteilt zu haben – und das seit über zehn Jahren.

»Der Herr: Die Zeitung? Darf ich die abräumen?«

Die Stimme des Kellners holte ihn ins Hier und Jetzt zurück.

»Es würde uns eine Menge Arbeit ersparen«, meinte Keller mit einem mühsamen Lächeln, faltete das Blatt sorgfältig zusammen und schob es in seine Jackentasche. »Aber danke der Nachfrage.«

»Selbstverständlich. Wie Sie wünschen«, nickte der Kellner beflissen und entfernte sich.

Bern, einige Wochen später

Danielle Gonnet betrat den Raum forschen Schrittes und ohne anzuklopfen, schwang ihre mit Akten vollgepackte Umhängetasche auf den Besprechungstisch und ließ sich auf den Stuhl fallen. Die zierliche Staatsanwältin schien gehetzt, das aschblonde Haar hing ihr in Strähnen ins Gesicht.

»Mon dieu! Entschuldigt die Verspätung. Meine französischen Kollegen …« Sie ordnete ihre Haare, fischte Notizblock und Stift aus ihrer Tasche hervor und sah erwartungsvoll zu Pius Moser und Keller. »Dann legt mal los. Wo stehen wir?«

»Noch ganz am Anfang«, meinte Keller nüchtern. Er trat vor das an der Wand angebrachte Schaubild und führte den Zeigestab an den farbigen Linien entlang. »Hier grafisch dargestellt eine erste grobe Auswertung der Namen und Adressen auf dem USB-Stick des Opfers. Im Zentrum steht die WTV S.A. mit Sitz in Genf, gegründet Anfang der Achtzigerjahre durch den Schweizer Nuklearingenieur Edouard Wagnon. Die Firma ist zu einhundert Prozent in Familienbesitz, WTV steht für Wagnon Technologie du Vide, also Vakuumtechnologie.«

»Schon klar«, meinte Gonnet nachsichtig. »Aber danke.«

»Oh, selbstverständlich … Nun ja, wir mussten es erst nachschlagen.«

»Man ist nie zu alt, um noch etwas zu lernen.« Moser grinste. »Jedenfalls – die WTV ist eine Firma, spezialisiert auf die Herstellung sogenannter Ultrazentrifugen, also Hochleistungsvakuumzentrifugen. Diese Dinger rotieren hunderttausendmal pro Minute. Der Zweck solcher Zentrifugen ist die Anreicherung von Uran für Atomkraftwerke für die zivile Nutzung.«

»So weit die Theorie«, warf Keller mahnend ein.

»Auch was gelernt.« Gonnet nickte. »Schon verstanden. Und in der Praxis?«

»Die könnte das sein, was das CERN in Genf angedeutet hat: dass die WTV ihr Spezialwissen auch an solche Staaten weitergibt, die keine Atomwaffen haben, sie aber gerne hätten …«

»… wie zum Beispiel Nordkorea, das nicht mit uns reden will«, schloss die Staatsanwältin Kellers Gedanken ab.

»Zum Beispiel, ja. Wenn das CERN mit seiner Vermutung richtig liegt, stellt sich als Erstes die Frage: Wusste die WTV, was mit ihrer Technologie geschieht? Ist sie Opfer oder ist sie Täter oder vielleicht beides?«

Gonnet warf einen Blick auf ihre Notizen. »1968 hat die Schweiz den Vertrag zur Nichtverbreitung von Kernwaffen unterzeichnet. Wäre etwas gar peinlich, wenn man jetzt eingestehen müsste, dass er seit den Achtzigern gebrochen worden ist, und niemand will etwas bemerkt haben. Anders gesagt: Wir müssen wissen, wer hier allenfalls wen an der Nase herumgeführt hat. Die WTV verkauft ihre Zentrifugen ins Ausland, also braucht sie Exportbewilligungen des Staatssekretariats für Wirtschaft, kurz SECO. Um die zu erhalten, musste sie Unterlagen vorlegen. Deshalb setzt euch mit dem SECO in Verbindung. War alles sauber, und die WTV hat keine Gesetze gebrochen, ist sie erst mal raus aus der Sache. Dann bleibt nur der tote Diplomat in Genf, und für Mordermittlungen sind die Kantone zuständig. Das muss ich euch nicht erklären.«

Moser legte die Stirn in Falten. »Das wäre es dann gewesen, willst du das damit sagen? Das kann nicht dein Ernst sein!«

Danielle Gonnet ließ sich in die Stuhllehne zurückfallen und sah Pius ruhig an. »Schön. Dann sag du mir, was uns noch übrig bleibt. Nulla poena sine lege – keine Strafe ohne Gesetz.«

Nichts von dem, was Gonnet sagte, war neu, weder für Moser noch Keller, und doch konnten sie ihre Frustration kaum verbergen, was weniger daran lag, dass sie Gonnet nicht glaubten. Nur zufriedengeben wollten sie sich damit nicht.

»Mag ja alles sein«, entgegnete Moser schließlich. »Aber noch sind wir nicht so weit.« Und mit einem Blick zu Keller: »Oder täusche ich mich?«

»Bei dem wenigen, was wir heute wissen, müssen wir davon ausgehen, dass es um den Bau von Atomwaffen geht.« Er beugte sich leicht vor. »Keine Ahnung, wie du das siehst, Danielle, aber ich schlafe sehr viel ruhiger, wenn ich weiß, dass ein Land wie Nordkorea keine Atombomben hat, zuallerletzt mit Schweizer Beteiligung!«

»Kein Grund zur Aufregung«, entgegnete sie entspannt. »Ich bin ganz bei euch. Auch mir ist ein gesunder Schlaf wichtig. Es ging mir vor allem um eines: sicherzustellen, dass wir uns hier alle richtig verstehen. Denn ein Spaziergang wird das nicht werden.«

Mosers Kiefer mahlten. Natürlich war Gonnet klar, worauf dieser Fall hinauslaufen könnte. Um bei der Terminologie von Massenvernichtungswaffen zu bleiben – seine politische Sprengkraft war gewaltig. Peinlich hatte Gonnet es vorhin genannt, sollte die Untersuchung ein Versagen der Schweizer Kontrollorgane aufdecken. Eine leichte Untertreibung. Gonnet hatte ihnen auf den Zahn gefühlt. Übel nehmen konnte er Gonnet ihr Manöver nicht. Nach den bitteren Erfahrungen aus der Affäre Baumann war ihr Vorgehen nur konsequent. »Okay. Der Punkt geht an dich.«

»Geschenkt«, meinte Gonnet trocken. »Zurück zum Thema. Was haben wir noch?«

Nun wieder ganz bei der Sache, ging Moser durch seine Unterlagen. »Zwei Dinge: eine interessante Verbindung nach Dubai. Und die Rolle der IAEA in Wien.«

»Dubai? Was ist damit?«

Keller tippte auf einen Punkt im Schaubild. »Patron Edouard Wagnon, Jahrgang 1939, verheiratet mit Estelle, einer gebürtigen Französin. Zusammen haben sie einen Sohn, Alain, zweiunddreißig Jahre alt, ein Abschluss in Grundlagenwissenschaften der EPFL Lausanne. Wie seine Eltern scheint Alain ein unauffälliges Leben zu führen, keine Vorstrafen, hatte noch nie mit der Polizei zu tun. Bis vor rund zwei Jahren lebte auch der Junior noch in Genf, dann meldete er sich nach …« – Kellers Zeigestock wanderte eine Position weiter – »… Dubai ab. Wir haben unsere Botschaft in Abu Dhabi gebeten, einen Bericht zu Alain Wagnon zusammenzustellen. Demnach ist Alain in die Vereinigten Arabischen Emirate gereist, um einen Job als Training Manager bei einem Unternehmen namens Falcon Beak LLC in Dubai anzutreten. Die Firma hat zwei eingetragene Eigentümer: ein Malaysier namens Najjar bin Shukri und Edouard Wagnon, Alains Vater. Als Alains Wohnadresse wurde der Botschaft ein Apartment im achtzehnten Stock eines Wohnhauses im Stadtteil Dubai Deira gemeldet.«

»Und was ist nun das Interessante an der Dubai-Connection?« Danielle Gonnet sah fragend von Keller zu Moser. »Viele Firmen haben eine Zweigstelle in Dubai eröffnet. Der Ort boomt, und Geld verdienen ist erst mal kein Verbrechen.«

»Gegenfrage«, antwortete Moser wie aus der Pistole geschossen: »Du hast ein Problem mit deinem Computer. Wen rufst du an? Deinen IT-Menschen oder deinen Klempner?«

»Blöde Frage! Muss ich …«

»Es gibt nur blöde Antworten, Danielle.«

»Worauf willst du hinaus?«, meinte die Staatsanwältin, leicht irritiert von Mosers Frage-und-Antwort-Spiel.

»Ganz einfach«, unterbrach Keller das verbale Scharmützel. »Darauf, dass die Falcon Beak LLC offiziell eine Softwarefirma ist, Danielle. Ihr einziger Zweck, ich zitiere, ›das Erbringen von IT-Dienstleistungen im Bereich Soft- und Hardware‹. So steht es im beglaubigten Handelsregisterauszug der Emirate. Er liegt dem Bericht bei.«

Moser schob Gonnet eine Kopie des Auszugs zu.

Gonnet überflog das Papier, und ihre Reaktion war so kurz wie vielsagend. »Oh …«

»Ja, das haben wir uns auch gedacht. Oh, der studierte Metallurg Alain Wagnon, der im Betrieb seines Vaters Zentrifugen entwickelt, wird nach Dubai geschickt, um den Posten eines Ausbilders in einem IT-Unternehmen anzutreten? Und was bitteschön soll Vater Edouard mit einer IT-Firma? Der Kerl war sein Leben lang nie etwas anderes als Nuklearingenieur.« Moser schüttelte den Kopf. »Nein, Danielle, daran glauben wir nicht. Es ergibt keinen Sinn.«

Gonnet nickte. »Tut es tatsächlich nicht. Wo ist Edouard Wagnon? Hat man mit ihm Kontakt aufgenommen?«

»Hat man«, nickte Moser, »und weil es so belanglos wie irgend möglich wirken sollte, haben das die Kollegen in Genf übernommen, die einen Gemeindepolizisten mit einer Ausrede losgeschickt haben. Nun, laut Estelle, seiner Frau, ist Edouard im Moment gerade in der Türkei auf Geschäftsreise. Sowieso sei ihr Mann die meiste Zeit des Jahres irgendwo im Ausland unterwegs.«

»Das wurde überprüft, nehme ich an?«

»Natürlich. Es stimmt. Wagnon ist letzte Woche nach Istanbul geflogen.«

»Für wie lange?«

»Seine Frau sagt, sie wisse es nicht. Und wir wissen es auch nicht. Es gibt kein Rückflugticket. Aber sobald er in die Schweiz einreist, werden wir benachrichtigt.«

»Gut.« Gonnet schien zufrieden. »Kümmern wir uns erst mal um Dubai. Bevor wir nicht wissen, was mit dieser Firma los ist, ob da Straftaten begangen werden, die die Schweiz betreffen, brauchen wir mit Edouard Wagnon gar nicht zu reden. Der könnte uns den Mittelfinger zeigen, ohne dass wir ihm das Gegenteil beweisen könnten. Und das wollen wir ja nicht. Telefonüberwachung und dergleichen könnt ihr gleich vergessen. Nur damit ich es gesagt habe.«

»Einverstanden«, warf Keller ein. »Dubai ist die heißeste Spur. Fragt sich bloß, wie. Ein Rechtshilfeersuchen bei den Vereinigten Arabischen Emiraten? Na, viel Glück. Einen lupenreinen Rechtsstaat würde ich die VAE eher nicht nennen.«

»Wir werden einen Weg finden. Ich werde mal bei ein, zwei meiner ehemaligen Kollegen nachhören. Wenn es jemanden gibt, der Erfahrung mit den Emiraten hat, dann ist es die Genfer Staatsanwaltschaft. Euer erster Termin ist ohnehin beim Staatssekretariat für Wirtschaft. Danach sehen wir weiter.«

»Na schön«, brummte Moser skeptisch, wenig überzeugt von Gonnets »Wird schon irgendwie gehen«-Plan. »Dann wäre da noch die IAEA. Die gute Nachricht: In Wien ist man bereit, sich die ganzen Baupläne und technischen Informationen auf dem USB-Stick anzuschauen.«

»Okay. Aber wieso ausgerechnet die IAEA?« Nun war es Gonnet, die wenig überzeugt von Mosers Vorschlag wirkte. »Wir wissen doch, dass Wagnon Senior bei der IAEA gearbeitet hat.«

»Ja, wissen wir. Die schlechte Nachricht ist: Es gibt schlicht keine Alternative. Wo sollten wir denn sonst hin mit den Unterlagen? Zu den Amerikanern? Den Briten?« Moser hob die Schultern. »Unser Direktor hat da eine ziemlich eindeutige Meinung, und die teilt er mit der Justizministerin: Kommt nicht infrage. Deswegen lautet die Lösung IAEA.«

Gonnets Kopf schoss hoch. »Pardon? Röthlisberger ist informiert?«

»Seit gestern. Zumindest grob. Wusstest du das nicht?«

»Putain! Nein!« Verärgert löste Gonnet ihren Dutt, die Haarklammer landete klappernd auf dem Tisch. »Wieso auch? Ich vertrete ja bloß die Anklage.« Die junge Genferin richtete ihre Haare und machte sich eine Notiz. »Ich kläre das. Wer noch? Verteidigung? Außenministerium?«

Moser schüttelte den Kopf. »Nein. Röthlisberger hat Stillschweigen angeordnet, und zwar so lange, bis Klarheit über diese Nuklearbaupläne besteht. Informiert sind nebst uns dreien der Chef der Bundeskripo, der Direktor des Bundesamtes für Polizei und die Ministerin. Und der Bundesanwalt«, fügte Moser zögerlich an. »Das sind alle.«

Gonnet warf Moser einen scharfen Blick zu, wobei dieser ebenso ihrem nicht sehr kommunikativen Chef gelten durfte.

»Werd ich gleich feststellen.« Die Staatsanwältin packte ihre Tasche. »Dann sind wir uns einig: erst die Exportpapiere der WTV, dann die IAEA in Wien. Danach werden wir wissen, ob der Fall überlebt oder eine Totgeburt ist.« Sie warf sich die Tasche über die Schulter, nickte den beiden Beamten zu und marschierte hinaus.

Keller und Moser sahen sich vielsagend an – nein, es würde kein Spaziergang werden, damit hatte Danielle Gonnet recht. Wie richtig sie mit dieser Bemerkung liegen würde, konnten sowohl sie selbst als auch Keller und Moser nur ahnen. Aber es war auch meilenweit von dem entfernt, was noch kommen sollte.

2

Mykonos, Griechenland Sommer 1978

Beinahe lautlos näherte sich die knapp einhundert Meter lange, elegante und in leuchtendem weiß gestrichene Apollon der Kaimauer. Dann erfasste ein dumpfes Grummeln und Vibrieren den Rumpf der Passagierfähre, als die beiden Dampfturbinen ihre zweiundzwanzigtausend Pferdestärken entfesselten. Dreitausend Tonnen Stahl beschrieben eine Hundertachtziggradwende und dockten in kaum zwei Minuten punktgenau an. Matrosen warfen eilends armdicke Schiffstaue auf die Hafenmole, wo sie von Arbeitern in geschickten Bewegungen um die Poller gelegt wurden. Nachdem die Bug - und Achterleinen fest vertäut waren, gab der erste Offizier das Zeichen, die Gangway bereitzumachen. Momente später setzte sich der bunte Strom von Reisenden auf dem Sonnendeck in Bewegung – Familien, Frischvermählte auf Hochzeitsreise, Bohemiens der Oberklasse und Gruppen von Hippies in bunten Schlabber-Klamotten, begleitet von einer Wolke betörenden Marihuana-Dufts.

Wer als Taxifahrer etwas auf sich hielt, hatte seine englische Limousine am Fuß der Gangway in Stellung gebracht, und wer bereits einen Gast erwartete, reckte ein Namensschild in die Höhe. Für die weniger betuchte Kundschaft standen knatternde, mit einem Baldachin ausgestattete Lastendreiräder des lokalen Herstellers Mebea bereit. Misstrauisch und in sicherer Distanz zu den Scharen an Urlaubern, die nun immer öfter auf die Insel zurollten, warteten einheimische Bauern in Begleitung ihrer Maulesel darauf, dass auch ihre Fracht gelöscht wurde. Das meiste davon Saatgut, aber auch die eine oder andere Landmaschine – die Industrialisierung der Landwirtschaft hatte auch die Kykladen in der südlichen Ägäis erreicht, wenn auch noch zaghaft.

Jetzt, da kein Fahrtwind mehr die Hitze vertrieb, konnte sich Edouard Wagnon auch seines Sommerjacketts entledigen. Er schulterte die Reisetasche, ging federnden Schrittes die Gangway hinunter und an der Mole entlang, vorbei an der wie alle Gebäude auf der Insel weiß getünchten Hafenkapelle, und bog auf die belebte Promenade ein.

Es war nicht sein erster Besuch auf Mykonos. Mit einem freundlichen Lächeln hatte er die Rufe der Taxifahrer ignoriert. Er brauchte keine Fahrgelegenheit, denn er hatte sich wieder für das Leto entschieden, unmittelbar an der Corniche gelegen, wie man bei ihm zu Hause in Genf sagen würde, der Hafenpromenade mit Restaurants, Bars und Boutiquen direkt am Wasser. Mit seinen geschmackvoll eingerichteten großzügigen Zimmern, einer gepflegten Gartenanlage mit Schatten spendenden Palmen und einem Süßwasserpool war es zweifelsohne eine der besten Adressen auf der Insel.

Umringt von knipsenden Touristen hatte sich Petros, ein rosafarbener Pelikan und das Maskottchen der Insel, auf der Hafenmauer niedergelassen. Wagnon kannte die Geschichte von Petros. Man hatte sie ihnen erzählt, als er 1972 mit seiner Frau Estelle und ihrem Sohn Alain das erste Mal auf der Insel Urlaub gemacht hatte: Eines Tages hatten Fischer den in diesem Teil der Welt artfremden Jungvogel aus dem Meer gerettet, an Land gebracht und aufgepäppelt. Das war vor zwanzig Jahren gewesen. Mittlerweile schien Petros die Aufregung um sich mit der Gelassenheit eines alternden Filmstars über sich ergehen zu lassen.

Wagnon betrat die Hotelanlage durch das straßenseitige Haupttor, durchquerte den lauschigen Garten und stieg die offenen Stufen hoch zur Rezeption. Er schien der einzige Gast zu sein, und als ihn auch nach mehreren Minuten niemand in Empfang nehmen wollte, rief er ein zögerliches »Hallo?« in den offenen Flur hinter der Rezeption. Augenblicke später erschien Anastasia, die jüngste Tochter von Apostolis, dem Besitzer des Letos. Sie beeilte sich, ihre zerzausten Haare und den ebenso derangierten Ausschnitt ihres Sommerkleides wieder in Ordnung zu bringen.

»Oh, Mister Wagnon! Ich habe Sie gar nicht kommen hören.« Unbeholfen deutete sie nach hinten. »Ich war in der Küche beim Abwasch … Entschuldigen Sie.«

Gleich hinter Anastasia tauchte ein junger Mann auf, sonnengebräunt, in ausgefransten, verwaschenen Jeansshorts und langen Haaren, offenem Hemd und einem gut sichtbaren Peace-Talisman um den Hals. Es lag auf der Hand, dass dieser junge Don Juan und nicht etwa ein Berg ungewaschenes Geschirr der Grund für Anastasias zerzaustes Haar und schiefsitzendes Kleid war. Und ebenso offensichtlich war Anastasias Lover ein bekennendes Mitglied der wachsenden Hippie-Kommune auf Mykonos.

»See ya, babe«, meinte Don Juan in lässigem Amerikanisch zu Anastasia, griff sich eine der süßen Bougatsa-Schnitten aus dem Kühlregal auf der Theke, grüßte Wagnon mit einem freundlichen »Hi!« und verließ beschwingten Schrittes das Hotel.

Wagnon sah dem jungen Mann hinterher und dann mit einem verstohlenen Schmunzeln zu Anastasia. »Wie immer ausgesprochen höflich, diese Amerikaner.«

Anastasia war die Offensichtlichkeit der Situation peinlich. »Ehm, na ja … manche jedenfalls«, meinte die junge Griechin verlegen lächelnd, blätterte durch den Hefter mit den Buchungsunterlagen und überreichte Wagnon den Zimmerschlüssel. »Wir haben Ihnen die Nummer 5 bereit gemacht, mit Balkon und Sicht über die Chora, wie beim letzten Besuch.«

Dann blieb ihr Blick auf dem Namensschild an Wagnons Hemd hängen.

Edouard Wagnon, Ing.

International Atomic Energy Agency IAEA –

21st Annual Conference

Hilton, Athens

»Oh! Sie waren im Hilton in Athen? Wussten Sie, dass das Hilton mein Ausbildungsbetrieb war?«

»Wie …? Ach so …« Das Schild unter seiner Jacke – er hatte es ganz vergessen. »Ich verstehe. Und nein, das wusste ich nicht.« Wagnon nahm das Schild ab und lachte gekünstelt. »Das brauche ich ja nun nicht mehr.«

»Wofür auch. Sie sollten Ihre Tage hier genießen!«

»So ist es. Eine Frage noch: Mister Khan, auch ein Gast und guter Freund von mir – ist er schon eingetroffen?«

Anastasia warf einen Blick auf ihre Unterlagen. »Mister Khan … Ah ja, genau! Mister Khan hat angerufen. Er musste seine Ankunft auf morgen verschieben. Hier«, Anastasia reichte einen Zettel über den Tresen, »er hat uns gebeten, Ihnen diese Nachricht zu hinterlassen.«

Wagnon las die kurze Notiz. Abdul Qadeer Khan, sein alter Studienfreund und nunmehr Pakistans führender Nuklearwissenschaftler, hatte in Paris seinen Anschlussflug verpasst, weil aus unerfindlichen Gründen sein Gepäck abhandengekommen war.

Wagnon brummte etwas Unflätiges auf Französisch, bei dem auch die Fluglinie Air France nicht gut wegkam, und reichte den Zettel wieder zurück. »Sehr ärgerlich! Na ja, sei’s drum.« Wagnon überlegte kurz. Er wusste, womit er die Laune seines alten Freundes wieder in Ordnung bringen konnte und das aus reichlich Erfahrung. »Reservieren Sie für Herrn Khan und mich einen Tisch im Remezzo, für morgen Abend, einundzwanzig Uhr. Einen ruhigen Platz, nicht direkt an der Bar, das wäre uns sehr recht.«

***

Edouard Wagnon hatte richtig vermutet. Seinem Ärger über das verlorene Gepäck hatte der groß gewachsene Pakistani mit elegantem Clark-Gable-Schnauzer und üblicherweise tadellosem Auftreten dann auch nachdrücklichst Ausdruck verliehen. Wie, zum Teufel, konnte das passieren? Zumal bei einem vielfliegenden First-Class-Kunden wie ihm?

Air France hatte verstanden und Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt, ihrem gepeinigten Erste-Klasse-Passagier den ungeplanten Aufenthalt in Paris so angenehm wie irgend möglich zu gestalten. Eine kostenlose Übernachtung in einer Luxussuite des George V konnte den Unmut des Pakistani fürs Erste besänftigen.

Für den gestrandeten Quasi-Staatsgast kam die erlösende Nachricht später am Abend in Gestalt eines uniformierten Bellboys, der sich eilends seinen Weg durch den opulenten Speisesaal des Hotels zu Khans Tisch bahnte, in den weiß behandschuhten Händen ein Telefon. Am anderen Ende wartete ein Air-France-Mitarbeiter: Khans Gepäck war wohlbehalten aufgetaucht. Der Weiterreise nach Mykonos am nächsten Morgen stand nun definitiv nichts mehr im Weg.

Hätten Air France und Abdul Qadeer Khan den wahren Grund für den Zwischenfall gekannt, sie wären wohl noch weniger erfreut gewesen, als sie es sowieso schon waren, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen.

Dieser Grund trug einen Namen und der lautete Joe White, doch weder die Airline noch der pakistanische Wissenschaftler würden ihn je erfahren. Und selbst wenn – er war eine Erfindung der Central Intelligence Agency, des amerikanischen Auslandsgeheimdienstes CIA. White war Leiter der Spezialabteilung zur Überwachung der Herstellung und Verbreitung von Massenvernichtungswaffen, seine wahre Identität hingegen war nur einer Handvoll ausgewählter Personen bekannt. Aber es war der Name, mit dem der bullige Texaner im Auftrag der US-Regierung unterwegs war, zu Beginn in Vietnam, danach in Deutschland und anderswo in Europa.

Zur selben Zeit, als Khan sein Abendessen im George V genoss, saß White nur wenige Hundert Meter entfernt im ersten Stock der US-Botschaft in Paris am Place de la Concorde. Im Gegensatz zu Khan war Whites Stimmung jedoch den ganzen Tag über bestens gewesen, und das nicht etwa wegen des Inhalts der Papierstapel auf seinem Schreibtisch. Joe Whites Beruf war die Informationsbeschaffung und seine Euphorie ganz einfach dadurch begründet, dass es ihm überhaupt gelungen war, in den Besitz der Dokumente zu gelangen.

Vor White lagen Kopien jener Unterlagen, die sie in Khans abgefangenem Koffer entdeckt hatten. Knapp zweihundert Seiten, abfotografiert mit tragbaren Spezialkameras in einem fensterlosen Raum des französischen DSTs am Flughafen Charles de Gaulle.

Jetzt besaßen die USA erstmals glaubhafte Informationen über den tatsächlichen Entwicklungsstand von Pakistans Nuklearprogramm, von dem Land am Hindukusch stets als rein zivil dargestellt – woran White schon lange nicht mehr geglaubt hatte. Fucking bastards! Jetzt konnte er beweisen, dass sein Team richtiglag. Wie weit gereift die Pläne aus Khans Koffer waren, mussten Experten am Los Alamos National Laboratory beurteilen, ihrer eigenen Nuklearforschungseinrichtung weit draußen in der Hochebene New Mexikos.

Bei den wochenlangen Vorbereitungen des verdeckten Einsatzes am Pariser Flughafen hatten sie nur ein Detail mit Sicherheit gewusst: dass sich Khan mit einem Wissenschaftler der Internationalen Atomenergie-Organisation IAEA treffen wollte. Sie kannten den Ort, Mykonos, und das Hotel. Nun wussten sie auch, was der Pakistani mit im Gepäck hatte.

Pläne zum Bau einer Atombombe.

Die Operation in Paris war ein Meilenstein in der Geschichte der US-Geheimdienste, selbst nach Maßstab einer an denkwürdigen Ereignissen reich gesegneten CIA. Dieser Coup war, wie White zugeben musste, nur mithilfe von Frankreichs Inlandsnachrichtendienst DST gelungen – ein Umstand, den außer wenigen Eingeweihten allerdings niemand zu kennen brauchte.

Später am Nachmittag war dann auch die Bestätigung von Danny eingetroffen, Whites Mann auf Mykonos: Khans Kontakt bei der IAEA war Edouard Wagnon.

»Schön. Damit wäre auch der Mann aus Wien bestätigt«, meine White zufrieden. »Was ist mit den Mikrofonen?«

»An ihrem Platz und aktiv. Der Schweizer ist vor einer Stunde aufs Zimmer gegangen und hat seine Frau angerufen. Belanglos.«

Danny hatte Anastasia einen Besuch abgestattet, als der Schweizer einchecken sollte. Es war ihr kurz unangenehm gewesen, beschweren mochte sie sich aber genauso wenig.

Für den Anruf in die Pariser Zentrale benutzte Danny eine Münzsprechkabine am Hafen. So paradox es klingen mochte – eine öffentliche Telefonzelle war auch für einen Agenten im operativen Einsatz eine ideale Alternative, zumindest für diese Art von kurzem Informationsaustausch.

Neben der Zelle befand sich ein Ticketschalter für Inselrundfahrten. Vor Dannys Kabine wartete ein älteres Touristenpaar, vermutlich von irgendwo aus Nordeuropa. Ihre bleiche Haut war übersät mit sonnenverbrannten, krebsroten Flecken. Dass der junge Mann mit den zotteligen Haaren, verwaschenen Hippie-Klamotten und geflochtenen Jesus-Sandalen, der sie nun schon seit zwanzig Minuten in der prallen Sonne warten ließ, ein CIA-Agent war – darauf wäre das Paar nicht im Traum gekommen. Dann schon eher ein Drogendealer. So sahen die nämlich immer aus, im Fernsehen. Dem leisen Getuschel nach zu schließen, ging ihr Verdacht denn auch genau in diese Richtung.

»Abreise der beiden ist übermorgen?«

»Sagt die Kleine.«

»Wie holst du die Mikros wieder raus?«

»Auf dem gleichen Weg.«

»Wir sind verdammt weit gekommen, jetzt versau’s nicht. Treib’s nicht zu weit!«

»Keine Sorge, ich treib’s nur mit der Kleinen!« Danny legte auf, verließ die Kabine und warf dem Paar im Vorbeigehen ein freundliches Lächeln zu. »Was für ein wunderbarer Tag! Nicht wahr?«

Er konnte ihre argwöhnischen Blicke in seinem Rücken spüren und musste grinsen. Seine Tarnung funktionierte tadellos.

Entspannt setzte sich der CIA-Agent auf die Hafenmauer und drehte sich eine Zigarette. Im Hafenbecken zu seinen Füßen bereiteten die ersten Fischer ihre Boote für den Nachtfang vor.

Als Nächstes musste er in seine Unterkunft, zu seiner tragbaren Abhörstation von der Größe eines Schuhkartons. Er durfte, er konnte sich jetzt keine Fehler leisten. Aber er hatte die beruhigende Gewissheit, alles perfekt vorbereitet zu haben für morgen Nachmittag, für Khans Ankunft.

Später am Abend wollte ihn Anastasia an den Panormos Beach mitnehmen, einem abgelegenen Strand im Norden der Insel. Diesen Sommer war dort eine neue, zugegebenermaßen faszinierende Idee entstanden, von der Danny noch nie zuvor gehört hatte: Strandpartys, die nur an Vollmond stattfanden. Die lokalen Veranstalter hatten ihnen dabei den einzig logischen Namen gegeben: Full-Moon-Party. Alles in allem ein geniales Konzept mit Zukunft, wie Danny fand.

Nur dass die Party ausgerechnet am Abend vor Khans Eintreffen auf der Insel stattfand, war für Danny alles andere als ideal. Es würde wohl eine lange Nacht werden, Joints und Alkohol eingeschlossen. Aber noch musste er seine Legende als Anastasias Lover und kiffender Hippie-Nomade mit Rucksack und Gitarrenkoffer durchziehen. Sie hatte ihm die entscheidenden Türen geöffnet und das im wortwörtlichen Sinne. Vor zwei Monaten hatte er diese Rolle angenommen, ein paar Tage noch, dann konnte er sie wieder abstreifen. Dann würde er die nächste Fähre nach Piräus besteigen und aus Anastasias Leben verschwinden. Dann hätte er seinen Job auf Mykonos erledigt.

***

Nach Beratung durch die geduldige Verkäuferin hatte sich Edouard Wagnon für eine weiße Sommerhose, ein schwarzes Leinenhemd mit Knopfleiste und schwarze Slipper entschieden. Nichts, was der sportlich hagere Genfer je tragen würde, aber schließlich kannte er die Insel, und er kannte ihre Gepflogenheiten. Das galt ganz besonders für das kosmopolitische Remezzo, wo sich Abend für Abend die lokalen und internationalen Jetsetter einfanden, um den Bohemian Lifestyle zu zelebrieren. Wer nicht bereits am Eingang mit einem bedauernden Lächeln abgewiesen werden wollte, sah sich besser in einer der immer zahlreicher werdenden Boutiquen in der Altstadt um und besorgte sich, sofern nötig, ein passendes Outfit.

Hätte ihn seine Frau Estelle bei diesem Einkaufsbummel beobachtet, hätte sie sich wohl gefragt, was um alles in der Welt mit ihm geschehen war. Er war Akademiker, Nuklearingenieur und Familienvater. Er interessierte sich für vieles im Leben: Wanderungen in den Bergen rund um den Genfersee, die Malerei, die Musik, in erster Linie klassische.

Aber nicht für Mode.

Sie war eine der wenigen Leidenschaften des Pakistani, die Wagnon nicht mit Abdul Khan teilte. Bereits während ihres Studiums in Belgien an der Katholieke Universiteit Leuven hatte der attraktive, groß gewachsene Abdul deutlich mehr Wert auf sein Äußeres gelegt, als Edouard es je tun würde. Und Abdul war auch die treibende Kraft ihrer nächtlichen Ausflüge durch Leuvens Studentenkneipen gewesen, von denen er nicht selten allein zurück in die gemeinsame Studentenbude kam, weil der schöne Abdul wieder einmal einem Mädchen den Kopf verdreht hatte.

Das war vor zwanzig Jahren gewesen, und mit der Zeit waren ihre Treffen seltener geworden. Das letzte lag nun fast vier Jahre zurück, als Abdul ihn und seine Familie in Genf besucht hatte. Kurz danach gab Abdul seinen Job bei Uranus auf, einem Betreiber von Urananreicherungsanlagen in den Niederlanden, und kehrte nach Pakistan zurück. Er, Wagnon, hatte seine Stelle als Ingenieur bei einem französischen Vakuumpumpenhersteller gegen eine Anstellung bei der IAEA in Wien getauscht.

Er hatte sich auf das Wiedersehen gefreut. Abdul war begeistert gewesen, als er erfahren hatte, dass sein Schweizer Freund bald zu einem Kongress nach Athen reisen würde, aber Edouard musste Abdul von der Idee abbringen, in die griechische Hauptstadt zu kommen.

Abdul war zu einem bekannten Gesicht des pakistanischen Nuklearprogramms geworden, er selbst war bloß ein Experte für Uranreaktortechnologie bei der IAEA. Es gehörte nicht zu seinen Aufgaben, sich mit Staatsvertretern zu treffen. Und zuallerletzt nicht mit einem Abgesandten aus Islamabad, nun, da die Beziehung zwischen der Atomenergiebehörde und Pakistan immer angespannter geworden war. Würde einer seiner Kollegen sie beide zufällig zusammen sehen, irgendwo in einem Athener Restaurant, in einer Bar – es würde keine Rolle mehr spielen, dass es nur ein Treffen unter alten Freunden war. Dann hätte er ein ernsthaftes Problem.

»Wir müssen uns woanders treffen, Abdul. Nicht in Athen.«

»Wenn du meinst. Und wo?«

»Wie reist du? Von Islamabad über London? Oder Paris?«

»Über Paris. Ich bevorzuge Air France, da ist die erste Klasse ausgezeichnet.«

»Gut. Dann treffen wir uns auf Mykonos. Dort war ich bereits zweimal, mit Estelle und Alain. Mykonos hat einen internationalen Flughafen, klein, aber mit Verbindungen nach Paris. Und ich nehme die Fähre von Piräus aus.«

»Wie du meinst, mein Freund. Kümmerst du dich um ein Hotel?«

»Ich besorge uns zwei Zimmer im Leto. Es wird dir gefallen.«

»Ein paar Tage am Meer, die Idee gefällt mir!« Khan hielt kurz inne. »Und dann ist da noch etwas. Ich brauche deinen Rat, als Uranexperte.«

Mehr hatte Khan nicht verraten. Offensichtlich stand der erfahrene Nuklearwissenschaftler vor einer Herausforderung, bei deren Lösung er sich Hilfe bei ihm, Wagnon, zu finden erhoffte. Wagnons Neugierde war geweckt.

Und die der mithörenden CIA ebenfalls.

***

Vor wenigen Jahren erst hatte die US-Regierung ihren Geheimdienstapparat beauftragt, auch die Kommunikationszentrale der IAEA in Wien in Echolon aufzunehmen, ihr globales Überwachungsprogramm für militärische und diplomatische Kommunikation. Es herrschte der Kalte Krieg, die Sowjetunion war eine Atommacht geworden, China ebenfalls, Indien hatte vier Jahre zuvor, 1974, seine erste Atombombe gezündet. Die globalen Spannungen unter den Atommächten hatten zugenommen, neue Mächte meldeten ihre Ansprüche auf Kernwaffen an. Zu wissen, welche Fernschreiben und Telefonate bei der IAEA ein- und ausgingen, war von Bedeutung geworden. Sowieso war die IAEA eine Idee der USA gewesen, in Person von Dwight D. Eisenhower, des 34. Präsidenten. Doch das war 1953 gewesen und Eisenhower längst tot. In den darauffolgenden fünfundzwanzig Jahren führten die USA weit über eintausend atomare Testsprengungen durch, die UdSSR immerhin an die vierhundert. Und nun, da Indiens Erzfeind Pakistan ein Problem bei seinem Nuklearprogramm meldete, wollte man im Washington des Jahres 1978 verdammt noch mal wissen, was da vor sich ging.

Ausgestattet mit den Informationen aus dem abgehörten Gespräch zwischen Wagnon und Abdul Qadeer Khan wurde Joe Whites Team in Aktion versetzt. Die Operation begann mit Dannys Mission in Griechenland, mit dem Auftrag, alles über das Treffen zwischen Pakistans führendem Nuklearwissenschaftler und dem IAEA-Ingenieur zu erfahren. Bereits zwei Wochen nach Khans Anruf bei Wagnon war Danny auf Mykonos eingetroffen. Und als er wenige Wochen später Anastasia so weit hatte, dass sie seine Geliebte geworden war, wusste der CIA-Operative, dass er seiner wichtigsten Aufgabe einen großen Schritt näher gekommen war: Zugang zum Hotel und dessen Telefonverteiler und damit zu Khans und Wagnons Zimmern.

Teil zwei von Dannys Auftrag war weniger komplex.

Dannys Position am Ende der Bar reichte ihm fürs Erste, aber er musste sich etwas einfallen lassen. Es war kurz nach 21 Uhr, und das Remezzo war, wie eigentlich immer, bis auf den letzten Platz besetzt. Al Jarreaus jazziges Rainbow In Your Eyes wehte über die Stufenterrasse, Kellner in blauen Bauchschürzen eilten um die Tische, Tabletts mit Speisen und Getränken über ihren Köpfen balancierend.

Unter immer neuem Gejohle einer Gruppe junger Männer und Frauen am äußersten Ende der ausladenden Terrasse direkt über dem Hafenbecken wurden Champagnerflaschen im Viertelstundentakt serviert.

Danny grinste Sophia an, die junge Griechin hinter der Bar. »Nette Feier! Kennst du die Leute? Ob ich mal ein Foto machen kann?«

Sophia rümpfte die Nase und schüttelte den Kopf. »Lass mal lieber. Das sind die Söhne von Niarchos. Die wollen unter sich bleiben.«

Dannys Frage war rein taktischer Natur gewesen. Er wusste sehr genau, wer die beiden Gastgeber der extravaganten Gesellschaft waren, und er hatte auch nur deswegen gefragt, weil er seiner neuen Rolle an diesem Abend gerecht werden musste.

Auch wenn das lebhafte Treiben im Lokal seine Aufgabe nicht wirklich erleichterte, behielt Danny Khan und Wagnon stets in seinem Blickfeld. Den beiden war ein Platz im mittleren Teil der über drei Ebenen angelegten, weiß getünchten Terrasse des Remezzo zugewiesen worden. Vor allem war Danny nicht entgangen, wie Khan nach dem Essen Unterlagen zwischen sich und dem Schweizer ausgebreitet hatte. Beide, Khan und Wagnon, schienen sich auch immer wieder Notizen auf den Unterlagen zu machen. Der Pakistani, so hatte es für Danny den Eindruck, schien der Aufgeregtere der beiden. Vielleicht lag es an der lebendigen Atmosphäre, der Musik, dem Jetset-Publikum und dem atemberaubenden Blick über die in sanftes Licht getauchte Chora, die das Hafenbecken umrundete.

Vielleicht aber lag es auch nur am Inhalt dessen, was Khan Wagnon mitzuteilen hatte.

An diesem Abend war der CIA-Agent schlicht Danny, ein junger Journalist und Fotograf, unterwegs im Auftrag eines amerikanischen Lifestyle-Magazins. Danny trug einen hippen Anzug – sein Hemd mit breiten Kragenspitzen hielt er weit aufgeknöpft – und auf dem Kopf einen geflochtenen Borsalino. Nebst dem modischen Aspekt diente der Strohhut vor allem der besseren Tarnung – die langen Haare wollte er diesmal diskret halten.

Bei Sophia hatte Dannys Auftritt seine Wirkung nicht verfehlt, und das war auch so gewollt.

»Hey!« Danny hatte Sophia ein Zeichen gegeben. »Noch einen Martini Sour bitte.« Danny tippte auf die Kamera vor sich. »Und wenn du mal fünf Minuten Zeit hast – ich würde gerne ein paar Fotos mehr machen!«

»Oh!« Sophia war sichtlich geschmeichelt. »Du meinst von mir?«

Danny zeigte über die Terrasse und das Panorama dahinter. »Von dir und diesem verflucht geilen Setting!« Sein Blick ging hinauf zu der obersten der drei Terrassen, denn von dort aus hatte man die beste Sicht über das Geschehen, mit dem nächtlichen Mykonos als Hintergrund. »Und das am besten von dort oben. Was meinst du? Geht das?«

Sophia klatschte begeistert in die Hände. »Oh ja, das wäre großartig! Aber das muss ich erst mit dem Boss abklären. Dimitrios sieht’s nicht gern, wenn wir zu viel Zeit mit einem bestimmten Gast verbringen. Wegen der anderen Gäste, du verstehst.«

Danny nickte, und kaum zwei Minuten später war Sophia auch bereits wieder zurück, in Begleitung von drei aufgeregten Mädchen.

»Danny, darf ich vorstellen: Athina, Eleonora und Rachel. Wir haben uns gesagt: Okay! Wenn schon, dann nur mit uns vieren!«

»Hi Danny!«, riefen die Mädchen im Chor. Es waren die Hostessen des Remezzos, die Danny bereits am Empfang mit einem Strahlen begrüßt hatten. Eine wie die andere bildschön, und dann auch noch ausgesprochen modisch gekleidet – geradezu perfekt für Dannys Plan.

Wieder klatschte Sophia in die Hände. »Oh Gott, Mädels! Ein amerikanisches Magazin!! Mister Dimitrios hat uns genau zehn Minuten gegeben, also los, beeilen wir uns!«

Danny musste grinsen. Wer sagte es denn, klappte doch! Er schnappte sich die Kamera und folgte den Frauen zur höchstgelegenen der drei Terrassen. Das Panorama war tatsächlich noch atemberaubender. Endlich befand sich Danny da, wo er sein wollte: im Rücken von Khan und Wagnon, mit freier Sicht auf deren Tisch auf dem darunterliegenden Mitteldeck, und nur wenige Armlängen entfernt. Und als hätte er sein Leben lang nichts anderes gemacht, dirigierte der CIA-Agent seine Ad-hoc-Mannequins mal in diese, mal in jene Pose – zum unverhohlenen Spaß vor allem der Männer unter den Gästen. Nur für die Mädchen tat es ihm irgendwie leid. Ihre Bilder würden nie in einer Zeitschrift erscheinen.

Auf etwa drei Viertel der Bilder waren Sophia, Athina, Eleonora und Rachel zu sehen, eingerahmt durch ein Remezzo in Partylaune. Danny fand, die Aufnahmen waren ihm ganz ordentlich gelungen, den Ansprüchen eines Lifestyle-Magazins durchaus angemessen. Am Tag seiner Abreise hatte er beim Remezzo einen anonymen Umschlag mit Abzügen hinterlassen. Ein kleines Dankeschön an die Mädchen. Sie würden es zwar nie erfahren, aber sie hatten die perfekte Kulisse für eine ebenso perfekte Spionageoperation der CIA geliefert.

Auf den restlichen Aufnahmen war der Tisch mit Khan und Wagnon abgebildet, von schräg oben und aus verschiedenen Winkeln. Zu Dannys Erleichterung befanden sich darunter ausreichend brauchbare Bilder. Keine Selbstverständlichkeit unter den gegebenen Umständen, denn Danny war keine andere Wahl geblieben, als scheinbar beiläufig in Richtung der beiden Zielpersonen zu halten und abzudrücken. Dass es trotzdem funktioniert hatte, lag auch an dem Gerät, mit dem ihn die Techniker der CIA ausgerüstet hatten, einer Konica C35 AF. Kaum größer als eine Zigarettenschachtel, sorgte dieses kleine Wunderwerk der Fotografie für vollautomatische Belichtung und Fokus.

Was die abgebildeten Notizen und Zeichnungen der beiden Nuklearwissenschaftler zu bedeuten hatten, konnte Danny nicht beurteilen. Ebenso wenig hatte er die technischen Details verstanden, die auf den Aufnahmen aus dem Leto zu hören waren.

Danny hatte seinen Job erledigt. Der Rest oblag Joe White und weiteren Entscheidungsträgern der CIA. Den fatalen Lauf, den die Dinge danach nahmen, konnten auch sie nicht mehr verhindern.

Oder vielmehr: Man wollte es nicht.

3

Bern, Mai 2004

Irgendwie kam Keller die Szene bekannt vor, mit Nuancen zwar, wie der etwas besser sitzende Anzug und der etwas weniger repräsentative Arbeitsplatz. Am Ergebnis hatte sich allerdings wenig geändert.

»Tut mir wirklich leid, aber wie ich Ihnen schon am Telefon sagte: Die vollständigen Akten der WTV liegen bereits im Bundesarchiv. Sie kennen das ja, der ewige Platzmangel …« Es waren mitfühlende Worte gewesen, ausgesprochen vom Leiter Exportkontrollpolitik und Dual-Use Güter des Staatssekretariats für Wirtschaft – wenn sie denn tatsächlich so gemeint gewesen waren. Denn auch hier hatte sich das Bedauern seines Gegenübers in spürbar engen Grenzen gehalten.